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Hier sind die Unzertrennlichen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
416 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am25.09.20141. Auflage
20 Jahre sind vergangen. Die Brüder Pontecorvo sind erwachsen. Doch was heißt das schon bei zwei so begnadeten Neurotikern. Wie kleine Papageienvögel sind sie unzertrennlich, auch wenn jeder nun sein eigenes Leben führt. Und während Filippo die Angst vor der eigenen Berühmtheit plagt, seit sein Comic über die Kinder in den Krisengebieten dieser Welt als Animationsfilm Furore macht, steht sein kleiner Bruder Samuel vor dem Ruin, weil er sich beim Handel mit Baumwolle verspekuliert hat. Und dann die Frauen, ach ja. Ebenso rasant wie beißend komisch erzählt Piperno, wie es erst zum Bruch der Unzertrennlichen und dann zu einer wahrhaft wunderbaren Versöhnung kommt. Ende gut, alles gut. Eine Familiensaga all'italiana: Ausgezeichnet mit dem Premio Strega, der höchsten literarischen Auszeichnung Italiens

Alessandro Piperno, geboren 1972 in Rom, gehört zu den meistausgezeichneten Autoren seiner Generation. Für seinen Debütroman ?Mit bösen Absichten? erhielt er gleich zwei bedeutende Preise, den Premio Viareggio und den Premio Campiello. Sein zweiter Roman ?Die Verfolgung? wurde mit dem Prix du meilleur livre étranger ausgezeichnet. ?Hier sind die Unzertrennlichen? erhielt 2012 den Premio Strega, die höchste literarische Auszeichnung Italiens. Alessandro Piperno lebt in Rom. Zuletzt erschien auf Deutsch ?Die Verfolgung?, Frankfurt 2012.
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Produkt

Klappentext20 Jahre sind vergangen. Die Brüder Pontecorvo sind erwachsen. Doch was heißt das schon bei zwei so begnadeten Neurotikern. Wie kleine Papageienvögel sind sie unzertrennlich, auch wenn jeder nun sein eigenes Leben führt. Und während Filippo die Angst vor der eigenen Berühmtheit plagt, seit sein Comic über die Kinder in den Krisengebieten dieser Welt als Animationsfilm Furore macht, steht sein kleiner Bruder Samuel vor dem Ruin, weil er sich beim Handel mit Baumwolle verspekuliert hat. Und dann die Frauen, ach ja. Ebenso rasant wie beißend komisch erzählt Piperno, wie es erst zum Bruch der Unzertrennlichen und dann zu einer wahrhaft wunderbaren Versöhnung kommt. Ende gut, alles gut. Eine Familiensaga all'italiana: Ausgezeichnet mit dem Premio Strega, der höchsten literarischen Auszeichnung Italiens

Alessandro Piperno, geboren 1972 in Rom, gehört zu den meistausgezeichneten Autoren seiner Generation. Für seinen Debütroman ?Mit bösen Absichten? erhielt er gleich zwei bedeutende Preise, den Premio Viareggio und den Premio Campiello. Sein zweiter Roman ?Die Verfolgung? wurde mit dem Prix du meilleur livre étranger ausgezeichnet. ?Hier sind die Unzertrennlichen? erhielt 2012 den Premio Strega, die höchste literarische Auszeichnung Italiens. Alessandro Piperno lebt in Rom. Zuletzt erschien auf Deutsch ?Die Verfolgung?, Frankfurt 2012.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783104028101
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum25.09.2014
Auflage1. Auflage
Seiten416 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1954 Kbytes
Artikel-Nr.1410320
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

ZWEITER TEIL DER HIMMELSPENDLER

Das Mindeste, was du dir von einem Hotel mit den Sternen am Eingang erwartest, ist, dass in der Berechnung des garantierten Komforts (Beauty-Produkte von Hermès, Satinlaken, Zen-Panorama) auch Platz für einen richtig schönen Schlaf ist.

Einen, wie du ihn als Kind hattest.

Doch etwas musste schiefgelaufen sein, wenn Samuel Pontecorvo um fünf Uhr morgens - nachdem er drei Stunden in etwas gesteckt hatte, das nur vage dem Wachsein und fast überhaupt nicht der erfrischenden Bewusstlosigkeit ähnelte - im Badezimmer von einer nie dagewesenen Angst gepackt wurde.

War es sinnvoll, die Hosen anzuziehen, in die Lobby hinunterzugehen und wegen der schlechten Qualität des Schlafs zu protestieren? Obwohl die Concierges in den letzten Tagen unter Beweis gestellt hatten, wie höflich ihre britische Heuchelei sein konnte, bestand die Gefahr, dass sie ihn dieses Mal für verrückt hielten.

Ein paar Sekunden lang wühlte er in seinem Kulturbeutel herum, aus dem er ein verheerend leeres Döschen herauszog. Das Ende der Begleitung durch Pasaden bot nur neuen Brennstoff für die laufende Angstkrise. Semi hatte einen solchen Respekt vor dieser legalisierten Droge, dass er mit den Jahren gelernt hatte, dass ein Teil des Genusses darin bestand, die Versorgung zu kontrollieren und mit der Abhängigkeit umzugehen. Zu wissen, dass sie da war, mundgerecht, war fast besser, als sie zu schlucken. Sie war ihm (vor einer Ewigkeit) von einem Arzt verschrieben worden, um die Nachwirkungen einer Liebesenttäuschung zu mildern: »Es ist eine japanische Substanz, vielleicht schon etwas angegammelt, aber immer noch wirkungsvoll.« Von wegen angegammelt! Von wegen wirkungsvoll! Semi hatte es auch weiter konsumiert, als die Hörner des untreuen Mädchens ihn schon eine ganze Weile nicht mehr quälten.

Das Blöde war, dass er in den letzten Wochen mehr als einen Grund hatte, es im Übermaß zu konsumieren. Und jetzt, da jede Zelle seines Körpers danach verlangte, getröstet zu werden, fehlte ihm sein gewohntes Allheilmittel. Mit der Verkommenheit eines Fixers begann er gierig die kleinen Vertiefungen der Verpackung auszulecken. Aber der einzige Effekt dieses zügellosen Aktes war, dass er sich noch lächerlicher und durchgeknallter fühlte.

Ruhig, nur ruhig bleiben. Die Gedanken neu sortieren.

Es ist ja normal, dass zu dieser Uhrzeit und in voller Abstinenz von Pasaden die grauen Zellen in deprimierenden Klischees steckenbleiben! Das Letzte, was Semi nämlich brauchte, war Nüchternheit. Tausendmal besser, alles zu vergessen, was vor ein paar Tagen passiert war, als es sorgfältig zu analysieren. Soviel Ironie er auch anwandte, es gab keinen Weg, dem Ereignis den Segen des Erträglichen zu verleihen. Verdammt nochmal! Wenn das keine Sackgasse ist, dass dir ein Typ mit bestialischem Mundgeruch eine Pistole an die Eier hält, also, dann sagt ihr mir, was eine Sackgasse ist. Es ist auch wahr, dass man nicht wissen kann, wie viel Angst es bereitet, eine Pistole auf den Eiern zu haben, bevor sie dir jemand dorthin hält. Und jetzt, da Semi es wusste, brauchte er nur daran zu denken, und seine Hoden zitterten in einem schmerzhaften Krampf.

Die beschwörende Vorsichtsmaßnahme, sich auf die Toilettenschüssel zu setzen, gab ihm das illusorische Gefühl, sich wieder beruhigt zu haben. Es war schön warm hier drinnen (kein Wunder, siebenhundert Pfund die Nacht). Das Rauschen der Dusche, das die Stille der Nacht verletzt, klingt immer wie ein Sakrileg. Oder zumindest wie ein Akt unverzeihlicher Taktlosigkeit. Wenigstens urteilte Semi so, als er daran dachte, dass hinter der Wand des Badezimmers, im selben Bett, in dem sich bis vor wenigen Augenblicken der Kampf zwischen ihm und seinen dunkelsten Vorahnungen abgespielt hatte, Silvia schlief. Meine arme Liebste, lassen wir sie schlafen. Gestern war sie erschöpft.

Semi fragte sich, ob das Mitgefühl, mit dem er an das Mädchen dachte, das übers Wochenende zu ihm nach London gekommen war und mit dem er seit fast fünfzehn Jahren zusammen war, nicht die gefällige, heuchlerische Gestalt verriet, die sein Selbstmitleid angenommen hatte. Oder ob er in einem Ausbruch von Pharisäertum es ganz einfach nicht schaffte, Silvia zu bemitleiden, für das, was er ihr angetan hatte und wahrscheinlich auch weiter antun würde: Lügen, Betrug, der wiedergutmachende Vorschlag zu heiraten, nur um mal anzufangen. Dann alles andere.

Als er aus dem Badezimmer kam, stieß er mit seinem Fuß an den Servierwagen, auf dem die Reste des schnellen Abendessens von gestern standen, die einen unverwechselbaren Geruch nach Himbeerkonfitüre und angetrocknetem Ketchup verbreiteten.

Schon seit langem stellten diese gedeckten Servierwagen für Silvia und ihn den köstlichen Höhepunkt eines planlosen und pseudo-ehelichen Lebens dar. Befremdlich: Semi hatte immer gedacht, dass für ein ordentliches Paar der Moment schlechthin der sein müsste, in dem er genau dann in ihr kommt, wenn auch sie gerade kommt. War dies nicht die eheliche Romantik, nach der er pflichtgemäß strebte? War es denn möglich, dass die ganze Freude, zusammen zu sein, sich für sie im Eindringen der quietschenden Servierwagen erschöpfte, die das gute, aseptische und abscheuliche Essen der Multi-Sterne-Hotels transportierten? Und dass dieses Quietschen der Räder den gemeinsamen Orgasmus ersetzte?

Semi wusste, dass dies alles seinetwegen passierte. Silvias einzige Schuld war es, dass sie sich in ihrer Fügsamkeit den Rhythmen und Abwesenheiten eines zukünftigen Ehemanns angepasst hatte, der jeden Tag mehr einem verdammten Eunuchen ähnelte.

Aber leck sie ihr doch! Das würde in diesem Moment der Geschichte ein echter Mann tun. Du kannst sie nicht vögeln? Nun, dann beweise ihr wenigstens, dass die Tatsache, dass sie eine Frau ist, für dich von Interesse ist. Los, kleine Schwuchtel, steh nicht so stocksteif da: zieh die Decken weg, schieb mit dem Finger behutsam den Streifen Slip beiseite, der dich vom Schatz trennt, und weck sie auf, so wie sie es verdient! Tu, was getan werden muss, was du schon zu lange nicht tust. Ja, vielleicht wird sie zunächst erschrecken, wird ein paar Sekunden lang empört sein, wenn du nicht aufpasst, kann sie sogar um sich treten; aber dann, nachdem die Hemmung überwunden ist, wird sie dich zum Ziel kommen lassen. Aus irgendeinem absurden Grund liebt sie dich. Du musst sie doch dafür belohnen, oder?

Ich weiß, das ist nicht einfach: ihr macht es seit langem nicht mehr. Wenn man es genau bedenkt, habt ihr es sogar so selten gemacht, dass es dir vorkommt, als würdest du dich an jedes einzelne Mal erinnern. In Wahrheit ist das, woran du dich am meisten erinnerst, das Gefühl erfreulicher Erleichterung bei den Gelegenheiten, in denen du bis ans Ende gekommen bist. Das Dumme, mein Junge, ist, dass der Grund, aus dem die Leute vögeln, der ist, nicht bis ans Ende zu kommen. Der Grund, warum die Leute es machen, ist, so lange wie möglich die Zeit zu genießen, die den Moment, in dem man sich auszieht, von dem trennt, in dem man sich wieder anzieht. Normale Menschen betrachten einen vollzogenen Koitus nicht als eine überstandene Gefahr.

 

Semi bewegte sich vorsichtig im Dunkeln und erreichte das große, von einem pompösen Vorhang geschützte Fenster. Er öffnete einen Spalt - ein Schlitz schwachen Lichts im düsteren Meer aus Samt - und warf einen Blick hinaus. Zu dieser Stunde sah Canary Wharf, das Hightech-Viertel im East End an der Themse, wie in Science-Fiction aus. Der Himmel hatte die Farbe reifer Blaubeeren. Ein riesiges Floß mit flachem Boden glitt über den Fluss, mit Tonnen von Industrieabfällen beladen und mit dem Puderzucker des Schneeregens bestäubt.

Wäre er allein gewesen, er hätte bereits Licht und Fernseher angeschaltet. Er hätte seine bösen Gedanken mit ein bisschen Lärm verscheucht. Er hätte sich zwanzig Minuten lang unter die Dusche gestellt. Und wer weiß, vielleicht hätte er dann sogar den Mut gefunden, sich aus dem Fenster zu stürzen.

Und wenn man bedenkt, dass er es war, der einen Monat zuvor darauf bestanden hatte, dass Silvia zu ihm nach London kam. Weil damals (ja, er sagte »damals«, als wäre eine Ewigkeit vergangen) die wunderbare Investition in die Partie usbekischer Baumwolle sich zwar ein wenig verkompliziert hatte, aber noch vielversprechend war.

Deshalb hatte er darauf bestanden. Sie wollten sich auf neutralem Boden treffen. Sein Flugzeug aus Taschkent landete in London. Dort wollte er auf sie warten. Er hatte ganz schön viel zu feiern: fünfzehn Jahre zusammen, die Hochzeit vor der Nase und ein Geschäft, das bei einem guten Abschluss alle Kosten decken würde, die auf sie zukamen. Sie hatte ihm zuliebe den Geburtstag des Chefs geschwänzt, im Anwaltsbüro, in dem sie arbeitete. Und das musste für eine pflichtbewusste und ehrgeizige Frau wie Silvia ein ganz schönes Opfer gewesen sein. Und wofür? Für das x-te romantische Wochenende. Wie prätentiös und abgegriffen!

Seitdem Samuel Pontecorvo vor mehr oder weniger drei Jahren, von einer immer riskanteren und aufreibenderen Arbeit genervt, seinen Posten als Senior Advisary Manager bei der Citibank in New York aufgegeben und, nur um nach Italien zurückzukommen, das Angebot eines Baumwoll-Traders akzeptiert hatte, ihm als Minderheitsgesellschafter in einem florierenden Unternehmen zu assistieren, hatte sich die Zahl seiner Reisen ans Ende der Welt exponentiell erhöht. Auch wenn er, verglichen mit den Jahren, die er in New York gelebt hatte, viel mehr Zeit mit Silvia, mit Rachel, mit Filippo verbringen konnte, gab es keinen Weg, alle diese Reisen entlang der sogenannten »Baumwollstraße« als eine Art zweiter Marco Polo zu umgehen.

Übrigens war Jacob Noterman, sein Sozius und...
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Autor

Alessandro Piperno, geboren 1972 in Rom, gehört zu den meistausgezeichneten Autoren seiner Generation. Für seinen Debütroman >Mit bösen AbsichtenDie VerfolgungHier sind die UnzertrennlichenDie Verfolgung