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Märchen von Brüdern und Schwestern

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
140 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am06.06.20141. Auflage
*** Auf dem FLIEGENDEN TEPPICH um die Welt: die schönsten Märchen endlich wieder lieferbar! *** In einprägsamen Symbolen spiegeln Märchen Wünsche und Erfahrungen wider. Unerschütterliche Liebe und Verbundenheit von Geschwistern kommen darin ebenso zum Ausdruck wie dramatische Feindschaft, erbarmungslose Eifersucht, aber auch aufopferungsvolle Unterstützung und Hingabe.

Ulrike Krawczyk, in Bad Cannstadt geboren, studierte Germanistik und Linguistik an der Universität Stuttgart.
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Produkt

Klappentext*** Auf dem FLIEGENDEN TEPPICH um die Welt: die schönsten Märchen endlich wieder lieferbar! *** In einprägsamen Symbolen spiegeln Märchen Wünsche und Erfahrungen wider. Unerschütterliche Liebe und Verbundenheit von Geschwistern kommen darin ebenso zum Ausdruck wie dramatische Feindschaft, erbarmungslose Eifersucht, aber auch aufopferungsvolle Unterstützung und Hingabe.

Ulrike Krawczyk, in Bad Cannstadt geboren, studierte Germanistik und Linguistik an der Universität Stuttgart.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783104031071
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum06.06.2014
Auflage1. Auflage
Seiten140 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse989 Kbytes
Artikel-Nr.1413383
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Iwan aus der Erbse und Wassilissa mit den goldenen Flechten

Vor langer Zeit lebte einmal ein Zar und eine Zarin mit Namen Swjetossar. Die hatten zwei Söhne und eine Tochter, die schöner war als Sonne, Mond und Sterne und schöner noch, als man es je in einem Märchen erzählen könnte. Ihr seidenes Haar war dicht und wie aus Gold und zu langen Flechten geflochten und hing herab bis zu den Fersen. Obwohl sie in einem Turm lebte, ging dennoch die Kunde von ihrer Schönheit in alle Lande, und die Leute nannten die Zarewna nur Wassilissa mit den goldenen Flechten, die unvergleichlich Schöne.

Zwanzig Jahre lang lebte die Zarentochter abgeschlossen in ihrem Turm, behütet von Zar und Zarin und ihren Ammen und Wärterinnen. Und als die zwanzig Jahre vorübergegangen waren, ließ Zar Swjetossar Boten aussenden in alle Länder, um Zaren, Könige und Fürsten zu einem Feste zu laden, damit sich die schöne Zarewna einen Gemahl erwähle. Der Zar ging selbst in den hohen Turm, um es der schönen Wassilissa anzusagen.

Die Zarentochter freute sich von ganzem Herzen, und sie sprach: »Großmächtiger Vater, hoher Zar, noch nie lief ich über Gras und Blumen, laßt mich mit meinen Ammen und Wärterinnen im Freien lustwandeln.«

Dies gewährte der Zar, und Wassilissa mit den goldenen Flechten stieg hinab in den weiten Schloßhof und spazierte mit ihren Begleiterinnen auf der Blumenwiese. Die schöne Zarewna pflückte sich blaue Blumen und entfernte sich ein wenig von ihren Begleiterinnen, denn ein junges Herz kennt keine Vorsicht. Sie trug keinen Schleier, und unverhüllt war ihre Schönheit. Da brach ein Sturm los, wie ihn selbst die ältesten Leute noch nicht erlebt hatten. Bäume entwurzelten, alles wurde herumgewirbelt und zerbrach. Mit einem Mal ergriff der Sturmwind die schöne Zarewna und trug sie durch die Lüfte davon. Er trug sie über Länder und über Meere, er trug sie über drei Reiche in das vierte Reich, in das Reich des grausamen Drachen. Die Ammen und Wärterinnen schrien und weinten und suchten an allen Orten, doch es war umsonst.

Sie eilten in das Schloß zurück, warfen sich dem Zaren zu Füßen und riefen: »Hoher Zar, unschuldig sind wir an deinem Unglück, wenn wir auch schuldig vor dir erscheinen. Der Sturmwind entführte unser Licht, Wassilissa mit den goldenen Flechten, die unvergleichlich Schöne, und wir wissen nicht wohin. Sprich ein Wort der Gnade, bestrafe uns nicht.«

Der Zar zürnte und war traurig, doch er begnadigte die Ammen.

Am anderen Morgen kamen die Freier ins Schloß, doch der Zar rief: »Der Sturmwind entführte meine Tochter, Wassilissa mit den goldenen Flechten, niemand weiß wohin«, und er erzählte, was geschehen war. Da glaubten die Freier, daß der Zar eine Ausrede gebrauche. Sie stürzten zu dem Turm, doch siehe, der Turm war leer. Der Zar aber beschenkte die hohen Freier reichlich, und ein jeder ritt wieder in sein Land zurück.

Die beiden Zarensöhne, Wassilissas mutige Brüder, sahen die Trauer von Vater und Mutter und baten: »Rüstet uns ein Pferd, großmächtiger Vater, segnet uns, gnädige Mutter. Wir wollen unsere Schwester, Wassilissa mit den goldenen Flechten, suchen.«

»Ach, meine Söhne, Kinder meines Herzens«, sprach der Zar traurig, »wohin wollt ihr denn reiten?«

»Wir werden reiten, wohin der Weg führt, wohin der Vogel fliegt, soweit der Himmel blau ist.« Da ließ der Zar die Pferde für seine Söhne rüsten, die Zarin segnete sie, und sie ritten davon. Sie ritten über Berg und Tal, sie ritten kurze Wege und sie ritten lange Wege, sie ritten ein ganzes Jahr und noch ein zweites und kamen durch drei große Reiche. Endlich schimmerten von fern Berge zwischen sandigen Steppen, das Land des grausamen Drachen.

Die Zarewitsche fragten alle Menschen, die vorübergingen: »Habt ihr nicht Wassilissa mit den goldenen Flechten, die unvergleichlich Schöne, gesehen? Wißt ihr nicht, wo die schöne Zarewna ist?«

Doch die Leute sprachen nur: »Wir haben nichts von ihr gehört, wir haben sie nie gekannt«, und sie gingen rasch weiter. Endlich kamen die Zarewitsche zu einer großen Stadt. Am Tor stand ein lahmer Bettler. Die Zarensöhne gaben ihm ihr Silber und fragten auch ihn: »Hast du nicht Wassilissa mit den goldenen Flechten, die unvergleichlich Schöne, gesehen?«

»Ach, meine Freunde«, sprach der Bettler, »man merkt, daß ihr aus fremdem Lande seid. Unser Herrscher, der grausame Drache, hat bei Strafe verboten, mit Fremden zu reden. Niemand darf davon sprechen, wie der Sturmwind die schöne Zarentochter vorübertrug.«

Da ahnten die Brüder, daß ihre Schwester nahe war. Sie gaben ihren feurigen Rossen die Sporen und ritten zum Schloß des Drachen. Das Schloß war aus purem Gold und stand auf einer silbernen Säule. Das Dach war aus Edelsteinen und die Treppen aus Perlmutter. Wassilissa saß traurig an ihrem goldvergitterten Fenster. Plötzlich schrie sie laut auf vor Freude. Sie hatte die beiden Zarensöhne gesehen und ihre Brüder erkannt. Heimlich sandte sie ihnen einen Boten entgegen und ließ sie in das Schloß führen. Der grausame Drache war nicht zu Hause, und Wassilissa mit den goldenen Flechten fürchtete, daß er die Brüder kommen sähe. Doch kaum waren die beiden eingetreten, da stöhnte die silberne Säule, die perlmutternen Treppen gingen wie Flügel auseinander, und das ganze Schloß drehte sich.

»O weh, der Drache kommt geflogen, versteckt euch, meine Brüder!«

Und schon flog der grausame Drache herbei und pfiff und rief mit lauter Stimme: »Ich spüre einen lebendigen Menschen!« Da kamen die beiden Zarensöhne aus ihrem Versteck hervor.

»Wir sind es, grausamer Drache. Wir sind gekommen, um unsere Schwester, Wassilissa mit den goldenen Flechten, zu erlösen.«

»Tapfere Burschen seid ihr«, schrie der Drache und schlug mit den Flügeln, »und doch habe ich euch schnell bezwungen.« Und er nahm den einen Bruder auf seine Flügel und erschlug damit den anderen. Dann rief er nach den Wächtern und ließ die beiden Toten in die Grube werfen. Wassilissa mit den goldenen Flechten, die unvergleichlich Schöne, weinte bittere Tränen, sie aß nicht und trank nicht und trauerte. Sie weinte und trauerte einen Tag, sie weinte und trauerte zwei Tage und drei Tage. Sie wäre am liebsten gestorben, aber ihrer Schönheit wegen beschloß sie zu leben.

Sie überlegte, wie sie sich selbst von dem Drachen befreien könnte und versuchte es mit kluger Schmeichelei: »Hoher, furchterregender Drache, groß ist deine Kraft! Ist dir kein Gegner gewachsen?«

»Die Zeit meines Gegners ist noch nicht gekommen, mein Täubchen. Es wurde mir geweissagt, mein Gegner würde aus einer Erbse geboren und heiße Iwan aus der Erbse.« Doch dies sagte der Drache nur zum Scherz, er dachte an keinen Gegner. So verläßt sich der Starke oft auf seine Kraft, und doch wird aus Scherz oftmals bitterer Ernst.

Daheim im Reich des Zaren Swjetossar trauerte die Mutter um ihre Kinder. An einem heißen Tag war sie mit ihren Bojarinnen im Garten. Sie war durstig und verlangte zu trinken. Sie schöpfte mit einem goldenen Becher das Wasser der Quelle, die in dem Garten sprudelte, und trank es hastig. Dabei verschluckte sie eine Erbse, und der Zarin wurde sonderbar zumute.

Als die Zeit gekommen war, gebar sie einen Sohn, und sie nannte ihn Iwan aus der Erbse. Der Knabe wuchs nicht nach Jahren, sondern nach Stunden und war mit sieben Jahren ein richtiger Held. Einmal fragte er Vater und Mutter, ob er keine Geschwister gehabt habe. So erzählten sie ihm, daß seine Schwester, Wassilissa mit den goldenen Flechten, vom Sturmwind davongetragen worden sei und daß die beiden Brüder vor Jahren ausgezogen seien, um sie zu suchen. Nie mehr seien sie wiedergekehrt.

»Vater, Mutter, gebt mir euren Segen, laßt mich ausziehen, meine Schwester und meine Brüder zu suchen.«

»Ach, Kind«, riefen die Eltern, »du bist noch so jung und grün. Deine Brüder waren große Helden und kamen um. Dir wird es nicht besser ergehen.«

»Mir wird nichts geschehen«, rief Iwan aus der Erbse, »ich will die Schwester und die Brüder suchen.« Und er bat so lange unter Tränen, bis ihm der Zar das Roß rüstete und die Mutter ihn zur Reise segnete.

Iwan aus der Erbse ritt davon. Er ritt einen Tag und den zweiten Tag, und des Nachts kam er zu einem Hüttchen, das auf Hühnerfüßen stand und sich immerfort drehte. Nach altem Brauch, wie es ihn die Mutter gelehrt hatte, verneigte sich Iwan aus der Erbse und sprach den Spruch:


»Dreh dich mein Hüttchen, dreh dich zu mir,

Mit dem Rücken zum Wald, mit dem Eingang zu mir.«


Und das Hüttchen drehte sich Iwan aus der Erbse zu. Aus dem Fenster sah eine grauhaarige Alte: »Wen hat Gott hierher geführt?«

Iwan aus der Erbse verneigte sich und fragte: »Großmütterchen, sahst du nicht den Sturmwind fliegen? Weißt du nicht, wohin er die schönen Jungfrauen trägt?«

»Ach, wackerer Jüngling«, antwortete die Alte, »auch mich hat der Sturmwind erschreckt. Seit hundertzwanzig Jahren sitze ich in diesem Hüttchen und wage mich nicht vor die Tür, denn er könnte kommen. Aber es ist nicht der Sturmwind, der mich so ängstigt, es ist der grausame Drache.«

»Wie kann ich zu ihm gelangen?« rief Iwan aus der Erbse.

»Bleibe weg, mein Licht, er wird dich verschlingen!«

»Nein, ich will es wagen, er wird mich nicht verschlingen!«

»Vielleicht bist du der Held, der ihm vom Schicksal bestimmt ist. Wenn du den Drachen bezwingst, so nimm auch aus seinem Hort das Wasser der Jugend, denn wer sich damit besprengt, wird wieder jung.«

»Großmütterchen, ich werde dir das Wasser der Jugend bringen.«

»Mein Licht und mein Herz, ich glaube es dir. Reite nun immer geradeaus und folge dem Lauf der Sonne. Übers Jahr wirst du zum...
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