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Die Unschuld des Wassers

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
384 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am25.08.2014
Ruth Rendell ist die »Queen of Crime«
Immer wieder hat Ismay den gleichen Traum: Sie folgt ihrer Schwester in einen Raum mit einem spiegelglatten See, in dem eine weiße Gestalt treibt. Der Traum erinnert Ismay unaufhörlich daran, dass vor neun Jahren ihr Stiefvater in der Badewanne ertrunken ist. Eine lange Zeit, in der die Schwestern niemals über jenen Tag gesprochen haben. Doch egal, wie sehr sie sich bemühen, alle Erinnerungen zu unterdrücken - die schreckliche Wahrheit drängt unerbittlich ans Tageslicht ...

Ruth Rendell wurde 1930 in London geboren und lebte dort bis zu ihrem Tod 2015. Zunächst arbeitete sie als Journalistin, bevor sie sich ganz dem Schreiben von Romanen widmete. Sie hat über sechzig Bücher veröffentlicht, einige davon unter dem Pseudonym Barbara Vine. Dreimal erhielt sie den Edgar-Allan-Poe-Preis und viermal den Golden Dagger Award. 1997 wurde sie mit dem Grand Master Award der Mystery Writers of America, dem renommiertesten Krimipreis, ausgezeichnet und darüber hinaus von Königin Elizabeth II. in den Adelsstand erhoben.
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Produkt

KlappentextRuth Rendell ist die »Queen of Crime«
Immer wieder hat Ismay den gleichen Traum: Sie folgt ihrer Schwester in einen Raum mit einem spiegelglatten See, in dem eine weiße Gestalt treibt. Der Traum erinnert Ismay unaufhörlich daran, dass vor neun Jahren ihr Stiefvater in der Badewanne ertrunken ist. Eine lange Zeit, in der die Schwestern niemals über jenen Tag gesprochen haben. Doch egal, wie sehr sie sich bemühen, alle Erinnerungen zu unterdrücken - die schreckliche Wahrheit drängt unerbittlich ans Tageslicht ...

Ruth Rendell wurde 1930 in London geboren und lebte dort bis zu ihrem Tod 2015. Zunächst arbeitete sie als Journalistin, bevor sie sich ganz dem Schreiben von Romanen widmete. Sie hat über sechzig Bücher veröffentlicht, einige davon unter dem Pseudonym Barbara Vine. Dreimal erhielt sie den Edgar-Allan-Poe-Preis und viermal den Golden Dagger Award. 1997 wurde sie mit dem Grand Master Award der Mystery Writers of America, dem renommiertesten Krimipreis, ausgezeichnet und darüber hinaus von Königin Elizabeth II. in den Adelsstand erhoben.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641151287
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum25.08.2014
Seiten384 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse780 Kbytes
Artikel-Nr.1469909
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



1

Wochenlang verschwendete Ismay keinen einzigen Gedanken daran. Dann rief irgendetwas die Erinnerung wieder wach, oder ein Traum ließ alles wieder aufleben. Der Traum begann immer gleich: Sie stieg mit ihrer Mutter die Treppe hinauf und folgte Heather durchs Schlafzimmer in den Raum auf der anderen Seite. Im Traum befand sich hier allerdings kein Bad, sondern ein ringsum mit Marmor getäfeltes Gemach, in dessen Mitte ein spiegelglatter See lag. Das weiße Ding im Wasser trieb, mit dem Gesicht nach unten, auf sie zu, und ihre Mutter rief absurderweise: »Schau weg!« Denn das tote Ding war ein Mann, ein nackter Mann, und Ismay ein fünfzehnjähriges Mädchen. Aber sie hatte hingesehen, und in den Träumen tat sie es wieder. Allerdings schaute sie nur auf das Gesicht des Ertrunkenen. Es war Guy. Sie hatte dem Toten ins Gesicht gesehen. Manchmal vergaß sie den Anblick, und doch flammte er immer wieder vor ihrem inneren Auge auf: die Angst, die noch in den toten Augen stand, die geblähten Nasenflügel, die statt Luft Wasser eingesogen hatten.

Heather zeigte weder Furcht noch sonst eine Emotion. Sie stand nur mit hängenden Armen da. Das nasse Kleid klebte ihr am Körper; unter dem Stoff zeichnete sich deutlich ihr Busen ab. Alle waren stumm, in der Realität wie in den Träumen, bis ihre Mutter auf die Knie sackte und unter Weinen und Lachen völlig wirres Zeug daherplapperte.

Bei Ismays Rückkehr war das Haus von Grund auf verändert. Selbstverständlich hatte sie gewusst, dass es zwei separate Wohnungen geben würde: eine im oberen Stockwerk für ihre Mutter und Pamela und die untere für sie und ihre Schwester Heather. Zwei Schwesternpaare - zwei Generationen. Doch eines war ihr während ihres letzten Universitätssemesters im sechshundertfünfzig Kilometer entfernten Schottland nicht klar gewesen: dass dabei ein Teil des Hauses verschwinden würde.

Die Idee dazu stammte von Pamela, auch wenn diese keinen Grund dafür hätte nennen können. Sie hatte von dem Vorfall so wenig Ahnung wie der Rest der Welt. In aller Unschuld und in bester Absicht hatte sie die drastischen Veränderungen geplant und ausgeführt. Pamela zeigte Ismay die Erdgeschosswohnung und begleitete sie dann nach oben.

»Ich bin nicht sicher, wie viel Beatrix versteht«, sagte sie, während sie die Tür zum ehemaligen Elternschlafzimmer öffnete. Hinter diesem Zimmer hatten sie damals den Ertrunkenen gefunden. »Ich kann nicht sagen, an wie viel sie sich noch erinnert. Weiß der Himmel, ob sie überhaupt realisiert, dass es sich um dasselbe Zimmer handelt.«

Das kann ja ich kaum, dachte Ismay und verstummte schockiert. Beinahe ängstlich sah sie sich um. Inzwischen war alles ein einziger Raum. Die Tür zum Bad - wo war sie gewesen? Die raumhohen Balkontüren waren verschwunden. Stattdessen gab es eine einzelne Glastür. Das Ganze wirkte größer und ähnelte mehr dem Zimmer aus den Träumen, wenn es auch nicht ganz so weitläufig war.

»So ist's doch besser, Issy, oder nicht?«

»O ja, ja. Es war nur so ein Schock.« Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn sie das Haus verkauft hätten und weggezogen wären. Andererseits, wie hätten sie und Heather sich eine eigene Wohnung leisten können? »Hat Heather es schon gesehen?«

»Sie liebt ja Veränderungen über alles. Ich weiß nicht, wann sie das letzte Mal mit einer solchen Begeisterung auf etwas reagiert hat.« Pamela zeigte ihr die beiden Schlafzimmer, die früher einmal ihr und Heather gehört hatten, die neue Küche und das neue Bad. Am Treppenabsatz blieb sie stehen, umklammerte den Geländerpfosten und blickte Ismay fast flehend an. »Es ist neun Jahre her, Issy. Oder sind es schon zehn?«

»Neun. Fast neun.«

»Ich dachte, eine solche Veränderung würde dir helfen, die Sache endlich zu überwinden. Wir konnten dieses Zimmer doch nicht noch länger gesperrt lassen. Wie lange ist es her, seit es jemand betreten hat? Wahrscheinlich auch neun Jahre.«

»Ich denke nicht mehr viel daran«, log sie.

»Manchmal bilde ich mir ein, Heather könnte es vergessen haben.«

»Vielleicht kann ich es jetzt auch vergessen«, sagte Ismay und ging hinunter, um ihre Mutter zu suchen, die mit Heather im Garten geblieben war.

Vergessen ist keine Willenssache. Und so hatte sie die Sache zwar nicht aus ihrem Gedächtnis streichen können, aber das Gespräch mit Pamela, der Rundgang durch ihr altes Zuhause mit seinen Neuerungen markierten für Ismay einen Wendepunkt. Obwohl sie auch in der folgenden Nacht wieder von dem ertrunkenen Guy träumte, änderte sich allmählich ihre Einstellung, und sie spürte, wie die Last auf ihren Schultern leichter wurde. Sie hörte auf, sich zu fragen, was an diesem heißen Augustnachmittag passiert war. Wo war Heather gewesen? Was genau hatte Heather getan - wenn sie überhaupt etwas getan hatte? War vielleicht sonst noch jemand im Haus gewesen? Neun lange Jahre hatten die bohrenden Fragen und Spekulationen sie nicht losgelassen. Endlich hatte sie sich nach dem Grund dafür gefragt. Angenommen, sie fand die Wahrheit heraus. Was konnte sie damit anfangen? Sie hatte nicht vor, ihr zukünftiges Leben mit Heather zu teilen und sie vor irgendetwas zu beschützen, geschweige denn, sie »zu retten«. Die momentane Situation war einfach nur praktisch. Sie waren Schwestern und standen sich nahe. Sie liebte Heather, und das beruhte ganz gewiss auf Gegenseitigkeit.

Sie und Heather im Erdgeschoss, ihre Mutter mit Pamela im ersten Stock. Als Ismay ihre Mutter zum ersten Mal in dem neuen Wohnzimmer erlebte, beobachtete sie sie aufmerksam. Ihre Mutter hatte sich mit ihrem Radio, ihrem Fußschemel und ihrer Handtasche, die sie überall herumschleppte, eine Ecke eingerichtet. Ismay wollte wissen, ob der Blick der unter Medikamenten stehenden Beatrix vielleicht geistesabwesend das hintere Ende des Zimmers streifte, das sich am stärksten verändert hatte. Aber nein, das tat er nie. Offensichtlich war sie nicht einmal imstande zu begreifen, dass es sich um ein und dasselbe Zimmer handelte. Pamela hatte beide Schwestern auf einen Drink eingeladen. Heather ging mit Ismay hinauf, und es war genau, wie Pamela gesagt hatte. Heather benahm sich, als hätte sie alles vergessen. Sie ging sogar zu der neuen Glastür und öffnete sie, um zu prüfen, ob es regnete. Dann machte sie die Tür wieder zu und kam zurück. Vor einem Bild, das Pamela vor Kurzem aufgehängt hatte, blieb sie stehen. An dieser Wand hatte früher der Handtuchhalter gehangen; davor stand ein Schränkchen, auf das Beatrix eine Schüssel mit bunten Seifenstücken gestellt hatte. Ironischerweise war dieses Bild das Einzige, was an das ehemalige Badezimmer erinnerte: der Druck eines Bonnard-Gemäldes mit einer nackten Frau, die sich nach dem Bad abtrocknet.

Wenn alle den Vorfall vergessen, ignorieren oder akzeptieren konnten, dann musste sie es auch tun. Hatte sie ja auch schon. Fast war Ismay stolz darauf, dass sie genau das getan hatte, was man nach landläufiger Meinung tun musste: weitermachen. Als Ismay das nächste Mal in Pamelas Abwesenheit im oberen Stockwerk auf ihre Mutter aufpasste, stand sie irgendwann auf und ging über den polierten Boden und zwei Teppiche bis zu einem Tisch, der den Platz eingenommen hatte, an dem sich früher die Dusche befand. Dort nahm sie einen gläsernen Briefbeschwerer mit Rosenmuster in die Hand. Während sie ihn gegen das Licht hielt, spürte sie, wie ihr Herz schneller schlug. Das Pochen beruhigte sich, wurde langsamer und gleichmäßig. Dann drehte sie sich um und betrachtete demonstrativ die Stelle, wo Guy gestorben war.

Beatrix hatte ihr Radio eingeschaltet und dabei wie immer ihren Körper so nach links verdreht, dass ihr Kopf fast auf dem Regalbrett neben dem Radio lag. Sie presste ihr Ohr an den Lautsprecher. Nichts deutete darauf hin, dass sie registrierte, wo Ismay stand. Als ihre Tochter sie anlächelte, rang sie sich ein zerstreutes Lächeln ab.

Kurze Zeit später fand Ismay einen Job in der Werbung, und Heather kam in der Gastronomie unter. Die Schwestern kamen gut miteinander aus. Wie immer. Ismay hatte sich schon vor langer Zeit, beinahe unbewusst, zu Heathers Aufpasserin ernannt. Nein, das nun auch nicht, niemals - zu ihrer Gefährtin war sie geworden. Sie hatte nicht die Absicht, Heather zu überwachen, und wollte sie auch nicht »im Auge behalten« - Ismay wollte einfach nur da sein und sich um sie kümmern. Bei jedem Besuch daheim, jedes Mal, wenn ihre getrennten Wege sie während der letzten vier Jahre zusammenführten, hatte sie sich detailliert nach allem erkundigt und Heather aufmerksam zugehört. An die Zukunft und die damit unausweichlich verbundene Trennung verschwendete sie nie viele Gedanken. Entweder würde es eines Tages zwangsläufig dazu kommen, oder man musste die Trennung vermeiden, wofür beide einen grausamen Preis bezahlen würden.

So lebten sie zusammen, ohne je ein Wort über die Veränderungen im Haus zu verlieren, geschweige denn über den Vorfall an jenem Augusttag, an dem Ismay fünfzehn und Heather zwei Jahre jünger gewesen war. So blieb es Ismay erspart, jene nie ausgesprochene Frage zu stellen. Jede von ihnen zahlte die Hälfte der Miete als Unterhalt an Beatrix.

Ein Jahr verging und noch ein halbes. Ismay verliebte sich. Als sie Pam, die ihr zuhörte, und ihrer Mutter, die anscheinend nichts davon aufnahm und nicht einmal die Worte zu hören schien, davon erzählte, schilderte sie ihren Zustand wie einen freien Fall ins Ungewisse. Noch nie hatte eine Frau so leidenschaftlich geliebt wie Ismay ihren Andrew Campbell-Sedge. Auch Heather hörte zu, hatte aber ihrerseits nichts zu berichten. Heather und Liebesaffären? Wenn, dann waren es sicher nur kurze,...


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Ruth Rendell wurde 1930 in London geboren und lebte dort bis zu ihrem Tod 2015. Zunächst arbeitete sie als Journalistin, bevor sie sich ganz dem Schreiben von Romanen widmete. Sie hat über sechzig Bücher veröffentlicht, einige davon unter dem Pseudonym Barbara Vine. Dreimal erhielt sie den Edgar-Allan-Poe-Preis und viermal den Golden Dagger Award. 1997 wurde sie mit dem Grand Master Award der Mystery Writers of America, dem renommiertesten Krimipreis, ausgezeichnet und darüber hinaus von Königin Elizabeth II. in den Adelsstand erhoben.