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Ein Ende mit Tränen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am31.03.2015
Es ist der schlimmste Albtraum eines jeden Vaters: Der Tag bricht an, und George Marshalsons Tochter Amber ist noch immer nicht nach Hause gekommen. Noch ahnt George nicht, dass Amber nie mehr heimkehrt - und er weiß auch nicht, dass er selbst schon bald ihre Leiche entdecken wird.
Chief Inspector Wexford war in seiner langen Karriere noch nie mit einem so schrecklichen Fall konfrontiert, und als Vater zweier Töchter empfindet er grenzenloses Mitgefühl für die Familie Marshalson. Doch dann muss der erfahrene Ermittler erkennen, dass Böses allzu oft im Namen der Liebe geschieht. Und je länger Wexford ermittelt, desto verlorener fühlt er sich in einer Welt, deren Vorstellung von Moral ihm völlig fremd ist ...

Ruth Rendell wurde 1930 in London geboren und lebte dort bis zu ihrem Tod 2015. Sie arbeitete als Journalistin, bevor sie sich ganz dem Schreiben von Romanen widmete. 1997 wurde sie mit dem Grand Master Award der Crime Writers' Association of America, dem renommiertesten Krimipreis, ausgezeichnet und darüber hinaus von Königin Elizabeth II. in den Adelsstand erhoben. Ruth Rendell ist auch unter dem Pseudonym Barbara Vine bekannt.
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Produkt

KlappentextEs ist der schlimmste Albtraum eines jeden Vaters: Der Tag bricht an, und George Marshalsons Tochter Amber ist noch immer nicht nach Hause gekommen. Noch ahnt George nicht, dass Amber nie mehr heimkehrt - und er weiß auch nicht, dass er selbst schon bald ihre Leiche entdecken wird.
Chief Inspector Wexford war in seiner langen Karriere noch nie mit einem so schrecklichen Fall konfrontiert, und als Vater zweier Töchter empfindet er grenzenloses Mitgefühl für die Familie Marshalson. Doch dann muss der erfahrene Ermittler erkennen, dass Böses allzu oft im Namen der Liebe geschieht. Und je länger Wexford ermittelt, desto verlorener fühlt er sich in einer Welt, deren Vorstellung von Moral ihm völlig fremd ist ...

Ruth Rendell wurde 1930 in London geboren und lebte dort bis zu ihrem Tod 2015. Sie arbeitete als Journalistin, bevor sie sich ganz dem Schreiben von Romanen widmete. 1997 wurde sie mit dem Grand Master Award der Crime Writers' Association of America, dem renommiertesten Krimipreis, ausgezeichnet und darüber hinaus von Königin Elizabeth II. in den Adelsstand erhoben. Ruth Rendell ist auch unter dem Pseudonym Barbara Vine bekannt.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641151294
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum31.03.2015
SpracheDeutsch
Dateigrösse682 Kbytes
Artikel-Nr.1597473
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



2
______

George Marshalson hatte schlecht geschlafen. Das tat er immer, wenn sie ausging. Kurz nachdem sie das Haus verlassen hatte, hatte er sich hingelegt und ein, zwei Stunden geschlafen, dann war er aufgewacht und lag seither wach. Auch Dianas Nähe bot ihm keinen Trost, schon lange nicht mehr. Es war eine warme Augustnacht und trotz der weit offenen Fenster stickig und schwül. Da lag er nun und lauschte den Geräuschen der Nacht: dem trägen Glucksen des Flusses, dem unheimlichen Klageruf eines unbekannten Vogels.

Als er am Wecker den Beleuchtungsknopf für das Zifferblatt drückte, sah er, dass es erst dreiundzwanzig Uhr einundvierzig war. Er musste ins Bad. Dieser Drang machte ihm schmerzhaft bewusst, dass auch seine Prostata, wie bei den meisten Männern seines Alters, nicht mehr ganz perfekt funktionierte. Er teilte die bodenlangen Vorhänge ein paar Zentimeter und spürte einen Lufthauch im Gesicht. Am wolkenlosen Himmel war der Mond aufgegangen. Ach, wäre doch nur irgendetwas passiert, das sie früh nach Hause getrieben hätte. Das wäre schön gewesen. Wenn zum Beispiel diese schreckliche Disco zugemacht hätte. Sogar eine Polizeirazzia wäre ihm recht gewesen, auch wenn er sich kaum vorstellen konnte, dass Amber etwas anstellte, wodurch die Polizei auf sie aufmerksam würde. Oder doch? Bei der heutigen Jugend wusste man das nie so genau. Trotzdem wäre es schön, wenn man die Vorhänge fallen lassen und wieder teilen könnte, um dann zu sehen, wie sie den Weg herunterkäme ...

Manchmal war er nachts auf die Straße hinausgegangen und hatte nach ihr Ausschau gehalten. Eine hoffnungslose Dummheit. So etwas konnte man keinem Menschen beichten, das wusste bis jetzt nicht einmal Diana. Er war ins Freie gegangen, war die zwei- oder dreihundert Meter bis zur Ecke gelaufen, hatte die Landstraße, die von Myfleet nach Kingsmarkham führte, nach links und rechts abgesucht und war dann wieder umgedreht. So ein Verhalten wäre auch heute wieder sinnlos, aber solche Sachen machten ängstliche Eltern oder Verliebte nun mal. Doch selbst wenn er sich heute erneut dazu aufraffen würde, wäre es noch viel zu früh. Sie säße noch in dieser Disco, die in seiner Fantasie ein unterirdischer Bau war, und würde mit ihren Freunden irgendetwas machen. Er ließ die Vorhänge fallen und betrachtete Diana, die mit einer Hand an der Wange still schlief. Im Schlaf war sie wieder jung. Dieses Phänomen trat angeblich auch bei frisch Verstorbenen auf. Hatte sie vielleicht jemanden? »Einen anderen«, wie man so schön sagte? Plötzlich empfand er es als obszön, wenn sie das Bett mit ihrem Mann teilte, obwohl sie einen Liebhaber hatte. Aber vielleicht hatte sie ja gar keinen. Vermutlich nicht. Sie hatte einfach kein Interesse an ihm, und das beruhte auf Gegenseitigkeit. Dieser Gedanke kam ihm nur selten, aber in solchen Momenten merkte er, dass ihm außer Amber eigentlich nichts und niemand wirklich am Herzen lag.

Er fiel in einen unruhigen Schlaf. Ein Geräusch weckte ihn. Ein Auto auf dem Weg? Vielleicht hatte dieser Junge sie heimgebracht, auch wenn er sie normalerweise an der Ecke absetzte. Aber vielleicht hatte er sie doch ganz nach Hause gebracht. Noch einmal beleuchtete er das Zifferblatt. Ein Uhr sechsundfünfzig. Ihre übliche Zeit. Normalerweise verhielt sie sich ganz leise, um ja nicht das Kind aufzuwecken oder ihn und Diana zu stören. Vielleicht war sie doch zu Hause. Vielleicht hatte er die vordere Haustür klappen gehört. Lauschend lag er da. Stille. Dann stieß der unbekannte Vogel seinen traurigen Ruf aus. Zwei Uhr, halb drei, zehn vor drei ... Er stand auf und ging auf den Treppenabsatz hinaus. Beim Heimkommen würde sie ihre Schlafzimmertür schließen. - Die Tür stand weit offen.

Die chaotische Unordnung, das ungemachte Bett, die überall achtlos verstreute Kleidung starrten ihn an. Nur die Mondnacht milderte den Anblick, den er normalerweise als Beleidigung empfand. Sie war nicht daheim. Drei Uhr war sehr spät, und inzwischen war es nach drei Uhr. Er ging die Treppe hinunter und lief barfuß durch die große Diele mit dem Holzboden, die einzig kühle Oberfläche im ganzen Haus. Dabei redete er sich ein, er würde sie im Wohnzimmer finden oder in der Küche, wo sie eine Kleinigkeit aß und dazu dieses seltsame Mineralwasser trank, das heutzutage alle ständig in sich hineinschütteten. Dort war sie nicht. Es war sinnlos, wieder ins Bett zu gehen, dachte er. Ich kann sowieso nicht mehr schlafen. Aber was sollte er dann tun? Nachts gab es keine Beschäftigung, diese Tageszeit war zum Schlafen gedacht. Während er die Treppe hinaufstieg, drang ein Schrei an sein Ohr, aber nicht von diesem Vogel, sondern von dem Baby. George hätte den Kleinen schreien lassen, wenn es nach ihm gegangen wäre, obwohl er Amber nie hatte schreien lassen. Er ging ins Schlafzimmer und sah Diana splitterfasernackt auf der Bettkante sitzen. So schlief sie eben, schon immer. In der ersten Zeit, am Anfang ihrer Ehe, hatte ihm das natürlich gefallen, jetzt hielt er es für - unschicklich. In seinem Alter und, wenn er´s genau nahm, auch in ihrem. Wortlos stand sie auf, warf den blauen Seidenmantel über, den sie vor dem Schlafengehen abgelegt hatte, und sah nach dem Kleinen.

Erst nach knapp zehn Minuten hatte sie ihn wieder beruhigt. Als sie zurückkam, hatte er das Licht angeknipst und saß im Bett.

»Sie ist immer noch nicht heimgekommen«, sagte sie.

»Ich weiß.«

»Du musst endlich ein Machtwort sprechen. Du musst ihr erklären, dass wir so ein Verhalten einfach nicht akzeptieren. Wenn sie unter unserem Dach leben und sämtliche Vorteile daraus genießen will, dann muss sie spätestens um Mitternacht daheim sein. Schließlich ist sie gerade erst achtzehn, Himmelherrgott noch mal!«

»Sie wird erst achtzehn, im November.«

Sie gab keine Antwort. Sie wird erleichtert sein, dachte er und knipste das Licht aus. Erneut herrschte Dunkelheit. Er hörte die blaue Seide von ihrem nackten Körper gleiten. Die glatte warme Haut ihres Oberschenkels streifte ihn und ließ ihn trotz der Hitze zittern.

Der Mond war verschwunden, die Dämmerung noch nicht angebrochen. Eine geschlagene Stunde lang konnte er nicht einschlafen, dann stand er auf, ging ins Bad und zog sich an: Flanellhose, Hemd mit Kragen und Manschettenknöpfen, Socken und Budapester. Amber bezeichnete so etwas als Altherrenkleidung, aber er wusste nicht, was er sonst anziehen sollte. Wahrscheinlich hatte er doch ein bisschen geschlafen, nachdem Diana wieder ins Bett gekommen war. Angeblich schlief oder döste man ja auch, wenn man nicht sicher wusste, ob es so war. Vielleicht war Amber während seines unruhigen Schläfchens heimgekommen. Erwartungsvoll blieb er fünf, zehn Minuten am Schlafzimmerfenster stehen. Erst dann trat er auf den Treppenabsatz hinaus. Er wollte den Moment der Freude beim Anblick ihrer geschlossenen Tür oder aber den Schrecken hinauszögern, wenn er entdecken sollte, dass die Tür immer noch offen stand.

Sie stand offen.

Erst jetzt verlieh er seiner lange verdrängten Angst Ausdruck. Irgendetwas musste ihr zugestoßen sein. Was achtzehnjährigen Mädchen eben so passiert, wenn sie nachts allein unterwegs sind. Es war zehn Minuten vor fünf, und es wurde allmählich hell. Der blasse Himmel schimmerte in einer Farbe, für die es keine Bezeichnung gibt, es sei denn, man vergleicht sie mit einer Perle. Stundenlang hatte sich die Luft im Freien wie ein nasses Tuch angefühlt, jetzt war sie frisch und kühl. Ich werde bis zur Ecke vorgehen, dachte er. Wenn es sein muss, werde ich kilometerweit die Landstraße entlanglaufen, bis ich sie finde. Und wenn nicht, dann liege ich wenigstens nicht daheim in diesem Bett neben dieser Frau und muss mir dieses Babygeschrei anhören.

An der Mill Lane standen nur sein Haus und auf der anderen Straßenseite, hundert Meter weiter weg, drei kleine Reihenhäuser im Villenstil, das sogenannte Jewel Terrace. Offensichtlich wusste niemand, warum und für wen man diese Häuser hier vor hundertfünfzig Jahren gebaut hatte. Vor dem mittleren Haus parkte ein Auto am Grünstreifen. George wunderte sich kurz, warum John Brooks seinen Wagen über Nacht dort stehen gelassen hatte, obwohl es dafür genug Platz in seiner Einfahrt gab. Kaum war ihm dieser Gedanke durch den Kopf geschossen, musste er unweigerlich wieder an Amber denken. Brooks hatte Amber über ihre anfänglichen Schwierigkeiten mit Dianas Computer hinweggeholfen. Warum hatte sie Diana nicht selbst gefragt? Die beiden hatten einander nie leiden können, von Anfang an nicht. Wie konnte jemand seine kleine Amber nicht mögen?

Aber wo war sie? Was war mit ihr passiert? Wie er auf der Seite von Jewel Terrace weiterging, kam er ans Ende der Mill Lane und schaute so weit wie möglich in die Myfleet Road, die hier für eine längere Strecke schnurgerade verlief. Es handelte sich um eine von Feldern und Wäldern gesäumte einspurige Durchgangsstraße. Bis auf den Wegweiser »Nach Brimhurst St. John«, der in die Mill Lane hineinzeigte, gab es hier weder Verkehrszeichen noch Fahrbahnmarkierungen. Es war sinnlos, diese Straße entlangzugehen. Am besten würde er wieder nach Hause gehen und den Wagen holen. Er hätte auch diesen Jungen anrufen können, diesen Ben Miller. Natürlich wäre es unerhört, jemanden um fünf Uhr morgens anzurufen; Miller war nicht einmal Ambers Freund. Sie hatte keinen. Aber auch das kümmerte ihn herzlich wenig. Ach, wie erleichtert wäre er, wenn sie bei den Millers in Myfleet wäre. Aber...


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Autor

Ruth Rendell wurde 1930 in London geboren und lebte dort bis zu ihrem Tod 2015. Sie arbeitete als Journalistin, bevor sie sich ganz dem Schreiben von Romanen widmete. 1997 wurde sie mit dem Grand Master Award der Crime Writers' Association of America, dem renommiertesten Krimipreis, ausgezeichnet und darüber hinaus von Königin Elizabeth II. in den Adelsstand erhoben. Ruth Rendell ist auch unter dem Pseudonym Barbara Vine bekannt.