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Die Anatomie der Nacht

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
352 Seiten
Deutsch
Carlsen Verlag GmbHerschienen am24.04.2015Auflage
Megacool und hochromantisch - eine urbane Liebesgeschichte von der Autorin von »Unter dem Zelt der Sterne« Bex zeichnet anatomische Studien, aber nicht jede*r kann sich dafür begeistern. Jack verziert San Franciscos Bauwerke mit riesigen Goldbuchstaben, aber nicht jede*r hält das für Kunst. Als die beiden sich zufällig im Nachtbus begegnen, sind sie sofort voneinander fasziniert. Und sie setzen alles daran, um sich wiederzusehen. Es ist der Beginn eines großen Abenteuers - und bald schon viel mehr: Bei Tag und bei Nacht, auf den Dächern der Stadt und in den Tunneln der U-Bahn wächst ihr Vertrauen zueinander. Und zwischen ihnen erblüht die Liebe. »Gleichzeitig hochaktuell und universell. Ergreifend.« NDR Info, Katharina Mahrenholtz

Jenn Bennett wurde in Deutschland geboren, zog dann aber in die USA. Sie reist gern, u.a. nach Europa und Südostasien. Sie arbeitet hauptberuflich als Autorin und hat u.a. eine sehr erfolgreiche Fantasyserie geschrieben, bevor sie nun mit 'Die Anatomie der Nacht' ihr erstes realistisches Jugendbuch vorlegt. Jenn Bennett lebt mit ihrem Mann in Georgia.
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Produkt

KlappentextMegacool und hochromantisch - eine urbane Liebesgeschichte von der Autorin von »Unter dem Zelt der Sterne« Bex zeichnet anatomische Studien, aber nicht jede*r kann sich dafür begeistern. Jack verziert San Franciscos Bauwerke mit riesigen Goldbuchstaben, aber nicht jede*r hält das für Kunst. Als die beiden sich zufällig im Nachtbus begegnen, sind sie sofort voneinander fasziniert. Und sie setzen alles daran, um sich wiederzusehen. Es ist der Beginn eines großen Abenteuers - und bald schon viel mehr: Bei Tag und bei Nacht, auf den Dächern der Stadt und in den Tunneln der U-Bahn wächst ihr Vertrauen zueinander. Und zwischen ihnen erblüht die Liebe. »Gleichzeitig hochaktuell und universell. Ergreifend.« NDR Info, Katharina Mahrenholtz

Jenn Bennett wurde in Deutschland geboren, zog dann aber in die USA. Sie reist gern, u.a. nach Europa und Südostasien. Sie arbeitet hauptberuflich als Autorin und hat u.a. eine sehr erfolgreiche Fantasyserie geschrieben, bevor sie nun mit 'Die Anatomie der Nacht' ihr erstes realistisches Jugendbuch vorlegt. Jenn Bennett lebt mit ihrem Mann in Georgia.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783646927511
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum24.04.2015
AuflageAuflage
Seiten352 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1773 Kbytes
Artikel-Nr.1552757
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Eins

Die letzte Bahn fiel aus. Es war kurz vor Mitternacht und ich hatte fast eine Stunde lang an der Haltestelle University Hospital gewartet, meine Kunstmappe und einen Überrest Stolz an mich gedrückt. Meine Gesellschaft bestand aus: einigen angehenden Medizinstudenten, einer älteren Chinesin, die ihren Schirm wie eine Waffe schwenkte, einem redefreudigen Schnorrer namens Will (der im Parkhaus der Klinik lebte) und einem enthusiastischen, betrunkenen Straßenprediger, der uns entweder vor dem Ende der Welt durch einen Feuersturm warnen oder uns Boxkampftickets andrehen wollte - vielleicht beides.

»Der N-Judah-Doppelzug ist im Sunset Tunnel liegengeblieben«, las einer der Medizinstudenten auf seinem Telefon. »Sieht aus, als müssten wir den Owl nehmen.«

Allgemeines Aufstöhnen ging durch die Gruppe.

Der verhasste Nachtbus, wegen seines Eulenlogos auch Owl genannt.

Wenn der Stadtbahnverkehr in San Francisco nachts eingestellt wird und die meisten Bewohner schlafen, werden die überirdischen Strecken von Owl-Bussen übernommen. Ich war bisher nur einmal kurz vor den Sommerferien mit dem Nachtbus gefahren. Mein älterer Bruder Heath hatte mich in völliger Fehleinschätzung meines Geschmacks mit Tickets für ein Singalong von The Little Mermaid (Leuchtstäbe, Muschel-BHs) im Castro Theatre aufmuntern wollen, und nach einem mitternächtlichen Imbiss in einem heruntergekommenen Pub hatten wir die letzte Bahn verpasst. Owl-Busse sind langsamer, dreckiger und voll mit Leuten, die von Partys kommen, aus Clubs oder Bars - gute Chancen also, eine Prügelei mitzubekommen oder auch plötzliches Erbrechen. Mit Heath einen Owl zu nehmen war das eine. Allein zu fahren etwas anderes, vor allem, wenn niemand wusste, wo ich war.

Ja, ich weiß. Nicht die allerschlauste Idee, aber ich hatte kein Geld für ein Taxi. Ich kaute auf einem abgerissenen Nagelhautfetzen herum, starrte auf die nebelumhüllte Straßenlaterne und hoffte bloß, dass ich nicht so verängstigt aussah, wie ich war.

Nur so nebenbei, ich darf nach zehn Uhr abends eigentlich nicht mehr mit Öffentlichen fahren. Das ist in den Augen meiner Mutter die statistisch belegbare Obergrenze, um keinem Gewaltverbrechen zum Opfer zu fallen. Die Uhrzeit ist nicht willkürlich gewählt. Mom ist Krankenschwester und macht drei- bis viermal die Woche Nachtdienst in der Notaufnahme auf der anderen Straßenseite (wo sie auch in diesem Moment war), deshalb weiß sie ganz genau, wann Opfer mit Schussverletzungen eingeliefert werden. Und obwohl das Busverbot auch für Heath galt, war mir klar, dass ich wesentlich stärker gefährdet war, weil ich klein und weiblich und noch nicht achtzehn war.

Na gut, ich mag in der Opferstatistik ganz oben stehen, aber ich treibe mich ja nicht ständig nach Mitternacht in der Stadt herum und zeige meinem kostbaren jugendlichen Leben den Mittelfinger. Wirklich, so riskant war es eigentlich nicht. Die Gegend war nicht gefährlich und ich fahre seit meiner Kindheit mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Außerdem hatte ich Pfefferspray und einen nervösen Zeigefinger.

Und ich hatte einen guten Grund, heimlich unterwegs zu sein: Ich hatte der Professorin, die das Institut für Anatomie leitete, meine Zeichnungen zeigen und sie überzeugen wollen, mir Zugang zum Präpariersaal zu gewähren. Das war zumindest ursprünglich der Plan gewesen. Nachdem ich allerdings stundenlang auf jemanden gewartet hatte, der nicht auftauchte, sah das Ganze eher nach bescheuerter Zeitverschwendung aus.

Während die Medizinstudenten Wetten abschlossen, wann der Owl-Bus auftauchen würde, steuerte Schnorrer-Will winkend auf mich zu. Sollte mir recht sein. Ich fühlte mich sicherer, wenn ein vertrautes Gesicht zwischen mir und dem betrunkenen Prediger war; er machte mich mit seinem Gegeifer nervös.

»Hey, Mann«, brummte Will im Näherkommen. Mann? Aber bevor ich etwas erwidern konnte, schlurfte er vorbei, als würde er mich überhaupt nicht wahrnehmen. Wow. Jetzt auch noch eine Abfuhr von einem Penner. Mein Abend wurde wirklich immer besser.

»Was geht, Willy?«, antwortete fröhlich eine männliche Stimme. »Bist ja noch ganz schön spät unterwegs.«

»Die Sicherheitsleute vom Krankenhaus drehn ihre Runden. Warte bloß, dass sie den Abflug machen.«

Ich drehte mich neugierig um, weil ich sehen wollte, wem Wills Aufmerksamkeit galt - irgendeinem zwielichtigen Typen, der an einer Telefonsäule lehnte. Da Will mir die Sicht versperrte, konnte ich ihn nicht richtig erkennen, aber die zwei unterhielten sich kurz, bevor Will mich dann doch mal zur Kenntnis nahm.

»Trauerpflänzchen«, sagte er mit einem breiten Grinsen. Das ist sein Spitzname für mich, weil er mich für depressiv hält. Bin ich übrigens nicht. Ich bin bloß wohltuend einsilbig und ernsthaft, aber solche Feinheiten kann man nicht jedem erklären. »Wie geht´s so?«

»Hält sich in Grenzen«, sagte ich. »Ich habe heute Abend nichts für dich.« Manchmal gebe ich ihm was, aber hätte ich in diesem Moment Geld gehabt, hätte ich im Taxi nach Hause gesessen.

»Macht nichts. Deine Mutter hat mir vor ihrer Schicht Abendessen spendiert.«

Das überraschte mich nicht. Vielleicht war es die Krankenschwester in ihr, aber Mom musste einfach jeden in ihrem Umfeld füttern, und bei Essensresten war sie geradezu manisch, alles, was größer als ein Reiskorn war, wurde entweder eingefroren, irgendjemandem zu Mittag vorgesetzt oder an Nachbarn, Kollegen verteilt - und nun offenbar auch an den Krankenhausschnorrer Will, der schon wieder jemand anderen entdeckt hatte, den er kannte und begrüßen ging, so dass ich mit seinem zwielichtigen Freund zurückblieb.

Aber jeder war besser als dieser Straßenprediger. Nur war es nicht irgendjemand. Es war ein Junge.

Ein Junge in meinem Alter.

Ein sehr heißer Junge in meinem Alter.

Groß und schlank lehnte er an der Telefonsäule und strich sich eine widerspenstige dunkle Haarsträhne aus dem Gesicht. Er war von Kopf bis Fuß schwarz gekleidet, als würde er die Hauptrolle in einer italienischen Gangsterkomödie spielen und gleich in eine Bank einbrechen: Jeans, Fleecejacke und eine Strickmütze, die er tief in die Stirn gezogen hatte. Seine Hände steckten in eng anliegenden schwarzen Handschuhen, an sein Bein gelehnt stand ein abgewetzter Rucksack (wahrscheinlich mit Sprengstoff, um den Banksafe aufzukriegen).

Erst als der Prediger wieder zu lamentieren anfing, wurde mir bewusst, dass ich ihn anstarrte.

Zusammen mit der Regenschirmfrau hörten wir dem Prediger zu, der über Rettung und Licht und irgendwas, das ich nicht verstehen konnte, und Huren und Bestien und Feuer faselte. Ewige Verdammnis, oh Mann. Mein Trommelfell war kurz davor zu platzen. Ich drückte meine Zeichenmappe fester an mich, doch eine Sekunde später verstummte die Tirade des Predigers und er lehnte sich gegen das Bushäuschen, als würde er jeden Moment einschlafen.

»Sieht mir nicht wie der große Läufer aus«, bemerkte der Junge in verschwörerischem Ton. War er etwa näher gekommen? Er war groß, stellte ich fest. Das waren die meisten Leute für mich, aber er war bestimmt mehr als einen Kopf größer als ich. »Den hängst du locker ab, wenn er sich deine Mappe schnappen will. Bilder?«

Ich schielte auf meine Hand, als hätte ich sie noch nie zuvor gesehen. »Bilder, ja.«

Er fragte nicht, warum ich auf einem medizinischen Campus Bilder mit mir herumschleppte. Er musterte mich bloß nachdenklich und sagte: »Moment, lass mich raten. Keine Stillleben oder Landschaften. Dein skeptischer Blick lässt auf postmodern schließen, aber deine Stiefel sagen« - sein Blick wanderte zu meinem schwarzen Rock und dem kniehohen grauen Leder, das meine Waden bedeckte - »Grafikdesign.«

»Meine Stiefel sagen: Hatten einen Termin mit der Direktorin der Anatomie. Eigentlich wollte sich Dr. Sheridan nach ihrer letzten Vorlesung mit mir treffen.« Die dauerte von sieben bis neun, danach hatte ich ewig gewartet und der abnehmenden Zahl Graduiertenstudenten hinterhergeschaut, die das Gebäude verließen. Obwohl sie einen Notfall in der Familie vorschützte, hatte ich, als sie gegen elf endlich anrief, das untrügliche Gefühl gehabt, dass sie unsere Verabredung schlicht vergessen hatte.

»Und meine Zeichnungen sind nicht postmodern«, fügte ich hinzu. »Ich zeichne Körper.«

»Körper?«

»Anatomie.«

Das ist mein Ding. Ich bin nicht wie diese coolen, kreativen Mädchen aus meinem Kunstkurs, die aus Mülltüten Röcke schneidern und Bilder in abgefahrenen Farben malen. Nicht mehr zumindest. Die letzten paar Jahre habe ich mich auf Bleistift und schwarze Tusche beschränkt und zeichne nur Körper - alte oder junge, männliche oder weibliche, das ist mir ziemlich egal. Ich mag die Art, wie sich Knochen und Haut bewegen, und ich schaue mir gern an, wie die verschiedenen Kammern des Herzens miteinander verbunden sind.

Und während ich meine neue Bekanntschaft verstohlen musterte, wusste mein anatomiebesessenes Hirn auch zu schätzen, wie bei diesem Körper alles zusammenpasste. Er war eine bewegte feingliedrige Aktstudie mit definierten Muskeln, kilometerlangen dunklen Wimpern und herrlich ausgeprägten Wangenknochen.

»Ich bin eine von denen, die in der Neunten in Bio mit Begeisterung Frösche zerlegt haben«, stellte ich klar. Ich will nicht übertreiben, aber gerade diese Kleinigkeit hat mir nie viel Sympathie eingebracht, keine Ahnung, warum ich es erwähnte. Wahrscheinlich war ich einfach voll im Zuckerrausch von dem süßen...


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Autor

Jenn Bennett wurde in Deutschland geboren, zog dann aber in die USA. Sie schreibt historische Liebesgeschichten und Fantasy für Erwachsene, doch vor allem ihre romantischen Jugendbücher wie »Unter dem Zelt der Sterne« haben ihr eine große Fangemeinde beschert. Wenn sie nicht reist - z.B. nach Europa oder Südostasien -, lebt sie mit ihrem Mann und zwei Hunden in Georgia.Claudia Max studierte an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Literaturübersetzen mit dem Schwerpunkt Anglistik/Amerikanistik. Seit 2008 ist sie freiberufliche Literaturübersetzerin und hat bisher ca. 80 Werke aus dem Englischen übertragen. 2010 war sie Stipendiatin der Berliner Übersetzerwerkstatt, ihre Arbeit wurde mehrfach mit Stipendien des Deutschen Übersetzerfonds ausgezeichnet. 2023 wurde sie in der Kategorie Jugendbuch für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. Sie lebt in Berlin, arbeitet aber überall, denn am liebsten ist sie auf Reisen - in Büchern und in der Welt.