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Choral am Ende der Reise

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Kiepenheuer & Witsch GmbHerschienen am02.04.20151. Auflage
Die Geschichte beginnt am 10. April 1912. An diesem Tag gehen im englischen Southhampton sieben Musiker an Bord der Titanic, die auf ihrer fünftägigen Jungfernfahrt mehr als zweitausend Menschen nach New York bringen soll. Sie sind für die musikalische Unterhaltung zuständig. In den fünf Tagen, die ihnen noch an Bord verbleiben, lernt man ihre höchst unterschiedlichen Lebensgeschichten kennen - fiktive Biografien voller Hoffnungen und Niederlagen, voller Leidenschaft und Verzweiflung. Selten treffen in einem Roman literarisches Können, historische Recherche und spannende Unterhaltung so zusammen wie in diesem Buch. »Ein meisterhaft komponierter Ideenroman. Weltklasse.« Jostein Gaarder

Erik Fosnes Hansen wurde 1965 in New York geboren. Er wuchs in Oslo auf, wo er heute lebt. Zwei Jahre lang studierte er in Stuttgart (und spricht hervorragend Deutsch). Seinen ersten Roman »Falkenturm« schrieb er im Alter von 18 Jahren, das Buch wurde gleich nach seinem Erscheinen 1985 in Norwegen als literarisches Ereignis gefeiert. »Choral am Ende der Reise« wurde zu einem internationalen Bestseller.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextDie Geschichte beginnt am 10. April 1912. An diesem Tag gehen im englischen Southhampton sieben Musiker an Bord der Titanic, die auf ihrer fünftägigen Jungfernfahrt mehr als zweitausend Menschen nach New York bringen soll. Sie sind für die musikalische Unterhaltung zuständig. In den fünf Tagen, die ihnen noch an Bord verbleiben, lernt man ihre höchst unterschiedlichen Lebensgeschichten kennen - fiktive Biografien voller Hoffnungen und Niederlagen, voller Leidenschaft und Verzweiflung. Selten treffen in einem Roman literarisches Können, historische Recherche und spannende Unterhaltung so zusammen wie in diesem Buch. »Ein meisterhaft komponierter Ideenroman. Weltklasse.« Jostein Gaarder

Erik Fosnes Hansen wurde 1965 in New York geboren. Er wuchs in Oslo auf, wo er heute lebt. Zwei Jahre lang studierte er in Stuttgart (und spricht hervorragend Deutsch). Seinen ersten Roman »Falkenturm« schrieb er im Alter von 18 Jahren, das Buch wurde gleich nach seinem Erscheinen 1985 in Norwegen als literarisches Ereignis gefeiert. »Choral am Ende der Reise« wurde zu einem internationalen Bestseller.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783462308891
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum02.04.2015
Auflage1. Auflage
SpracheDeutsch
Dateigrösse2474 Kbytes
Artikel-Nr.1570865
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis Am selben Morgen

London, Waterloo Station, 7 Uhr 05

Das große Glasdach der Bahnhofshalle zitterte unmerklich über dem Lärm von Menschen und Zügen. Hoch oben, von Stahlträger zu Stahlträger, liefen die Tauben, ganz unbeeindruckt vom Gewimmel unten im Bahnhof. Myriaden von Glasquadraten des Daches wurden langsam weiß, je mehr das Tageslicht draußen zunahm und durch sie hindurchfiel.

Unten im Bahnhof, an eine Plakatsäule gelehnt, stand David. Ein sehr junger Mann, fast noch ein Junge, und man sah ihm deutlich an, dass er noch etwas grün war. Er hatte dichte, schwarze, krause Haare, die viel zu stark und wuschelig für ihn wirkten. Seine Züge waren fein und durchsichtig und seine Schultern schmal. Der Eindruck des Unreifen wurde zusätzlich verstärkt durch die Kleider, die eine Spur zu schmuck waren, beste Konfektionsware und offensichtlich von einer liebevollen Mutterhand für ihn ausgesucht. Den Hut trug er unter dem Arm. Zwischen seinen Beinen stand das Gepäck: ein Geigenkasten und ein Koffer. Die ganze Zeit gähnte er. Er dachte: Wenn er nicht bald kommt, werde ich auf der Stelle ohnmächtig.

Wenn David die Augen schloss, war es, als befinde er sich in einer Glocke aus dröhnenden Geräuschen. Um ihn herum die Eisenbahngerüche, Kohle, Rauch, Öl und Teer. An diesem Morgen aber schien er sie zum allerersten Mal zu riechen - stark und unbekannt und vermischt mit all den Geräuschen.

David war ein wenig übel. Um sich herum hörte er die Ausrufe der Zeitungsjungen in dieser fremden Sprache, aber er verstand keine Silbe von dem, was sie sagten. Aus den lang gezogenen Rufen wurde ein einziges monotones, rätselhaftes Klagelied. Und gerade weil er es nicht verstand, aber wusste, dass es etwas bedeutete, war es für ihn voll neuer, gefährlicher Hinweise mit sonderbaren Bedeutungen, die sich dem Verständnis verweigerten und ihn nervös machten. Seine Angst setzte sich wie eine kleine Spitze in seinem Zwerchfell fest.

Es war sein erster Besuch in England, streng genommen im Ausland überhaupt. Aber er hatte sich niemals vorgestellt, dass es ein solcher Unterschied zu dem sein würde, was er kannte. Es war, als komme er auf einen fremden Stern. Selbst gewöhnliche Dinge wie Bäume oder Häuser hatten etwas Fremdartiges an sich, als werde die Wirklichkeit ein wenig gedreht. Die Farben sahen anders aus, das Licht war anders. Ihm fiel auf, dass er alles sehr viel bewusster aufnahm als sonst. Die Eindrücke trafen tief in sein Inneres.

So war es seit dem allerersten Abend in London, drei Tage zuvor, gewesen. Mit Schrecken dachte David daran zurück. In einer engen Straße hatte ihn ein kleiner Mann mit verbeulter Melone aufgehalten und angesprochen. Er sprach, während er ihm eine flache Schachtel mit irgendeinem Inhalt hinhielt. Wollte er etwas verkaufen? Wollte er ihm etwas schenken? Es war unmöglich gewesen, zu verstehen, was er sagte, und David hatte nicht gewusst, wie er den Mann loswerden sollte. Das Gesicht dieses kleinen Mannes, seine Stimme und sein Mund waren von einer aufdringlichen Deutlichkeit. Die Schachtel enthielt irgendwelche schwarzen, unförmigen Klumpen, und der kleine Mann griff nach einem davon und hielt ihn David genau vor das Gesicht. Es roch scharf, und ängstlich versuchte David zu entkommen. Der Mann mit den Klumpen aber hängte sich an ihn, redete immer weiter, redete und redete, folgte ihm, während er die ganze Zeit mit einem dieser Klumpen fuchtelte. Zuletzt gab es keinen anderen Ausweg, als vor ihm wegzurennen wie ein Dieb, unter den Armen Geigenkasten und Koffer.

Später am selben Abend hatte ihn ein junges, mageres Mädchen mit nackten, in der Aprilluft fast blauen Armen aufgehalten. Auch sie wollte etwas von ihm, diesmal aber begriff David, worin die Absicht bestand. Rasch entfernte er sich von ihr und von ihren großen, grauen Augen. »Please, Sir«, murmelte sie hinter ihm. »Please.« In der kleinen, schäbigen Pension - oder nannte man das Absteige? -, in der er sich eingemietet hatte, hatte er nicht viel mehr als den Preis verstanden. Es war eine elende Unterkunft, mit Ungeziefer an den Wänden und allerlei Aktivitäten im Nachbarzimmer, die die ganze Nacht über anhielten. Er hatte in London schlecht geschlafen. Und mehr und mehr bereute er, überhaupt diesen Einfall gehabt zu haben. Was mache ich hier?, dachte er. Warum um Himmels willen habe ich die Idee gehabt, hierherzufahren? Als er den Grund dieser Reise überdachte und das, was er nun tatsächlich im Begriff stand zu tun, schien es David, als müsse er verrückt geworden sein. Sinn und Zweck des Ganzen, der ursprüngliche Reiz, schienen mit einem Mal fern und unwichtig, wenn man sie mit der Angst und dem Unbekannten verglich, die sie mit sich brachten. Und was in aller Welt hätte ihn daran hindern sollen, wegzulaufen, sich in den ersten Zug nach Dover zu stürzen und hinüberzufahren auf den Kontinent, nach Hause. Am selben Morgen, als er in seiner Unterkunft das Frühstück eingenommen und in seiner halb verzehrten Portion wässrigen Rühreis einen abgeschnittenen Fingernagel gefunden hatte, da hatte er ernsthaft erwogen, die Flucht zu ergreifen. David war nicht besonders weltgewandt und fasste darum den Nagel als schlechtes Vorzeichen auf. Was ihn zurückgehalten hatte, war, dass er kaum noch Geld besaß und nicht glaubte, es könne für den langen Weg bis nach Hause, nach Wien, reichen. Und er hatte sein Wort gegeben, sogar einen Vertrag unterschrieben. Der wichtigste Grund dafür, dass er hier stand, um sein Vorhaben auszuführen, war die Angst vor dem Eindruck, den es machen würde, wenn er jetzt mit hängenden Ohren wieder nach Hause käme. Das wäre schändlich und peinlich, ja unerträglich, nach dem Abschied, den er von der Stadt seiner Väter genommen hatte. Zu einem solchen Canossagang fehlte David der Mut. Außerdem, dachte er, außerdem soll man ausführen, was man sich vorgenommen hat, dadurch reift man. Alles andere wäre feige. Und so feige war er nicht.

David entschied sich also für das, wofür er Mut genug hatte, war aber nicht sicher, ob es sich dabei um wirklichen Mut handelte. Um die Wahrheit zu sagen, er kam sich ziemlich kläglich vor, während er dort stand. War das seine eigene Entscheidung gewesen oder war es Bauernfängerei, was mit ihm in dem kleinen Büro des Impresarios in der Whitechapel High Street am vorangegangenen Tag geschehen war?

Das Büro hatte sich in der dritten Etage befunden, und Davids Mut war mit jedem Treppenabsatz gesunken, den er hinter sich brachte. Er blieb zögernd vor der Tür stehen, auf deren Milchglasscheibe mit schönen, vertrauenerweckenden Buchstaben der Name der Firma, Messrs. Black & Black, stand. Einen Augenblick lang wollte David kehrtmachen, dann aber hörte er, wie jemand die Treppe heraufkam. Eine Art Panik ergriff ihn, und er pochte mit dem Nagel des Zeigefingers vorsichtig auf das Türglas.

»Herein!«, bellte eine Stimme. David schlängelte sich durch den Türschlitz.

An einem Schreibtisch saß ein kleiner, glatt geleckter Mann in Hemdsärmeln und schrieb. Er sah nicht auf, als David sich an den Tisch heranschlich und sich vor ihn hinstellte. David hörte nur das Kratzen der Feder und sah nur den pomadeglänzenden Kopf des Mannes.

»Ja?«, sagte der Mann, ohne aufzusehen. »Was kann ich für Sie tun?«

David räusperte sich.

»Also ...«, begann er stotternd, sein Englisch ließ ihn im Stich, und obendrein hatte er nicht an einen brauchbaren Einleitungssatz gedacht.

»Ja?«, sagte der Mann und sah auf. Er trug einen roten, breiten Seidenschlips mit einem funkelnden Stein darin, und dieser Stein blinzelte David regelrecht zu.

»Vermutlich willst du einen Job«, sagte der Mann ohne weitere Förmlichkeiten. Er nahm David kurz in Augenschein und schien nicht sonderlich beeindruckt zu sein. »Aber wir haben keinen Job«, sagte er. »Bedauere, Kollege.« Er sah wieder auf die Papiere. Konsterniert blieb David auf der Stelle stehen. War das alles? Doch, die Audienz war ganz offensichtlich vorüber, der rubinfunkelnde Fürst hinter dem Schreibtisch war ein Weiser, der Gedanken lesen konnte, der Inhalt von Davids Bitte war ihm bekannt, und er lehnte sie ab, ohne weitere Zeit zu verlieren.

Der Mann schrieb einen halben Satz, dann sah er wieder auf, diesmal mit einer Unheil verkündenden Miene.

»Naa -«, begann er, wurde aber von einem älteren, weißhaarigen Mann unterbrochen, der, ein Papier in der Hand, aus einem Büro nebenan hereingesegelt kam.

»Verdammt noch mal, John«, polterte der Weißhaarige los. »Schon wieder dieses White-Star-Schiff. So ein Durcheinander hab´ ich überhaupt noch nicht erlebt. Der Teufel soll die Fiedler holen.«

»Was ist denn jetzt wieder los?«, fragte der Mann hinter dem Schreibtisch.

»Erinnerst du dich, dass wir drei Tage Zeit hatten und wir mit der Stalllaterne nach einem neuen Bassisten für sie gesucht haben, nachdem dem ersten seine Frau weggestorben ist, ja, erinnerst du dich?«

»Ja, doch.«

»Erst finden wir also einen Bassisten für sie - zwar nicht ganz den Mann, den der Kapellmeister sich gedacht hatte, aber immerhin - innerhalb von drei Tagen - ja, und, du hältst es nicht für möglich, dann besitzt ihr zweiter Geiger, dieser Smith oder wie er heißt, dieser verwöhnte kleine Paganini, die Frechheit und kriegt Blinddarmentzündung! Heute!«, polterte der Weißhaarige. »Der Teufel soll die ganze Bande holen. Ich hab´ gedacht, dieser Coward ist so lange unterwegs gewesen, dass er sich gute Leute aussucht und keine Kandidaten für den Operationstisch! Beim Henker, der kann ja noch nicht mal über die eigene Nase hinaussehen.«

Der Pomadisierte sah mit leicht...
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Autor

Erik Fosnes Hansen wurde 1965 in New York geboren. Er wuchs in Oslo auf, wo er heute lebt. Zwei Jahre lang studierte er in Stuttgart (und spricht hervorragend Deutsch). Seinen ersten Roman »Falkenturm« schrieb er im Alter von 18 Jahren, das Buch wurde gleich nach seinem Erscheinen 1985 in Norwegen als literarisches Ereignis gefeiert. »Choral am Ende der Reise« wurde zu einem internationalen Bestseller.Dr. Jörg Scherzer (21.01.1945 - 18.08.2019) war als freier literarischer Übersetzer tätig und übersetzte Romane, Essays, Gedichte und Dramen aus dem Schwedischen, Norwegischen und Dänischen ins Deutsche. Er war Mitglied im Verband deutschsprachiger Übersetzer literarischer und wissenschaftlicher Werke, VdÜ. Zu seinen über 70 übersetzten Titeln zählen u.a. Texte von Björn Larsson Stig Dagerman und Erik Fosnes Hansen. 1981 gab er zusammen mit Angelika Gundlach "Der andere Strindberg" heraus.