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Die Liebe eines Mörders

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am08.04.2015
Die kauzige Gwendolyn Chawcer vermietet eine Wohnung in ihrem Haus in London an einen jungen Mann, der ihr schon bald unheimlich ist. Dabei ahnt sie nicht einmal im Entferntesten, was in ihrem neuen Mieter tatsächlich vorgeht. Denn dieser Michael Cellini ist besessen. Nicht nur vom schönen Topmodel Nerisha, sondern auch von seinem großen Idol, dem berüchtigten Serienmörder John Christie. Und so ist es kein Wunder, dass der leidenschaftliche junge Mann sich von Christies Taten inspirieren lässt, als Nerisha sein zärtliches Werben hartnäckig ignoriert ...

Ruth Rendell wurde 1930 in London geboren und lebte dort bis zu ihrem Tod 2015. Sie arbeitete als Journalistin, bevor sie sich ganz dem Schreiben von Romanen widmete. 1997 wurde sie mit dem Grand Master Award der Crime Writers' Association of America, dem renommiertesten Krimipreis, ausgezeichnet und darüber hinaus von Königin Elizabeth II. in den Adelsstand erhoben. Ruth Rendell ist auch unter dem Pseudonym Barbara Vine bekannt.
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Produkt

KlappentextDie kauzige Gwendolyn Chawcer vermietet eine Wohnung in ihrem Haus in London an einen jungen Mann, der ihr schon bald unheimlich ist. Dabei ahnt sie nicht einmal im Entferntesten, was in ihrem neuen Mieter tatsächlich vorgeht. Denn dieser Michael Cellini ist besessen. Nicht nur vom schönen Topmodel Nerisha, sondern auch von seinem großen Idol, dem berüchtigten Serienmörder John Christie. Und so ist es kein Wunder, dass der leidenschaftliche junge Mann sich von Christies Taten inspirieren lässt, als Nerisha sein zärtliches Werben hartnäckig ignoriert ...

Ruth Rendell wurde 1930 in London geboren und lebte dort bis zu ihrem Tod 2015. Sie arbeitete als Journalistin, bevor sie sich ganz dem Schreiben von Romanen widmete. 1997 wurde sie mit dem Grand Master Award der Crime Writers' Association of America, dem renommiertesten Krimipreis, ausgezeichnet und darüber hinaus von Königin Elizabeth II. in den Adelsstand erhoben. Ruth Rendell ist auch unter dem Pseudonym Barbara Vine bekannt.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641151416
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum08.04.2015
SpracheDeutsch
Dateigrösse947 Kbytes
Artikel-Nr.1674754
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



1
______

Hier müsste eigentlich die Straße sein, genau da, wo er stand. Davon war Mix überzeugt. Unglaublich. Inzwischen hatte er seinen Schock überwunden. Bittere Enttäuschung stieg in ihm auf. Dann kam die Wut. Es schnürte ihm fast die Kehle zu. Wie konnten sie es wagen? Wie konnten diese Unbekannten etwas zerstören, was eigentlich ein Nationaldenkmal sein sollte? Das Haus hätte längst ein Museum mit einer dieser blauen Tafeln oben an der Wand sein müssen, und den Garten hätte man als Teil einer Besichtigungstour in seinem ursprünglichen Zustand liebevoll bewahren sollen. Ein Kurator wäre auch gleich bei der Hand gewesen: er persönlich.

Alles war sorgfältig neu gestylt und seelenlos. Das war der richtige Begriff dafür - »seelenlos«. Er war ganz stolz auf seinen Einfall. Was für ein hübsches Fleckchen, dachte er angewidert. Genau das Richtige für Yuppies. Besonders wütend machten ihn die Petunien in den Blumenbeeten. Dass man den Rillington Place schon einige Zeit vor seiner Geburt in Ruston Close umbenannt hatte, wusste er natürlich, aber jetzt existierte nicht einmal dieser mehr. Der alte Stadtplan, den er mitgebracht hatte, half auch nicht weiter. Alte Straßen waren noch schwerer zu finden als die Spuren eines Kindergesichtes bei einem Fünfzigjährigen. Ja, ganz genau, fünfzig Jahre. Vor einem halben Jahrhundert hatten sie Reggie geschnappt und gehängt. Wenn sie schon die Straßen umbenennen mussten, dann hätte man wenigstens eine Tafel mit dem Hinweis »Ehemals Rillington Place« oder irgendetwas aufstellen können, was den Besuchern verriet: Hier lebte Reggie. Sicher würden ganze Hundertschaften hierherkommen, einige voller Erwartung und dann dementsprechend tief enttäuscht, während andere keine Ahnung von den historischen Begebenheiten hatten, die mit diesem Ort verbunden waren. Und alle würden sie vor dieser kleinen Enklave mit den roten Backsteinhäusern stehen, deren Blumenkästen üppig mit Geranien und Fleißigen Lieschen bepflanzt waren und deren Grundstücke von Blumenrabatten und Bäumen gesäumt wurden, die man wegen ihrer weiß umrandeten, goldenen Blätter ausgesucht hatte.

Es war ein schöner Hochsommertag mit einem wolkenlos blauen Himmel. Üppig grün leuchteten die kleinen Rasenflächen. Eine rosarote Kletterpflanze legte sich wie ein pastellfarbener Mantel über die geschickt versetzten Gartenmauern. Mix drehte sich um. Vor unterdrückter Wut klopfte sein Herz schneller und lauter. Poch. Poch. Poch. Wenn er gewusst hätte, dass man jede Spur ausgemerzt hatte, hätte er die Wohnung im St. Blaise House nie in Betracht gezogen. In diese Ecke von Notting Hill war er nur gezogen, weil Reggie in diesem Viertel gelebt hatte. Das eigentliche Haus und die Nachbarhäuser waren weg, das hatte er natürlich gewusst. Trotzdem hatte er darauf gesetzt, dass man den Ort selbst leicht wiedererkennen könne: eine Straße, um die Leute mit schwachen Nerven einen weiten Bogen machten, eine Pilgerstätte für intelligente Kenner seines Schlages. Leider hatten sich die zart besaiteten Schwächlinge und die politisch korrekten Bürger durchgesetzt und alles abgerissen. Über seinesgleichen hätten solche Typen nur gelacht und genüsslich triumphiert, weil man einen geschichtsträchtigen Ort durch eine geschmacklose Wohnsiedlung ersetzt hatte.

Den Besuch selbst hatte er sich als besonderes Vergnügen für die Zeit nach seinem Einzug aufgespart. Und was für ein Vergnügen! Wie oft hatte sich in seiner Kindheit ein ganz besonderes Vergnügen als Niete entpuppt? Seiner Erinnerung nach viel zu oft. Und das ging so weiter, sobald man als Erwachsener selbst Verantwortung übernehmen musste. Ein Auszug kam trotzdem nicht in Frage, dafür hatte er an Ed und dessen Kumpel viel zu viel fürs Streichen der Wohnung und die Küchenrenovierung bezahlt. Er drehte den hübschen neuen Häuschen samt ihren Bäumen und Blumenbeeten den Rücken zu, ging langsam die Oxford Gardens hinauf und überquerte den Ladbroke Grove, um sich das Haus anzusehen, in dem Reggies erstes Opfer ein Zimmer bewohnt hatte. Wenigstens hier hatte sich nichts verändert. Dem äußeren Anschein nach hatte das Haus seit dem Tod dieser Frau im Jahre 1943 keine Farbe mehr gesehen. Offensichtlich wusste niemand, um welches Zimmer es sich gehandelt hatte. Keines der Bücher, die er gelesen hatte, machte dazu irgendwelche detaillierten Angaben. Während er in Spekulationen und Mutmaßungen versank, starrte er zu den Fenstern hinauf, bis jemand zu ihm hinunterschaute und er es für besser hielt weiterzugehen.

Je weiter er die St. Blaise Avenue bergabging, umso mehr ging es auch mit dem Viertel bergab: nur noch städtische Sozialwohnungen, Reinigungen, Geschäfte für Motorradersatzteile und an der Ecke die üblichen Tante-Emma-Läden. Die einzige Ausnahme bildete die Reihenhauszeile auf der anderen Straßenseite, die durch ihren eleganten viktorianischen Stil herausstach, und die große Villa. St. Blaise House hatte man als einziges im ganzen Viertel nicht in ein Dutzend Wohnungen aufgeteilt. Schade, dass sie nicht diesen alten Kasten abgerissen und dafür vom Rillington Place die Finger gelassen haben, dachte Mix.

Statt Kirschbäumen standen hier riesige großblättrige Platanen voller Straßenstaub, von deren Stämmen sich die Rinde schälte. Sie waren weitgehend daran schuld, dass es hier so dunkel war. Er blieb stehen, betrachtete das Haus und staunte wie immer über dessen Größe. Ihm war es schleierhaft, warum die Alte das Haus nicht schon vor Jahren an einen Bauträger verkauft hatte. Die grauen Stuckverzierungen des dreistöckigen Gebäudes waren früher einmal weiß gewesen. Eine Treppe führte zu einem großen Portal hinauf, das in den Tiefen eines mit Säulen verzierten Vorbaus halb verschwand. Ganz oben, knapp unterhalb des Giebels, befand sich ein kreisrundes Fenster mit bunten Glasscheiben, das von den anderen rechteckigen Fenstern abstach und schon lange nicht mehr geputzt worden war. Im Laufe der Jahre hatte sich eine dicke Schmutzschicht darauf abgelagert und trübte die Farben.

Mix sperrte auf. Bereits die riesige quadratische Diele, in der es genauso dunkel war wie im übrigen Haus, hatte die Ausmaße einer normalen Wohnung. Dieser Gedanke war ihm schon bei der ersten Besichtigung durch den Kopf gegangen. Ringsum an den Wänden standen mächtige dunkle Sessel mit geschnitzten Lehnen. Darüber hing in einem geschnitzten Holzrahmen ein riesiger Spiegel mit grünlichen Flecken, die an Inseln auf einer Seekarte erinnerten. Eine Treppe führte ins Kellergeschoss hinunter, das er nie betreten hatte und vermutlich seit vielen Jahren auch sonst niemand mehr.

Jedes Mal, wenn er heimkam, hoffte er, dass er sie nicht zu Gesicht bekam, was normalerweise auch zutraf, aber heute hatte er Pech. Mit einem bunten Werbeprospekt für ein tibetanisches Restaurant in der Hand stand sie neben einem geschnitzten Tisch von enormen Ausmaßen, der mindestens eine Tonne wog. Wie üblich trug sie eine lange, ausgeleierte Strickjacke und einen Rock mit einem zipfeligen Saum. »Guten Tag, Mr. Cellini«, rief sie bei seinem Anblick vornehm näselnd. In seinen Ohren klang ihre Stimme ziemlich verächtlich.

Er beschränkte seine Unterhaltungen mit Gwendolen Chawcer aufs Allernötigste und bemühte sich dabei redlich, sie zu schockieren. Leider bisher ohne nennenswerten Erfolg.

»Sie werden nie erraten, wo ich gewesen bin.«

»Da dies ziemlich wahrscheinlich ist«, erwiderte sie, »scheint jeder entsprechende Versuch sinnlos zu sein.«

Sarkastisches altes Biest. »Am Rillington Place«, sagte er, »beziehungsweise dort, wo er früher einmal lag. Ich wollte unbedingt sehen, wo Christie die ganzen Frauen, die er umbrachte, im Garten vergraben hat, aber es ist nichts mehr zu sehen.«

Sie legte den Prospekt wieder auf den Tisch, wo er zweifelsohne die nächsten Monate liegen bleiben würde. Ihr nächster Satz überraschte ihn. »In meiner Jugend bin ich einmal bei ihm im Haus gewesen.«

»Wirklich? Warum?«

Sie würde nicht viel verlauten lassen, das wusste er, und so war es auch. »Ich hatte meine Gründe. Der Besuch dauerte höchstens eine halbe Stunde. Er war ein unangenehmer Mensch.«

Er konnte sich vor Begeisterung nicht bremsen. »Welchen Eindruck hat er auf Sie gemacht? Haben Sie in seiner Gegenwart den Mörder gespürt? War seine Frau dabei?«

Wie immer lachte sie kalt. »Meine Güte, Mr. Cellini, ich habe keine Zeit, lauter Fragen zu beantworten. Ich muss weitermachen.«

Womit denn? Meistens frönte sie ja doch nur ihrer Dauerbeschäftigung: Lesen. Sie musste Tausende Bücher gelesen haben. Nach ihrer unbefriedigenden und gleichzeitig provozierenden Antwort fühlte er sich frustriert. Vielleicht hatte sie jede Menge Informationen über Reggie, aber in ihrer kühlen Art würde sie nie darüber reden.

Er begann, die Treppe hinaufzusteigen, deren Stufen er aus tiefster Seele hasste, obwohl sie weder schmal noch steil oder gewendelt waren. Insgesamt waren es zweiundfünfzig Stufen, aufgeteilt in drei Treppenabsätze. Zweiundzwanzig Stufen im ersten Treppenabschnitt, siebzehn im zweiten und dreizehn ins Dachgeschoss. Und Letzteres war ein Grund, warum Mix die Treppe nicht ausstehen konnte. Denn nichts brachte ihn, abgesehen von unangenehmen Überraschungen und unverschämten alten Weibern, mehr in Rage als die Zahl Dreizehn. Zum Glück hatte St. Blaise House die Nummer vierundfünfzig in der St. Blaise Avenue.

Eines schönen Tages hatte er in Abwesenheit der alten Chawcer die Schlafzimmer gezählt. Es waren neun, sein eigenes nicht eingerechnet. Einige waren mehr oder weniger möbliert, andere leer. Das ganze Haus starrte vor Dreck. Vermutlich hatte hier...


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Autor

Ruth Rendell wurde 1930 in London geboren und lebte dort bis zu ihrem Tod 2015. Sie arbeitete als Journalistin, bevor sie sich ganz dem Schreiben von Romanen widmete. 1997 wurde sie mit dem Grand Master Award der Crime Writers' Association of America, dem renommiertesten Krimipreis, ausgezeichnet und darüber hinaus von Königin Elizabeth II. in den Adelsstand erhoben. Ruth Rendell ist auch unter dem Pseudonym Barbara Vine bekannt.