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Schicksalsjahre

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
448 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am02.11.2015
Stockholm 1940: Während vor den Grenzen Schwedens der Zweite Weltkrieg wütet, leben die Brüder Lauritzen das von den Kriegsereignissen nur peripher berührte Leben der Oberklasse. Doch die Situation spitzt sich zu, und es wird zunehmend schwieriger, eine Parteinahme zu vermeiden. Zumal sich auch innerhalb der Familie die Lager teilen: Harald, Lauritz' ältester Sohn, dient bei der SS, während seine Schwester Johanne im Widerstand kämpft. Während Europa vor einer Zerreißprobe steht, droht auch die Familie Lauritzen zu zerbrechen. Bis es am Ende ums nackte Überleben geht.

Jan Guillou wurde 1944 im schwedischen Södertälje geboren und ist einer der prominentesten Autoren seines Landes. Seine preisgekrönten Kriminalromane um den Helden Coq Rouge erreichten Millionenauflagen. Auch mit seiner historischen Romansaga um den Kreuzritter Arn gelang ihm ein Millionenseller, die Verfilmungen zählen in Schweden zu den erfolgreichsten aller Zeiten. Heute lebt Jan Guillou in Stockholm.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextStockholm 1940: Während vor den Grenzen Schwedens der Zweite Weltkrieg wütet, leben die Brüder Lauritzen das von den Kriegsereignissen nur peripher berührte Leben der Oberklasse. Doch die Situation spitzt sich zu, und es wird zunehmend schwieriger, eine Parteinahme zu vermeiden. Zumal sich auch innerhalb der Familie die Lager teilen: Harald, Lauritz' ältester Sohn, dient bei der SS, während seine Schwester Johanne im Widerstand kämpft. Während Europa vor einer Zerreißprobe steht, droht auch die Familie Lauritzen zu zerbrechen. Bis es am Ende ums nackte Überleben geht.

Jan Guillou wurde 1944 im schwedischen Södertälje geboren und ist einer der prominentesten Autoren seines Landes. Seine preisgekrönten Kriminalromane um den Helden Coq Rouge erreichten Millionenauflagen. Auch mit seiner historischen Romansaga um den Kreuzritter Arn gelang ihm ein Millionenseller, die Verfilmungen zählen in Schweden zu den erfolgreichsten aller Zeiten. Heute lebt Jan Guillou in Stockholm.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641173128
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum02.11.2015
Reihen-Nr.4
Seiten448 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2518 Kbytes
Artikel-Nr.1816192
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


 

1941

Der Specksteinofen hatte schon seit über einer Woche nicht mehr gebrannt, und trotzdem schwitzte er wie im Fieberrausch. Krank war er nicht, er wurde von Fantasien und Träumen heimgesucht, in denen sich Wirklichkeit und Fantasie vermischten.

An Einschlafen war nicht zu denken. Mit Gott in seinem Zwiegespräch über diese Ereignisse, falls sie sich denn wirklich zugetragen hatten, zu sprechen, war ausgeschlossen. Als Katholik hätte er unter tränenreichem Gestammel die Beichte ablegen, sich seine Sünden vergeben lassen und geborgen und unbefleckt einschlafen können.

Ihm fehlten die beruhigenden Schläge der Ramme, aber dieser Teil der Arbeit war seit Langem abgeschlossen.

Es war so schnell gegangen. Wie bei einem Dammbruch war die Katastrophe über ihn hereingebrochen, gegen die sich nichts mehr unternehmen ließ.

Ihm war keine Zeit zum Nachdenken geblieben, der tosende Gefühlsstrom hatte ihn mitgerissen.

Erinnerungsbilder drängten sich in seinem Kopf und ließen sich nicht ordnen.

Sie hielt sich mit beiden Händen am anderen Ende des Küchentischs fest, ihre Knöchel traten vor Anstrengung weiß hervor. Endlich hielt er ihr hübsches rundes Hinterteil zwischen seinen Händen. Sie bat ihn, flehte ihn an, mit Worten, die in seinen Ohren klangen, als er in sie eindrang, es war wie eine tierische, urzeitliche Musik, die ihn so sehr erregte, dass ihm schwarz vor Augen wurde und seine Erinnerungen erloschen.

Anschließend hatte sie geweint und unzusammenhängend von ihrer lang währenden Sehnsucht erzählt.

War es wirklich so gewesen? Oder war es reine Fantasie?

Nein, die Gerüche waren noch da. Er hatte sich nur das Gesicht gewaschen, als er in seine Kammer zurückgekehrt war. Ihre, seine und die gemeinsamen Düfte an seinem ganzen Körper. Am nächsten Morgen wollte er sich in der Zinkwanne waschen. Aber nicht jetzt.

Die Erinnerungsbilder flimmerten weiter. Die Hitze im Zimmer war nicht auszuhalten. Dabei war es erst Mai, wenn auch der sonnigste Mai seit hundert Jahren. Das Wetter verhielt sich seltsam, erst der kälteste Winter seit hundert Jahren, und jetzt diese Hitze. Sein Gehirn kochte.

Nach dem ersten Mal hatte sie sich auf seinen Schoß gesetzt, seinen Kopf in ihre kleinen, starken Hände genommen, ihn mit Tränen und Küssen überschüttet und seine Potenz gelobt, die die eines jungen Mannes sei. Dies hatte eine neue Welle unkontrollierbarer Erregung ausgelöst. Sie hatte ihm nahezu die Fliege und das Jackett vom Leib gerissen, ehe sie ihm half, ihre Bluse und den Büstenhalter auszuziehen, ihn vom Stuhl hochzog und an der halb heruntergerutschten Hose zerrte. Während er sich seiner Schuhe entledigte, sagte sie mit strahlendem Gesicht ihm unverständliche Dinge, packte sein Geschlecht mit festem Griff, stöhnte, als es anschwoll, und lobte erneut seine Männlichkeit.

Sie saßen auf einem Küchenstuhl, aber als sie sich immer wilder gebärdete, veranlasste ihn ein bedenkliches Knacken, sie, während er immer noch in ihr war und sie die Beine um ihn geschlungen hatte, zum Sofa im Wohnzimmer zu tragen.

Von da an war die Erinnerung wieder verschwommen, unbegreiflich, warum. Nur das Gefühl von etwas Überwältigendem war zurückgeblieben.

War eine halbe Stunde verstrichen? Er wusste es nicht. Er sah das Blumenmuster des rot, grün und beige bezogenen Sofas vor sich. Sie waren beide nackt, ihre Oberschenkel ragten in die Luft, und ihre Kniekehlen lagen über seinen Schultern. Er stand über sie gebeugt und wurde unaufhörlich von ihr angefeuert.

Und wieder verloren sich seine Erinnerungen in seinen Fantasien. Er konnte sich nicht einmal mehr daran erinnern, dass sie sich getrennt hatten, was aber geschehen sein musste, da er allein in seinem Bett im Obergeschoss und sie unten in ihrem Schlafzimmer lag.

Allmählich normalisierte sich sein Puls, und er schwitzte weniger. Er lag in seinem Bett. Sie lag in ihrem. Wie es dazu gekommen war, war ihm unklar.

Plötzlich war ihm kalt. Der Fieberrausch war verflogen. Offenbar hatte er beide Fenster weit geöffnet und sich in die Decke gehüllt.

Er hatte sein Versprechen sich selbst und schlimmer noch, Gott gegenüber, nicht gehalten. Er hatte die Selbstbeherrschung verloren, was die Sünde nicht verringerte.

In dieser Nacht würde er nicht viel Schlaf finden.

Während der Weihnachtsfeiertage hatte sich Ingeborg ihm entzogen, indem sie immer lange vor ihm zu Bett ging.

Zu Silvester hatte sie sich mit einem »Katarrh« entschuldigt, was ihm nicht viel sagte. Sie hatte es ihm als »Erkältung am falschen Ende« erklärt, die weder gefährlich noch ansteckend sei, aber engeres eheliches Zusammensein ausschließe.

Dieser Katarrh machte ihr trotz Behandlung mit Sulfonamid das ganze Frühjahr zu schaffen.

Bilder von Ingeborg tauchten in einem reißenden und chaotischen Strom auf. Wie sie in jungen Jahren hinter Ingeborgs Eltern in der Familienloge in der Dresdner Semperoper jede Gelegenheit genutzt hatten, sich zu berühren, während die Aufmerksamkeit ihres Vaters von Wagners Musik und dem Geschehen auf der Bühne voll und ganz in Anspruch genommen wurde.

Wie sie mithilfe ihrer Freundinnen einen höchst riskanten nächtlichen Besuch in seinem Zimmer im Hotel Kaiserhof in Kiel organisierte, was im Falle einer Enthüllung zu einem unerhörten Skandal geführt hätte.

Wie sie Christa dabei half, während der Kieler Woche am helllichten Tag durchzubrennen, die damit statt ihrer den größten Skandal jenes Jahres verursachte.

Wie sie beide zu guter Letzt jeglicher Vernunft und allen Voraussetzungen zum Trotz frisch verlobt an der Tafel des Kaisers saßen und ihr heimlicher Traum, gemeinsam die Ruderpinne der Ran zu halten, in Erfüllung ging.

Wie sie fünf Jahre lang jeden Samstag aus dem Zug aus Kristiania stieg, wo sie diszipliniert, zielbewusst und wahrlich bewundernswert Medizin studierte. Wie sie mit unerschütterlichem Mut und Geistesgegenwart Haralds Leben rettete, als der Junge blutüberströmt nach Hause kam, nachdem seine Schulkameraden den »deutschen Bastard« zusammengeschlagen und seine Wunden mit Pferdemist eingerieben hatten.

Wie sie, ohne zu zögern, ein zweites Mal in ihrem Leben aufbrach, um mit ihm und den Kindern Bergen zu verlassen und nach Saltsjöbaden zu ziehen.

Sie gehörten zusammen wie die untrennbaren Bestandteile von Betonbauten, wie Armierungseisen, Sand und Zement, auf immer vereint.

Er wurde von beklemmender Angst und Gewissensbissen heimgesucht. Es war ihm unbegreiflich, wie er Ingeborg so schändlich hatte verraten können. Kein noch so lückenhaftes Gedächtnis konnte das Geschehene erklären, geschweige denn entschuldigen.

So etwas durfte sich natürlich nicht wiederholen. Die Schwäche des Fleisches war zwar eine dem Menschen höchst charakteristische Eigenschaft, der man einen festen Glauben und unerschütterliche Prinzipien entgegensetzen musste.

Das war der einzige mögliche Beschluss, und der beruhigte ihn.

Vielleicht war es ja doch Zeit für seine Zwiesprache mit Gott, auch wenn sie ihm nicht leichtfallen würde.

Auf der Treppe hörte er die leisen Schritte ihrer nackten Füße. Als sich die Tür rasch öffnete und wieder schloss, sah er ihre Silhouette unter einem dünnen weißen Nachthemd. Als sie zu ihm unter die Decke schlüpfte, protestierte er nicht, und als sie ihn im Dunkeln umarmte und küsste, wehrte er sich nicht. Als sie ihm flüsternd gestand, dass sie sich schon wieder nach ihm sehne und gleichzeitig nach seinem Geschlecht fasste, war er verloren.

*

Trotz des aufwühlenden Inhalts stellte das Telegramm, das am nächsten Tag eintraf, seine Rettung dar.

»H. übermorgen zu Besuch. Stop. Wichtig, dass Du nach Hause kommst. Stop. Ingeborg.«

Der Zug nach Stockholm war mit randalierenden und betrunkenen Soldaten, die aus dem Militärdienst in Nordschweden nach Hause entlassen worden waren, überfüllt. Offenbar wurde die allgemeine Mobilmachung zurückgeschraubt, da für Schweden keine akute Kriegsgefahr bestand. Die Deutschen kämpften immer noch gegen die Engländer, schienen aber keinen Schritt voranzukommen, mehr geschah momentan nicht. Die Beziehungen zwischen Deutschland und Schweden waren überwiegend gut, obwohl sich die deutsche Legation in Stockholm regelmäßig über die Unverschämtheiten in der offenbar die schwedische Neutralität nicht respektierenden schwedischen Presse beklagte. Dem ließ sich kaum widersprechen, in dieser Sache hatten die Deutschen sicher recht.

Die übrigen Reisenden im Erste-Klasse-Abteil, vermutlich Reserveoffiziere auf dem Heimweg, trugen Uniform. Sie unterhielten sich natürlich über den Krieg und amüsierten sich über die Italiener. Dieser Geck Mussolini wollte sich durch die Eroberung Griechenlands beweisen und damit zur Machterweiterung der Achsenmächte in Europa beitragen, während im griechischen Gebirge jedoch alles schieflief. Deutschland hatte die Angelegenheit durch einen Blitzangriff innerhalb weniger Tage in Ordnung gebracht und den englischen Hilfstruppen wie schon damals in Dünkirchen kaum Zeit gelassen, zu entkommen. Und dann wurde es lustig: Drei Tage nach der Kapitulation Griechenlands verlangte Mussolini eine weitere Kapitulation vor den deutschen und italienischen Generälen. Damit konnte Mussolini eine Siegesparade in Rom veranstalten, obwohl er fast zeitgleich den größten Teil der italienischen Flotte in einer Seeschlacht gegen die Engländer verlor. Solche Verbündeten machten es den Deutschen wirklich nicht leicht.

Lauritz, der keine Lust verspürte, sich an diesen Unterhaltungen zu...

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Autor

Jan Guillou wurde 1944 im schwedischen Södertälje geboren und ist einer der prominentesten Autoren seines Landes. Seine preisgekrönten Kriminalromane um den Helden Coq Rouge erreichten Millionenauflagen. Auch mit seiner historischen Romansaga um den Kreuzritter Arn gelang ihm ein Millionenseller, die Verfilmungen zählen in Schweden zu den erfolgreichsten aller Zeiten. Heute lebt Jan Guillou in Stockholm.