Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Die Sache mit Christoph

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
160 Seiten
Deutsch
dtv Verlagsgesellschafterschienen am22.01.20161. Auflage
Wollte Christoph sterben? Bei einem Fahrradunfall kommt der 17-jährige Christoph ums Leben. Doch sein Freund Martin zweifelt an der Geschichte. Er weiß, wie sehr Christoph, als arroganter Spinner abgelehnt, unter dem Druck von Schule und Elternhaus gelitten hat. War es doch Selbstmord? Während Ma rtin nachzuvollziehen versucht, was wirklich geschehen ist, lässt langsam auch der übermächtige Einfluss, den Christoph auf ihn ausgeübt hat, nach.

Irina Korschunow stammt aus einer deutsch-russischen Familie. Sie wurde am 31. Dezember 1925 in Stendal geboren und ist auch dort aufgewachsen. Sie studierte Germanistik in Göttingen und schrieb sich vor allem mit ihren Kinderbüchern in die Herzen ihrer Leser. Am 31. Dezember 2013 ist sie in München verstorben.   Als Kinderbuchautorin wurde sie zunächst durch ihre >WawuschelHanno malt sich einen DrachenDer FindefuchsFindefuchsWuschelbärKleiner PelzKleiner Pelz will größer werdenEs muss auch kleine Riesen gebenEr hieß JanDie Sache mit ChristophEin Anruf von SebastianKinderbuchautorin und Schriftstellerin< hat man mich schon bezeichnet, in säuberlichem Kästchendenken, und sogar hin und her überlegt, ob ich vielleicht ein bisschen schizophren sei. Worüber sämtliche Schichten in mir, das Kind, der junge Mensch, der ältere, immer ältere, all das, was sich so übereinander schiebt im Laufe eines Lebens, nun wirklich lachen mussten.«   Allein bei dtv junior hat die Zahl ihrer verkauften Bände längst die Zweimillionengrenze überschritten, viele ihrer Bücher sind auch als Schullektüre bestens etabliert. Weitere Informationen über das kinderliterarische Werk der vielseitigen Autorin finden sich in: Lexikon der Kinder- und Jugendliteratur, Band 2, Weinheim 1975, S. 248 Kinder- und Jugendliteratur. Ein Lexikon. Teil 1: Autoren. 3. Ergänzungslieferung, Februar 1997, mit ausführlicher Werkbibliographie und Hinweisen auf weiterführende Literatur Borries, Mechthild (Hrsg.): Irina Korschunow. Werkheft Literatur. Eine Publikation des Goethe-Instituts München 1998
mehr

Produkt

KlappentextWollte Christoph sterben? Bei einem Fahrradunfall kommt der 17-jährige Christoph ums Leben. Doch sein Freund Martin zweifelt an der Geschichte. Er weiß, wie sehr Christoph, als arroganter Spinner abgelehnt, unter dem Druck von Schule und Elternhaus gelitten hat. War es doch Selbstmord? Während Ma rtin nachzuvollziehen versucht, was wirklich geschehen ist, lässt langsam auch der übermächtige Einfluss, den Christoph auf ihn ausgeübt hat, nach.

Irina Korschunow stammt aus einer deutsch-russischen Familie. Sie wurde am 31. Dezember 1925 in Stendal geboren und ist auch dort aufgewachsen. Sie studierte Germanistik in Göttingen und schrieb sich vor allem mit ihren Kinderbüchern in die Herzen ihrer Leser. Am 31. Dezember 2013 ist sie in München verstorben.   Als Kinderbuchautorin wurde sie zunächst durch ihre >WawuschelHanno malt sich einen DrachenDer FindefuchsFindefuchsWuschelbärKleiner PelzKleiner Pelz will größer werdenEs muss auch kleine Riesen gebenEr hieß JanDie Sache mit ChristophEin Anruf von SebastianKinderbuchautorin und Schriftstellerin< hat man mich schon bezeichnet, in säuberlichem Kästchendenken, und sogar hin und her überlegt, ob ich vielleicht ein bisschen schizophren sei. Worüber sämtliche Schichten in mir, das Kind, der junge Mensch, der ältere, immer ältere, all das, was sich so übereinander schiebt im Laufe eines Lebens, nun wirklich lachen mussten.«   Allein bei dtv junior hat die Zahl ihrer verkauften Bände längst die Zweimillionengrenze überschritten, viele ihrer Bücher sind auch als Schullektüre bestens etabliert. Weitere Informationen über das kinderliterarische Werk der vielseitigen Autorin finden sich in: Lexikon der Kinder- und Jugendliteratur, Band 2, Weinheim 1975, S. 248 Kinder- und Jugendliteratur. Ein Lexikon. Teil 1: Autoren. 3. Ergänzungslieferung, Februar 1997, mit ausführlicher Werkbibliographie und Hinweisen auf weiterführende Literatur Borries, Mechthild (Hrsg.): Irina Korschunow. Werkheft Literatur. Eine Publikation des Goethe-Instituts München 1998
Details
Weitere ISBN/GTIN9783423428323
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum22.01.2016
Auflage1. Auflage
Seiten160 Seiten
SpracheDeutsch
IllustrationenFormat: EPUB
Artikel-Nr.1852646
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe
1

Heute haben wir Christoph begraben.

Nein, nicht wir.

Sie haben ihn begraben.

Ich war nicht dabei.

In die Kirche bin ich noch gegangen. Sie liegt oben auf einem Hügel, mitten zwischen den Gräbern, eine kleine weiße Dorfkirche mit rundem Turm und einem Altarbild ganz in Rosa und Hellblau, von dem Christoph einmal gesagt hatte, dass es sicher ein Gemeinschaftswerk des Oberrieder Jungfrauenvereins sei.

Jetzt stand sein Sarg vor dem Bild.

Die Beerdigung sollte um elf anfangen. Kurz vor elf, als ich kam, war die Kirche schon voll. Das halbe Dorf war da, und die Schule natürlich: unsere Klasse, die Parallelklassen, fast sämtliche Lehrer. Die meisten wohnen nicht in Oberried. Sie waren zusammen mit der Bahn herausgefahren, wie bei einem Schulausflug, und eine halbe Stunde zu früh eingetroffen. Ich bekam keinen Platz mehr und musste stehen. Ich stand an der Wand und sah sie in den Bänken sitzen, einen neben dem andern, die Göbler, Mathe-Mayer, Bio-Mayer, Hansen, den Musiklehrer ... Nur der Hansen hatte Christoph gemocht, die anderen nicht, und ich konnte sie kaum aushalten mit ihren dunklen Kleidern und diesen passenden Gesichtern dazu. Der dicke Morgenfeld bekam es sogar fertig, unglücklich auszusehen. Vor ein paar Tagen hatte er noch zu Christoph gesagt: »Das Leben wird Ihnen schon genug blaue Flecken verpassen, Sie arroganter Kerl, und weiß Gott, die gönne ich Ihnen.«

Dass er es überhaupt gewagt hatte herzukommen, nach allem, was geschehen war. Er hätte in die Schule gehen sollen, er und die anderen, vor allem die Göbler, bei der wir im letzten Jahr Deutsch hatten und die wenigstens ehrlich genug war keine Trauermiene aufzusetzen. Niemand von denen hätte kommen dürfen, auch die Klasse nicht. »Die Meute« hatte Christoph sie genannt, obwohl sie ihn nicht gehetzt hatten, weil es nicht ging, weil sie sich nicht rantrauten. Nur Ulrike hätte dabei sein dürfen, Ulrike und ich. Aber da saßen sie und glotzten auf den Sarg und ich biss mir die Lippen kaputt, weil ich es nicht aushalten konnte, dass sie ihn anstarrten, den braunen Sarg mit Christoph darin, und sich vorstellten, wie er aussähe, vielleicht in einem weißen Hemd und die Hände gefaltet. Ja, so war es, ich hielt es nicht aus. Ich hatte noch nicht begriffen, dass sie ihm nichts mehr antun konnten. Dass er tot war. Nein, das hatte ich noch nicht begriffen.

Ich stand an der Wand und machte die Augen zu und machte sie wieder auf, weil ich keine Show abziehen wollte. Dann fing die Musik an. Drei Geigen und das Cello vom Schulorchester. Jemand schluchzte. Bestimmt Christophs Mutter. Sie tat mir Leid. Sie war klein und dünn und schüchtern, so eine von diesen grauen Mäusen, und jetzt musste sie vor der ganzen Versammlung schluchzen. Die Musik klang furchtbar. Ulrike hatte ihre Geige einen Viertelton zu hoch gestimmt und griff dauernd daneben. Ich hatte ihr gleich gesagt, dass sie es sein lassen sollte. Das hältst du nicht aus, hatte ich gesagt. Aber die anderen hatten sie gedrängt, weil außer ihr niemand das schwierige Solo spielen konnte, und vielleicht wollte sie es auch für Christoph tun. Weil sie genau wie ich noch nicht begriffen hatte, dass er nichts mehr brauchte.

Als sie endlich aufhörten, kam Pater Aurelius, einer der drei Franziskaner-Mönche vom Kloster. Wenn er Zeit hat, arbeitet er im Klostergarten. Wir kaufen unser Gemüse bei ihm. »Was Sie geben wollen«, sagt er, wenn man nach dem Preis fragt.

Daran musste ich denken, als er vor den Sarg trat. Ich konnte es nicht mehr aushalten, ich bin weggelaufen. Draußen schien die Sonne. So ein Föhntag, an dem die Berge fast bis an den Dorfrand rücken. Christoph hatte das gern. Bei Föhn sind wir oft zum Friedhof gegangen, dem höchsten Punkt im Dorf und nicht weit von unserem Haus. Neben der Kirche ist eine Bank. Dort haben wir gesessen und geredet. Der Föhn und die Berge - das brachte Christoph zum Reden.

Und jetzt sollte er an einem Föhntag beerdigt werden.

Ein Föhntag im September. Es war sehr warm, wie oft bei uns in dieser Jahreszeit, aber auf den Bergen lag schon Schnee. Nach Weihnachten hatten wir zusammen Ski fahren wollen: Christoph und ich. Und Ulrike, klar, die gehörte ja zu uns, das heißt, eigentlich zu Christoph. Und jetzt sollte er beerdigt werden.

Ich ging an den Gräbern vorbei, dorthin, wo das neue ausgehoben worden war. Der Mesner und der alte Reischel räumten gerade die Bretter weg, die sie zum Schutz über die Grube gelegt hatten.

Der alte Reischel hob den Kopf, als ich kam, sagte aber nichts. Sein Gesicht war rot angelaufen, wie immer, wenn er betrunken ist.

»Warum bist du nicht in der Kirche, Martin?«, fragte der Mesner. Er wischte sich mit der flachen Hand den Schweiß von der Stirn und rieb die Finger an der Hose trocken.

Ich trat an das Grab und sah hinein.

Ein dunkles Loch, schmal und tief. Der Boden und die Seitenwände glänzten lehmig. Unten rannte eine Maus hin und her: eine kleine graue Maus. Sie rannte von einem Ende zum andern, vor, zurück; vor, zurück.

Der alte Reischel nahm eins der Bretter und wollte es senkrecht in die Grube stoßen.

»Nein!«, schrie ich.

Ich höre mich noch schreien. Es war still, nur ein bisschen Wind, und dann meine Stimme. Noch nie habe ich meine Stimme so deutlich gehört.

»Warum denn nicht?«, fragte der alte Reischel. »Ist doch bloß eine Maus.«

Da begriff ich, dass Christoph tot war.

Ich fing an zu laufen. Ich lief und lief, den Friedhofsweg hinunter, über die Dorfstraße, an den Bauernhöfen vorbei, bis zum Fluss. Auf der Brücke blieb ich stehen. Es gibt zwei Brücken im Dorf, die große an der Bundesstraße, die den Hurler Berg hinauf zum Bahnhof führt, und diese Holzbrücke für Fußgänger und Radfahrer. Sie ist alt und knarrt, wenn man darüber geht - als kleiner Junge hatte ich jedes Mal Angst, sie könnte zusammenstürzen. Der Fluss wird an dieser Stelle von Gebüsch und Bäumen gesäumt, und die Blässhühner versammeln sich hier, die Enten und Haubentaucher. Als wir nach Oberried gezogen sind, im März vor sieben Jahren, war ich gerade neun geworden und hatte zum Geburtstag ein Schlauchboot bekommen. Mit dem bin ich hier bei der Brücke herumgepaddelt und habe Nester gesucht, stundenlang, bis meine Mutter mit dem Rad angefahren kam und mich holte. Ich weiß noch, wie es roch damals im April, ein bisschen brackig und nach Erde und frischem Holz. Auf dem Heimweg erzählte ich ihr dann von den Jungen, die ausgeschlüpft waren, von den roten Schnäbeln der Blässhühnerküken, von den Nestern im Gestrüpp, von allem, was ich gesehen hatte. Damals konnten wir noch miteinander reden.

Irgendwann hat es aufgehört.

»Es liegt an diesem Christoph«, sagten meine Eltern. »Der hetzt dich auf.«

Aber das stimmte nicht. Es war schon so, als Christoph kam, das wollten sie nur vergessen. Er war der Einzige, mit dem ich reden konnte. Ohne ihn hätte ich durchgedreht.

Dabei mochte meine Mutter ihn. »Ein intelligenter, sensibler Bursche«, sagte sie und ließ ihn bei uns Klavier üben, als sein Vater ihm nur noch eine Stunde am Tag erlauben wollte. Nur für mich, da wünschte sie sich einen anderen Freund, einen »normalen, netten Jungen, keinen, der noch überspannter ist als du«.

Tatsächlich, das hat sie gesagt. Und vor vierzehn Tagen, als alles anfing, als Christoph eine ganze Woche verschwunden blieb, da wollte sie mich in ein Internat schicken - »weg von diesem Einfluss«.

Das braucht sie nun nicht mehr.

Die Glocke fing an zu läuten. Jetzt trugen sie ihn zu seinem Grab. Mops, Olav, Yogi und zwei andere. Nein, drei. Einer hatte für mich einspringen müssen, weil ich weggelaufen war.

Ich legte den Kopf auf das Brückengeländer und fing an zu heulen.

Später lief ich die Böschung hinunter und setzte mich ins Gras. Von hier aus konnte ich die Brücke sehen. Ich wartete auf Ulrike.

Sie kam als Letzte, ganz allein.

Ich pfiff, als sie über die Brücke ging. Unser Pfiff, Christophs, meiner, dann auch ihr Pfiff.

Sie blieb stehen.

»Da bist du ja«, sagte sie, als ich die Böschung heraufgeklettert war.

Ihr Gesicht war vom Weinen verschwollen, ihre Nase rot. Früher, in der ersten Klasse vom Gymnasium, als sie noch bei jeder Gelegenheit heulte, hatte sie so ähnlich ausgesehen. Ich erinnerte mich plötzlich daran und dann fiel mir ein, dass mein Gesicht wahrscheinlich genauso aussah. Ich drehte den Kopf weg.

Schweigend gingen wir nebeneinander her.

»Der Direx hat am Grab gesprochen«, sagte sie nach einer Weile.

»O Gott«, sagte ich.

»Es war gar nicht so schlimm. Es klang irgendwie echt.«

Ich antwortete nicht.

»Vielleicht hat Christoph sich das bloß eingebildet«, sagte sie. »Dass ihn alle nicht mögen ... nicht mochten.«

Sie fing an zu weinen, lautlos, nur die Tränen liefen ihr übers Gesicht.

Ich nahm ihre Hand. Erst, als wir vom Fluss abbogen und ihr Haus auftauchte, merkte ich es und ließ die Hand los.

»Hast du noch Zeit?«, fragte sie. »Meine Mutter ist nicht da, sie hat heute länger Schule.«

Wir setzten uns in Ulrikes Zimmer. Sie machte das Fenster auf. Warme Föhnluft wehte herein, draußen bimmelten die Kühe. Ulrike wohnt mit ihrer Mutter hinten im Dorf, in einem ehemaligen Bauernhaus.

»Weißt du, woran ich denke?«, sagte Ulrike. »Ich überlege, ob Christoph jetzt, wenn...
mehr

Autor

Irina Korschunow stammt aus einer deutsch-russischen Familie. Sie wurde am 31. Dezember 1925 in Stendal geboren und ist auch dort aufgewachsen. Sie studierte Germanistik in Göttingen und schrieb sich vor allem mit ihren Kinderbüchern in die Herzen ihrer Leser. Am 31. Dezember 2013 ist sie in München verstorben. Als Kinderbuchautorin wurde sie zunächst durch ihre >WawuschelHanno malt sich einen DrachenDer FindefuchsFindefuchsWuschelbärKleiner PelzKleiner Pelz will größer werdenEs muss auch kleine Riesen gebenEr hieß JanDie Sache mit ChristophEin Anruf von SebastianKinderbuchautorin und Schriftstellerin