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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
160 Seiten
Deutsch
dtv Verlagsgesellschafterschienen am22.01.20161. Auflage
Tim sitzt im Knast und verliebt sich Der Priester räusperte sich. »Ich möchte, dass Sie sich keine Illusionen machen. Eine Beziehung über die Knastmauern hinweg aufrechtzuerhalten ist schwer genug. Eine anzufangen scheint mir fast unmöglich.« Tim sitzt im Knast: zwanzig Monate Jugendstrafe. Statt Partys, Freunden, Mädchen: Misstrauen, Einsamkeit, Monotonie, dazu der tägliche Kampf, sich unter den Mitgefangenen durchzusetzen und nicht in gewaltsame Auseinandersetzungen zu geraten. Mühselig arrangiert er sich mit den Umständen, liest viel, denkt nach, lebt vor sich hin. Bis etwas passiert, was eigentlich gar nicht passieren kann: Tim verliebt sich. In Martha, die von »draußen« kommt und dank Integrationsprogramm einmal wöchentlich im Knast auftaucht. Ein Hunger nach Leben erwacht in Tim und er denkt nur noch an Flucht. Als Tim Hafturlaub hat, funkt es wirklich: Er trifft Martha zum ersten Mal allein und nach einem kurzen, heftigen Wortgefecht ist zwischen ihnen alles klar - und atemberaubend schön. Nur dass diese Liebe keine Zeit hat: Eine Nacht, ein Tag, dann muss Tim wieder zurück. Tim und Martha aber wollen alles, und zwar sofort. Mit einem schrottreifen Granada und einem Igluzelt brennen sie durch, über Paris bis in die Bretagne, wo die beiden zwei wunderschöne Tage erleben. Doch was kommt dann?  

Christian Linker, geboren 1975, studierte in Bonn Theologie und machte Jugendpolitik, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete. Seine Romane, die sich schon immer mit brisanten Themen auseinandergesetzt haben, wurden vielfach ausgezeichnet.
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Produkt

KlappentextTim sitzt im Knast und verliebt sich Der Priester räusperte sich. »Ich möchte, dass Sie sich keine Illusionen machen. Eine Beziehung über die Knastmauern hinweg aufrechtzuerhalten ist schwer genug. Eine anzufangen scheint mir fast unmöglich.« Tim sitzt im Knast: zwanzig Monate Jugendstrafe. Statt Partys, Freunden, Mädchen: Misstrauen, Einsamkeit, Monotonie, dazu der tägliche Kampf, sich unter den Mitgefangenen durchzusetzen und nicht in gewaltsame Auseinandersetzungen zu geraten. Mühselig arrangiert er sich mit den Umständen, liest viel, denkt nach, lebt vor sich hin. Bis etwas passiert, was eigentlich gar nicht passieren kann: Tim verliebt sich. In Martha, die von »draußen« kommt und dank Integrationsprogramm einmal wöchentlich im Knast auftaucht. Ein Hunger nach Leben erwacht in Tim und er denkt nur noch an Flucht. Als Tim Hafturlaub hat, funkt es wirklich: Er trifft Martha zum ersten Mal allein und nach einem kurzen, heftigen Wortgefecht ist zwischen ihnen alles klar - und atemberaubend schön. Nur dass diese Liebe keine Zeit hat: Eine Nacht, ein Tag, dann muss Tim wieder zurück. Tim und Martha aber wollen alles, und zwar sofort. Mit einem schrottreifen Granada und einem Igluzelt brennen sie durch, über Paris bis in die Bretagne, wo die beiden zwei wunderschöne Tage erleben. Doch was kommt dann?  

Christian Linker, geboren 1975, studierte in Bonn Theologie und machte Jugendpolitik, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete. Seine Romane, die sich schon immer mit brisanten Themen auseinandergesetzt haben, wurden vielfach ausgezeichnet.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783423429290
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum22.01.2016
Auflage1. Auflage
Seiten160 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3994 Kbytes
IllustrationenFormat: EPUB
Artikel-Nr.1852684
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe
# Besuch

Ich hatte ihr nicht geschrieben. Bei Natalie waren in der Regel drei Versuche nötig gewesen für einen Brief, der weder zu schnulzig noch zu kühl, weder zu zynisch noch zu selbstmitleidig klang. Was SIE betraf: Nach rund fünfzehn Anläufen hatte ich es aufgegeben. Keine Worte können ausdrücken, was ich dir sagen will, dachte ich, als ich sie am Dienstag traf. Aber ich sagte es nicht. Erstens wäre die Aussage dann nämlich ein Widerspruch zu sich selbst, zweitens hätte ich mit so einem beknackten Statement sofort verloren bei ihr.

Ich war ohnehin nicht auf ein Gespräch mit ihr aus. Und das war die Schuld von Nico, der mich letzte Nacht wieder beehrt hatte. Nico schaute von Zeit zu Zeit in meinen Träumen vorbei, mal um mich anzuklagen, mal um sich lustig zu machen. In der Regel vermiesten mir Nicos nächtliche Besuche auch den darauffolgenden Tag.

Also hockte ich schweigend neben Martha. Ein knappes »Hallo«, weiter nichts. Sie war noch tausendmal schöner, sinnlicher, erotischer, als ich sie die ganze endlose Woche (sieben Tage, einhundertachtundsechzig Stunden, zehntausendundachtzig Minuten, sechshundertviertausendundachthundert Sekunden) in Erinnerung hatte. Und ich blöder Hirnidiot wusste nicht das Geringste zu sagen.

Dafür meldete SIE sich nach einer Weile: »Du hast mir nicht geschrieben.«

»Du hast also drauf gewartet«, schloss ich daraus.

»Ich hatte damit gerechnet«, verbesserte sie.

Ich musste lächeln. »Verstehe.«

»Kennst du Heidegger?«, fragte ich.

»Nein. Ich weiß bloß, dass er ziemlich bekifftes Zeug geschrieben haben soll.«

»Hast du selbst schon mal gekifft?«

»Machst du so was wie ein Verhör oder ´ne Umfrage?«

Und so weiter. Um es kurz zu sagen: Unser Gespräch an diesem Tag verlief so richtig scheiße.

Nach neunzig Minuten entschwand sie meiner Welt. Bis nächste Woche.

»Ich schreib dir heute Abend!«, rief ich ihr nach.

Martha winkte ab.

»Ich schreib dir auch morgen Abend! Ich schreib dir jeden Abend!«

Fort war sie. Aber immerhin hatte ich mich in letzter Sekunde noch flugs zum Affen gemacht. Bravo, Herr Landberg!

»Gehen wir, Herr Landberg.«

Der Grüne, der hinter mir stand, klimperte mit dem Knochen. Wir wurden auf unsere Hafthäuser und Zellenblöcke sortiert. Vor der Zellentür fing mich Matschulla ab. »Ah, Herr Landberg. Donnerstag ist Besuchstag.«

»Weiß ich.«

»Donnerstag ist Besuchstag für Sie«, verdeutlichte er und strahlte dabei von einem Schnauzbartzipfel zum anderen, als hätte er mir meine Freilassung verkündet.

Lucy hatte es also geschafft. Mein Herz machte einen Sprung. Aber nur einen ganz kleinen natürlich.

Zwischen heute und Donnerstag lag noch der Mittwoch. Das war der Tag, an dem Al-Hakka sein Zeug von mir zurückerwartete. Schon Dienstagabend hielt ich es wieder in Händen, wusch das Päckchen sauber und steckte es in meine Hosentasche. Dort blieb es, bis ich den Libanesen in der Freistunde traf. Als wir uns lässig die Hand gaben, war die Sache über die Bühne.

»Danke, Mann.« Al-Hakka wollte mir auf die Schulter klopfen. Ich griff hart nach seinem Arm und zischte: »Die scheiß SoKo hat meine Hütte zerlegt wie eine Forelle auf dem Silberteller! Mein Schließer hat was gelabert, einer hätte es auf mich abgesehen.« Ich zog den Araber näher an mich heran. »Wer zum Teufel hat mich verzinkt?«

Mich glotzte das dämlichste Gesicht des ganzen Vorderen Orients an. »Keine Ahnung, Mann«, sagte Al-Hakka. Der Kerl war eine Kampfmaschine erster Güte, aber strohdoof und grundehrlich. Ich glaubte ihm und ließ seinen Arm los.

»Ich kann schwören«, beteuerte er. »Bei Allah.«

»Nicht nötig«, brummte ich und drehte mir eine Kippe. »Dein Wort genügt mir. Aber was soll die Scheiße, Al-Hakka? Wer will mich fertigmachen?«

Sein Blick schweifte über den Hof und blieb an Bodo Ingel hängen, der mit Jablonski in ein Gespräch vertieft war. Al-Hakka nickte leicht mit dem Kopf in ihre Richtung. Dann gab er mir Feuer.

Ich sog lang und tief an der Zigarette. »Bodo?«

»Bodo.«

»Vielleicht hast du recht. Jedenfalls hat er uns beobachtet.«

»Stimmt«, sagte Al-Hakka zu meinem Erstaunen. Er grinste. »Said hat mitgekriegt, dass die Glatze uns gesehen hat. Ich weiß immer alles. Wenn du was mit dem zu klären hast, dann tu es. Wenn du willst, dass ich das für dich kläre, komm zu mir. Aber nur wenn du sicher bist. Wirklich sicher, Mann.« Er senkte die Stimme und kam mit seinem Kopf ganz nah an mein Ohr, als er weitersprach: »Denn wenn ich das mit der Glatze kläre, dann gibt es keine Möglichkeit, die Sache rückgängig zu machen. Verstehst du?«

Nicht ganz. Aber ich besaß eine rege Fantasie, was das betraf, vor allem seit ich damals den Schrei Metin Erkans aus der Dusche gehört hatte. Ich nickte.

»Noch mal danke, Mann.« Al-Hakka ließ mich stehen.

Ich zog an der Kippe, warf sie weg und schlenderte zu den beiden hinüber.

»Hi, Bodo«, grüßte ich, »Jablonski, alles klar?«

»Bestens«, antwortete Jablonski.

Bodo musterte mich von Kopf bis Fuß und wieder zurück, bevor er lauernd fragte: »Hast Ärger gehabt, hört man.«

»Wo hört man so was?«

»Hört man halt«, sagte Jablonski an seiner Stelle. Der schmierige Kerl mit seinem bescheuerten Oberlippenbärtchen grinste mich an.

Bodo meinte ernst: »Schlechte Zeiten für Kanakenfreunde.« Dann legte er plötzlich einen Arm um meine Schulter und sagte: »Ich weiß ja, wie das hier drin ist. So viele Leute, so viele Gruppen. Verdammt schwer, immer zu wissen, wo man hingehört. Manchmal bekommt man aber ´ne zweite Chance.«

»Wenn du die Araber meinst«, sagte ich. »Ich muss halt aufpassen, dass mich von denen keiner mehr abzieht, deshalb rede ich manchmal mit dem Oberkanaken. Natürlich gehör ich zu euch. Keine Ahnung, was du mit zweiter Chance meinst.«

»Vergiss es«, sagte Bodo und erteilte mir einen seiner krachenden Schulterklopfer. Anscheinend war ich rehabilitiert.

Sehr viel später, wenn ich mal wieder draußen sein würde, könnte ich bestimmt Bundesaußenminister werden, bei diesem diplomatischen Geschick. Okay, man kann mich auch einen miesen Opportunisten nennen, einen Schleimer oder Arschkriecher. Aber dann würde es auch noch zum Generalsekretär einer der beiden Volksparteien reichen.

Bis auf Weiteres lag meine politische Karriere allerdings auf Eis, denn am morgigen Nachmittag wartete eine wesentlich größere Herausforderung auf mich. Das Wiedersehen mit Lucy. Zugleich meine Premiere im Besucherraum.

Die halbe Erdbevölkerung tummelte sich in einem stickigen Raum mit zwanzig kleinen Tischen, nikotingelben Decken, Wänden und Fenstervorhängen, dazwischen wuselten die Grünen rum, guckten auf die Zeit und auf die Hände aller Anwesenden. Ständig klickerte Geld durch den Getränke-, den Zigaretten- oder den Schokoriegelautomaten, denn nicht mal einen Keks darf man von draußen mitbringen, nur ein paar Münzen, und die dürfen ausschließlich in diese drei Automaten.

In all das trat nun Lucy, die kleine, lebenslustige, immer optimistische Lucy. Mein Gott, wie hübsch sie geworden war. (Nicht, dass ich schon seit zehn Jahren im Knast gesessen hätte, aber es fiel mir eben erst heute auf.) Hinterdrein schlurfte Kurt. War ja eigentlich klar gewesen, dass sie Lucy nicht allein herlassen würden. Meine Mutter, die blöde Kuh, drückte sich also.

Lucy fiel mir trotz des dichten Gedränges um den Hals und löste sich erst nach dem scharfen Anpfiff eines Grünen von mir. Kurt drückte mir die Hand, seine Augen umarmten und knutschten mich. Der Typ schien sich zu freuen, mich zu sehen. Lucy drückte eine Träne weg und hielt mir einen Schokoriegel hin.

»Aus dem Automaten«, sagte sie. »Ich hab ´n Kuchen gebacken, aber den durfte ich nicht mit reinbringen, haben die gesagt.«

»Mist, ich hab mich so darauf verlassen, dass du ´ne Feile reinschmuggelst«, witzelte ich. Lucy lächelte schwach.

»Hier ist´s ziemlich scheiße«, fand sie.

»Du wolltest ja nicht hören«, schimpfte ich gespielt. »Aber mach dir nichts draus. Hier ist es nicht überall so wie im Besucherraum. In meiner Zelle ist himmlische Ruhe. Da kann man sich richtig entspannen.« Haha, wie lustig! Wollte ich sie aufmuntern oder mich?

Lucy lachte jedenfalls. »Du redest noch denselben Unsinn zusammen wie immer«, attestierte sie mir.

Ich nahm das als Lob und wie zur Bestätigung witzelte ich: »Trotz des großen Andrangs ist es mir gelungen, einen Tisch zu reservieren.«

Wir hockten uns auf die Siegermodelle des Wettbewerbes Garantiert unbequemster Stuhl der frühen achtziger Jahre und blickten einander an.

Kurt schob wohl diese Woche Nachtschicht, so sah er jedenfalls aus. Und er machte eine sorgenvolle Miene.

»Hey, Kurt«, rief ich. »Wie geht´s meiner Mutter?« Sein Schweigen nervte mich.

»Schlecht«, antwortete Kurt. »Sie leidet sehr unter ...« Er suchte nach Worten. »Unter dieser Situation.«

»Muss hart für sie sein«, kommentierte ich. War sarkastisch gemeint, merkte aber niemand, denn Lucy und ihr Vater nickten bloß.

Lucy fasste meine Hand und sagte: »Mama hat Angst, du willst sie nicht sehen. Sie möchte, dass du ihr...
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