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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
240 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am09.05.2016
In einer Welt, in der Mädchen keine Rechte haben, erscheint eine Insel, auf der nur Frauen leben und dort die Mythen der Göttin studieren, wie ein Märchen. Für die junge Maresi ist dieser Traum Wirklichkeit geworden: Sie ist bereits seit vier Jahren als Novizin auf der Insel und damit in Sicherheit. Bis eines Tages Jai - helles, wildes Haar, vor Schmutz starrende Kleider und Narben auf dem Rücken - einem Boot entsteigt. Sie sucht Schutz vor schrecklicher Gefahr und unvorstellbarer Grausamkeit. Doch als Jais Verfolger in der Roten Abtei auftauchen, muss Maresi über sich selbst hinauswachsen, um sich, Jai und ihr Zuhause zu retten ...

Schon als kleines Kind war Maria Turtschaninoff, geboren 1977, von fantastischen Geschichten fasziniert. Zu ihren Lieblingsautoren zählen unter anderen Philip Pullman, Michael Ende, J.R.R. Tolkien, Ursula K. Le Guin. Maria Turtschaninoff studierte Humanökologie, bevor sie selbst mit dem Schreiben begann. Für ihre zauberhaften Geschichten voller magischem Realismus und mythologischer und märchenhafter Elemente wurde die Autorin in ihrer Heimat Finnland bereits mehrfach ausgezeichnet.
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Produkt

KlappentextIn einer Welt, in der Mädchen keine Rechte haben, erscheint eine Insel, auf der nur Frauen leben und dort die Mythen der Göttin studieren, wie ein Märchen. Für die junge Maresi ist dieser Traum Wirklichkeit geworden: Sie ist bereits seit vier Jahren als Novizin auf der Insel und damit in Sicherheit. Bis eines Tages Jai - helles, wildes Haar, vor Schmutz starrende Kleider und Narben auf dem Rücken - einem Boot entsteigt. Sie sucht Schutz vor schrecklicher Gefahr und unvorstellbarer Grausamkeit. Doch als Jais Verfolger in der Roten Abtei auftauchen, muss Maresi über sich selbst hinauswachsen, um sich, Jai und ihr Zuhause zu retten ...

Schon als kleines Kind war Maria Turtschaninoff, geboren 1977, von fantastischen Geschichten fasziniert. Zu ihren Lieblingsautoren zählen unter anderen Philip Pullman, Michael Ende, J.R.R. Tolkien, Ursula K. Le Guin. Maria Turtschaninoff studierte Humanökologie, bevor sie selbst mit dem Schreiben begann. Für ihre zauberhaften Geschichten voller magischem Realismus und mythologischer und märchenhafter Elemente wurde die Autorin in ihrer Heimat Finnland bereits mehrfach ausgezeichnet.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641170202
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum09.05.2016
Seiten240 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1576 Kbytes
Artikel-Nr.1869409
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Jai bekam das Bett neben dem meinen. In der Regel muss eine neue Novizin im Jungnovizinnensaal schlafen, aber die meisten, die zu uns kommen, sind ja auch noch kleine Mädchen. Jai war alt genug, um bei uns Älteren zu schlafen. Ich schätzte sie ein oder zwei Jahre älter als mich, und ich bin dreizehn.

Im Saal der älteren Novizinnen war das Bett neben meinem frei, weil Joem vor Kurzem als Schwester Ers´ Novizin ins Herdhaus umgezogen war. Die Novizinnen von Schwester Ers sind die einzigen, die nicht im Novizinnenhaus schlafen. Sie müssen das Feuer auf dem Herd am Brennen halten, denn es darf niemals erlöschen, und außerdem müssen sie zu bestimmten Zeiten Havva Opfer darbringen. Joem hält sich für etwas Besonderes, weil sie eine Dienerin des Herdes werden durfte. Ich weiß, dass sie glaubt, alle würden sie beneiden. Als ich noch ganz neu war auf der Insel, konnte auch ich mir nichts Besseres vorstellen, als im Herdhaus zu wohnen und immer Essen um mich zu haben. Mein Magen hatte den Hungerwinter, den wir zu Hause erlebt hatten, noch nicht vergessen. Als ich aber mitbekam, wie streng Schwester Ers ist und dass sie ihren Novizinnen nie Extraportionen gönnt, verging mir dieser Wunsch. Immer nur Essen anzufassen, Essen zu riechen, mit Essen zu hantieren, aber mir nichts davon einverleiben zu dürfen!

Joem spricht außerdem im Schlaf. Ich vermisste sie nicht.

Jai saß auf ihrem Bett, und alle Novizinnen, kleine wie große, scharten sich um sie, so wie wir es immer machen, wenn eine Neue kommt. Die kleinen Mädchen bewunderten ihre langen, blonden Haare, die unter dem leinenen Kopftuch hervorwallten. Die Tücher schützen uns vor der kräftigen Sonne, aber die Haare dürfen darunter auf keinen Fall zusammengebunden werden. Wir schneiden uns die Haare auch nie. Im Haar stecke unsere Stärke, sagt Schwester O.

Die älteren Mädchen fragten drauflos, woher sie komme, wie lange ihre Reise gedauert habe, ob sie über unser Kloster schon einmal etwas gehört habe. Jai saß völlig reglos da. Sie hatte einen helleren Teint als die meisten, aber ich sah, dass sie auch blass war. Unter den Augen war ihre Haut dünn und dunkel, fast purpurn. Wie Blütenblätter von Veilchen im Frühling. Sie sprach auch kein Wort, beantwortete keine einzige Frage, sondern sah sich nur um.

Ich erhob mich von meinem Bett. »Schluss jetzt. Ihr habt alle etwas zu tun. Fort mit euch.«

Sie gehorchten mir alle miteinander. Es ist komisch, wenn ich daran denke, wie es war, als ich hierherkam und mich ständig blamierte und niemals irgendjemand getan hätte, was ich sagte. Jetzt gehöre ich im Novizinnenhaus zu den Ältesten und bin noch keinem Haus oder einer Schwester gegenüber direkt verantwortlich. Ich bin länger Novizin als die meisten hier. Ennike ist die Einzige, die schon vor mir da war und auch noch keine Novizin bei einer Schwester ist.

Ich zeigte Jai ihren Schrank, in dem saubere Kleider waren, erklärte ihr, wo das Örtchen ist, und half ihr das Bett frisch zu beziehen. Sie beobachtete genau alles, was ich tat, sagte aber immer noch kein Wort.

»Heute brauchst du nichts zu tun«, sagte ich, während ich die Ecken ihrer Decke umschlug. »Abends darfst du zur Danksagung im Tempel der Rose mitkommen, aber keine Sorge, ich zeige dir alles, was du wissen musst.« Ich richtete mich auf. »Jetzt gibt es bald Abendessen. Ich werde dir den Weg zum Herdhaus zeigen.«

Jai hatte noch immer kein Wort gesprochen.

»Verstehst du, was ich sage?«, fragte ich freundlich. Womöglich war sie von so weit her, dass sie keine der Küstensprachen beherrschte. So wie ich, als ich hierherkam. Oben im Norden, in Ländern wie Rovas, Urundien und Lavora, sprechen wir eine andere Sprache als die Leute hier unten am Meer. Die Küstensprachen sind sich alle ziemlich ähnlich. Die Leute, die sie sprechen, können einander verstehen, auch wenn die Aussprache manchmal anders ist und manche Wörter sich unterscheiden. Die Länder treiben untereinander aber so viel Handel, sagt Schwester O, dass sich ihre Sprachen nicht weit auseinanderentwickelt haben. Für mich war das erste Jahr hier im Kloster schwer, bis ich die Sprache dann gelernt hatte.

Jai nickte. Dann machte sie plötzlich den Mund auf.

»Gibt es hier wirklich keine männlichen Wesen?« Sie hatte eine überraschend tiefe Stimme und einen Akzent, den ich noch nie gehört hatte.

Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Männer haben zur Insel keinen Zutritt. Die Fischer, mit denen wir handeln, dürfen nicht an Land kommen, Schwester Veerk kauft ihnen ihren Fang vom Landesteg aus ab. Aber wir haben natürlich Tiere männlichen Geschlechts. Einen ziemlich wütenden Hahn, ein paar Ziegenböcke. Doch keine Männer.«

»Wie kommt ihr dann zurecht? Wer kümmert sich um die Tiere, wer bestellt den Boden, wer beschützt euch?«

Ich geleitete sie zu der hohen, schmalen Tür des Schlafsaals. Hier gibt es ganz viele Türen, und keine ist wie die andere. Sie schließen aus, sperren ein, schützen, verdecken, verbergen, verstecken. Sie sehen mich mit glänzenden Eisenbeschlägen an, starren mit großen Astlöchern, glotzen mit geschnitzten Mustern. Ich habe ausgerechnet, dass ich an einem gewöhnlichen Tag durch mindestens zwanzig Türen gehe.

Zu Hause hatten wir zwei Türen. Eine zu unserer Hütte und eine zum Örtchen. Sie waren beide aus Holzbohlen und hingen an Lederscharnieren, die Vater angefertigt hatte. Die Hüttentür verrammelte Vater abends mit einem großen Balken. Das Örtchen ließ sich von innen mit einer Klinke verschließen, die mein Bruder Akios von außen oft mit einem Holzsplitter aufpfriemelte, während meine Schwester Náraes ihn anschrie, er solle uns in Ruhe lassen.

Ich führte Jai durch den Korridor im Novizinnenhaus. »Wir bauen kein Getreide an, dafür ist die Insel zu steinig. Was wir brauchen, kaufen wir vom Festland. Wir haben aber mehrere Gemüsegärten und einen Olivenhain, und außerdem bauen die Schwestern beim Einsamen Tempel Wein an. Den trinken wir aber nur wenige Male im Jahr, zu Festen und zu Riten.«

Wir traten in die warme Abendsonne hinaus, und ich zog mir das Kopftuch tief in die Stirn. Schwester Loeni mag es nicht, wenn ich es so trage, sie sagt, das sehe schlampig aus, aber ich mag es nicht, wenn mich die Sonne blendet.

»Beschützer brauchen wir nicht. Nur wenige segeln so weit aufs Meer. Hast du nicht gesehen, wie steil der Berg ist, der zum Kloster heraufführt, und wie hoch die Mauer? Es gibt nur zwei Eingänge. Derjenige, durch den du gekommen bist, kann mit einer schweren Tür verschlossen und verriegelt werden. Der andere heißt Ziegenpforte und liegt in der Mauer zum Berg hin.« Ich deutete hinauf. »Sie führt aber nur zu einem kleinen Pfad, auf dem wir die Ziegen zur Weide bringen. Der Pfad geht zum Einsamen Tempel und zur Weißen Frau und zu unseren Gemüsebeeten. Für jemanden, der ihn nicht kennt, ist er von der Bergflanke her nur sehr schwer zu finden. Und dass Piraten das Kloster angegriffen haben, ist lange her. Das kam nur in den ersten Jahren nach der Ankunft der Urschwestern hier auf der Insel vor, die deshalb die Mauer errichteten. Es gibt auf unserer Insel keine andere Siedlung als das Kloster. Also niemanden, vor dem wir beschützt werden müssen.« Ich machte mit dem rechten Zeigefinger auf der linken Handfläche das Kreiszeichen, um Böses abzuwehren. »Wir sind alle miteinander Dienerinnen der Urmutter. Sie beschützt uns, wenn es nötig ist.«

Der Innenhof war leer. Es mussten schon alle zum Herdhaus gegangen sein. So ist es immer, wenn das Gerücht umgeht, dass es frischen Fisch gibt. Bevor ich hierherkam, hatte ich nur ein paarmal getrockneten Fisch gegessen, und der schmeckte nach fast gar nichts. Schwester Ers verwendet jedoch zu allem, was im Herdhaus zubereitet wird, Kräuter und seltene Gewürze. Den ersten Löffel voll, den ich von einem ihrer Gerichte in den Mund genommen habe, hätte ich beinahe wieder ausgespuckt, so fremd schmeckte es. Allein der scharfe und missbilligende Blick der Schwestern hinderte mich daran, zum Glück. Ich hätte es nämlich nur ungern gesehen, wenn auf diese Weise alle meine Unerfahrenheit mitbekommen hätten. Ich kam mir schon bäurisch und unbeholfen genug vor. Später habe ich die Namen der ungewohnten Geschmäcker alle gelernt. Zimt aus dem Osten, Melde aus den Ländern im Norden, gelbe Iruka und wilden Oregano von unseren eigenen Berghängen.

Ich sah Jai an. Sie musste sich jetzt genauso unbeholfen vorkommen wie ich, als ich seinerzeit auf die Insel kam. Ich streckte die Hand aus, um ihr einen aufmunternden Klaps auf den Arm zu geben, doch sie sprang beiseite, als hätte ich versucht, sie zu schlagen. Sie hielt die Hände vors Gesicht und stand völlig reglos da. Ihre Wangen waren noch blasser als bisher.

»Hab keine Angst«, sagte ich vorsichtig. »Ich wollte dir nur zeigen, wo all unsere Häuser sind. Schau, da ist die Leibesfreude. Damit wirst du morgen Bekanntschaft schließen. Diese Treppe führt zum Tempelhof mit dem Haus der Erkenntnis, dem Schwesternhaus und dem Tempel der Rose hinauf. Wir nennen sie Abendtreppe, weil sie im Westen liegt.«

Ich sah, dass Jai zwischen ihren Fingern hindurchguckte, darum sprach ich weiter. »Diese lange, schmale Treppe heißt Mondtreppe. Sie hat zweihundertsiebzig Stufen! Ich habe sie selbst gezählt. Sie führt zum Mondhof und dem Haus der Mondgöttin hinauf. Dort hat die Mutter ihre Zelle. Hast du die Mutter schon getroffen?«

Jai ließ die Hände sinken und nickte. Ich wusste, dass sie die Mutter schon getroffen hatte, das tun alle Mädchen, gleich wenn sie ankommen. Das war auch nicht der Grund, weshalb ich sie gefragt hatte. Ich wollte sie vielmehr dazu bringen, sich zu...

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Schon als kleines Kind war Maria Turtschaninoff, geboren 1977, von fantastischen Geschichten fasziniert. Zu ihren Lieblingsautoren zählen unter anderen Philip Pullman, Michael Ende, J.R.R. Tolkien, Ursula K. Le Guin. Maria Turtschaninoff studierte Humanökologie, bevor sie selbst mit dem Schreiben begann. Für ihre zauberhaften Geschichten voller magischem Realismus und mythologischer und märchenhafter Elemente wurde die Autorin in ihrer Heimat Finnland bereits mehrfach ausgezeichnet.