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Pandora - Wovon träumst du?

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
496 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am11.04.2016
Sophie lebt in einer Welt, in der alle durch einen Chip im Kopf jederzeit unbeschwert online gehen können. Als sie erfährt, dass sie adoptiert ist und eine Zwillingsschwester hat, erkunden die Mädchen damit ihre Vergangenheit - und stoßen schon bald auf seltsame Geheimnisse. Ihre Recherchen bringen den Sandman auf ihre Spur. Er will die Menschheit mithilfe eines perfekt getarnten Überwachungssystems beherrschen, und nur die Zwillinge können ihn und seine allmächtige NeuroLink Solutions Inc. zu Fall bringen. Doch das bringt sie in höchste Gefahr ...

Eva Siegmund, geboren 1983 im Taunus, stellte ihr schriftstellerisches Talent bereits in der 6. Klasse bei einem Kurzgeschichtenwettbewerb unter Beweis. Nach dem Abitur entschied sie sich zunächst für eine Ausbildung zur Kirchenmalerin und studierte dann Jura an der FU Berlin. Nachdem sie im Lektorat eines Berliner Hörverlags gearbeitet hat, lebt sie heute als Autorin an immer anderen Orten, um Stoff für ihre Geschichten zu sammeln.
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Produkt

KlappentextSophie lebt in einer Welt, in der alle durch einen Chip im Kopf jederzeit unbeschwert online gehen können. Als sie erfährt, dass sie adoptiert ist und eine Zwillingsschwester hat, erkunden die Mädchen damit ihre Vergangenheit - und stoßen schon bald auf seltsame Geheimnisse. Ihre Recherchen bringen den Sandman auf ihre Spur. Er will die Menschheit mithilfe eines perfekt getarnten Überwachungssystems beherrschen, und nur die Zwillinge können ihn und seine allmächtige NeuroLink Solutions Inc. zu Fall bringen. Doch das bringt sie in höchste Gefahr ...

Eva Siegmund, geboren 1983 im Taunus, stellte ihr schriftstellerisches Talent bereits in der 6. Klasse bei einem Kurzgeschichtenwettbewerb unter Beweis. Nach dem Abitur entschied sie sich zunächst für eine Ausbildung zur Kirchenmalerin und studierte dann Jura an der FU Berlin. Nachdem sie im Lektorat eines Berliner Hörverlags gearbeitet hat, lebt sie heute als Autorin an immer anderen Orten, um Stoff für ihre Geschichten zu sammeln.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641182854
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum11.04.2016
Seiten496 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse5017 Kbytes
Artikel-Nr.1869727
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


LIZ

Ich musste da raus. Dringend. Noch eine Minute länger und meine Selbstbeherrschung wäre dahin gewesen. Aber wer die Fassung verliert, ist angreifbar, das hatte mein Vater mir wieder und wieder eingetrichtert. Vielmehr mein Adoptivvater. Ach verdammt. Wenn ich mich schon auf sonst niemanden verlassen konnte, wollte ich mich wenigstens auf mich selbst verlassen können.

Ich drückte mich an der Empfangsdame vorbei (die viel zu hübsch war, als dass meine Mutter sie jemals akzeptiert hätte), stürmte mit der verflixten Tüte auf die Straße und atmete ein paar Mal tief durch. Die Sonne schien wie verrückt vom Himmel und die Menschen flanierten über die Straße und unterhielten sich lachend, als wäre nichts passiert, was in den meisten Fällen ja durchaus zutraf. Für mich hatte sich soeben alles verändert. Mein ganzes Leben zerfiel gerade in seine Einzelteile. Und ich war so ungeheuer wütend darüber, dass ich am liebsten geschrien hätte.

Jetzt, in der Berliner Nachmittagssonne, die ich ganz besonders liebte, kam mir meine eigene Situation komplett surreal vor. Als hätte ich die letzten Minuten einfach nur in einem abgefuckten Traum verbracht. Doch die abgewetzte Plastiktüte in meiner Hand belehrte mich eines Besseren. Darin befanden sich die letzten Besitztümer meines leiblichen Vaters. Inklusive eines weißen Kittels, an dem noch das Blut meiner Mutter klebte. Alleine beim Gedanken daran wurde mir schlecht.

Mein Leben lang hatte ich gewusst, wer ich war und wo ich hingehörte. Doch jetzt hatte ich komplett die Orientierung verloren.

Wenige Momente nach mir kam Sophie zur Tür herausgestolpert. Sie sah genau so aus, wie ich mich fühlte: als wäre ihrer Seele übel.

Es war einfach nur ungerecht. Die vergangenen zehn Jahre meines Lebens hatte ich in meinem Elternhaus meist alleine mit unserer Haushälterin Fe, dem Security-Manager Juan und meiner Dalmatiner-Dame Daphne verbracht. Bei so vielen Dingen, Problemen und Entscheidungen war ich völlig auf mich alleine gestellt gewesen. Ich hätte für eine Zwillingsschwester getötet. Wirklich wahr. Und doch konnte ich mich jetzt nicht darüber freuen, eine zu haben.

In einer normalen Welt wüsste ich alles über sie und sie wüsste alles über mich. In einer normalen Welt würden wir abends lange aufbleiben, Frisuren, Outfits und Jungs durchdiskutieren und einander auf Partys beim Kotzen die Haare aus dem Gesicht halten. Wir würden uns bis aufs Blut streiten und in der nächsten Sekunde wieder vertragen. Ich könnte ihren Musikgeschmack nicht ausstehen und sie meinen nicht, aber wir würden trotzdem zusammen tanzen. In einer normalen Welt. Leider war das hier keine normale Welt. Die schreckliche Wahrheit war, dass die Welt selbst immer verrückter wurde und ich nicht mehr über meine Zwillingsschwester wusste als ihren Namen. Und dass sie keine Frisur hatte, sondern einfach nur Haare auf dem Kopf. In einer normalen Welt würde ich sie spätestens jetzt zum Friseur schleppen, um diesen Zustand zu beheben.

Stattdessen aber sagte ich: »Wir hätten ihn nach der Adresse dieses Anwalts fragen sollen!«

Sophie sah mich mit ausdrucksloser Miene an. »Wir hätten ihn lieber fragen sollen, ob unsere Eltern von all dem wussten. Unsere Adoptiveltern, meine ich. Das ist alles so ...«

»Scheiße?«, bot ich an und Sophie nickte. Sie war weiß wie eine Wand und ich hatte schon Angst, dass sie umkippen würde, als sie sich auf den Treppenvorsprung des Notariatseingangs setzte. Mein erster Impuls war, mich zu ihr zu setzen, doch irgendetwas hielt mich davon ab. Ihre Worte hatten mir einen Stich versetzt. Was, wenn meine Eltern die ganze Zeit gewusst hatten, dass ich noch eine Zwillingsschwester hatte, die ebenfalls in Berlin lebte? Und was noch viel wichtiger war: Warum hatten sie mir nie gesagt, dass ich adoptiert war? Wieso hatten sie überhaupt ein Kind adoptiert, wenn sie gar keine Zeit für Kinder hatten? Weil es schick war? Weil sie beweisen wollten, dass sie es auch konnten? Ein wenig kam ich mir vor wie ein ebenso teures wie nutzloses Accessoire. Oder wie ein exotisches Haustier, das man sich anschaffte, ohne sich über die Folgen im Klaren zu sein. Mein Freund Carl beispielsweise hatte sich zu seinem dreizehnten Geburtstag einen kleinen Alligator gewünscht. Und dank seines Dickkopfes auch bekommen - die Narbe an seinem Zeigefinger war heute noch deutlich zu sehen. Das kleine Biest haben die Eltern dem Berliner Zoo geschenkt. Also den Alligator - Carl haben sie behalten.

Traurig schüttelte ich den Kopf. Ich war so sehr daran gewöhnt, dass meine Eltern nicht bei mir waren, dass ich gar nicht erst darüber nachgedacht hatte, wie tief sie wohl in der Sache drinsteckten. Durfte ich sie eigentlich noch als Eltern bezeichnen? Und wollte ich das überhaupt?

Ich brauchte dringend ein paar Antworten, wenn ich nicht durchdrehen wollte. Und ich brauchte sie jetzt. Während ich meinen SmartPort aktivierte, drehte ich mich leicht von Sophie weg und wählte anschließend die ID-Nummer meines Vaters, der sich momentan geschäftlich in Dubai befand. Leider war Miss Sharif, Vaters Assistentin vor Ort, wie so häufig dazwischengeschaltet und nicht gewillt, mich zu ihm durchzustellen. Ich versuchte nach Kräften, ruhig zu bleiben, während ihre honigsüße Stimme mir mehrfach in perfektem Oxfordenglisch versicherte, dass Mr. Karweiler in einer wichtigen Sitzung und für niemanden, nein, auch nicht für seine Tochter, zu sprechen sei. Währenddessen hatte ich begonnen, wie ein nervöser Tiger auf dem Bürgersteig hin und her zu laufen, doch auch das half nicht, den Druck zu verringern, der sich in mir aufgestaut hatte. Ich rastete aus.

Als ich »But this is fucking important!« in die Nachmittagssonne hinausschrie, blickten sich einige Leute nach mir um, was mich allerdings wenig kümmerte. Doch es nützte alles nichts. Miss Sharif wimmelte mich ab und kappte schließlich nach einem freundlichen, aber bestimmten Abschiedsgruß einfach die Verbindung.

»Dämliche Ziege«, murmelte ich und wählte die Port-ID meiner Mutter, nur um gleich darauf festzustellen, dass sie ihren Port auf unerreichbar gestellt hatte. Meine Mutter arbeitete als Gesellschaftsjournalistin und trieb sich unablässig auf Events rum, bei denen jegliche Form der Port-Kommunikation unerwünscht war - zu hohe Promidichte. Eigentlich erreichte ich sie nur über Port, wenn wir vorher einen Termin vereinbart hatten. Ich hinterließ also eine Aufforderung auf ihrer Mailbox, mich so schnell wie möglich zurückzurufen und kappte niedergeschlagen die Verbindung.

Als ich mich wieder dem Kanzleieingang zuwandte, um Sophie einen Besuch bei Wondermug´s vorzuschlagen, war sie nicht mehr da. Ich sah mich um und erblickte gerade noch ihren wippenden Pferdeschwanz, der hinter einer Hausecke verschwand. Warum war sie denn jetzt einfach so abgehauen? Wir waren Zwillingsschwestern, da ließ man sich doch nicht im Stich! Vor allem dann nicht, wenn man noch nicht einmal Port-IDs ausgetauscht hatte. Hatte sie überhaupt einen Port?

Wundervoll, einfach wundervoll. Was war das bloß für ein nutzloser Tag? Ich versetzte der abgewetzten Plastiktüte, die vor mir auf dem Boden lag, einen wütenden Tritt und starrte das Ding etwas ratlos an. Einen Moment lang erwog ich, die Tüte kurzerhand im nächsten Mülleimer zu versenken. Der Gedanke, einfach so zu tun, als wäre gar nichts passiert, erschien mir ziemlich verlockend. Ich könnte die Tüte wegwerfen, Sophie Sophie sein lassen und niemandem erzählen, was ich heute erfahren hatte. Dann würde mein Leben genauso bleiben, wie es schon immer gewesen war. Doch eine Mischung aus Trotz und Neugier hielt mich dann doch davon ab. Mit einer derart grässlichen Tüte durch Berlin Mitte zu laufen, war allerdings auch keine Option. Schließlich stopfte ich den Inhalt der Tüte in meine Umhängetasche und warf die Tüte weg. Dann machte ich mich alleine auf in Richtung Koffein.

Ein paar Minuten später saß ich mit einem großen Sojalatte inklusive viel Karamellsirup in der Sonne vor Wondermug´s am Gendarmenmarkt und kaute auf meinen Nagelbetten herum. Es war mir ein absolutes Rätsel, was ich nun tun sollte; ich war, vielleicht zum ersten Mal in meinem Leben, vollkommen ratlos.

Meinen spontanen Impuls, Carl oder Ashley anzurufen und eine sofortige Krisensitzung einzuberufen, hatte ich schnell wieder unterdrückt. Meine Freunde stammten alle aus wohlhabenden Familien, da bildeten meine zwei besten Freunde keine Ausnahme. Und sie verkehrten selbst ausschließlich mit Leuten aus wohlhabenden Familien. Upper Class, allesamt. Ich wusste nicht, was passieren würde, wenn sich herumsprach, dass ich nicht die Tochter von Leopold und Carlotta Karweiler war, sondern die eines Mörders und dessen Mordopfer. Und selbst, wenn er es noch so sehr beteuerte: Carl war einfach nicht in der Lage, ein aufregendes Geheimnis für sich zu bewahren. Das hatte ich schon mehrmals schmerzhaft am eigenen Leib erfahren müssen. Mit Grauen erinnerte ich mich an die schreckliche Geschichte von meinem neuen Kaschmirpulli und Peter McMillans fester Zahnspange. Wenn meine Familiengeschichte an der Schule die Runde machte, konnte ich auch gleich auswandern. Oder mir ein Loch in die Erde buddeln, mich reinsetzen und mir von Fe zweimal am Tag etwas zu essen herunterwerfen lassen. Alles in allem also keine Option.

Dennoch hatte ich eine heftige Sehnsucht nach meinen Freunden, vor allem nach Carls endlosen, unbedarften Geplapper. Bevor ich allerdings auch nur einem meiner Lieblingsmenschen unter die Augen trat, musste ich noch eine Weile darüber nachdenken,...

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Autor

Eva Siegmund, geboren 1983 im Taunus, stellte ihr schriftstellerisches Talent bereits in der 6. Klasse bei einem Kurzgeschichtenwettbewerb unter Beweis. Nach dem Abitur entschied sie sich zunächst für eine Ausbildung zur Kirchenmalerin und studierte dann Jura an der FU Berlin. Nachdem sie im Lektorat eines Berliner Hörverlags gearbeitet hat, lebt sie heute als Autorin an immer anderen Orten, um Stoff für ihre Geschichten zu sammeln.