Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Blaue Nacht

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
280 Seiten
Deutsch
Suhrkamp Verlag AGerschienen am07.03.2016Originalausgabe
Weil sie einen Vorgesetzten der Korruption überführt und einem Gangster die Kronjuwelen weggeschossen hat, ist Staatsanwältin Chastity Riley jetzt Opferschutzbeauftragte und damit offiziell kaltgestellt. Privat gibt es auch keinen Trost: Ihr ehemaliger Lieblingskollege setzt vor lauter Midlife-Crisis zum großen Rachefeldzug an, während ihr treuester Verbündeter bei der Kripo knietief im Liebeskummer versinkt. Da ist es fast ein Glück, dass zu jedem Opfer ein Täter gehört.
Das Opfer ist ein Mann ohne Namen, der übel zugerichtet in ein Krankenhaus im Hamburger Osten eingeliefert wird. Alles sehr professionell gemacht, der klassische Warnschuss. Riley gewinnt nach und nach sein Vertrauen. Bei zwei bis acht Bier auf der Krankenstation nennt er ihr schließlich einen Namen. Nicht seinen, aber es ist eine Spur, und die führt nach Leipzig. Dort findet Riley einen Verbündeten und viel zu viele synthetische Drogen. Als ihr klar wird, wer hinter der Sache steckt, sieht sie ihre Chance, endlich einen der ganz großen Fische dingfest zu machen.



Simone Buchholz, geboren 1972 in Hanau, zog 1996 nach Hamburg, wegen des Wetters. Sie wurde auf der Henri-Nannen-Schule zur Journalistin ausgebildet und schreibt seit 2008 Kriminalromane. Ihre Reihe um die Staatsanwältin Chastity Riley wurde vielfach ausgezeichnet. Simone Buchholz wohnt auf St. Pauli und schreibt regelmäßig die Kolumne »Getränkemarkt« im SZ-Magazin sowie Texte für Die Zeit.
mehr
Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR9,95
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextWeil sie einen Vorgesetzten der Korruption überführt und einem Gangster die Kronjuwelen weggeschossen hat, ist Staatsanwältin Chastity Riley jetzt Opferschutzbeauftragte und damit offiziell kaltgestellt. Privat gibt es auch keinen Trost: Ihr ehemaliger Lieblingskollege setzt vor lauter Midlife-Crisis zum großen Rachefeldzug an, während ihr treuester Verbündeter bei der Kripo knietief im Liebeskummer versinkt. Da ist es fast ein Glück, dass zu jedem Opfer ein Täter gehört.
Das Opfer ist ein Mann ohne Namen, der übel zugerichtet in ein Krankenhaus im Hamburger Osten eingeliefert wird. Alles sehr professionell gemacht, der klassische Warnschuss. Riley gewinnt nach und nach sein Vertrauen. Bei zwei bis acht Bier auf der Krankenstation nennt er ihr schließlich einen Namen. Nicht seinen, aber es ist eine Spur, und die führt nach Leipzig. Dort findet Riley einen Verbündeten und viel zu viele synthetische Drogen. Als ihr klar wird, wer hinter der Sache steckt, sieht sie ihre Chance, endlich einen der ganz großen Fische dingfest zu machen.



Simone Buchholz, geboren 1972 in Hanau, zog 1996 nach Hamburg, wegen des Wetters. Sie wurde auf der Henri-Nannen-Schule zur Journalistin ausgebildet und schreibt seit 2008 Kriminalromane. Ihre Reihe um die Staatsanwältin Chastity Riley wurde vielfach ausgezeichnet. Simone Buchholz wohnt auf St. Pauli und schreibt regelmäßig die Kolumne »Getränkemarkt« im SZ-Magazin sowie Texte für Die Zeit.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783518744277
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum07.03.2016
AuflageOriginalausgabe
Reihen-Nr.6
Seiten280 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.1869883
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
EINMAL KERZEN FÜR ALLE, BITTE

Der Motor hustet ein letztes Mal, räuspert sich wie ein alter Mann unter einem dunklen Himmel, dann säuft er ab. Ich steige aus, setze mich auf die rostgoldene Motorhaube und halte mein Gesicht in die schwere, kalte Luft.

Zigarette.

Erstmal den Nebel trockenrauchen.

Übers Wochenende aufs Land zu fahren, so ein Schwachsinn.

Ausgerechnet ich. War von Anfang an eine saublöde Idee, von wegen leg dir doch mal ein Auto zu, kommste mal raus, siehste mal was anderes.

Super, echt.

Das Auto ist Schrott, ich bin am Steuer schlechter als eine Kuh auf dem Eis, nie kommt einer mit, wenn ich irgendwohin fahren will, also treffe ich am Ende immer nur mich selbst, und das halte ich in der Stadt dann doch besser aus als anderswo. Alleine aufs Land fahren ist wie Tesafilm essen.

In der Stadt wartet jemand auf mich, endlich werde ich mal wieder gebraucht - und ich sitze hier draußen fest. Der Mensch, der auf mich wartet, weiß natürlich nicht, dass er auf mich wartet, weil er vollkommen zerhauen in einem Krankenhaus liegt. Sie haben mich angerufen, weil sie mich in solchen Fällen immer anrufen.

Sonst haben sie niemanden angerufen, denn sie wissen nicht, wer er ist.

Ich rufe den Faller an und Gott sei Dank wissen wir noch, wer der jeweils andere ist. Es ist bisher nichts passiert, was unser Wissen um einander hätte abschneiden können.

Er geht nach dem zweiten Klingeln ran.

»Guten Morgen, mein Mädchen.«

»Guten Morgen, Faller.«

»Na?«

»Der Ford ist im Eimer.«

»Oh.«

»Könnten Sie mich abholen? Ich muss dringend in die Stadt.«

»Wo sind Sie denn?«

»Fucking nowhere«, sage ich.

»Wo da genau?«

»Mecklenburg. Zwischen Zarrentin und Schießmichtot. Irgendwo auf der B 195, nördlich der Autobahn.«

»Aha.«

Er ist im Hamburger Westen, vermutlich beim Frühstück. Er könnte in einer guten Stunde hier sein, wenn er Gas gibt.

»Laufen Sie nicht weg«, sagt er, »ich komme vorbei. Dauert aber ´n bisschen.«

»Ich hab Zigaretten. Rufen Sie mich an, wenn Sie in der Nähe sind, ja?«

Ich lege auf, fasse mit beiden Händen auf die Motorhaube, sie ist schon fast kalt. Wir sind einfach keine Freunde geworden, dieses alte Auto und ich. Vielleicht hat es im ersten Moment ganz gut ausgesehen, vielleicht hat es oberflächlich gepasst, vielleicht konnte man sogar denken: Genial! Dass darauf noch keiner gekommen ist, die beiden mal zusammenzustecken! Aber am Ende war´s nur eine dieser für den Moment aufregenden Barbekanntschaften, die bei genauerem Hinsehen und allerspätestens bei Tageslicht keine zehn Sätze überstehen.

Ich schlage meinen Mantelkragen hoch, hole meine Tasche aus dem Kofferraum und gehe die Straße entlang Richtung Westen. Vor mir liegt eine weite Landschaft, Äcker und Wiesen und Felder und ein paar einzelne Bäume, ein bisschen ocker hier, ein bisschen grün da. Ich mache mir die nächste Zigarette an und höre meinen Stiefeln zu. Wir finden schnell einen Rhythmus, wir laufen gerne auf Asphalt, meine Stiefel und ich.

Der Faller wird mich schon finden.

Hinter mir im Osten, hinter den nassen, grimmigen Wolken und ganz in der Ferne, an diesem einzigartig breiten Mecklenburger Himmel, ein erbämliches Stück Morgensonne.

Komme mir vor wie ein Cowboy, dem sie das Pferd erschossen haben.

Der Faller macht zurzeit eine Art verspätete Midlife Crisis durch. Ich kann immer noch nicht fassen, dass er sich einen Pontiac gekauft hat. Himmelblau, Modell Catalina, aus den 70ern. Seine Frau hat ihn darum gebeten, sich doch bitte ein schwieriges Auto zuzulegen, als er anfing, relativ ungeniert und immer häufiger jungen Dingern hinterherzuschauen. Beziehungsweise: zu behaupten, dass immer mehr junge Dinger ihm hinterherschauen würden.

»Du brauchst eine Aufgabe«, hat sie zu ihm gesagt, und die hat er jetzt auch, der Pontiac ist nämlich ständig kaputt. Ich habe echt Glück, dass seine Karre gerade dann läuft, wenn meine es nicht tut. Denn wen zum Teufel hätte ich sonst anrufen sollen?

Der Calabretta trägt im Moment ein großes No-Servizio-Schild, es hängt direkt vor seinem Herzen, den Jammer hätte ich heute Morgen schlecht ertragen.

Klatsche schläft noch. Und weil er bis vor ein paar Stunden noch hinterm Tresen gestanden hat, könnte man da auch im wachen Zustand nicht unbedingt mit Fahrtüchtigkeit rechnen.

Carla und Rocco wiederum haben beide keinen Führerschein und obendrein noch den offiziellen Calabretta-Aufpass.

Mir scheint, dass ich Teil eines insgesamt eher mobilschwachen Haufens bin.

Er fährt langsam neben mir her, der Pontiac blubbert. Er hält an und kurbelt das Beifahrerfenster runter.

»Ich habe doch gesagt, Sie sollen sich nicht von der Stelle rühren.«

»Ging nicht anders«, sage ich.

»Und sonst? Schönes Wochenende gehabt?«

Ich mache die Tür auf, schmeiße meine Tasche auf den Rücksitz und lasse mich ins schwarze Leder fallen.

»Spitzenwochenende. Das war definitiv mein letzter Scheißausflug aufs Scheißland.«

Er sieht mich an und schüttelt den Kopf.

»Was machen Sie denn auch für Sachen, Chastity? Einfach aus der Stadt abzuhauen. Sie brauchen doch Ihren Beton.«

Was weiß denn ich. Ich dachte, ich höre mal auf meine Freunde. Muss ja irgendwas passieren. Das viele Rumgesitze bekommt mir einfach nicht. Seit der Nummer am Hafen bin ich offiziell zwar immer noch Staatsanwältin, inoffiziell aber kaltgestellt. Sie haben lange rumgeeiert, als es darum ging, wie jetzt mit einer wie mir zu verfahren sei. Den eigenen Chef der Korruption zu überführen, würde von außen betrachtet eventuell eine Beförderung nach sich ziehen, wird aber innerhalb der Behörde nicht so gern gesehen.

Und dann noch der unerlaubte Schusswaffengebrauch.

Dass ich dabei dem Calabretta das Leben gerettet habe, ist eine Sache, dass ich einem miesen Typen nicht ins Bein, sondern in die Kronjuwelen geschossen habe, eine andere. Was mit dem Typen danach passiert ist, weiß ich nicht, ich habe nie mehr was von der Sache gehört, und es gab nicht mal ein winziges Zucken in der Presse. Keine Ahnung, wie die Kollegen das gemacht haben, ich will´s auch gar nicht wissen. Sie haben mir versichert, dass ich nichts zu befürchten hätte, sie haben die Armeepistole meines Vaters einkassiert und mich fürs Erste aus dem Verkehr gezogen. Und dann, nach vielen Monaten im Nirgendwo, kamen sie mit dem neuen Job um die Ecke. Eine extra für mich geschaffene Stelle: Opferschutz.

Wenn in Hamburg jemand halb totgeprügelt oder -geschossen oder -gefahren wird, wenn jemand von einer Brücke oder einem Haus gestoßen wird und überlebt, fällt das in meine Zuständigkeit.

Aber nur das Opfer, nicht die Ermittlungen.

Wahnsinnig aufregender Job.

Lassen Sie mich durch, ich komme zum Händchenhalten.

In den ersten Wochen bin ich brav in Deckung geblieben und habe getan, was man von mir erwartet. Inzwischen sehe ich das nicht mehr so eng. Die wenigen Fälle, die mir vor die Füße fallen, ziehe ich gnadenlos an mich, obwohl das eigentlich nicht der Plan war. Aber bisher hat keiner was gesagt. Was sollen sie auch sagen? Wir sitzen ja schließlich alle im selben Boot, und dieses Boot heißt: Machen wir bloß kein Aufhebens um den Mann ohne Eier.

Also.

Insgesamt bin ich natürlich nicht besonders zufrieden mit meinem Provisorium.

Insgesamt fällt mir in einer Tour die Decke auf den Kopf.

Deshalb die Schnapsidee mit dem Ausflug.

»Wo soll´s denn hingehen?«, fragt der Faller mit Taxifahrerstimme. »Nach Hause?«

»Ich muss nach St. Georg. Ins Krankenhaus.«

»Aha«, sagt er, »neuer Patient.«

»Neuer Klient«, sage ich.

»Und was ist mit Ihrem Auto?«

»Soll ein anderer mit glücklich werden.«

Er gibt Gas, und der Pontiac röhrt unter meinem Arsch. Es ist ein bisschen wie Panzer fahren.

Tu immer, was dein Herz dir sagt. Oder begrab es an der Biegung des Flusses.

Das hat mein Vater gerne mal in den Ring geworfen, wenn ich ihn gefragt habe, was ich tun soll. Alter Indianerspruch, schätze ich. Die Jungs hatten ja für jede Lebenslage so einen Bimm-Bamm-Satz.

Mein Herz sagt mir: Setz dich hin und nimm seine Hand. Er sieht einfach nicht so aus, als gäbe es jemanden, der es sonst tun könnte.

Einsame Gesichter erkenne ich zehn Meilen gegen den Wind.

Die Hand ist warm und trocken und überraschend zart für diese Größe, eine richtige Pranke ist das. Ich versuche sie mit beiden Händen festzuhalten. Ein geradezu lächerlicher Versuch.

Er ist am frühen Morgen auf die Station gebracht worden, um kurz nach vier. Seine Arme, Beine und Rippen sind mehrfach gebrochen, das rechte Schlüsselbein ist zertrümmert. Um seine rechte Hand liegt ein dicker Verband. Die Krankenschwester sagt, er hätte den Zeigefinger verloren, aber einfach so verliert ja keiner einen Zeigefinger. Er hat keine Kopfverletzungen, auch die Lunge hat nichts abgekriegt. Die Nieren sind geschwollen, funktionieren aber im Prinzip. An seinem Hals klebt ein zentraler Zugang. Da gehen die Medikamente rein. Das glitzernde Discozeug aus den Beuteln, die am Infusionsständer hängen. Er bekommt...
mehr

Autor

Simone Buchholz, geboren 1972 in Hanau, zog 1996 nach Hamburg, wegen des Wetters. Sie wurde auf der Henri-Nannen-Schule zur Journalistin ausgebildet und schreibt seit 2008 Kriminalromane. Ihre Reihe um die Staatsanwältin Chastity Riley wurde vielfach ausgezeichnet. Simone Buchholz wohnt auf St. Pauli und schreibt regelmäßig die Kolumne »Getränkemarkt« im SZ-Magazin sowie Texte für Die Zeit.
Blaue Nacht