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Ponderosa

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
224 Seiten
Deutsch
Carlsen Verlag GmbHerschienen am18.03.2016Auflage
Ponderosa. So nennen Kris, Josie und Juri die verlassene Hütte am Rand der Siedlung. Sie ist ihr geheimer Ort, schon seit Jahren. Hier können die Freunde reden. Rauchen. Die Matratze auf den Hügel ziehen und einfach in den Himmel starren. Alles ist gut, findet Kris. Nichts muss sich ändern. Und doch fühlt es sich anders an, seit kurzem. Wenn er an Josie denkt, ist da etwas Neues. Wenn er mit Juri redet, hakt es einfach nur. Vor allem seit sie versuchen, Josies verschwundenen Nachbarn aufzuspüren. Als Kris durch Zufall mehr über den Alten erfährt, geht er der Sache nach - allein. Und bringt damit Ereignisse ins Rollen, die wirklich alles verändern. Unwiderruflich. *** Ein faszinierendes Debüt: Michael Sieben erzählt behutsam und packend zugleich - vom Erwachsenwerden und von einer Gruppe von Freunden, die ins Schleudern gerät ***

Michael Sieben, geboren 1977, studierte Wirtschaftswissenschaften in Mainz, Köln und Paris und lebt in Berlin. 2011 war er einer der Open-Mike-Finalisten. Für sein Debüt »Ponderosa« erhielt er u.a. das Kranichsteiner Jugendliteratur-Stipendium.
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Produkt

KlappentextPonderosa. So nennen Kris, Josie und Juri die verlassene Hütte am Rand der Siedlung. Sie ist ihr geheimer Ort, schon seit Jahren. Hier können die Freunde reden. Rauchen. Die Matratze auf den Hügel ziehen und einfach in den Himmel starren. Alles ist gut, findet Kris. Nichts muss sich ändern. Und doch fühlt es sich anders an, seit kurzem. Wenn er an Josie denkt, ist da etwas Neues. Wenn er mit Juri redet, hakt es einfach nur. Vor allem seit sie versuchen, Josies verschwundenen Nachbarn aufzuspüren. Als Kris durch Zufall mehr über den Alten erfährt, geht er der Sache nach - allein. Und bringt damit Ereignisse ins Rollen, die wirklich alles verändern. Unwiderruflich. *** Ein faszinierendes Debüt: Michael Sieben erzählt behutsam und packend zugleich - vom Erwachsenwerden und von einer Gruppe von Freunden, die ins Schleudern gerät ***

Michael Sieben, geboren 1977, studierte Wirtschaftswissenschaften in Mainz, Köln und Paris und lebt in Berlin. 2011 war er einer der Open-Mike-Finalisten. Für sein Debüt »Ponderosa« erhielt er u.a. das Kranichsteiner Jugendliteratur-Stipendium.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783646927887
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum18.03.2016
AuflageAuflage
Seiten224 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3137 Kbytes
Artikel-Nr.1871143
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1  + + +  Sonntag, der 3. Mai  + + +

Mein T-Shirt ist voller Flecken. Am Kragen sieht es besonders übel aus, der ist richtig verkrustet. Geht Blut wieder raus? Ich weiß, das sollte mir jetzt egal sein. Aber es ist mein Lieblings-T-Shirt. Olivgrün, mit einem schwarzen Stern vorne drauf. Ein Geburtstagsgeschenk von Josie. Und jetzt ist es voll mit Blut. Dunkelrote Flecken, beinahe schwarz. Vielleicht kann man es auf sechzig Grad waschen, aber dann geht es bestimmt ein und passt nicht mehr. Besser, man nimmt Fleckensalz. Mit Fleckensalz bekommst du alles raus, sagt meine Mutter. Sie hat bestimmt welches zu Hause. Meine Jeans hat sie ja auch sauber gekriegt, letzten Monat, als ich damit in der Fahrradkette hängengeblieben bin. Blut ist sicher nicht schlimmer als Öl. Wo bleiben meine Eltern überhaupt? Frau May ist schon längst da. Ob Josie ihr schon alles erzählt hat? Vorhin hat sie kein Wort rausbekommen, ich habe es genau beobachtet. Aber so wie mich Frau May jetzt ansieht, weiß sie Bescheid. Ich gucke weg und zähle die Flecken auf meinem T-Shirt. Keine Ahnung, warum. Ich bin einfach ein Idiot. Keiner weiß, ob es der Krankenwagen noch rechtzeitig in die Klinik schafft, und ich mache mir Sorgen, ob mein T-Shirt im Arsch ist.

Der Streifenwagen ist nicht mehr der neueste. Das Sitzleder ist abgewetzt und die Rückenlehnen sind voller Striemen und Kratzer. Wer hier hinten schon alles gesessen hat? Schläger. Mörder. Besoffskis. Und jetzt ich. Aber ich warte ja nur, ich bin nicht verhaftet. Oder doch? Die Wagentür steht jedenfalls offen und Handschellen haben sie mir auch keine angelegt. Also bin ich auch nicht festgenommen. Außerdem hätten die mir sonst meine Rechte vorlesen müssen. Oder gibt es das nur in Amerika?

Frau May redet mit dem Polizisten mit der Zahnlücke. Ich frage mich, ob sie wieder eine Fahne hat. Dann hätte sie nämlich nicht Auto fahren dürfen. Manchmal riechst du es schon, wenn sie zur Tür reinkommt. Josie sagt, das würde nicht oft vorkommen, aber ich habe es ja letzte Woche erst wieder erlebt. Heute drückt der Polizist bestimmt ein Auge zu. Wenn er das darf. Oder er bringt Josie und ihre Mutter mit dem Einsatzwagen nach Hause. Die Lücke zwischen seinen Schneidezähnen ist so breit, dass man locker einen Cent durchschieben könnte. Wie bei einem Spielautomaten. Ich muss grinsen. Hoffentlich sieht niemand her. Ich kann doch jetzt nicht grinsen, nach allem, was passiert ist. Ob das am Alkohol liegt? Ich fühle mich gar nicht mehr betrunken, kein bisschen. Vorhin in Göbels Keller war ich total dicht. So richtig, mit Sachen doppelt sehen und allem. Aber spätestens seit ich den Schlag auf die Nase bekommen habe, bin ich wieder nüchtern.

Man hört immer noch das Grollen von der Autobahnbrücke, selbst um diese Zeit. Da fahren ständig Autos, auch jetzt, sonntags früh um drei. Das hörst du bis rüber zu Göbels. Die haben zwar eine fette Villa, aber du kannst da nie draußen sitzen. Oder du gewöhnst dich an den Lärm, kann auch sein. Der gelbe Honda Civic macht so schnell jedenfalls keinen Krach mehr. Er liegt auf dem Dach, im Dickicht zwischen Wald und Straße, und sieht aus wie ein Käfer, der nicht mehr auf die Beine kommt. Totalschaden, schätze ich. So wie sich der Aufprall angehört hat, würde es mich nicht wundern. Aus dem Auspuff qualmt es ein bisschen, aber die Feuerwehr hat schon Entwarnung gegeben. Autos fliegen irgendwie nur im Fernsehen in die Luft.

Eine junge Polizistin hat das Loch in der Leitplanke mit Flatterband abgesperrt. Als ob das eine gefährliche Stelle wäre, nur weil jetzt keine Leitplanke mehr da ist. Dem Civic hat die ja auch nicht geholfen, der ist durchgerast, als wäre sie aus Pappe. Vielleicht soll das Band die Gaffer fernhalten, damit die Polizei in Ruhe Spuren sichern kann. Welche Spuren auch immer. Der Unfall ist ja ganz woanders passiert. Mitten auf der Straße nämlich, dort, wo das Blut auf dem Asphalt schon getrocknet ist. Vorhin, als noch kein Blaulicht da war, hat sich der Mond drin gespiegelt und ich habe gedacht, es wäre Öl. Erst als die Sanitäter mit ihren Taschenlampen gekommen sind, habe ich es gecheckt. Inzwischen spiegelt sich nichts mehr auf der Straße. Trotzdem kannst du noch genau erkennen, wo Juri gelegen hat, weil der Asphalt hier dunkler ist. Außerdem sind da noch die Scherben vom Scheinwerfer. Eine hat mich am Oberschenkel getroffen. Nur ein kleiner Schnitt, nichts Wildes.

Josie steht drüben auf der anderen Straßenseite, bei Göbel und dem Rest. Ihr Gesicht ist kreidebleich, die Schminke verschmiert. Sonst benutzt sie nie Schminke. Heute hat sie sich mit Kajal einen schwarzen Strich unter die Augen gemalt, extra für Göbels Party. Hat ihr echt gut gestanden. Ein bisschen Lippenstift hatte sie auch drauf. Der ist allerdings längst weg. Jetzt zieht sie ihre Jacke bis zum Kinn und nimmt den Reißverschlussschieber in den Mund. Sie zittert. Mir ist überhaupt nicht kalt, obwohl ich nur mein Stern-T-Shirt anhabe. Meine Jacke muss noch bei Göbel im Keller liegen. Ich habe sie nicht angezogen, als ich zur Ponderosa gegangen bin. Es war ja noch warm, vierzehn, fünfzehn Grad bestimmt. Inzwischen ist es natürlich kälter geworden, aber ich friere trotzdem nicht. Im Fernsehen bekommen sie am Ende immer so eine Aludecke umgelegt, die golden glänzt. Schwer vorstellbar, dass so ein Ding warm hält.

Vorhin war einer der Sanitäter bei mir und wollte sich meine Nase ansehen, aber ich habe ihn weggeschickt. Ich weiß auch so, dass sie gebrochen ist, ich hab es gleich gewusst. So was spürst du. Hat richtig geknirscht, als ich den Ellenbogen ins Gesicht gekriegt habe, wie wenn man auf einen morschen Zweig tritt. Inzwischen tut es nicht mehr weh. Nur wenn ich meine Nase anfasse, dann schon. Sie ist ganz schön geschwollen, ich kann sie sehen, ohne zu schielen, so dick ist sie. Das nervt, weil ich ständig hingucken muss.

Jetzt kommt noch ein Blaulicht. Ich hätte Verstärkung für die Feuerwehr erwartet, aber es ist ein Polizeiwagen, der dritte. Die scheinen den Brand im Griff zu haben. Ging ja schnell. Also dafür, dass die zu Fuß durch den Wald mussten und schwere Feuerlöscher auf dem Rücken hatten. Mit dem Auto kommst du ja nicht durch. Für was brauchen die denn noch mehr Polizisten? Wegen Münze? Das können die vergessen. Wenn der abgehauen ist, sollten sie Suchhunde auftreiben und einen Hubschrauber mit Scheinwerfer. Sonst kriegen die Münze nie. Der kennt sich aus im Wald. Und er hat genug Zeit gehabt, ein Versteck zu finden. Oder sich ganz aus dem Staub zu machen.

Die Pistole haben sie längst sichergestellt. Eine Ceska CZ 75. Ich habe ihnen gezeigt, wo sie liegt. Vorne an der Straße, im Graben. Einer von der Spurensicherung hat sie in eine durchsichtige Plastiktüte gesteckt und mitgenommen. Der hätte sie gar nicht so vorsichtig anfassen müssen, nur mit zwei Fingern und Handschuhen und so. Ich hätte ihm auch gleich sagen können, dass da überall meine Fingerabdrücke drauf sind.

Auf der Autobahnbrücke rauscht der Verkehr, als ob nichts gewesen wäre. Inzwischen gibt es bestimmt Neues von Juri. Ich könnte rüber zu den anderen und sie fragen. Hat ja keiner gesagt, dass ich im Auto bleiben soll. Aber die reden sowieso nicht mit mir. Josie schon gar nicht. Die denkt, dass ich an allem schuld bin. Dass Juri wegen mir in Lebensgefahr schwebt. Aber das stimmt nicht. Also, nicht ganz. Wieso brauchen meine Eltern so lange? Mit dem Auto sind es gerade mal zwanzig Minuten von uns zu Hause. Ich kann kaum durch die Nase atmen, weil sie so geschwollen ist. Wie viel Blut habe ich wohl verloren? So viel kann es nicht gewesen sein, einen halben Liter höchstens, sonst wäre ich längst ohnmächtig geworden.

Frau May legt den Arm um Josies Schultern und zieht sie langsam weg von den anderen. Josie windet sich aus der Umklammerung und fällt Nele um den Hals. Die beiden bleiben bestimmt eine halbe Minute so stehen, dann erst lassen sie sich los. Nele hat jetzt von Josies Make-up einen schwarzen Fleck im Gesicht. Sieht ein bisschen emomäßig aus, so wie bei Tonne. Josie verabschiedet sich von ihr, dann gehen sie und ihre Mutter über die Straße und an mir vorbei. Ich warte darauf, dass Josie hochguckt und mich ansieht, aber sie starrt nur auf den Boden, auf ihre Vans und die Glasscherben, die unter ihren Füßen knacken. Auf einmal wird mir doch kalt. Ich reibe mir mit den Händen über die nackten Arme. Sie fühlen sich irgendwie taub an. Ich muss mit Josie reden. Soll sie mir lieber Vorwürfe machen oder mich beschimpfen, aber sie darf nicht einfach so gehen. Als ich aussteige, fährt mir ein stechender Schmerz durchs Bein. Die Wunde an meinem Oberschenkel. Komisch, dass die jetzt plötzlich anfängt wehzutun. Die ganze Zeit habe ich nichts gespürt.

Göbel kommt auf mich zu. Vorhin war der rotzbesoffen und hat ins Rosenbeet seiner Mutter gepinkelt. Kein Wunder, er hat mindestens eine halbe Flasche Berentzen getrunken. Und dauernd Sambuca-Shots. Das mit dem Rosenbeet haben alle saulustig gefunden. Schneider hat es ihm gleich nachgemacht. Schneider macht ihm immer alles nach. Ich glaube, Göbel will mich über den Haufen rennen. Aber er bleibt stehen, ganz nah vor mir. Sein Atem stinkt nach Rauch und saurem Apfel, ich rieche es durch meine verstopfte Nase.

- Lass Josie in Ruhe, sagt er.

Was willst du denn, Göbel, du hast mir gar nichts zu sagen. Mir gehen viele Antworten durch den Kopf, aber ich bringe keinen Ton raus.

Im Hintergrund tut sich was. Ich kann es nicht genau erkennen, Göbel verstellt mir die Sicht. Ein Schatten hat sich aus der Gruppe gelöst und kommt auf uns zu. Göbels Verstärkung. Als ob er die bräuchte. Göbel ist fett...

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