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Skord von Skuleskogen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
560 Seiten
Deutsch
Piper Verlag GmbHerschienen am19.10.20151. Auflage
Schweden im Mittelalter: Der Troll Skord trifft im Skulewald zum ersten Mal auf Menschen. Fasziniert von diesen seltsamen Wesen, eignet er sich deren Sprache und Denkweise an. Unerkannt lebt er unter Bettelkindern und wird schließlich Mitglied einer Räuberbande. Doch ein Troll lebt länger als ein Mensch: Um 1600 ist Skord jugendlicher Famulus eines Alchemisten, im 30-jährigen Krieg Feldscher bei den Kaiserlichen, 200 Jahre später - nun ein alter Mann - Medicus und Hypnotiseur. Vor dem Hintergrund realer historischer Ereignisse entführt Kerstin Ekman in diesem packend erzählten Roman den Leser in die faszinierende, von Mythen, Aberglauben und Okkultismus geprägte Gedankenwelt der 'kleinen Leute'.

Kerstin Ekman, 1933 in Risinge (Östergötland) geboren, zählt zu den wichtigsten schwedischen Autorinnen unserer Zeit. Ihr umfangreiches literarisches Werk ist vielfach preisgekrönt, es wurde verfilmt und in 28 Sprachen übersetzt. Mit Wolfslichter kehrt Ekman nach über zehn Jahren zur Romanform zurück. Das Buch stieg in Schweden mit Erscheinen auf Platz 1 der Bestsellerliste ein und wurde u.a. mit dem Norrlands litteraturpris 2022 sowie dem Kulturpreis der Stiftung Natur & Kultur 2023 ausgezeichnet. Am 27. August 2023 feiert Kerstin Ekman ihren 90. Geburtstag.
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Produkt

KlappentextSchweden im Mittelalter: Der Troll Skord trifft im Skulewald zum ersten Mal auf Menschen. Fasziniert von diesen seltsamen Wesen, eignet er sich deren Sprache und Denkweise an. Unerkannt lebt er unter Bettelkindern und wird schließlich Mitglied einer Räuberbande. Doch ein Troll lebt länger als ein Mensch: Um 1600 ist Skord jugendlicher Famulus eines Alchemisten, im 30-jährigen Krieg Feldscher bei den Kaiserlichen, 200 Jahre später - nun ein alter Mann - Medicus und Hypnotiseur. Vor dem Hintergrund realer historischer Ereignisse entführt Kerstin Ekman in diesem packend erzählten Roman den Leser in die faszinierende, von Mythen, Aberglauben und Okkultismus geprägte Gedankenwelt der 'kleinen Leute'.

Kerstin Ekman, 1933 in Risinge (Östergötland) geboren, zählt zu den wichtigsten schwedischen Autorinnen unserer Zeit. Ihr umfangreiches literarisches Werk ist vielfach preisgekrönt, es wurde verfilmt und in 28 Sprachen übersetzt. Mit Wolfslichter kehrt Ekman nach über zehn Jahren zur Romanform zurück. Das Buch stieg in Schweden mit Erscheinen auf Platz 1 der Bestsellerliste ein und wurde u.a. mit dem Norrlands litteraturpris 2022 sowie dem Kulturpreis der Stiftung Natur & Kultur 2023 ausgezeichnet. Am 27. August 2023 feiert Kerstin Ekman ihren 90. Geburtstag.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783492982573
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum19.10.2015
Auflage1. Auflage
Seiten560 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3345 Kbytes
Artikel-Nr.1920110
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Droben in Oringen lebte eine alte Frau, die hatte zwei erwachsene Söhne. Sie hießen Granarv und Groning und waren noch nie unter Menschen gewesen. Als sie eines Tages draußen im Wald Bäume schlugen, verlor Groning seinen Bruder aus den Augen. Beim Fällen einer Tanne fiel deren Stamm auf ihn, so daß er liegenblieb und nicht mehr aufstehen konnte. Er rief nach Granarv, doch der hörte ihn nicht, sondern ging nach Hause, als es Zeit zu essen war. Groning hatte Schmerzen, und er verzog wüst sein Gesicht, als er sich zu befreien versuchte. Doch er saß fest.

Es wurde ein langer Tag. Ameisen krabbelten ihm übers Gesicht, und in seine Augenwinkel krochen Kriebelmücken und stachen und sogen. Er war ausgeliefert, wie er so dalag: das Ungeziefer des Bodens und der Luft, alles Getier, das Flügel hatte, schien den Geruch seiner warmen Haut zu wittern. Es summte und sirrte um ihn herum. Groning war nun kein gestandener Riese mehr, der draußen im Wald Bäume schlug und ab und zu Schnaken und Kriebelmücken von seinem verschwitzten Hals verscheuchte. Nein, er war zu einer großen Futterstelle im Wald geworden, zu einem Nahrungsvorrat für diejenigen, die sich von lebendigem Blut ernährten.

Wie er so dalag, konnte er sich sehr leicht vorstellen, daß bald auch andere gekrochen und geflogen und getappt kommen würden, all jene, die von dem lebten, was nicht mehr vor Blut und Säften rauschte. Sie würden in Gärendes ihre Rüssel stecken und in das, was zu riechen begonnen hätte, ihre Zähne schlagen. Eine tiefe Verzweiflung ergriff ihn, wie er so dalag.

Nach einiger Zeit fühlte er, daß er beäugt wurde, und er dachte an die Trolle. Er sah ein Auge aufblitzen und bemerkte, daß sich im Farn etwas bewegte. Ein Weilchen später nahm er auch den Schatten einer Hand wahr. Sie war mager, hatte lange Finger und glich geschälten Birkenwurzeln. Ja, er war nicht ganz sicher, ob es nicht überhaupt nur ein Strang Wurzeln war, dem Wind und Schnee die Rinde abgenagt hatten. Doch da blitzte es erneut auf. Es war ein Auge. Groning, der jetzt schon viele lange Stunden mit dem Bein unter der Tanne lag, sah, daß dort im Dickicht ein Troll war. Allerdings nur einer, und noch dazu ein ziemlich mickriger. Sein Körper war dünn und geschmeidig, und auf dem Kopf hatte er eine struppige Haarzottel voller Grind und Läusenester.

»Pst, Grindkäppchen«, sagte Groning. »Komm mal her.«

Ihm war der Gedanke gekommen, daß ihm ein so kleiner und verhältnismäßig unschuldiger Troll eine Hilfe sein könnte. Doch der reagierte gar nicht.

Die Flechtenhäher waren natürlich neugierig wie immer. Sie flogen mit sanft flatternden Flügeln herab, setzten sich in die Nähe seiner Hände und piepsten und pfiffen vertraulich. Es war jedoch eine falsche Vertraulichkeit. Sie wollten nichts von ihm. Da fiel ihm ein, daß sie gern Bröckchen aus dem Proviantbeutel annahmen, wenn man sie ein Stück weit von sich warf. Vielleicht würde das Grindkäppchen dort im Dickicht ja auch etwas nehmen. Etwas zu geben, wäre womöglich ein Weg, sich mit dem Troll, der sich da versteckte, ein wenig anzufreunden und ihn um Hilfe zu bitten.

Groning hatte sich nicht geirrt. Er wurde aus dem Dickicht heraus beäugt, und was ihn da ansah, war ein Troll, mager, verhältnismäßig unbedarft und ohne Hintergedanken, ja, überhaupt ohne Gedanken. Unter der Haarzottel war nicht viel mehr als ein Flattern, dem Flügelschlag des Flechtenhähers vergleichbar. Sich dieses große Etwas zu begucken, das da stöhnend unter dem Stamm der Tanne lag und geplagt wurde, machte ihm Spaß. Das war etwas Neues in dem öden Wald, und diese grollende Stimme war etwas anderes als den lieben langen Sommer tagaus, tagein das schnarrende Pfeifen des Bergfinken.

Das Grindkäppchen war im Wald umhergelaufen, hatte Schnecken gesammelt und mit den Fingern Mistkäfer zerknackt, die hatte es versonnen in sich hineingemümmelt und dabei knirschen hören. Mehr Spaß kannte es nicht. Dieses große Gebilde aus Haut und Stoff und Haaren, Spangen und verknoteten Riemen, der blanken Axtschneide, die es für einen Schnabel hielt, und den großen Stiefeln, die es für Hufe hielt: all das war das Merkwürdigste, was es je gesehen hatte. Das größte Wunder aber von all dem, was da unter der großen Tanne festgeklemmt saß, waren die Schuhriemen. Es hatte gesehen, daß sich Wacholder eigentümlich verwuchs und sich in sich selbst krümmte. Noch nie aber hatte es etwas gesehen, was so höllisch verwickelt und ausgeklügelt verschlungen war wie diese zwei Riemenenden dort, wo sie aufeinandertrafen.

An seiner Seite hatte das Gebilde etwas, was wie ein Birkenporling aussah, jedoch aus haarloser Haut gemacht war. Daraus holte es ein großes Ohr hervor, riß kleine Stücke davon ab und warf sie in Richtung Dickicht. Schon war ein Flechtenhäher zur Stelle und riß das Bröckchen an sich. So ging das mehrere Male. Schließlich wurde der Troll auf diese Ohrenfitzelchen so neugierig, daß er sich eines schnappte. Nachdem er ein Weilchen daran herumgefingert hatte, kam er zu dem Schluß, daß es sich durchaus gut in den Mund stecken ließ, denn es roch wie Weißklee oder Körnersteinbrech, und das Innere war wie das Eingeweide einer großen Schmetterlingslarve beschaffen. Das Grindkäppchen aß es, und es war gut. Es war das Beste, was es in seinem Leben je gegessen hatte. Es war das Gute selbst.

Es hatte nur einen Gedanken - wenn man das, was da unter der Haarzottel flatterte, so nennen kann -, und der war, noch mehr zu bekommen. Aber wie? Der Große hatte den Birkenporling zugemacht, nachdem er zuvor das große Ohr hineingesteckt hatte. Dann sagte er:

»Du bekommst noch mehr, wenn du mir meinen Bruder holst.«

Er sprach jetzt nicht so wie die Alte, die Mutter der beiden Brüder, in der Sprache der Menschen, sondern probierte die Sprache, welche die Vögel untereinander benutzen. Nicht so, wie ein Buchfink mit einem Buchfinken und ein Zeisig mit einem Zeisig spricht, sondern in der Sprache, die sie benutzen, wenn Rabe und Fink, Leinzeisig und Wanderfalke miteinander sprechen wollen. In der Sprache, die Füchse zur Not verstehen und nachahmen können und die auch dem Wiesel und dem Hasen nicht unbekannt ist.

Das Grindkäppchen, das sich im Unterholz der Erlen und Birken im Farn verkrochen hatte, machte keine Schwierigkeiten. Es holte ihm den Bruder. Es ging jetzt nämlich um noch mehr Happen von dem Guten, Gelben, das der Große in seinem Beutel hatte. Da das Grindkäppchen aber ein Troll war, bequemte es sich nicht dazu, selbst zu gehen. Es warf Blicke umher, und sie blieben an einer Krähe in einem Kiefernwipfel hängen. In diese schwebte sein Gedanke, sein kleines Flattern und Wollen. Die Krähe flog taumelnd zwischen den Bäumen davon, ohne zu wissen, was ihr in den Kopf gefahren war. Sie wußte nur, daß sie weit über die blauen Höhenrücken und über die kleinen Waldseen, die unter ihr schimmerten, fliegen mußte. Dann kam es ihr in den Kopf, sich herunterzulassen, und dann, zwischen den Bäumen zu suchen. Da hörte sie Axthiebe.

Es war Granarv, der gefällte Birken entästete und überhaupt nicht daran dachte, daß sein Bruder in Bedrängnis geraten sein könnte. Da fiel sein Blick auf eine Krähe, die in einem Kiefernwipfel saß und sich ganz wunderlich benahm. Sie spielte sich auf und knappte mit dem Schnabel wie ein Auerhahn. Als er nähertrat, flog sie sonderbar taumelnd davon. Es war, als habe sie auf ihn gewartet. Weit ausschreitend lief er über die Höhenrücken und gelangte so zu seinem Bruder. Da war Groning schon aufgedunsen und halb verrückt vor Durst und Mückenstichen.

Granarv brachte ihm Wasser aus dem Bach, zersägte die Tanne und schleuderte die Teile des Stamms, die auf seinem Bein lagen, fort. Er half ihm zunächst auf alle viere und sprach verständig und langsam mit ihm. Dann half er ihm auf die Beine, und als Groning das bißchen Verstand, das er ursprünglich besessen hatte, allmählich wieder gebrauchen konnte, machten sie sich auf den Heimweg. Den Troll aber vergaßen sie.

Skord - denn er war das, das kann, ob nun früher oder später, jetzt gesagt werden - folgte ihnen und ließ den großen, grauen Porling, der an Gronings Schulter herabhing, nicht aus den Augen. Er rief wie ein Kuckuck, raschelte wie die heiseren Espen und knackte wie Käfer, alles, um Groning an sein Versprechen zu erinnern. Aber keiner der Brüder merkte etwas.

So kamen sie nach Hause zu der kleinen alten Frau, die sich um sie kümmerte. Aus dem Rauchabzug der Hütte qualmte es, und Skord saß hinter einer Tanne und sog den fetten Rauch ein, der genauso wie das köstliche Ohr roch. In der Hütte erinnerte sich indes niemand an ihn.

In diesem Herbst erging es der Alten und ihren Riesensöhnen dort oben in Oringen nicht gut. Wenn sie Feuer machten, schlug der Rauch in die Hütte zurück, weil sich im Abzug eine Krähe verfangen hatte. Kadaver fielen in die Quelle und trieben mit gedunsenem Bauch an die Oberfläche. Zu guter Letzt schlug die Axtschneide auf Stein und ward ruiniert.

Granarv wurde nachdenklich. Groning konnte nicht denken, aber sein Bruder tat es, so gut er eben konnte, und schließlich fragte er:

»Hast du irgend etwas versprochen, als du da unter der Tanne gelegen hast und freikommen wolltest?«

»Ach ja, verflixt noch mal«, antwortete Groning, »jetzt erinnere ich mich.« Und dann erzählte er, was er zu dem Troll gesagt hatte.

Da bat Granarv die Alte, ihre Mutter, einen großen Pfannkuchen zu backen, was sie auch tat. Den nahm er, brachte ihn in den Wald, legte ihn auf einen flachen Stein und sprach:

»Nimm du das Deine

so nehm ich das Meine

so ziehen wir unserer Wege.«

Daraufhin war Ruhe um die Hütte herum. Sie hatten wieder gutes Wasser in der Quelle, das...
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Autor

Kerstin Ekman, geboren 1933 in Risinge (Östergötland), gilt als eine der wichtigsten skandinavischen Gegenwartsautorinnen. Ihr umfangreiches literarisches Werk ist vielfach preisgekrönt, es wurde verfilmt und in 28 Sprachen übersetzt. Am 27. August 2023 feiert sie ihren 90. Geburtstag.