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Die Tränen der Engel

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
320 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am17.07.2017
Ein neunjähriges Mädchen springt in Lissabon von einer Brücke. Ein Sturz, der eigentlich den sicheren Tod bedeutet - doch wie durch ein Wunder überlebt sie. Als der Düsseldorfer Kriminalhauptkommissar Chris Salomon ihr Foto in der Zeitung sieht, glaubt er, seine verschollene Tochter wiederzuerkennen. Mit seiner Kollegin Lydia fliegt er nach Portugal und erfährt, dass inzwischen zwei weitere Mädchen in den Tod gesprungen sind. Beide trugen weiße Kleider und hinterließen einen Abschiedsbrief, in dem stand, dass sie nun Engel seien. Wer oder was treibt die Mädchen zu diesem schrecklichen Schritt? Und gibt es wirklich eine Verbindung zu Chris' Tochter?

Sabine Klewe, Jahrgang 1966, arbeitet als Schriftstellerin, Übersetzerin und Dozentin in Düsseldorf und hat zahlreiche erfolgreiche Kriminalromane veröffentlicht. »Der Nachtjäger« ist der Auftakt einer neuen Reihe um den Privatermittler Linus Roth.
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Produkt

KlappentextEin neunjähriges Mädchen springt in Lissabon von einer Brücke. Ein Sturz, der eigentlich den sicheren Tod bedeutet - doch wie durch ein Wunder überlebt sie. Als der Düsseldorfer Kriminalhauptkommissar Chris Salomon ihr Foto in der Zeitung sieht, glaubt er, seine verschollene Tochter wiederzuerkennen. Mit seiner Kollegin Lydia fliegt er nach Portugal und erfährt, dass inzwischen zwei weitere Mädchen in den Tod gesprungen sind. Beide trugen weiße Kleider und hinterließen einen Abschiedsbrief, in dem stand, dass sie nun Engel seien. Wer oder was treibt die Mädchen zu diesem schrecklichen Schritt? Und gibt es wirklich eine Verbindung zu Chris' Tochter?

Sabine Klewe, Jahrgang 1966, arbeitet als Schriftstellerin, Übersetzerin und Dozentin in Düsseldorf und hat zahlreiche erfolgreiche Kriminalromane veröffentlicht. »Der Nachtjäger« ist der Auftakt einer neuen Reihe um den Privatermittler Linus Roth.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641196332
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum17.07.2017
Reihen-Nr.4
Seiten320 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse4504 Kbytes
Artikel-Nr.2151091
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



Samstag, 4. März

Düsseldorf

Die Sonne blinzelte durch die kahlen Zweige der uralten Platanen, aber der Wind blies eisige Luft vom Rhein durch die Bastionstraße in die Innenstadt.

Chris Salomon zog den Reißverschluss seiner Lederjacke hoch. »Hoffentlich ist der Winter bald zu Ende! Die Kälte nervt.«

Sonja grinste. »Mir ist warm, ich brauche nur einen Schritt zu machen, und mir bricht der Schweiß aus.« Sie deutete auf ihren kugelrunden Bauch. »Ganz schön anstrengend, unseren Sohn ständig herumzuschleppen. Aber es sind ja nur noch zwei Wochen.«

Chris betrachtete seine Freundin. Dass sie nicht fror, lag wohl eher daran, dass sie eine dicke weiße Steppjacke mit Pelzkragen, eine rosa Wollmütze und einen passenden Schal trug, während er in einem dünnen Lederjäckchen steckte. Er hatte die Nase voll von dicken Winterklamotten, also musste er frieren.

Sonja sprengte ihre Jacke beinahe. Sie hatte schon vor der Schwangerschaft eine eher frauliche Figur gehabt. Jetzt, im neunten Monat, schien alles an ihr rund zu sein. Rund und glücklich. Sie strahlte jede Minute des Tages. Sie lächelte sogar im Schlaf. Er hatte es gesehen, wenn er selbst stundenlang wach lag und sich unruhig hin und her wälzte. Wenn Albträume ihn quälten oder die Angst vor der Zukunft ihm die Kehle zuschnürte.

»So ernst?« Sonja legte den Kopf schief.

Chris lächelte. »Nur besorgt um deine Gesundheit, weil du wieder mehr kaufen wirst, als du nach Hause schleppen kannst. Und du sollst doch nichts Schweres tragen.«

Seit Sonja wusste, dass sie ein Kind erwartete, kaufte sie fast täglich Babywäsche, Teddybären, Kuscheldecken und anderen Kram für das Kind. Inzwischen waren sie so gut ausgestattet, dass sie Drillinge damit versorgen könnten. Chris hatte sie gewähren lassen. Sie hatte so lange darauf gewartet, hatte die Hoffnung auf eine eigene Familie schon fast aufgegeben. Die Einkäufe waren ihre Art, ihre Freude auszuleben.

»Dafür nehme ich ja Gudrun mit. Sie ist mein Packesel.« Sonja drückte ihm einen Kuss auf die Wange. »Da ist sie ja!« Sie winkte.

Chris drehte sich um und entdeckte Sonjas Schwägerin auf der anderen Straßenseite. Die drahtige kurzhaarige Blondine, die mit Sonjas Bruder verheiratet war, winkte zurück. Chris hob ebenfalls die Hand. Er mochte Gudrun nicht sonderlich. Sie war furchterregend perfekt, ihr Alltag mit Halbtagsjob und drei Kindern durchgetaktet wie die Montagestraße eines Autoherstellers.

Er drehte sich noch einmal zu Sonja um, strich ihr sanft über das lange kastanienbraune Haar, das unter der Mütze hervorquoll. »Pass gut auf dich auf, Liebling. Wir sehen uns heute Abend.«

Zehn Minuten später trat er am Carlsplatz in ein Café und bestellte einen Cappuccino, fest entschlossen, den freien Tag zu genießen. Es würde einer der letzten sein, den er ganz für sich hatte, an dem ihn nicht entweder die Arbeit in der Mordkommission oder der Säugling auf Trab halten würde. Er wusste, was ihn erwartete. Er erinnerte sich noch gut, wie es mit Anna gewesen war.

Nein, rief er sich zur Ordnung. Nicht an Anna denken. Nicht heute.

Chris griff nach der Wochenendbeilage einer Zeitung, die auf der Bank neben ihm lag. Aber es war schon zu spät. Wie konnte er auch nicht an Anna denken, wenn er gerade sein zweites Kind erwartete? Annas kleinen Bruder. Sie wussten, dass es ein Junge war. Sonja hatte es unbedingt erfahren wollen. Er hätte sich lieber überraschen lassen. Vielleicht hatte er aber auch nur Angst vor der Wahrheit gehabt. Sie hatten nie darüber gesprochen, aber er war sicher, dass Sonja genauso erleichtert war wie er, dass sie kein Mädchen bekamen.

In den vergangenen Monaten hatte er versucht, Abschied von seiner Tochter zu nehmen, in seinem Leben Platz zu schaffen für dieses neue Kind.

Das Kind, das lebte.

Er hatte das Haus in Köln verkauft, hatte Annas Sachen in vielen schmerzhaften Stunden durchgesehen, das, was er behalten wollte, in Kartons gepackt und in den Keller seines neuen Zuhauses verfrachtet. Sonja und er hatten gemeinsam eine überteuerte Eigentumswohnung im Düsseldorfer Süden gekauft, mit großer Terrasse und viel Grün drum herum.

Wie schon bei seinem bisherigen Zuhause in Köln hatte er nicht viel zur Wohnungssuche beigetragen. Damals hatte seine Exfrau Stefanie das Haus ausgewählt und nach ihren Vorstellungen eingerichtet. Diesmal war es Sonja gewesen, die die Wohnung im Internet entdeckt und ihm davon vorgeschwärmt hatte.

Die Bedienung brachte den Cappuccino. Chris nahm einen Schluck und schlug das Magazin auf. Lustlos überflog er einen Artikel über die Kommunikation mit Patienten im Wachkoma, aber seine Gedanken waren bei seinen zwei Familien. An guten Tagen freute er sich, dass er mit Sonja eine zweite Chance bekommen hatte. Sie war eine wunderbare Frau, fröhlich, unkompliziert und verständnisvoll. An ihrer Seite konnte er loslassen.

Aber an schlechten Tagen fühlte er sich wie ein Betrüger, wie ein untalentierter Schauspieler, der eine Rolle in einem Leben spielte, das nicht seines war, eine Rolle, die er sich hinterhältig erschlichen hatte.

Mehrere Male war er in den vergangenen Monaten heimlich in die Niederlande gefahren, an jenen fatalen Strand, an dem er Anna zum letzten Mal gesehen hatte. Er hatte versucht sich einzureden, dass es seine Art war, sie gehen zu lassen. Aber es war auch eine Flucht gewesen. Mehr als einmal hatte er mit dem Gedanken gespielt, nicht nach Düsseldorf zurückzukehren, und die Vorstellung hatte etwas sehr Verlockendes gehabt.

Chris blätterte weiter. Eine fette Schlagzeile sprang ihm ins Auge.

DAS WUNDER VON LISSABON.

Er schüttelte den Kopf über die melodramatische Übertreibung, las ohne großes Interesse die ersten Zeilen, bis sein Blick auf das Foto neben dem Artikel fiel. Fassungslos betrachtete er das Bild, schloss die Augen, schaute wieder hin. Dann presste er die Hand vor den Mund. Erst als seine Finger nass wurden, merkte er, dass er weinte.

Es klingelte. Lydia Louis fluchte und stellte das Wasser ab. Sie erwartete niemanden und hatte auch keine Lust, irgendwen zu sehen. Nicht an ihrem freien Tag.

Wieder der schrille Klingelton, diesmal mehrfach hintereinander. Verdammt! Wer auch immer da draußen stand, sollte inzwischen begriffen haben, dass sie nicht aufmachen konnte. Oder wollte. Sie wickelte sich das Handtuch um den Körper und trat aus der Dusche. Das Klingeln hatte aufgehört. Na endlich!

Lydia ging ins Schlafzimmer und zog die Schranktür auf. Ein Geräusch ließ sie zusammenzucken. Jemand war an der Tür!

Scheiße! Scheiße!

Hässliche Erinnerungen blitzten vor ihrem inneren Auge auf, ihre Finger begannen zu zittern. Sie stürzte zum Nachttisch, wo sie verbotenerweise die Dienstwaffe aufbewahrte, und schlich mit der Walther P99 im Anschlag in die Diele.

Genau in dem Moment schwang die Tür auf. »Louis? Bist du zu Hause?«

Lydia ließ die Waffe sinken. »Salomon! Was soll der Scheiß? Du kannst doch nicht einfach in meine Wohnung marschieren! Ich hätte dich beinahe abgeknallt!«

»Tut mir leid.« Ihr Kollege zog die Tür hinter sich zu. »Ich muss dich dringend sprechen, und du hast nicht aufgemacht. Ich hätte es niemals getan, wenn es nicht wirklich wichtig wäre.« Er sah sie an.

Lydia erschrak. Sein Gesicht war bleich, die Augen gerötet, als hätte er geweint.

»Scheiße, was ist passiert?« Lydias Gedanken überschlugen sich. War etwas mit Sonja? Oder dem Kind?

Salomon wedelte mit einer Zeitschrift. »Ich muss dir was zeigen.«

»In der Zeitschrift?« Lydia fasste sich an die Stirn. »Ich kapier nicht ...«

Salomon deutete auf das Handtuch. »Zieh dir was an, ich mache uns in der Zeit Kaffee. Okay?« Er setzte das zerknirschte Filmstarlächeln auf, das er so gut beherrschte.

Sie bekam weiche Knie, und Wut fegte die Beklemmung hinweg, Wut auf sich selbst. Seit Monaten versuchte sie damit klarzukommen, dass sie sich nach Jahren, in denen es mit Männern nichts als schnellen anonymen Sex gegeben hatte, ausgerechnet in ihren Kollegen verliebt hatte, den Kollegen, der glücklich liiert war und bald Vater werden würde.

Manchmal kam sie gut damit zurecht. Manchmal würde sie sich am liebsten in einem Loch verkriechen. Oder weglaufen.

Immerhin hatte Salomon keinen Schimmer davon, was sie für ihn empfand. Wenn er Bescheid wüsste, könnte sie ihm nicht mehr in die Augen sehen.

Lydia stürzte wortlos ins Schlafzimmer und zog ihre Cargohose und ein T-Shirt an. Als sie in die Küche kam, standen zwei Tassen Espresso auf dem Tisch. Salomon saß auf einem Stuhl und starrte ins Leere. Die aufgeschlagene Zeitschrift lag vor ihm.

Lydia ließ sich ihm gegenüber nieder und zog das Magazin zu sich heran. »Was soll ich lesen?«

»Diesen Artikel.« Salomon tippte auf eine Schlagzeile.

»Welchen? DAS WUNDER VON LISSABON?« Lydia runzelte die Stirn. »Ich glaube nicht an Wunder, das solltest du eigentlich wissen.« Lydia gab Zucker in ihren Kaffee und rührte um.

»Bitte lies. Danach erkläre ich es dir.«

»Also gut. Aber wehe, du hast keine wirklich gute Erklärung für deinen Überfall parat!« Lydia beugte sich über die Zeitschrift.

DAS WUNDER VON LISSABON

Mädchen überlebt Sprung von Tejobrücke

Ein 9-jähriges Mädchen hat einen Sprung von der 70 Meter hohen Ponte 25 de Abril in Lissabon...


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