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Der kalte Schlaf

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
510 Seiten
Deutsch
Bastei Lübbeerschienen am17.01.20141. Aufl. 2014
Amber Hewerdine findet keine Ruhe mehr. Seitdem ihre beste Freundin bei einem Wohnungsbrand ums Leben kam und sie ihre beiden Töchter bei sich aufnahm, quält sie Nacht für Nacht die Schlaflosigkeit. Ein Besuch bei einer Hypnosetherapeutin lasst nur einen Schluss zu: Amber kennt den Killer. Und weiß, dass er wieder zuschlagen wird. Doch offenbar ist die Wahrheit so grauenhaft, dass sie sie noch nicht einmal vor sich selbst zugeben kann ...mehr

Produkt

KlappentextAmber Hewerdine findet keine Ruhe mehr. Seitdem ihre beste Freundin bei einem Wohnungsbrand ums Leben kam und sie ihre beiden Töchter bei sich aufnahm, quält sie Nacht für Nacht die Schlaflosigkeit. Ein Besuch bei einer Hypnosetherapeutin lasst nur einen Schluss zu: Amber kennt den Killer. Und weiß, dass er wieder zuschlagen wird. Doch offenbar ist die Wahrheit so grauenhaft, dass sie sie noch nicht einmal vor sich selbst zugeben kann ...
Details
Weitere ISBN/GTIN9783838745763
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum17.01.2014
Auflage1. Aufl. 2014
Seiten510 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.2188615
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Was ist der Unterschied zwischen einer Geschichte und einer Legende? Zu welcher Kategorie gehört Little Orchard? Ich würde sagen, eindeutig in die Kategorie »Legende.« Zum einen hat es einen Namen: Little Orchard. Diese beiden Worte sind mehr als der Name eines Hauses in Surrey. Sie reichen aus, um eine komplexe Folge von Ereignissen und ein noch vielschichtigeres Bündel von Meinungen und Emotionen heraufzubeschwören. Und wenn ein gedankliches Kürzel für ein Ereignis aus unserer Vergangenheit existiert, ist das immer ein Hinweis darauf, dass die Geschichte zur Legende geworden ist.

Spielt es eine Rolle, dass alle Menschen, die diese Legende kennen - abgesehen von einer italienischen Nanny -, zur selben Familie gehören? Ich glaube nicht. Für alle diese Menschen ist sie etwas Wesentliches. Und sie wird immer etwas Wesentliches bleiben. Sie ist einmalig: eine ausgeblendete Geschichte, die einer stillschweigenden Übereinkunft zufolge niemals erwähnt werden darf. Und ich vermute, dass sie dadurch einen größeren Raum in den Gedanken all dieser Menschen einnimmt, als wenn offen über sie gesprochen werden dürfte. Es ist zweifellos die faszinierendste Geschichte, die die Familie zu bieten hat - ein Rätsel, das vermutlich nie gelöst werden wird. Nach nunmehr sieben Jahren hat es jedenfalls noch keinerlei Fortschritte gegeben, das Rätsel zu lösen, und die Frage nach den Gründen dafür ist fast so interessant wie das Geheimnis selbst.

Zunächst sollten wir uns den genauen Ablauf ansehen. Und das hat kaum jemand mehr getan, seit Little Orchard den Status einer Legende hat. Wenn eine Geschichte zu einer Legende wird, wird durch das gedankliche Kürzel meist nicht mehr abgerufen, was wirklich geschah, Schritt für Schritt - das wäre viel zu arbeitsintensiv -, sondern nur eine passende Verpackung, die das Ganze umhüllt. Für Little Orchard drängen sich dabei verschiedene Verpackungskonzepte auf: »Wahrscheinlich werden wir es nie erfahren«, »Das zeigt mal wieder, dass man einen Menschen nie richtig kennt, ganz gleich, wie nahe man ihm zu sein glaubt«, möglicherweise sogar das verräterische »Es ist besser, wenn wir es nie erfahren«, denn viele Menschen stehen in einem heimlichen Einvernehmen mit der Person, die versucht, sie zu täuschen.

Verstehen Sie, was ich damit sagen will?

Ich möchte die Little Orchard-Legende allerdings gerne auf die Ebene einer Geschichte zurückführen. Ich werde sie genauso behandeln wie eine Kriminalgeschichte, als würde ich keine der Figuren kennen und keinem mehr trauen als den anderen. Zudem werde ich ihr mit derselben Erwartungshaltung begegnen wie einem Krimi. Ich kann und werde die Bedeutung der Ereignisse herausfinden, denn alles andere wäre ein empörender Verrat seitens des Autors. Wie jeder Krimi muss auch dieser eine Lösung bereithalten. Ich betone das, noch bevor ich anfange zu erzählen, was geschehen ist. Damit signalisiere ich der Lösung, ich weiß, es gibt sie, und ich erwarte von ihr, dass sie sich zeigt, wenn es so weit ist.

Dezember 2003: Johannah und Neil Utting, ein Ehepaar Mitte dreißig, leisten sich etwas und mieten über Weihnachten ein großes Haus, in dem Platz für die ganze Verwandtschaft ist. Das ist ihr Weihnachtsgeschenk für alle. Ihr eigenes Haus ist zu klein, es hat nur drei Schlafzimmer.

Johannah, genannt Jo, findet im Internet ein Haus: Little Orchard in Cobham, Surrey. Es hat fünf Zweibettzimmer und vier Zimmer mit Einzelbetten, was perfekt ist. Die gesamte Familie wird eingeladen, und alle nehmen die Einladung an: Neils Bruder und seine Schwägerin, Luke und Amber; Jos Mutter Hilary, Jos Schwester Kirsty und ihr Bruder Ritchie; Neils Eltern, Pam und Quentin; Jo und Neils Nanny Sabina, ihr fünfjähriger Sohn William und das neugeborene Baby, Barney.

Heiligabend bleibt Sabina bei den Kindern, während alle anderen ins nächste Pub gehen, das Plough, um dort zu essen. Alle scheinen sich gut zu amüsieren. Nichts Außergewöhnliches fällt vor. Gegen halb elf kehrt die Gesellschaft nach Little Orchard zurück. William und Barney schlafen schon tief und fest. Pam und Quentin, Neils Eltern, gehen als Erste ins Bett, kurz darauf gefolgt von Sabina, der Nanny. Neil, Luke und Amber beschließen eine halbe Stunde später, ihrem Beispiel zu folgen. Amber und Luke hören, wie Neil zu Jo sagt: »Kommst du auch ins Bett?«, und sehen, wie verdutzt er ist, als sie antwortet: »Nein, noch nicht.« Auch Amber und Luke sind erstaunt. Neil und Jo gehen immer zur selben Zeit ins Bett - sie sind »eins dieser Paare«, wie Amber es später Luke gegenüber kommentiert. Neil scheint verstimmt über Jos ablehnende Antwort. Er zuckt mit den Achseln und stapft nach oben. Alle lauschen auf seine Schritte, die lange Zeit durchs Haus hallen. Er und Jo sind in der Suite im obersten Stock untergebracht, dem größten Schlafzimmer.

Amber und Luke sagen Gute Nacht und gehen nach oben in ihr Zimmer, das im ersten Stock liegt. Jo, Hilary, Kirsty und Ritchie bleiben im Wohnzimmer zurück.

Am folgenden Morgen, dem Weihnachtsmorgen, sind vier Personen, die eigentlich da sein sollten, nicht da. Jo, Neil, William und Barney sind verschwunden. Ihr Auto ebenfalls. Sabina, die Nanny, steht vor einem Rätsel. »Jo würde nie irgendwo ohne mich hingehen«, sagt sie, »nicht mit den Kindern.«

»Auch nicht, wenn William oder Barnaby krank geworden sind und schnell ins Krankenhaus gebracht werden mussten?«, fragt Hilary. »Besonders dann nicht«, entgegnet Sabina. Nirgendwo im Haus ist eine Nachricht zu finden. Alle checken ihre Handys, aber niemand hat eine erklärende Nachricht erhalten. Jos Handtasche und Neils Brieftasche fehlen, aber alle Weihnachtsgeschenke sind noch da, sie liegen hübsch eingepackt unter dem Baum. Die meisten sind für William oder Barney. Sabina bricht in Tränen aus. »Jo würde nie am Weihnachtsmorgen mit den Kindern wegfahren, bevor sie ihre Geschenke auspacken konnten«, sagt sie. »Es muss etwas passiert sein.« Sie versucht, erst Jo und dann Neil auf dem Handy zu erreichen, aber beide Geräte sind ausgeschaltet.

Sabina und Hilary sind dafür, zur Polizei zu gehen, aber die anderen überzeugen sie davon, dass es zu früh ist, dass es in diesem Stadium eine Überreaktion wäre. Um zwei Uhr nachmittags dann haben alle das Worst-Case-Szenario akzeptiert, und Sabina tätigt den Anruf.

Ein Polizist taucht auf, stellt jede Menge Fragen und erklärt es dann für unwahrscheinlich, dass Jo, Neil und die beiden Jungen gegen ihren Willen aus Little Orchard weggebracht worden seien. Sabina beschuldigt ihn, ihr nicht richtig zugehört zu haben. Sie empfiehlt ihm, zur Polizeistation zurückzukehren und seine Hirnzellen aufzuladen. Er nickt und erhebt sich, als halte er das für einen vernünftigen Vorschlag, und kündigt an, morgen noch einmal vorbeizuschauen, um zu hören, ob Jo und Neil sich gemeldet hätten. An der Haustür bleibt er stehen, um zu bemerken, Weihnachten - besonders, wenn man das Fest mit dem erweiterten Familienkreis verbringe - könne eine seelisch sehr belastende Zeit sein, und rät allen, das nicht zu vergessen.

Der Rest des Tages vergeht in Anspannung und Elend, gelegentlich unterbrochen von hysterischen Ausbrüchen Pams und Hilarys, der beiden Großmütter, sowie von Sabina, die ständig wiederholt, wenn Jo, Neil und den Jungs irgendetwas passiert sei, würde sie sich von einem Hochhaus stürzen oder ein Fläschchen Pillen schlucken - so sehr liebe sie sie. Luke wird wütend und fährt sie an, sie solle mal einen Punkt machen und mit dem Selbstmordgerede aufhören. Irgendwann meint Pam, dass Kirsty wirklich Glück habe. »Unwissenheit kann ein Segen sein«, sagt sie. »Sie hat nicht mal gemerkt, dass sie verschwunden sind.« Fragt sich Amber an dieser Stelle, wie viel Kirsty wirklich weiß? Sie hat ja noch nicht einmal eine Ahnung, ob es einen Namen für das gibt, was Kirsty fehlt. Jo hat die Information jedenfalls nie herausgerückt.

Es werden keine Geschenke ausgepackt, es gibt keinen Truthahn. In dieser Nacht schläft niemand gut. Pam und Hilary finden gar keinen Schlaf.

Am nächsten Morgen kommt Amber um viertel nach sieben herunter und findet Jo mit William und Barney in der Küche vor. Die Nasenspitzen der Jungen sind gerötet, Jos Brille ist beschlagen. Sie machen den Eindruck, als seien sie gerade ins Haus gekommen. Neils Jacke und sein Handy liegen auf der Arbeitsplatte. »Weck alle auf«, befiehlt Jo, noch bevor Amber Gelegenheit hat, sie irgendetwas zu fragen. »Alle sollen sich im Wohnzimmer versammeln.« Sie schaut Amber nicht an, als sie das sagt.

Amber tut wie geheißen, und bald ist die ganze Familie plus Sabina im Wohnzimmer versammelt und wartet auf die Ankündigung, die alles erklären wird. Niemand wagt sich zu rühren. Man kann Jo und Neil im Flur flüstern hören, aber niemand versteht, was gesagt wird. Luke und Amber wechseln einen Blick, der besagt: »Die Erklärung sollte besser gut sein.« Nur Sabina ist unbändig froh und erleichtert, sie klatscht in die Hände und ruft: »Gott sei Dank sind sie heil und gesund zurück.« Pam und Hilary haben die Erleichterungsphase übersprungen und warten in versteinertem Schweigen auf irgendeine katastrophale Nachricht, die sie, da sind sich beide sicher, gleich zu hören bekommen werden.

Endlich, nachdem sie alle fast eine Viertelstunde haben warten müssen, erscheint Jo. »Neil ist oben und badet die Kinder«, sagt sie. »Sie waren total verdreckt.« Sie seufzt und starrt aus dem Fenster in den Garten, der wie eine riesige Grastreppe aussieht, mit einer perfekten Rasenfläche auf jeder Stufe. »Ich weiß, ihr habt alle gewartet und euch gewundert, aber wenn es euch recht ist, mache ich es kurz.« Jo hört sich an wie ein Politiker auf einer...
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