Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Noch mehr Friesenmorde

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
510 Seiten
Deutsch
Bastei Lübbeerschienen am13.03.20141. Aufl. 2014
Theodor J. Reisdorf ist seit langem bekannt als Meister der Friesenkrimis. Mit seinen eigenwilligen Geschichten aus dem Land der Deiche und Dünen hat er sich eine begeisterte Lesergemeinde geschaffen, die von Jahr zu Jahr größer wird. Auch in diesem Sammelband sorgt Reisdorf für Nervenkitzel, und der Nordstrand wird dreimal zum Mordstrand...
Geschichten:
Der Mord macht die Musik
Du sollst nicht begehren!
Die toten Mädchen von Jever
mehr

Produkt

KlappentextTheodor J. Reisdorf ist seit langem bekannt als Meister der Friesenkrimis. Mit seinen eigenwilligen Geschichten aus dem Land der Deiche und Dünen hat er sich eine begeisterte Lesergemeinde geschaffen, die von Jahr zu Jahr größer wird. Auch in diesem Sammelband sorgt Reisdorf für Nervenkitzel, und der Nordstrand wird dreimal zum Mordstrand...
Geschichten:
Der Mord macht die Musik
Du sollst nicht begehren!
Die toten Mädchen von Jever
Details
Weitere ISBN/GTIN9783838754413
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum13.03.2014
Auflage1. Aufl. 2014
Seiten510 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.2189008
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe
2. Kapitel

Professor Micky hatte Mühe mit den Sichtverhältnissen, als er seinen Wagen in Suurhusen auf die B 70 lenkte. Bei dem diesigen Wetter hoben sich die Umrisse der schiefen Backsteinkirche des kleinen Ortes fast schon gespenstisch gegen den bleigrauen Himmel ab. Auf dem Asphalt der Straße spiegelten sich die Lichter der wenigen Autos, die ihm entgegenkamen.

Micky näherte sich Emden, und obwohl er die nur etwa fünf Kilometer lange Strecke schon seit Jahren mehrmals am Tag zurücklegte, hatte er das Gefühl, durch eine ihm völlig fremde Gegend zu fahren. Selbst die Neonreklame des Autohändlers kam ihm unheimlich vor.

Während er an einigen Ampeln halten musste, wirkten die Gebäude des Industriegebietes, gegen deren triste Fassaden der Wind den Regen peitschte, so trostlos und hässlich auf ihn wie niemals zuvor.

Im Kino wurde offenbar ein Kassenschlager gezeigt, denn die Besucher drängelten sich an den Schaltern - ein anonymer Menschenklumpen, der sich vor der Kälte und Nässe im Vorraum des Kinos zusammendrängte.

Auf der Blausielstraße floss der Regen in wahren Bächen in die Gullys. Aus den erhellten Wohnzimmerfenstern fiel trübes Licht auf die Herbstblumen in den Vorgärten. Am Ende der Straße war schemenhaft und düster der Stadtwall zu erkennen.

Fast wäre Micky an seinem Ziel vorbeigefahren. Er parkte den Wagen gegenüber dem Haus der Diekmanns und starrte aus dem regengepeitschten Fenster. Die Hausfront ragte still und dunkel vor ihm auf. Ein kalter Schauer überlief seinen Rücken. Micky setzte seine Prinz-Heinrich-Mütze auf und stieg aus. Unentschlossen stand er auf der Straße. Dann machte er einige Schritte auf die gegenüberliegende Straßenseite zu, fuhr herum, als er das schabende Geräusch in seinem Rücken vernahm, das das monotone Prasseln des Regens übertönte. Er lächelte gequält, als er die abgemagerte Katze entdeckte, die durch den Lichtschein des Nachbarhauses schlich. Das Tier hockte sich in den Hauseingang neben einen hässlichen Holzrahmen mit eingelegten Glasbausteinen.

Micky ging hinüber, und die streunende Katze huschte davon und verschwand in der Dunkelheit. Er drückte den Klingelknopf, und Sekunden später tauchte die Außenleuchte seine Gestalt in helles Licht. Die schwere Haustür wurde geöffnet, und ein alter Mann, bekleidet mit Manchesterhose und einem schwarzen Troyer, blickte neugierig hinaus.

»Herr Professor!«, rief der Alte überrascht und erfreut zugleich.

»Guten Abend, Käpt'n«, sagte Micky mit einem freundlichen Lächeln. »Ich hoffe, ich …«

»Wer ist denn da, Hinni?«, wurde er von einer resoluten Frauenstimme unterbrochen, die gedämpft in das Geräusch des Regens hinaus drang.

Der Alte schien die Frage überhört zu haben.

»Bitte, kommen Sie doch herein, Professor«, sagte er und führte seinen Gast durch den Korridor, wo er ihm an der Garderobe aus dem triefnassen Mantel half. Die Prinz-Heinrich-Mütze legte der rüstige Alte auf den Boden.

»Hinni«, erklang wieder die Frauenstimme, »willst du mir nicht sagen …«

In der Tür zum Wohnzimmer erschien die alte Dame, gekleidet in einen dunklen Rock mit schwarzer Strickjacke. Ihr dünnes graues Haar war streng nach hinten gekämmt und zu einem Dutt geformt. Die Frau nickte Micky zu, ohne zu lächeln.

»Guten Abend«, sagte sie leise.

Bevor Micky den Gruß erwidern konnte, meldete sich der Alte zu Wort. »Mutter, das ist Professor Micky. Er war am Morgen nach dem Straßenfest bei mir. Der Herr Professor ist der Lehrer von Sonja!«

Erst jetzt zeigte sich die Andeutung eines Lächelns auf dem Gesicht der Frau. Sie bat Micky ins Wohnzimmer und wies auf einen schweren, mit blauem Samt bezogenen Sessel.

»Bitte, nehmen Sie doch Platz, Herr Professor«, sagte sie.

»Danke«, murmelte Micky, setzte sich und blickte dabei rasch in die Runde. Ein Chippendale-Büfett, Unmengen von Zinntellern und Porzellanfiguren, der röhrende Hirsch in Öl im Stuckrahmen, eine Kuckucksuhr, eine Radierung, die das Bild eines jungen Mädchens zeigte. Mickys Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen. Er fühlte sich an Sonja erinnert.

»Möchten Sie einen Tee?«, fragte die Alte höflich und riss Micky aus seinen Gedanken. Der Professor nickte dankbar, denn er spürte die Nässe durch seine Kleidung auf der Haut, und ein heißer Tee war jetzt genau das Richtige. Während die Frau das Zimmer verließ, griff ihr Mann zur Pfeife und drückte schwarzen, groben Tabak in den Kopf.

»Sie haben sicher gemerkt, dass wir eine prima Nachbarschaft haben«, begann der Alte dann mit rauchiger Stimme das Gespräch. »Keine Fremden, alles Ostfriesen. Ich bin zur See gefahren, wissen Sie, und war dann jahrelang Lotse. Da kennt man sich aus, glauben Sie mir.« Micky nickte gedankenversunken. Solche Typen waren rar geworden in der See- und Hafenstadt, dachte er. Jetzt war längst schon die Autoindustrie der wichtigste Garant für das wirtschaftliche Überleben Emdens geworden.

Die Frau kam mit dem Tee. Er musste bereits fertig gewesen sein, denn schon stellte sie die Kanne auf das Stövchen und goss ein.

»In den Wohnblocks gibt es keine Straßenfeste«, fuhr der Alte fort und beugte sich dann vor. »Übrigens, haben Sie etwas von der Deern gehört?«

»Nein«, erwiderte Micky. »Ich hatte gehofft, von Ihnen etwas erfahren zu können. Nun ja, und da wäre noch etwas.« Die beiden Alten warfen sich einen raschen, fragenden Blick zu.

»Bei uns auf See waren klare Positionen lebenswichtig«, sagte der Kapitän dann freundlich. »Sprechen Sie nur aus, was Sie meinen.«

Micky nippte am Tee und fragte dann: »Ihre Nachbarn, die Diekmanns, haben doch bis in die Nacht mit Ihnen gefeiert, oder?«

»Ja. Obwohl sie schon am nächsten Vormittag in den Schwarzwald fahren wollten«, erwiderte der Alte.

»Und da gibt es keine Zweifel?«

Der Kapitän blickte Micky fest an und blies den Qualm aus.

»Wenn Sie mich nach Häfen fragen, Herr Professor, sind Sie bei mir an der richtigen Adresse. Aber die Frage, wo die Ramsau liegt oder was weiß ich, die streichen Sie mal bei mir von der Liste.«

»Die Diekmanns wollten am Morgen nach unserem Straßenfest noch beim Aufräumen helfen. Aber weil es so spät geworden war, haben wir alle Verständnis dafür gehabt, dass sie dann doch nicht gekommen sind«, meldete sich die Frau zu Wort.

»Sind sie mit der Bahn oder mit dem Auto gereist?«, fragte Micky.

»Keine Ahnung«, sagte der Alte und klopfte seine Pfeife aus.

»Und niemand von Ihnen hat etwas gehört? Haben die Diekmanns bis jetzt nicht einmal eine Postkarte geschrieben, obwohl Sie alle so eine herzliche Verbundenheit besitzen?«

»Wer sagt das?«, brummte der Kapitän missmutig.

»Hören Sie, die Diekmanns werden vermisst!«, sagte Micky scharf.

»Aber wir wissen doch auch nicht, wie lange sie bleiben wollen«, erwiderte der Alte versöhnlich. »Mutter, du hast doch mit Magda telefoniert. Erzähl doch mal!«

Micky hätte fast die Teetasse fallen lassen.

»Ein Lebenszeichen von den Diekmanns? Von Sonja?«, rief er. Doch die alte Frau winkte müde ab.

»Ja, ja, ich habe mit Magda gesprochen. Das heißt, besser sage ich wohl: Sie hat mit mir gesprochen. Die Leitung war irgendwie gestört. Magda sprach so abgehackt, so undeutlich. Ich hab nur mitgekriegt, dass sie gut aufgehoben sind, dass das Wetter gut ist - na, eben das Übliche. Und dann sagte Magda noch, dass sie vielleicht ihren Urlaubsort wechseln wollten.« Micky schien wie elektrisiert.

»Wann war das?«, fragte er und konnte das Zittern in seiner Stimme nicht verbergen.

»Nun, das ist nicht lange her. Vor ein paar Tagen.«

Micky stand auf und fragte:

»Der Anruf kam aus dem Schwarzwald? Hat Sonja das Reiseziel akzeptiert, oder wollte sie vielleicht nach Österreich?«

Der Kapitän erhob sich ebenfalls.

»Das wissen wir nicht«, sagte er. »Auf unserer Feier war jedenfalls die Rede davon, dass sie in den Schwarzwald fahren wollten. Und was Sonja angeht - nun, die jungen Leute waren unter sich. Mein Sohn hat lange mit Sonja gesprochen. Leider ist er nicht mehr zu Hause. Er wohnt in der Stadt. Allein.«

Micky warf einen raschen Blick auf seine Armbanduhr.

»Ja, also dann vielen Dank für Ihre Gastfreundschaft«, sagte er und wandte sich zum Gehen. »Und wenn Sie von den Diekmanns hören sollten, melden Sie sich bitte bei mir, ja?«

»Das geht in Ordnung«, sagte der Kapitän und brachte seinen Gast, der es plötzlich sehr eilig hatte, zur Tür.

Micky eilte durch den strömenden Regen zu seinem Mercedes. Sein Ziel war die nächste Polizeidienststelle.

Professor Micky parkte seinen Wagen auf dem Bahnhofsplatz und ging zum Polizeirevier hinüber. Die Pförtnerloge war um diese Stunde nicht mehr besetzt, aber die Tür zur Dienststelle stand offen, und Micky trat entschlossen ein.

Die wenigen uniformierten Beamten blickten ihn erstaunt an.

»Moin«, sagte Micky, ohne seine Nervosität verbergen zu können. »Bitte, es geht um die vermisste Familie Diekmann. Ich möchte …«

»Hier aus Emden?«, fragte einer der Polizisten.

»Ja«, erwiderte Micky. »Es sind Freunde von mir, die zum Urlaub nach Österreich gefahren und seitdem verschwunden sind.«

»Österreich«, murmelte der Beamte vor sich hin und sah dann Micky an. »Einen kurzen Moment, bitte.« Er wählte eine kurze Nummer auf der Hausleitung und erklärte dem Dienst habenden Kommissar den Sachverhalt. »Zimmer dreihundertvierzig«, sagte er dann zu Micky. »Erster Stock. Kommissar Bentz erwartet sie.«

»Danke.«

Micky stieg die Treppe hinauf. Er spürte die kalte Nässe auf seinem Rücken und...
mehr