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Sixtinische Verschwörung

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
253 Seiten
Deutsch
Bastei Lübbeerschienen am18.07.20141. Aufl. 2014
Eine merkwürdige Entdeckung bei der Restaurierung der Sixtinischen Kapelle beunruhigt die Gemüter: Einzelne Bildfelder sind mit Buchstaben versehen, deren Abfolge keinen Sinn ergibt. Auf der Suche nach einer Erklärung stößt Kardinal Jellinek, Präfekt der Glaubenskongregation, in den Geheimarchiven des Vatikans auf ein Dokument, das die Lehre der Kirche in ihren Grundfesten zu erschüttern droht. Ist dies die späte Rache des Michelangelo an Gottes Stellvertreter?mehr

Produkt

KlappentextEine merkwürdige Entdeckung bei der Restaurierung der Sixtinischen Kapelle beunruhigt die Gemüter: Einzelne Bildfelder sind mit Buchstaben versehen, deren Abfolge keinen Sinn ergibt. Auf der Suche nach einer Erklärung stößt Kardinal Jellinek, Präfekt der Glaubenskongregation, in den Geheimarchiven des Vatikans auf ein Dokument, das die Lehre der Kirche in ihren Grundfesten zu erschüttern droht. Ist dies die späte Rache des Michelangelo an Gottes Stellvertreter?
Details
Weitere ISBN/GTIN9783838757759
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum18.07.2014
Auflage1. Aufl. 2014
Seiten253 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.2189546
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe
VON DER WOLLUST DES ERZÄHLENS

WÄHREND ICH SCHREIBE, WERDE ICH VON HEFTIGEN Zweifeln geplagt, ob ich das überhaupt alles erzählen darf. Ob ich es nicht besser für mich behielte, so wie jene es für sich behalten haben, die bisher Kenntnis davon hatten. Aber ist nicht Schweigen die grausamste Lüge? Und trägt nicht sogar Irrtum zum Verständnis der Wahrheit bei? Unfähig jener Erkenntnis, die selbst dem wahren Christenmenschen ein Leben lang verborgen bleibt und die sich stets in das Zeugnis des Glaubens flüchtet, habe ich lange das Für und Wider erwogen, bis die Wollust überhandnahm, diese Geschichte zu erzählen - so wie ich sie unter denkwürdigen Umständen erfuhr.

Ich liebe Klöster, ein unerklärlicher Drang treibt mich an diese von der Außenwelt abgesonderten Orte, welche, das sei einmal angemerkt, die schönsten Flecken der Erde besiedeln. Ich liebe Klöster, weil dort die Zeit stillzustehen scheint, ich genieße den morbiden Geruch, der ihre weit verzweigten Gebäude durchströmt, jene Mischung aus ewig vor sich hin muffelnden Folianten, feucht gewischten Gängen und verflüchtigtem Weihrauch. Vor allem aber liebe ich Klostergärten; sie werden meist vor der Öffentlichkeit verborgen, warum weiß ich nicht, zeigen doch gerade sie einen Blick ins Paradies.

Dieses vorausschickend, will ich erklären, warum ich an jenem leuchtenden Herbsttag, den nur der südliche Himmel hervorzuzaubern vermag, in das Paradies des Benediktinerklosters eindrang. Es war mir gelungen, mich nach einer Führung durch Kirche, Krypta und Bibliothek von einer Gruppe abzusetzen, und dabei fand ich den Weg durch ein kleines Seitenportal, hinter dem nach dem Plan des hl. Benedikt man den Klostergarten vermuten konnte.

Das Gärtlein war ungewöhnlich klein, viel kleiner, als es ein Kloster dieser Größe erwarten ließ, und der Eindruck wurde dadurch verstärkt, dass die tief stehende Sonne das paradiesische Quadrat diagonal in eine grell beleuchtete und eine tief schattige Hälfte teilte. Nach der beklemmenden Kühle, die dem Inneren des Klosters anhaftete, wirkte die Wärme der Sonne wohltuend. Spätsommerblumen, Phlox und Dahlien mit schweren Blütenköpfen, zeigten ihre hohe Zeit, Iris, Gladiolen und Lupinen setzten senkrechte Akzente, und allerlei Gewürzkräuter drängten sich wild wachsend in schmalen Beeten, durch einfache Holzbretter voneinander getrennt. Nein, dieser Klostergarten hatte nichts gemein mit den parkähnlichen Anlagen anderer Benediktinerklöster, welche allseitig eingerahmt von der Phalanx trutziger Gebäudetrakte und gestützt auf einen umlaufenden Kreuzgang mit Profanem konkurrieren wie Versailles oder Schönbrunn. Dieser Klostergarten war gewachsen, nachträglich aufgehäuft zu einer Terrasse am südlichen Abhang des Klosters und getragen von einer hohen Mauer aus Tuffstein, wie ihn die Gegend hervorbrachte. Nach Süden war der Blick frei, an klaren Tagen konnte man am Horizont die Gebirgskette der Alpen ausmachen. An der einen Seite, dort, wo die Küchenkräuter wuchsen, plätscherte Wasser aus einem Eisenrohr in einen Steintrog, und daneben stand ein morsches Gartenhäuschen, eher ein Bretterverschlag, an dem sich schon mehrere Baumeister ziemlich ungeschickt versucht hatten. Vor Regen schützte eine verschlissene Bedeckung aus Dachpappe, ein quer gestellter, ausgedienter Fensterflügel war die einzige Lichtöffnung. Das Ganze verbreitete auf ungewöhnliche Weise Heiterkeit, wohl deshalb, weil die Konstruktion irgendwie an jene Bretterhäuschen erinnerte, die wir als Kinder in den Ferien zusammenzimmerten.

Aus dem Schatten tönte plötzlich eine Stimme: »Wie hast du mich gefunden, mein Sohn?«

Ich hielt schützend die Hand über die Augen, um mich im Schattenlicht besser zu orientieren, und der Anblick, der sich mir bot, lähmte mich für einen Augenblick: Da saß aufrecht in einem Rollstuhl ein Mönch mit prophetischer schlohweißer Barttracht. Er trug einen gräulichen Habitus, der sich auffallend von dem vornehmen Schwarz der Benediktinermönche unterschied, und während er mich mit durchdringenden Augen ansah, drehte er sein Haupt hin und her, ohne den Blick von mir zu lassen, wie eine hölzerne Marionette.

Obwohl ich seine Frage sehr wohl verstanden hatte, fragte ich, um Zeit zu gewinnen, zurück: »Was meinen Sie?«

»Wie hast du mich gefunden, mein Sohn?«, wiederholte der seltsame Mönch seine Frage mit der gleichen Bewegung des Kopfes, und ich glaubte einen Ausdruck von Leere in seinem Blick zu erkennen.

Meine Antwort blieb unverbindlich, sollte es auch sein, denn ich wusste nichts anzufangen mit dieser seltsamen Begegnung und seiner ebenso seltsamen Frage. »Ich habe Sie nicht gesucht«, sagte ich, »ich habe das Kloster besichtigt und wollte nur einen Blick in den Garten werfen, entschuldigen Sie.« Ja, ich schickte mich an, mich mit einem Kopfnicken zu verabschieden, als der Alte plötzlich die Arme anwinkelte, die bis dahin reglos auf den Lehnen des Rollstuhls lagen, und den Rädern einen Stoß versetzte, dass er auf mich zuschoss wie von einem Katapult beschleunigt. Der Alte schien Bärenkräfte zu haben. Ebenso schnell, wie er sich mir genähert hatte, blieb er stehen, und als er ganz nahe war, erkannte ich, nun dem Sonnenlicht ausgesetzt, unter der strähnigen Haar- und Barttracht ein schmales, fahles Gesicht, viel jünger, als es den ersten Anschein hatte. Die Begegnung begann mich zu beunruhigen. »Du kennst den Propheten Jeremias?«, fragte der Mönch unvermittelt, und ich zögerte einen Augenblick, ich überlegte, einfach wegzulaufen; aber sein stechender Blick und diese seltsame Würde, die von dem Mann ausging, hielt mich zu bleiben.

»Ja«, sagte ich, »ich kenne den Propheten Jeremias und Isaias, Baruch, Ezechiel, Daniel, Arnos, Zacharias und Malachias« - so wie sie mir seit meiner Internatszeit in einem Kloster im Gedächtnis geblieben waren.

Die Antwort verblüffte den Mönch, ja, sie schien ihn zu erfreuen, denn mit einem Mal wich die Starrheit aus seinem Gesicht, und er verlor das Marionettenhafte in seinen Bewegungen.

»In jener Zeit«, sagt Jeremias, »wird man die Gebeine der Könige von Juda und die Gebeine seiner Fürsten und die Gebeine seiner Priester und die Gebeine der Propheten und die Gebeine der Bewohner Jerusalems aus ihren Gräbern zerren. Man wird sie der Sonne, dem Mond und dem gesamten Himmelsheer hinwerfen, denn man liebte und verehrte diese ja, lief ihnen nach, suchte sie auf und warf sich anbetend vor ihnen hin. Sie werden nicht wieder gesammelt und kommen in kein Grab. Als Dung auf dem Acker sollen sie dienen. Und der gesamte Rest, der von diesem bösen Geschlecht allerorts noch übrig bleibt, wohin immer ich sie verstoße, wird dann lieber sterben als leben.«

Ich sah den Mönch fragend an, und der Mönch erkannte meinen ratlosen Blick und sagte: »Jeremias acht, eins bis drei.«

Ich nickte.

Der Mönch hob den Kopf, dass sein weißer Bart beinahe waagrecht stand, und mit dem Handrücken strich er sanft über die Unterseite seiner Haarpracht. »Ich bin Jeremias«, sagte er dabei, und im Tonfall seiner Stimme klang eine gewisse Eitelkeit, eine ganz und gar unmönchische Tugend. »Alle nennen mich Bruder Jeremias. Aber das ist eine lange Geschichte.«

»Sie sind Benediktiner?«

Er machte eine verneinende Handbewegung. »Man hat mich in dieses Kloster gesteckt, weil sie glauben, dass ich hier am wenigsten Schaden anrichten kann. So lebe ich nach der Ordo Sancti Benedicti unberührt und ungestört von weltlichen Daseinsbedürfnissen, würdelos als Converse. Könnte ich, ich würde fliehen.«

»Sie sind noch nicht lange im Kloster?«

»Wochen. Monate. Vielleicht sind es schon Jahre. Was spielt das für eine Rolle!«

Das Klagen des Bruders Jeremias begann mein Interesse zu wecken, und mit der gebotenen Vorsicht erkundigte ich mich nach seinem früheren Leben.

Da schwieg der rätselhafte Mönch, er ließ das Kinn auf die Brust sinken und blickte an sich hinab auf seine gelähmten Beine, und ich fühlte, dass ich zu weit gegangen war mit meiner Frage. Aber noch bevor ich ein Wort der Entschuldigung hervorbringen konnte, begann Jeremias zu reden.

»Was weißt du, mein Sohn, von Michelangelo …?«

Er redete stockend, ohne mich dabei anzusehen, und man spürte, dass er sich jedes Wort überlegte, bevor er es aussprach, und dennoch erschienen mir seine Worte wirr und zusammenhanglos. Ich erinnere mich nicht mehr an jede Einzelheit, vor allem deshalb, weil er sich ständig verhaspelte, verbesserte und Sätze neu begann; aber mir blieb im Gedächtnis, dass hinter den Mauern des Vatikans Dinge im Gang seien, von denen der gläubige Christenmensch keine Ahnung habe und dass - und das erschreckte mich - die Kirche eine casta meretrix, eine keusche Hure sei. Dabei gebrauchte er Fachausdrücke und schwelgte in Worten wie Kontroverstheologie, Moraltheologie und Dogmatik, dass meine Zweifel, Bruder Jeremias könnte nicht bei klarem Verstand sein, schneller schwanden, als sie gekommen waren. Er nannte Konzile mit Namen und Jahreszahl, unterschied Partikular-, Plenar- und Provinzialkonzile und nannte Vor- und Nachteile des Episkopalismus, bis er auf einmal jäh endete und fragte: »Du hältst mich wohl auch für verrückt?«

Ja, er sagte auch, und das überraschte mich. Offensichtlich wurde Bruder Jeremias in diesem Kloster als geistig Verwirrter abgesondert wie ein lästiger Häretiker, und ich weiß auch nicht mehr, was ich dem Mönch antwortete; ich erinnere mich nur noch, dass mein Interesse an diesem Mann wuchs. Also kam ich...
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