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Ich bin nicht tot

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
432 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am13.11.2017
Sein Gesicht zu lesen war ihre gesamte Existenz
Drei Jahre lang wurde Detective Jude Fontaine von der Außenwelt ferngehalten. Eingesperrt in einer unterirdischen Zelle hatte sie zu niemandem Kontakt außer ihrem sadistischen Entführer. Nach ihrer Flucht bleibt ihr nur ein unstillbares Verlangen nach Gerechtigkeit. Obwohl ihre Kollegen an ihrer psychischen Gesundheit zweifeln, nimmt sie ihre Arbeit in der Mordkommission wieder auf. Ihr neuer Partner, Detective Uriah Ashby, traut ihrer Zurechnungsfähigkeit nicht, doch ein Killer ist unterwegs und ermordet junge Frauen. Die Detectives haben keine Wahl: Sie müssen zusammenarbeiten, um den Psychopathen zu stellen, bevor er sein nächstes Opfer findet. Und niemand kennt sich mit Psychopathen so gut aus wie Jude Fontaine ...


Anne Fraiser ist eine New York Times und USA Today Bestsellerautorin. Sie teilt ihre Zeit zwischen der Stadt Saint Paul in Minnesota und ihrem Schreibstudio im ländlichen Wisconsin auf.
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Produkt

KlappentextSein Gesicht zu lesen war ihre gesamte Existenz
Drei Jahre lang wurde Detective Jude Fontaine von der Außenwelt ferngehalten. Eingesperrt in einer unterirdischen Zelle hatte sie zu niemandem Kontakt außer ihrem sadistischen Entführer. Nach ihrer Flucht bleibt ihr nur ein unstillbares Verlangen nach Gerechtigkeit. Obwohl ihre Kollegen an ihrer psychischen Gesundheit zweifeln, nimmt sie ihre Arbeit in der Mordkommission wieder auf. Ihr neuer Partner, Detective Uriah Ashby, traut ihrer Zurechnungsfähigkeit nicht, doch ein Killer ist unterwegs und ermordet junge Frauen. Die Detectives haben keine Wahl: Sie müssen zusammenarbeiten, um den Psychopathen zu stellen, bevor er sein nächstes Opfer findet. Und niemand kennt sich mit Psychopathen so gut aus wie Jude Fontaine ...


Anne Fraiser ist eine New York Times und USA Today Bestsellerautorin. Sie teilt ihre Zeit zwischen der Stadt Saint Paul in Minnesota und ihrem Schreibstudio im ländlichen Wisconsin auf.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641215378
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum13.11.2017
Reihen-Nr.1
Seiten432 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2989 Kbytes
Artikel-Nr.2363691
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Kapitel 1

Irgendwann hörte sie auf zu schreien. Es war derselbe Tag, an dem sie aufgab, über die Welt außerhalb der fensterlosen Kammer nachzudenken. Diese Welt existierte nicht mehr. Zumindest nicht mehr für sie. Jetzt gab es nur noch die Teller mit Essen, die in unregelmäßigen Abständen in ihr Verlies gebracht und dann in völliger Dunkelheit von ihr leer gegessen wurden - ohne jeg­liche visuelle Anhaltspunkte und ohne dass ihre Ge­­schmacksnerven hätten feststellen können, was in ihren Mund wanderte.

Ihr Leben bestand jetzt daraus, auf das Geräusch seiner Schritte auf der Treppe zu achten. Ihr Leben bestand daraus, auf das Schlurfen seiner Füße über den Zementboden zu horchen und darauf zu warten, seine Stimme zu hören. Möge Gott ihr beistehen, aber es war schon so weit gekommen, dass sie sich auf seine Stimme und auf seine Besuche irgendwie sogar freute. Alles war besser als diese Stille in ihrem Kopf.

Dann gab es die Tage, an denen er sie aus der Zelle in den Kellerraum zerrte, sie aus der Dunkelheit herauszog.

Sie blinzelte in die grelle Helligkeit der einzigen Glühbirne, die von der Kellerdecke herunterhing. Wenn sie versuchte zu sprechen - ihre Stimme klang kratzig, fremd und hohl -, schlug er ihr ins Gesicht.

Und das war okay.

Heute führte er sie zu der Abflussstelle in einer Ecke des Kellers, drehte den Wasserhahn auf, richtete die Brause auf ihren nackten Körper und bespritzte sie mit eiskaltem Wasser.

Selbst da schrie sie nicht. In ihr waren keine Schreie mehr übrig geblieben.

»Du bist ekelhaft.«

Ja, vermutlich war sie das. Vielleicht hatte er ja deshalb aufgehört, sie anzufassen. Ekelhaft war gut.

Als er damit fertig war, sie abzuduschen, stellte er das Wasser ab. Sie zitterte vor Kälte - sonderbar, dachte sie mit einer gewissen Distanziertheit.

»Los, zurück in die Kammer.«

Anfangs hatte sie noch versucht, ihr Ich zu bewahren. Eine Zeit lang hatte sie sich darum bemüht, sich selbst daran zu erinnern, wer sie war. Sie hatte versucht, sich ihre Haarfarbe und ihre Gesichtsform ins Gedächtnis zu rufen. Aber eines Tages hatte sie es aufgegeben. Das hier war jetzt ihr Leben, und ihre Haare und ihr Gesicht waren nicht mehr wichtig. Wenn man sich nichts mehr wünschte, wurde das Überleben einfacher. Sobald man aufgab und sein Schicksal akzeptierte, wurde das Dasein erträg­licher, weil nicht jeder Tag ein Wiedereinsetzen des nie mehr endenden Albtraums war.

In der Kammer kauerte sie sich auf dem Boden zu­­sammen und zog ihre Knie bis an die Brust, während sie weiterzitterte.

Jetzt würde er die Tür verriegeln.

»Kannst du nicht noch ein Weilchen hierbleiben?«, fragte sie. Ihre Stimme war schwach wie ein Windhauch. »Ein bisschen mit mir reden?«

Erstaunt starrte er sie an. Unrasiert. Mit grausamen, verwirrt dreinblickenden Augen. Auf dem Kopf ein Gewirr aus braunen Haaren. Er dachte nicht über sie nach. Sie war für ihn zu einer lästigen Pflicht geworden - so wie ein Hund, von dem er sich jetzt wünschte, er hätte ihn sich nie angeschafft, aber den er jetzt notgedrungen füttern musste. Wenn er denn überhaupt daran dachte, ihr etwas zu essen zu geben.

Hinter ihm flackerte die Glühbirne auf, dann erlosch sie. Im ganzen Haus wurde es mit einem Mal mucksmäuschenstill. Er fluchte leise in der Dunkelheit.

Das schwärzeste Schwarz. Aber schwarz war ihr Freund. In dieser dunklen Welt, in der sie nicht sehen konnte, war ihr Gehörsinn scharf geworden. Sie war dar­an gewöhnt, durch die Dunkelheit hindurchzusehen, um sich im Kopf ein Bild von ihrer Umgebung zu machen - die Entfernung zu den Wänden und die Höhe der Decke.

Nur wenige Augenblicke, nachdem das Licht erloschen war, fühlte sie etwas Seltsames. Etwas, das sie schon seit einer Ewigkeit nicht mehr gefühlt hatte.

Hoffnung.

Sie kannte die Maße seines Körpers. Sie wusste, wie groß er war und wie viel er wog. Sie kannte die Schwielen an seinen Händen und die lange, breite Narbe auf seinem Bauch. Sie kannte den Umfang seiner Oberarme und wusste, dass sein Atem nach Zigaretten und Bier stank.

Seltsam, dass ihr jetzt Gedanken an eine Flucht kamen, obwohl sie so etwas doch schon vor langer Zeit aufgegeben hatte. Aber vielleicht hatte sie ja auch in einer Art Winterstarre gelegen und unbewusst auf den richtigen Zeitpunkt gewartet. Auf genau diesen Moment, wenn das Universum die Waagschale zu ihren Gunsten neigte. Auf diese eine Sekunde, in der sie im Vorteil war.

Sie konnte im Dunkeln sehen.

Nicht auf unerklär­liche, mystische Weise, sondern eher wie ein Nacktmull, der sein ganzes Leben in absoluter Dunkelheit verbracht hatte. Irgendwann war die Dunkelheit kein Hindernis mehr.

An der linken Hüfte des Mannes hing ein Elektroschocker. Kein geläufiges Modell, aber die zahlreichen Male, in denen er das Gerät bei ihr angewendet hatte, hatten sie alles gelehrt, was sie wissen musste. In der Dunkelheit, im Dunkelsten des Dunklen, kalkulierte sie die Entfernung. Dann sprang sie auf, stürzte sich auf ihn und riss den Elektroschocker aus der Halterung heraus.

Sie presste ihren Daumen auf den ON-Knopf, woraufhin sich die Waffe mit einem Surren einschaltete. Ein Luftzug streifte ihr Gesicht, als der Mann nach ihr griff.

Wie jemand, der mit einem Schwert zum Schlag ausholte, zielte sie dorthin, wo sie seine Brust vermutete. Der Elektroschocker traf auf seinen Körper, und aus der Kehle des Mannes ertönte ein unfreiwilliges, gurgelndes Geräusch, als er zu Boden ging und zu ihren Füßen wie wild zuckte.

Schnell schlüpfte sie an ihm vorbei, stolperte vorwärts, bis sie das Geländer und die hölzernen Treppenstufen erreichte, die nach oben führten.

Tage, Wochen und Monate hatte sie damit verbracht, ganz genau hinzuhören, was über ihrem Kopf vor sich ging - wie er über den Boden schlurfte, das Holster abnahm und die Pistole auf dem Tisch ablegte.

Mit ausgestreckten Armen stolperte sie nun blindlings die Treppe hoch. In der Küche angekommen, suchten ihre Finger fieberhaft den Tisch ab und fanden schließlich das, wonach sie gesucht hatten.

Sie ließ den Elektroschocker fallen, öffnete das Holster und zog die Waffe heraus. Was Gewicht und Form betraf, fühlte sie sich an wie eine .40 Smith & Wesson - eine Standardausgabe für Polizisten.

Hinter sich hörte sie Schritte die Treppe heraufstampfen.

Es blieb keine Zeit, um das Magazin zu überprüfen. Sie stabilisierte die Pistole mit beiden Händen, horchte ganz genau auf das Geräusch der Bewegung, das von unten kam, hörte sein krebsartiges Schlurfen und seine stoßweise Atmung und spürte förmlich seinen Zorn, der immer näher kam.

Dann drückte sie ab. Drei Mal. Jeder Schuss erzeugte einen Funken in der Dunkelheit, während heiße, leere Patronenhülsen über ihre nackten Füße hüpften und ihr der Geruch von Schießpulver in die Nase stieg.

Der Mann ließ ein Grunzen ertönen, dann stürzte er die Treppe hinunter.

Jetzt kann ich nach Hause gehen.

Sie drehte sich um, tastete sich langsam zur Hintertür vor und öffnete sie.

Winter.

Mit Winter hatte sie nicht gerechnet. Die Kälte raubte ihr schier den Atem.

Ihr Kopf schrie: »Lauf weg!« Aber stattdessen zwang sie sich, wieder zurück in die Küche zu gehen. An der Garderobe neben der Tür fand sie eine schwere Canvas-Jacke. Diese streifte sie sich über ihren nackten Körper, zog den Reißverschluss von den Knien hoch bis zum Hals, kramte eine Mütze aus einer der tiefen Taschen und zog diese über ihr nasses Haar.

Alles roch nach dem Mann, und plötzlich wurde sie von einer unerwarteten Welle der Reue überspült. War es richtig gewesen, ihn zu töten?

Sie schob ihre Füße in ein Paar Stiefel, die zu groß für sie waren, stopfte die Pistole in die Jackentasche und rannte los, ohne sich noch einmal umzudrehen.

Nach Hause.

Nach Hause zu einem anderen Mann - einem Mann, an dessen Namen sie sich nicht mehr erinnern konnte. Aber an sein Gesicht. Sie erinnerte sich an sein Gesicht und an seine Berührung und an sein Lächeln.

Die Häuser, an denen sie vorüberlief, waren dunkel. Und selbst die Straßenlaternen waren aus. Keine Sterne. Kein Mond. Stromausfall - ein Begriff aus ihrem alten Leben.

Um die Stiefel nicht zu verlieren, musste sie mit den Füßen über den Boden schlurfen. Sie scherte sich nicht darum, dass ihre Beine von der Kälte schon ganz taub waren. Es fühlte sich sogar irgendwie gut an.

Scheinwerfer strahlten die Schneewehen auf der Straße an, als sich ein Fahrzeug von hinten näherte. Sie zog die Jacke noch enger um sich und stapfte weiter.

Als das Fahrzeug an der Straßenkreuzung stoppte, sah sie, dass es sich um ein Taxi handelte.

Sie rannte los, holte das Auto ein, öffnete die hintere Tür und schlüpfte ins Wageninnere.

Und dann überschlugen sich ihre Gedanken. Denn es gab durchaus Dinge, die sie von ihrem alten Leben noch wusste. Sie wusste, dass sie die Polizei verständigen sollte, und überlegte, ob sie sich dem Mann hinter dem Steuer anvertrauen und ihm von ihrer Flucht erzählen sollte. Zugleich aber wehrte sie sich innerlich dagegen, mit einem anderen Menschen in Kontakt zu treten, ihm irgendetwas über sich zu erzählen. Sie wollte einfach nur nach Hause.

Der Fahrer ließ einen Würgelaut des Ekels ertönen, blickte sie über die Schulter hinweg an und sagte: »Oh,...

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Autor

Anne Fraiser ist eine New York Times und USA Today Bestsellerautorin. Sie teilt ihre Zeit zwischen der Stadt Saint Paul in Minnesota und ihrem Schreibstudio im ländlichen Wisconsin auf.