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Januskinder

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
373 Seiten
Deutsch
Gmeiner Verlagerschienen am04.02.20151. Auflage
Der Tod der neun Monate alten Jacqueline führt Maxim Charkow, den Chefermittler der Mordkommission Zürich, an seine Grenzen. Das entführte Mädchen wurde auf einer Baustelle abgelegt und verdurstete. Während Charkow im Umfeld der Familie nach einem Motiv sucht, findet man in der Altstadt ein zweites Kleinkind zwischen Müllsäcken. Die Identität dieses Kindes ist unbekannt. Als ein weiteres Kind entführt wird, stößt Charkow auf eine neue Spur, die ihn in die Abgründe der menschlichen Psyche führt ...

Marcus Richmann verfügt über georgisch-russische Wurzeln, in denen die Ursprünge zu seinem äußerst authentischen Ermittler Maxim Charkow zu finden sind. Seine Figuren sind brillant psychologisch gezeichnet, und für seine Geschichten lässt er sich von dunkeln Kapiteln der Schweizer Geschichte inspirieren. Der erste Fall für Maxim Charkow wurde bereits verfilmt. Marcus Richmann arbeitet als Autor von Romanen und Drehbüchern in Zürich.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR12,99
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E-BookPDF1 - PDF WatermarkE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextDer Tod der neun Monate alten Jacqueline führt Maxim Charkow, den Chefermittler der Mordkommission Zürich, an seine Grenzen. Das entführte Mädchen wurde auf einer Baustelle abgelegt und verdurstete. Während Charkow im Umfeld der Familie nach einem Motiv sucht, findet man in der Altstadt ein zweites Kleinkind zwischen Müllsäcken. Die Identität dieses Kindes ist unbekannt. Als ein weiteres Kind entführt wird, stößt Charkow auf eine neue Spur, die ihn in die Abgründe der menschlichen Psyche führt ...

Marcus Richmann verfügt über georgisch-russische Wurzeln, in denen die Ursprünge zu seinem äußerst authentischen Ermittler Maxim Charkow zu finden sind. Seine Figuren sind brillant psychologisch gezeichnet, und für seine Geschichten lässt er sich von dunkeln Kapiteln der Schweizer Geschichte inspirieren. Der erste Fall für Maxim Charkow wurde bereits verfilmt. Marcus Richmann arbeitet als Autor von Romanen und Drehbüchern in Zürich.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783839246405
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum04.02.2015
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.3
Seiten373 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.2430491
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1. Kapitel

Maxim Charkow hob das bis zum Rand mit Wodka gefüllte Glas. Vladimir hatte es, wie für Russen üblich, bis kurz vor dem Überlaufen eingeschenkt.

»Ich weiß zwar nicht, warum du bei uns sein willst«, stellte Charkow nachdenklich fest, »aber wir freuen uns, dass du da bist.«

Nun hoben auch Francine Boviard, die Rechtsmedizinerin, Charkows Assistentin Priska Künzler und Vladimir, der Besitzer des russischen Lokals, die Gläser, um Cla Corai zuzuprosten.

»Na sdorowje!«

Cla leerte sein Glas in einem Zug. Seine sonnengegerbte Haut und seine schwarzen Locken ließen keine Zweifel, dass er aus dem Engadin stammte.

»Was sagt Alicia dazu, dass du sie mit ihrer Tochter einfach im Stich lässt?«, wollte Priska wissen.

Cla zuckte mit den Schultern. »Alicia ist nicht in mich, sondern in ihr Hotel verliebt.«

»Aber du hast sie doch geliebt. Sogar Flurina hattest du in dein Herz geschlossen, obwohl sie nicht deine Tochter ist.«

»Im letzten Jahr hat sich viel zwischen uns verändert«, sagte er nachdenklich und schien die trüben Gedanken auch gleich wieder wegzuwischen. »Und wenn ich jetzt nicht aus dem engen Tal und aus diesem kleinen Bergdorf gehe, verlasse ich es nie mehr.«

»Was ist so schlecht daran?«, entgegnete Francine. »Hier in der Stadt herrscht Hektik und Anonymität. Die Menschen rennen ihr ganzes Leben irgendwelchen Dingen hinterher und suchen nur ihren kleinen, eigenen Vorteil.«

Cla lachte. »Meinst du, bei uns in den Bergen wäre das anders?«

»Es ist ähnlich und doch anders«, stellte Charkow fest.

»Maxim und ich sind dort oben aufgewachsen.« Cla nickte zur Bestätigung. »Wir kennen die Wahrheit.«

»Das sind doch nur Ausflüchte.« Priska blickte Cla he­rausfordernd an. »Bei euch dort oben ist die Welt noch in Ordnung.«

Charkow hörte zu, wie Priska und Francine Cla vom Gegenteil zu überzeugen versuchten. Er blickte in Clas offenes Gesicht und fragte sich, was der wahre Beweggrund für ihn gewesen war, Alicia für die Stelle als Ermittler in seinem Team zu verlassen. Cla war ein guter Polizist. Er war zielstrebig, ausdauernd und hatte ein gewisses Gespür für die Menschen. Als Cla ihn anrief und ihn bat, Nachfolger von Martin Peterson werden zu dürfen, zögerte er. Sicher, er konnte sich keinen besseren Mann in seinem Team wünschen. Auch weil er sah, dass Priska und Cla sich gut verstehen würden. Aber die Erinnerungen an seine Jugendliebe Alicia waren mit Clas Anruf plötzlich wieder da. Vor Charkows innerem Auge tauchten Bilder aus seiner Kindheit auf. Die ersten Jahre nach ihrer Flucht aus Russland hatten ihn geprägt. Er war elf Jahre alt gewesen, als sein Vater vom unüberschaubaren, chaotischen Moskau in das 200-Seelendorf Soglio kam. Sein Vater hatte einen Kontakt, der ihm half, Fuß zu fassen. Soglio lag hoch über dem engen Ber­gellertal, auf einem Felsvorsprung, gleich an der Grenze zu Italien. Die Berge, die zu beiden Seiten des Dorfs steil aufragten, schienen es ständig zu bedrohen. Dies spiegelte sich in den eng aneinander geschmiegten Steinhäusern und den Seelen der Menschen wider. Man sprach einen eigenen Dialekt, auch Italienisch, doch meistens schwieg man. Arbeitete hart in den Kastanienhainen oder dem Marmorsteinbruch unten im Tal. Jeder kannte jeden. Neid und Fürsorge lagen nah beieinander. Alicias Eltern führten den Palazzo Salis, damals das einzige Hotel im Dorf. Die Freundschaft mit ihr half ihm, sich in dieser neuen Welt zurechtzufinden. Später wurde aus der Freundschaft Liebe. Ein Jahr nach seiner Ankunft starben Anna, seine ältere Schwester, und sein Vater bei einer Bergtour. Das glaubten zumindest alle. Bis er vor zwei Jahren durch die Ermittlungen in Zusammenhang mit der Ermordung seines Freundes Gian, der ebenfalls aus Soglio stammte, herausfand, dass die kriminelle Vergangenheit seines Vaters hinter dem Unglück steckte. Cla half ihm damals, seine eigene Familiengeschichte aufzudecken. Und Alicia stand ihm wieder zur Seite. So, wie sie ihm zuvor bei der Beerdigung zur Seite gestanden hatte, als man die leeren Särge seiner Schwester und seines Vaters in die Gräber senkte und er es einfach nicht zu fassen vermochte.

Dass Cla diese Frau nun verlassen wollte, schmerzte ihn. Er hatte ihn nach dem Grund für diese Entscheidung gefragt und Cla hatte von einer Neuorientierung gesprochen. Von Erfahrungen, die er sammeln wolle, der Decke, die ihm in den engen Bergtälern auf den Kopf falle. Charkow wusste, das waren nur Vorwände. Sie vereinbarten, ihre Zusammenarbeit als eine Art Probezeit zu betrachten. Charkow glaubte nicht, dass Cla tatsächlich bewusst war, was er sich vorgenommen hatte. Aber er wollte ihm nicht im Weg stehen. Und mit welchem Recht hätte er sich in die Beziehung zwischen Alicia und ihm einmischen dürfen? Jetzt war Cla hier. Charkow musste zugeben, dass er sich über seine Anwesenheit freute.

»Du bist ein sturer Bergler«, rief Francine lachend und Cla erwiderte, sie sei die attraktivste Leichenfledderin, die er kenne.

Der Wodka tat seine Wirkung. Endlich kam das Essen. Vladimir servierte diverse Vorspeisen. Allesamt Gerichte aus Georgien. Badridschani, gefüllte Auberginen mit Walnusspaste, Basturma, luftgetrocknetes Rindfleisch und natürlich ein großer Teller mit Chatschapuri, das gebackene Käsebrot, welches nie fehlen durfte.

Obwohl Charkow Russe war, hing sein Herz an Georgien. Seine Großeltern stammten von dort. Die schönsten Erinnerungen seiner Kindheit verknüpfte er bis heute mit den Ferien, die er bei ihnen in Tiflis verbracht hatte. Beim Anblick der Speisen verspürte er plötzlich den Wunsch, wieder einmal in diese Stadt zu reisen, alte Freunde zu treffen und gemeinsam mit ihnen für ein paar Tage an den Strand von Batumi ans Schwarze Meer zu fahren, um einfach nur das Essen und die Sonne zu genießen. Als Russe war man in Georgien nicht gerne gesehen. Zu viel Leid hatte sein Volk diesem Land zugefügt. Ironischerweise zeichnete sich ausgerechnet der Georgier Josef Stalin dafür verantwortlich, der Tausende Georgier verfolgte und hinrichten ließ, um sich an ihnen zu rächen, weil er als Anführer einer Arbeiterdemonstration in Batumi und später wegen eines Bankraubs in Tiflis verbannt worden war. Georgien wies eine unglaubliche Vielfalt von Kulturen und Landschaften auf. Bergpässe, die auf über 3.000 Meter über dem Meeresspiegel führten, Wüsten, fruchtbare Flussebenen, tropische Küstenlandschaften. Er nahm sich ein paar Badridschani, schmeckte den leicht bitteren Geschmack der Aubergine und der Walnussfüllung, welcher von süßen Granatapfelkernen gemildert wurde. Dabei vergaß er für einen Augenblick, dass er in der Schweiz war. Als Vladimir einen leichten georgischen Rotwein einschenkte, erinnerte sich Charkow wieder an seine letzte Reise nach Tiflis. Es war das erste Mal in seinem Leben gewesen, dass ihm an der Passkontrolle ein Zollbeamter eine kleine Flasche Rotwein als Willkommensgeschenk überreicht hatte. Wahre Gastfreundschaft.

Erst hörte er es nicht. Er wollte es nicht hören. Aber nach dem vierten Klingeln war klar, dass es die Zentrale war, die ihn anrief. Nicht jetzt, dachte er. Er nahm ab und was er zu hören bekam, verdarb ihm die Freude und den Appetit. »Ich bin gleich da«, antwortete er knapp und legte auf.

Francine, Priska und Cla blickten ihn fragend an.

»Ihr bleibt hier. Ich rufe euch, wenn ich euch brauche.«

»Was ist denn los?«, hakte Priska nach.

»Irgendetwas mit einem Obdachlosen und einem toten Baby. Lasst mich das machen und genießt das Essen für mich mit.«

*

Joseph Schulers Augen waren die traurigsten, die Charkow je in seinem Leben gesehen hatte. Der Mann wirkte älter, als er in Wirklichkeit war. Mit viel Mühe hatte er versucht, seine schäbigen Kleider in Form zu halten. Sein Auftreten war nicht das eines Obdachlosen gewesen, der sich völlig aufgegeben hatte. Diejenigen, welche in Selbstmitleid und Vorwürfen versunken waren, kannte Charkow zur Genüge. Er sah, dass die Armut in den letzten Jahren hartnäckig Schulers Würde bekämpft hatte und dass dieser Mann sich bis jetzt erfolgreich dagegen zur Wehr setzen konnte. Die beiden Polizisten und die Notärztin standen ratlos an seiner Seite, als Charkow bei der Apotheke am Bahnhofsplatz eintraf, an dem die Bahnhofstraße begann. Der Apotheker kam gleich auf ihn zu und bat, die Situation schnell zu klären. Damit meinte er, dass man Joseph Schuler schnell von seiner Treppe entfernen solle, da dieser so gar nicht ins Bild seiner klinisch beleuchteten Apotheke gegenüber der teuersten Einkaufsstraße des Landes passte. Charkow erwiderte barsch, er solle sich um seine Kundschaft kümmern und ihn seinen Job machen lassen, und setzte sich neben Joseph Schuler.

Charkow betrachtete das Bündel in den Armen des Mannes, welches er anscheinend weder seinen Kollegen noch der Notärztin, die immer noch auf ihn einredete, geben wollte.

Er gab ihnen ein Zeichen, dass sie einige Schritte zurücktreten sollten, sodass er allein mit Joseph Schuler sein konnte. Er war sicher, nur mit Ruhe zu ihm durchzudringen. »Mein Name ist Charkow. Ich bin Polizist und man hat mich gerufen, weil Sie ein Baby gerettet haben.«

Joseph Schuler warf ihm einen erstaunten Blick zu. Er nickte. Plötzlich sprach die Empörung aus seinen Augen. »Das habe ich denen immer wieder gesagt. Ich habe es nicht getötet, sondern wollte es retten!«

»Und man hat Ihnen nicht geglaubt?«

»Ich hatte selbst einmal Kinder. Ich weiß, wie man mit ihnen umgehen muss.« Schuler nickte langsam.

»Wo sind Ihre Kinder jetzt?«, sprach Charkow weiter....

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Autor

Marcus Richmann verfügt über georgisch-russische Wurzeln, in denen die Ursprünge zu seinem äußerst authentischen Ermittler Maxim Charkow zu finden sind. Seine Figuren sind brillant psychologisch gezeichnet, und für seine Geschichten lässt er sich von dunkeln Kapiteln der Schweizer Geschichte inspirieren. Der erste Fall für Maxim Charkow wurde bereits verfilmt. Marcus Richmann arbeitet als Autor von Romanen und Drehbüchern in Zürich.