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Abschiedstour

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
406 Seiten
Deutsch
Gmeiner Verlagerschienen am01.07.20152015
Prominenz am Neckar: US-Präsident Obama besucht Heidelberg. Entsprechend groß sind die Sicherheitsvorkehrungen. Da wird der Mord an einem Privatmann fast zur Nebensache - aber eben nur fast. Denn Harald C. Schmider, das Opfer, hatte ein Verhältnis mit Christine, der Ex von Privatermittler Max Koller. Und nun steht Koller selbst unter Mordverdacht. Eine abenteuerliche Flucht durch die Rhein-Neckar-Region beginnt, die schließlich auch Max Koller vor die existenzielle Frage stellt: Hat er Schmider getötet?

Seit 1990 lebt der gebürtige Saarländer Marcus Imbsweiler in Heidelberg. Der Germanist und Musikwissenschaftler arbeitete zunächst als freier Musikredakteur für Rundfunksender und große Sinfonieorchester. 2007 veröffentlichte er »Bergfriedhof«, den ersten Roman mit dem Heidelberger Privatermittler Max Koller als Hauptfigur. Es folgten weitere Kriminalromane und -erzählungen; »Abschiedstour« ist der achte und letzte Band der Koller-Reihe. Ein weiterer Schwerpunkt Imbsweilers gilt dem Thema klassische Musik; hier legte er verschiedene Erzählungen sowie im Gmeiner-Verlag den Liszt-Roman »Die Erstürmung des Himmels« vor. Imbsweiler, Vater von fünf Töchtern, ist begeisterter Läufer, dem unterwegs die besten Ideen kommen.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR13,99
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E-BookPDF1 - PDF WatermarkE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextProminenz am Neckar: US-Präsident Obama besucht Heidelberg. Entsprechend groß sind die Sicherheitsvorkehrungen. Da wird der Mord an einem Privatmann fast zur Nebensache - aber eben nur fast. Denn Harald C. Schmider, das Opfer, hatte ein Verhältnis mit Christine, der Ex von Privatermittler Max Koller. Und nun steht Koller selbst unter Mordverdacht. Eine abenteuerliche Flucht durch die Rhein-Neckar-Region beginnt, die schließlich auch Max Koller vor die existenzielle Frage stellt: Hat er Schmider getötet?

Seit 1990 lebt der gebürtige Saarländer Marcus Imbsweiler in Heidelberg. Der Germanist und Musikwissenschaftler arbeitete zunächst als freier Musikredakteur für Rundfunksender und große Sinfonieorchester. 2007 veröffentlichte er »Bergfriedhof«, den ersten Roman mit dem Heidelberger Privatermittler Max Koller als Hauptfigur. Es folgten weitere Kriminalromane und -erzählungen; »Abschiedstour« ist der achte und letzte Band der Koller-Reihe. Ein weiterer Schwerpunkt Imbsweilers gilt dem Thema klassische Musik; hier legte er verschiedene Erzählungen sowie im Gmeiner-Verlag den Liszt-Roman »Die Erstürmung des Himmels« vor. Imbsweiler, Vater von fünf Töchtern, ist begeisterter Läufer, dem unterwegs die besten Ideen kommen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783839247402
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum01.07.2015
Auflage2015
Reihen-Nr.8
Seiten406 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.2430772
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Kapitel 1

»Maria!«, brüllte Tischfußball-Kurt durch die Kneipe und reckte den Hals. »Maria, verdammt noch mal!«

Na, da schauten wir aber. Schauten, starrten ihn an, warfen die Stirn in Falten. Sogar seine beiden Dackel, die in einer Ecke dösten, riskierten einen Blick. Hatte der Kerl tatsächlich nach Maria gerufen? Heute?

Jetzt fiel es ihm auch auf. Er wurde rot. Dampfend rot gewissermaßen. Kurt kann nicht erröten wie ein normaler Mensch. Nicht allmählich, meine ich. Wenn, dann immer gleich Vulkan. Immer knapp vor der Eruption. Seine Augen traten hervor, während er sich schämte. Er versuchte es mit einem Ablenkungsmanöver und hob sein Orangensaftglas zum Mund, aber das war leer. Genau deshalb hatte er ja nach Maria gerufen. Auch wenn Maria an diesem Abend fehlte.

»Kann doch passieren«, zischte er und fuchtelte mit dem leeren Glas herum. »Gewohnheit! Ist euch auch schon passiert, oder?«

»Nö«, sagte der schöne Herbert, während wir anderen mit den Achseln zuckten.

Kurt warf ihm einen vernichtenden Blick zu.

Maria war nicht da, weil sie krank war. Nicht irgendwie krank, sondern richtig. Es geht zu Ende, hatte jemand behauptet. Und wenn nicht mit ihr, dann mit ihrer Kneipe, dem Englischen Jäger . Der Mietvertrag lief aus, deshalb war Maria jetzt krank. Oder umgekehrt. In den letzten Jahren hatte die Kneipe immer mal wieder vor dem Aus gestanden, aus den verschiedensten Gründen, und jetzt war es so weit. Totgesagte leben länger? Vielleicht. Endlos leben sie deswegen noch lange nicht.

»Ich besorge Nachschub«, erbot ich mich. »Ein Orangensaft und wie viel Bier?«

Ungefähr ein Dutzend Finger reckten sich. Ich kniff die Augen zusammen und versuchte zu zählen, aber zählen war nicht. Zählen wird eh überschätzt. Bis du da durch bist, haben die, die sich jetzt nicht melden, längst wieder Durst. Bring mir gleich zwei mit, Max. Und eins für den Weg. Der schöne Herbert meldete sich überhaupt nicht, er besaß nämlich nur eine Hand, und die klammerte sich am Bier fest. Dafür wackelte er mit einem Ohr. Außerdem sah ich manche Finger doppelt. Also kämpfte ich mich zur Theke durch und orderte eine ganze Kiste. Plus einmal O-Saft.

»Echt?«, fragte der Junge, der bediente. Er schwitzte über das ganze Gesicht.

»Wie, echt? Was soll der Scheiß?«

Wortlos verschwand er in der Küche. Als er wieder auftauchte, schwitzte er noch mehr. Er wuchtete die Kiste auf die Theke und drückte mir eine Bierflasche in die Hand.

»Schreib s auf«, sagte ich und wollte los. Aber dann hielt ich inne. Irgendetwas stimmte nicht. Wieso hatte der Typ mir eine Flasche Bier â¦? Ich schaute die Kiste genauer an.

»Idiot! Was soll ich mit einer ganzen Kiste O-Saft? Willst du uns vergiften? Eine Flasche, Mann! Und eine Kiste Bier, nicht umgekehrt.«

Unter dem Gelächter und den Kommentaren der Umstehenden tauschte der Jüngling die Getränke aus.

Ist doch wahr. Eine Kiste Orangensaft, und das zum Abschied vom Englischen Jäger ! Sakrileg.

Vor ein paar Wochen hatte ein Zettel an der Eingangstür geklebt. Zum Soundsovielten schließe der Englische Jäger endgültig und unwiderruflich. Maria selbst hatte unterschrieben, andernfalls hätten wir an einen Scherz geglaubt. An einen verdammt schlechten Scherz. Wie unsere Stimmung war, kann man sich denken. Ich meine, es hatte sich angedeutet. Schon seit Jahren. Maria wurde nicht jünger, irgendwann ließ sie sich vertreten, dann kam ihre Krankheit. Trotzdem. Zu fünft oder sechst hingen wir um den Tisch rum und schwiegen uns an. Immer, wenn ich etwas sagen wollte, spürte ich, dass ich nur zu Plattitüden fähig war. Tischfußball-Kurt starrte mit roten Augen gegen die Decke. Einer hustete wie Kafka in seiner übelsten Zeit. Leander, unser Wald- und Wiesen-Philosoph, hielt den bärtigen Schädel gesenkt. Auf der Tischdecke vor ihm breitete sich ein kleiner runder Fleck aus. Später noch einer. Und noch einer.

»Das ist ja verheerender als damals«, murmelte Herbert mit kurzem Seitenblick auf den leeren Ärmel seines Sakkos.

Von der einen knappen Ankündigung abgesehen, machte Maria um das Ende ihrer Kneipe kein Aufhebens. Sie hatte wohl andere Sorgen. Ein paar Tage später jedoch hingen überall Zettel in der Stadt, die zum Abschiedsabend des Englischen Jägers luden. Mit der Folge, dass der Gastraum jetzt brechend voll war. Voll mit Leuten, die noch einmal billiges Bier trinken, die noch einmal an die guten alten Zeiten erinnert werden wollten. Stühle und Tische gab es nicht; in weiser Voraussicht war alles vorher weggeräumt worden. Trotzdem standen die Gäste dicht an dicht. Es war laut, es war drückend, Trotz und Ausdünstungen lagen in der Luft, und von den Einnahmen allein dieses Tages ließ sich Marias Ruhestand hoffentlich etwas erträglicher gestalten.

»Prost«, sagte einer und hob seine Flasche. Wir knallten unsere dagegen, riefen ebenfalls Prost und legten den Kopf in den Nacken. Viel mehr passierte nicht. Wenn wir uns nicht zuprosteten, schwiegen wir oder sagten einen Satz, der im Großen und Ganzen dasselbe ausdrückte. Ein Prost mit Subjekt, Objekt und Prädikat gewissermaßen. Die reinste Beerdigungsstimmung.

Und was tut man, wenn man sich auf einer Beerdigung langweilt? Man lästert über die anderen Gäste. Anschauungsmaterial gab es reichlich. Es war ein Kommen und Gehen im Englischen Jäger , man sah Leute, die noch nie oder seit Dekaden nicht mehr hier gewesen waren, die von der Kneipe bloß gehört hatten und sie wenigstens einmal live erleben wollten, bevor sie für immer schloss. Nostalgiker. Neugierige, Eventsüchtige. Leichenfledderer!

»Jetzt kommen sie und halten Maulaffen feil«, brummte Herbert mit aller Verachtung, zu der er fähig war. »Jetzt, wo alles zu spät ist.«

Leander, der heute aussah wie Harry Rowohlt in seinen bärtigsten Zeiten, nickte versonnen.

Auch der Nächste, der zur Tür hereinwalzte, hatte den Englischen Jäger seit Jahren gemieden. Und wohl schien er sich immer noch nicht zu fühlen. Tischfußball-Kurt saß bereits in den Startlöchern, um über den neuen Gast herzuziehen. Aber da war ich vor.

»Fatty!«, brüllte ich und verschluckte mich fast am Bier. »Ich fasse es nicht. Friedhelm Sawatzki! Wirklich, das haut mich um.«

Das war natürlich Quatsch; eher haute und rempelte ich alle anderen um, die mir im Weg standen. Fatty schaute denn auch skeptisch, als ich auf ihn zustürmte wie Moses durch das Rote Meer, und noch viel skeptischer schaute er, als ich ihm um den Hals fiel.

»Ganz schön hacke, unser Ermittler, was?«

»Mensch, Fatty, das ist echt ein feiner Zug von dir, heute zu kommen. Daran erkennt man den wahren Freund.«

»Schon gut.«

Vor ewigen Zeiten, in unseren Heidelberger Anfangsjahren, war Fatty ab und zu mit mir im Englischen Jäger gewesen. Am Puls des Proletariats, wie er sagte. Um die antikapitalistische Theorie an der trinkfreudigen Praxis zu erproben. Aber irgendwie hatte seine Theorie nicht zur Praxis der Kneipe gepasst, nicht zu unserem sinnfreien Gelaber, zu Herberts Weltschmerz und zu Kurts Cholerik. Die übliche Zersplitterung der Linken, man kennt das. Außerdem erzählen sie im Englischen Jäger gern Witze über Dicke. Irgendwann also war Fatty meiner Lieblingskneipe fern geblieben, um stattdessen in überteuerten Altstadtlokalen bürgerlich-gepflegt sein Weizenbier zu schlürfen. Bis heute.

»Echt, Fatty, ich könnte heulen vor Rührung!«

Entsetzt sah er mich an. »Wenn du das tust, bin ich sofort wieder draußen.«

»Na komm, nimm dir erst mal was zu trinken, dann sehen wir weiter. Es gibt sogar Weizenbier!«

»Muss das sein?«, knurrte Tischfußball-Kurt, als ich mit meinem dicken Freund in die Runde zurückkehrte. »Da kriegt man doch Platzangst, wenn so einer reinkommt.«

Viel Bewegungsfreiheit blieb nicht, da hatte er recht. Was aber keinesfalls an Fatty allein lag. Und plötzlich wurde es noch enger. Ich hatte Fatty gerade eine Flasche Weizenbier in die Hand gedrückt (»Kein Glas?« - »Quatsch nicht, trink!«), als Gedränge am Eingang entstand. Einen richtigen Aufruhr gab das. Wir spürten es als Druckwelle, die durch die Menschenmasse hindurch bis zu uns schwappte und uns zusammenpresste. Ich steckte zwischen Fatty und Herbert fest, an meinen Beinen drängten sich Kurts Dackel.

»Finger weg, du Schwuchtel!«, brüllte Kurt, ohne dass ersichtlich war, wen er meinte.

»Nicht so drücken!«, schrien einige. »Raus mit denen!«

»Ist das hier immer so?«, ächzte Fatty.

»Verpisst euch!«

Und dann sah ich rosa. Rosa im Englischen Jäger ? Das geht gar nicht, hätte unsere Kanzlerin gesagt, und in diesem Fall gab ich ihr Recht. Nichts gegen ein rosa T-Shirt, jeder leistet sich mal einen Fehlgriff - aber gleich fünf, sechs, sieben von der Sorte? Dazu geknotete Luftballons als Kopfbedeckung und um den Hals eine Fliege in XXL. So enterten die Jungs das Gasthaus, mit einer heiteren Unverfrorenheit, wie man sie sonst nur von Fußballfans kannte. Dass sie besoffen waren - geschenkt. Dass sie sich zum Affen machten in ihrem infantilen Outfit - ebenfalls geschenkt. Aber dass sie unsere heilige Zeremonie störten, den Abschied vom Englischen Jäger , das war unverzeihlich. Als Polonaise in Pink quetschten sie sich durch die Menge, grüßten, sangen, pfiffen. Und filmten, klar. Abwechselnd hielten sie ihre Smartphones hoch in die dunstige Kneipenluft. Es gab wütenden Protest, doch das störte unsere Helden...

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Seit 1990 lebt der gebürtige Saarländer Marcus Imbsweiler in Heidelberg. Der Germanist und Musikwissenschaftler arbeitete zunächst als freier Musikredakteur für Rundfunksender und große Sinfonieorchester. 2007 veröffentlichte er »Bergfriedhof«, den ersten Roman mit dem Heidelberger Privatermittler Max Koller als Hauptfigur. Es folgten weitere Kriminalromane und -erzählungen; »Abschiedstour« ist der achte und letzte Band der Koller-Reihe. Ein weiterer Schwerpunkt Imbsweilers gilt dem Thema klassische Musik; hier legte er verschiedene Erzählungen sowie im Gmeiner-Verlag den Liszt-Roman »Die Erstürmung des Himmels« vor. Imbsweiler, Vater von fünf Töchtern, ist begeisterter Läufer, dem unterwegs die besten Ideen kommen.