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Heidelbergblues

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
345 Seiten
Deutsch
Gmeiner Verlagerschienen am14.09.2022
Krise? Welche Krise? Als Fahrradkurier hat Ex-Privatdetektiv Max Koller genug zu tun. Und wird dann doch rückfällig: Als ein Bekannter, der Schriftsteller Robert Usedom, erschossen aufgefunden wird, nutzt Koller die Vermisstenanzeige einer Lokalpolitikerin für eigene Ermittlungen. Er kommt einem Umweltskandal auf die Spur, jagt einen selbsternannten Rächer und lernt zutiefst verunsicherte Mitmenschen kennen. Die Krise ist überwunden, aber der Blues bleibt.

Marcus Imbsweiler, aufgewachsen im Saarland, arbeitet als freier Musikredakteur für Orchester, Festivals und Rundfunksender deutschlandweit. Seit 2005 ist er außerdem als Schriftsteller tätig. Seine Krimireihe um den Heidelberger Privatermittler Max Koller zählt bislang acht Bände. Im Gmeiner-Verlag erschienen zudem der Liszt-Roman 'Die Erstürmung des Himmels', der fantastische Krimi 'Himmelreich und Höllental' (als Peter Paradeiser), die Kurzstücke 'Luna Tours' sowie der Osterkrimi 'Ei mit Schuss'. Imbsweiler schreibt Romane, Erzählungen und Theaterstücke und gibt regelmäßig Einführungen in klassische Konzerte. Mehr Informationen zum Autor unter: www.marcus-imbsweiler.de
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR10,99
E-BookPDF1 - PDF WatermarkE-Book
EUR10,99

Produkt

KlappentextKrise? Welche Krise? Als Fahrradkurier hat Ex-Privatdetektiv Max Koller genug zu tun. Und wird dann doch rückfällig: Als ein Bekannter, der Schriftsteller Robert Usedom, erschossen aufgefunden wird, nutzt Koller die Vermisstenanzeige einer Lokalpolitikerin für eigene Ermittlungen. Er kommt einem Umweltskandal auf die Spur, jagt einen selbsternannten Rächer und lernt zutiefst verunsicherte Mitmenschen kennen. Die Krise ist überwunden, aber der Blues bleibt.

Marcus Imbsweiler, aufgewachsen im Saarland, arbeitet als freier Musikredakteur für Orchester, Festivals und Rundfunksender deutschlandweit. Seit 2005 ist er außerdem als Schriftsteller tätig. Seine Krimireihe um den Heidelberger Privatermittler Max Koller zählt bislang acht Bände. Im Gmeiner-Verlag erschienen zudem der Liszt-Roman 'Die Erstürmung des Himmels', der fantastische Krimi 'Himmelreich und Höllental' (als Peter Paradeiser), die Kurzstücke 'Luna Tours' sowie der Osterkrimi 'Ei mit Schuss'. Imbsweiler schreibt Romane, Erzählungen und Theaterstücke und gibt regelmäßig Einführungen in klassische Konzerte. Mehr Informationen zum Autor unter: www.marcus-imbsweiler.de
Details
Weitere ISBN/GTIN9783839272688
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum14.09.2022
Reihen-Nr.10
Seiten345 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.9224285
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


1

Nee jetzt.

Da brach doch genau in der Sekunde, als ich den rostigen Schlüssel ins Schloss der Schuppentür steckte, die Sonne durch das Wolkengrau über uns. Einer ihrer Strahlen verfing sich im Schlüsselloch und brachte es zum Leuchten. Wenn das mal kein Zeichen war! Ein Moment der Magie, kitschig schön, wie in einem Fantasyfilm. Verweile doch, rief es von allen Seiten â¦ Tja. Kaum drehte ich den Schlüssel, war es vorbei mit der Magie. Das Schloss klemmte, beim Aufstoßen schleifte die Tür über den Boden und produzierte eine Serie hässlicher Geräusche. Ein Schaben, ein Knarren, dann ein Quietschen, das immer schriller wurde, um auf dem Höhepunkt abrupt abzubrechen. Gewissermaßen mit Ausrufezeichen. Könnten Türen sprechen, wäre das ein Nein gewesen.

»Doch«, sagte ich und betrat den Schuppen.

Abgestandene, muffige Luft schlug mir entgegen. Ich schloss die Augen und füllte die Lungen bis zum letzten Winkel. Wonach roch es? Nach etwas ganz Speziellem: Abwesenheit. Der Abwesenheit von Menschen. Hier hatte es einmal Ausdünstungen gegeben, Schweiß, Nähe, Reibungen, den kompletten olfaktorischen Kladderadatsch. Jetzt: ein stummer Schrei nach Leben, das Flehen um Gesellschaft. Mit einem Wort: Es roch trostlos. Wann hatte ich die Bude zum letzten Mal betreten? Ewig her.

»Lüften«, murmelte ich. »Dringend.«

Ich knipste das Licht an; immerhin, es funktionierte. Leider sah man nun den Staub, der sich im Raum breitgemacht hatte. Er lag auf dem Schreibtisch, dem Computer, dem Regal, den Stühlen, einfach überall. Wie Schnee, nur in Grau. Ich ging zum Fenster hinüber und zog es unter einiger Gewaltanwendung auf. Auf den Scheiben hatte sich so viel Dreck angesammelt, dass sie fast blind waren. Blind klagten sie mich an: Der Gartenschlauch, Alter, gib ihn uns!

»Nur die Ruhe«, sagte ich. »Später.«

Erst mal hinsetzen. In der Ecke stand ein freier Stuhl, dem ein Bein fehlte; stattdessen blitzte eine Metallfeder aus der Polsterung. Eher was für Delinquenten als für Gäste. Die einzige stabile Sitzgelegenheit war von einem großen gerahmten Schild belegt, auf dem »Museum für angewandte Kriminalistik« stand. In Schönschrift. Ich pustete einmal von links nach rechts, um die Buchstaben freizulegen, dann hob ich es vom Stuhl und lehnte es gegen die Wand. In einer Hosentasche fand ich ein kaum benutztes Papiertaschentuch, mit dem ich den Stuhl gründlich sauber wischte. Wie das Tuch anschließend aussah, behalte ich für mich.

»Geht doch«, nickte ich.

Ich quetschte mich um den Schreibtisch herum und nahm auf einer leeren Getränkekiste Platz. Genauer gesagt: auf dem Polster, das auf der Kiste lag. Noch genauer: auf dem Polster, nachdem ich es einmal umgedreht hatte. Mit einem Unterarm wischte ich über die Tischplatte, blies kräftig gegen den Computerbildschirm und beobachtete, wie der Staub durch den Raum tanzte. Die einzelnen Staubkörnchen glänzten im Licht der Deckenlampe, es sah eigentlich ganz hübsch aus. Fast so magisch wie vorhin bei dem Türschloss. Nicht zu vergessen die Gestalt, die hinter dem Glitzern auftauchte, eine Gestalt wie von einem Heiligenschein gerahmt.

»So, Frau Berendsen«, sagte ich. »Dann wollen wir mal.«

Der Glanz zerstob, mein Gast setzte sich. Ein wenig widerstrebend zwar, wie mir schien, aber er tat es. Beziehungsweise sie. Es handelte sich nämlich um einen weiblichen Gast, und seinen Namen hatte er - also sie - mir bereits am Telefon genannt: Amelie Berendsen. Meine erste Reaktion auf den Anruf war die übliche gewesen: abwimmeln. So, wie ich in den letzten Jahren alle abgewimmelt hatte. Aber dann â¦ sagen wir so: Ich hatte mich umentschieden. Ganz spontan. Und schon hatten wir sie wieder, diese archetypische Kon­stellation, die am Beginn großer Abenteuer und verzwickter Fälle steht. Eine Auftraggeberin, ein Ermittler, ein Problem.

Auch wenn ich schon lange kein Ermittler mehr war.

Der Gast namens Amelie Berendsen schlug die Beine übereinander und blickte sich um. »Das hier«, begann sie zögernd, »das ist Ihr â¦?

Ich folgte ihrem Blick. Oben in der Ecke hingen ein paar Spinnweben durch. Riesenspinnweben. »Ja«, nickte ich. »Mein Büro.«

»Ein Museum?«

Ich zeichnete einen Kreis in den Staub. »Nachdem ich mich als Ermittler zur Ruhe gesetzt hatte, kam ich auf die clevere Idee, mein Büro für die Allgemeinheit zu öffnen, damit die Leute, die von meinen Fällen gelesen haben â¦« Ich winkte ab. »Egal.«

»Keine clevere Idee?«

»Anfangs kamen ein paar Besucher. Aus Mitleid wahrscheinlich. An Halloween rückte mal Polizeinachwuchs an, eine komplette Staffel. Die hatten ihren Spaß, das versichere ich Ihnen. Und in den vergangenen Jahren â¦« Ich wischte den Kreis weg. Es gibt Sätze, die braucht man nicht zu beenden.

»Verstehe«, sagte die Berendsen. »Durfte ja eh keiner mehr kommen.«

Wir seufzten beide ein bisschen, wie man es tut, wenn man gerade einen verdammt anstrengenden Marathon hinter sich gebracht hat. Marathon ist vielleicht das falsche Wort für die hinter uns liegende Zeit, aber auch nicht schlechter als Krise oder Plage oder Seuche und wie diese alttestamentarischen Begriffe alle lauten. Mein Entschluss, nicht mehr als Privatflic zu arbeiten, war lange vorher gefallen, und was bringt mir ein geöffnetes Museum, wenn es nur von angeschickerten Polizeianwärtern besucht wird? Du musst nach vorne schauen, immer nach vorne.

»Angewandte Kriminalistik«, hörte ich meinen Gast sagen. »Klingt, als müsste man dafür studiert haben.«

Apropos nach vorne schauen. Als ich das tat, mit einem Ruck sozusagen, sah ich Amelie Berendsen zum ersten Mal lächeln. Na also! Da hatte der Name meines Museums seinen Zweck doch schon erfüllt. Angewandte Kriminalistik - klang nach Frankfurter Schule, war aber nur Heidelberger Hinterhof. Dafür zauberte es den Leuten ein kurzes Lächeln ins Gesicht, und ich nahm das zum Anlass, meine Besucherin nach all dem Staubwischen und Stühlesuchen eingehend zu mustern. Ebenfalls zum ersten Mal. Es gibt ja Leute, die müssen bloß einen Raum betreten und ziehen sofort alle Aufmerksamkeit auf sich, da kümmerst du dich hinterher darum, wo sie sitzen sollen. Und dann gibt es Leute, die nimmst du erst wahr, wenn alles andere erledigt ist. Amelie Berendsen gehörte eindeutig zur letzten Sorte. Mittelgroß, schlank, flaches Gesicht mit breiten Wangenknochen. Die Haare hellbraun und schulterlang. Sie saß mit übereinandergeschlagenen Beinen da und starrte mich aus großen grünen Augen an. Erst dachte ich, sie sei über irgendetwas verwundert - Grund genug gab es ja -, bis mir irgendwann klar wurde, dass sie immer so schaute. Aufmerksam, zugewandt, eine Spur bestürzt. Sogar wenn sie lächelte. Das Ungewöhnlichste aber war ihre flache, fast konturenlose Oberlippe. Wo andere Leute eine Kerbe haben oder wenigstens eine Senke, damit die Lippenhälften rechts und links Schwung nehmen können, war bei ihr nichts. Nur ein blassroter waagerechter Streifen.

Das irritierte mich. Und ich konnte nicht einmal sagen, weshalb es mich irritierte. Eine doppelte Irritation gewissermaßen, zu der prompt eine dritte kam, als mir ein Wort durch den Kopf schoss: Buch. Amelie Berendsen war wie ein aufgeschlagenes Buch mit leeren Seiten, die jeder auf seine Weise füllen konnte.

»Studieren?«, sagte ich und kratzte mich am Kopf. »Nö, geht auch ohne.«

»Arbeiten Sie denn jetzt wieder? Als Ermittler, meine ich.«

Ich rutschte auf meiner Getränkekiste hin und her. Was sollte ich darauf antworten? Wusste es ja selbst nicht. Manche Fragen hält man für erledigt, abgehakt, für längst beantwortet, und dann kommt der Tag, an dem man merkt, dass sie immer noch da sind, rau und schorfig wie ein Ausschlag, der einfach nicht weggeht.

»Es hieß, Sie würden keine Fälle mehr übernehmen«, fuhr sie fort. »Ich habe es dann trotzdem bei Ihnen probiert, obwohl ich mit einer Absage rechnete. Und jetzt â¦«

»Jetzt wische ich sogar den Staub von dem Museumsschild«, beendete ich den Satz. Ich ließ meinen Blick durch das Büro schweifen, über den Trenchcoat, den ich nie getragen, aber gut sichtbar aufgehängt hatte, über die Zeitungsberichte, die Todesanzeigen, die leeren Whiskyflaschen auf dem obersten Regalbrett. Eine Zeitkapsel, dieses Büro. Die Exzentrale eines Exermittlers. »Ich schlage vor, Frau Berendsen, Sie erzählen mir von Ihrem Problem, anschließend entscheide ich. Wer zehnmal Nein sagt, kann beim elften Mal trotzdem Ja sagen.«

Das Lächeln kehrte zurück. »Wie schön«, sagte mein Gast. »Elf ist meine Glückszahl.«

»Meine auch«, hörte ich mich murmeln. Es war ein Reflex: auf eine Lüge mit einer Gegenlüge zu antworten. Ist doch wahr, wer hatte schon die Elf als Glückszahl? Irgendwo in Fernost vielleicht, aber nicht hier! Warum wollte sie mich so billig auf ihre Seite ziehen? Egal; um meine doofe Reaktion vergessen zu machen, redete ich rasch weiter. »Wenn ich Sie am Telefon richtig verstanden habe, Frau Berendsen, ist Ihre Hausangestellte verschwunden.«

Sie wurde wieder ernst. Die Augen, hell und groß. »Angestellte â¦ nein. Makeda war eher eine Art Mitbewohnerin. Ein Familienmitglied. Sie hat bei uns gewohnt, und dabei hat sie natürlich auch im Haushalt mitgeholfen, so wie wir alle.«

»Makeda?«

»Eine junge Frau aus Eritrea, die in Deutschland Asyl beantragt hat. Wir haben sie vor einem Jahr bei uns aufgenommen.«

»Und jetzt ist sie verschwunden? Seit wann?«

Berendsen hob die Schultern. »Schwer zu sagen. Seit Beginn der Woche etwa. So lange haben wir sie...

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Autor

Marcus Imbsweiler, aufgewachsen im Saarland, arbeitet als freier Musikredakteur für Orchester, Festivals und Rundfunksender deutschlandweit. Seit 2005 ist er außerdem als Schriftsteller tätig. Seine Krimireihe um den Heidelberger Privatermittler Max Koller zählt bislang acht Bände. Im Gmeiner-Verlag erschienen zudem der Liszt-Roman "Die Erstürmung des Himmels", der fantastische Krimi "Himmelreich und Höllental" (als Peter Paradeiser), die Kurzstücke "Luna Tours" sowie der Osterkrimi "Ei mit Schuss". Imbsweiler schreibt Romane, Erzählungen und Theaterstücke und gibt regelmäßig Einführungen in klassische Konzerte.
Mehr Informationen zum Autor unter: www.marcus-imbsweiler.de