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Spreeleichen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
281 Seiten
Deutsch
Gmeiner Verlagerschienen am03.02.20161. Auflage
Berlin 1928, Kriminalkommissaranwärter Erich Maleks erster Fall erweist sich als schwieriger als gedacht. Ein Zuhälter wurde mit einem Messer attackiert und anschließend in der Spree versenkt. Was zuerst nach einem Streit unter Ganoven aussieht, entwickelt sich schnell zu einem Serienmord, als kurz darauf ein weiterer toter Zuhälter aus dem Fluss gezogen wird. Die Presse schreibt bereits vom »Berliner Nuttenrächer«. Für Malek wird die Zeit knapp, wenn er nicht will, dass sein erster Fall sein letzter sein soll.

Renegald Gruwe, 1956 in Berlin geboren und von Beruf Musiker, arbeitet als Schlagzeuger in diversen Musikgruppen sowie als Techniker und Produzent für mehrere Tonstudios, wo er sich u. a. mit dem Aufnehmen und Produzieren von Werbespots und Hörspielen befasst. Seit einigen Jahren konzentriert sich seine künstlerische Tätigkeit auf das Schreiben von Liedtexten und Kurzgeschichten, die er auf Tonträgern und in Literaturzeitschriften veröffentlicht. Mit »Deckfarbe« gab er sein literarisches Romandebüt, inspiriert nicht zuletzt durch seine Liebe zur gestaltenden Kunst, die er selbst in surrealistischen Federzeichnungen auslebt.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR11,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99
E-BookPDF1 - PDF WatermarkE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextBerlin 1928, Kriminalkommissaranwärter Erich Maleks erster Fall erweist sich als schwieriger als gedacht. Ein Zuhälter wurde mit einem Messer attackiert und anschließend in der Spree versenkt. Was zuerst nach einem Streit unter Ganoven aussieht, entwickelt sich schnell zu einem Serienmord, als kurz darauf ein weiterer toter Zuhälter aus dem Fluss gezogen wird. Die Presse schreibt bereits vom »Berliner Nuttenrächer«. Für Malek wird die Zeit knapp, wenn er nicht will, dass sein erster Fall sein letzter sein soll.

Renegald Gruwe, 1956 in Berlin geboren und von Beruf Musiker, arbeitet als Schlagzeuger in diversen Musikgruppen sowie als Techniker und Produzent für mehrere Tonstudios, wo er sich u. a. mit dem Aufnehmen und Produzieren von Werbespots und Hörspielen befasst. Seit einigen Jahren konzentriert sich seine künstlerische Tätigkeit auf das Schreiben von Liedtexten und Kurzgeschichten, die er auf Tonträgern und in Literaturzeitschriften veröffentlicht. Mit »Deckfarbe« gab er sein literarisches Romandebüt, inspiriert nicht zuletzt durch seine Liebe zur gestaltenden Kunst, die er selbst in surrealistischen Federzeichnungen auslebt.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783839250365
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum03.02.2016
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.1
Seiten281 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.2431162
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Kapitel 2

Eine Dame ist ein Herr und Herr Müller übt einen »Diener«

So einsam wie in der Wohnung des Kriminalbeamten Erich Malek in der Jonasstraße in Neukölln ging es im Petrieck auf der Fischerinsel gute fünf Kilometer Luftlinie entfernt nicht zu.

»Ich nehme bitte noch einen Sekt, Herr Wirt.«

»Gerne, meine Dame! Sehr gerne!«, machte Friedrich Müller einen tiefen Diener.

Das letzte Mal, so erinnerte sich der stämmige Kneipier, hatte er solch eine Verbeugung als zehnjähriger Knabe vor einer Frau vollzogen. Es war vor der Leitung des Kinderheims, in das man den Jungen gebracht hatte. Den Diener hatte Friedrich Müller damals nicht aus freien Stücken ausgeführt. Der Polizist, der ihn in die Anstalt eingeliefert hatte, hatte ihn im Genick gepackt und den Gruß zwangsweise vollzogen. Fräulein Schneider, eine altjüngferliche Erzieherin mit einem Blick, der Friedrich noch Jahre später das Blut in seinen Adern gefrieren ließ, hatte ihre spezielle Art der Prügelstrafe erfunden. Dafür genügten kleinste Vergehen oder auch nur vage Beschuldigungen eines Mitinsassen. Um Wahrheitsfindung oder gar Gerechtigkeit war es ihr nicht gegangen. Da sie von schwächlicher Statur war und nicht selbst eine wirklich gut platzierte Ohrfeige hätte austeilen können, hatte sie sich einen der älteren Bewohner des Erziehungsheims als Gehilfen auserkoren. Dieser Bursche hatte sich, wenn Fräulein Schneider es für angebracht hielt, zu bestrafen oder auch nur eine Lektion zu erteilen, mit dem Delinquenten in eine stille Kammer zurückgezogen und diesem die Manieren beigebracht, die sich das Fräulein für ihre Zöglinge wünschte. Die entsprechenden Male dieser Pädagogik waren für alle anderen als sichtbare Warnung zu verstehen gewesen.

Friedrich Müller hatte in späteren Jahren erfahren, dass diese Praxis der Erziehung irgendwann aufgeflogen und dass Fräulein Schneider aus dem Erziehungsdienst entlassen worden war. Den prügelnden Gehilfen ereilte ein schwereres Schicksal. Ihn hatte man vor den Toren der ehemaligen Erziehungsanstalt übel zugerichtet tot aufgefunden. Offensichtlich ein Racheakt eines oder mehrerer Insassen der Anstalt.

An dem Fräulein gerächt hatte sich der heutige Budiker nicht, nachdem er aus dem Heim entlassen worden war. Allein die Fantasie hatte sich über Jahre erhalten. Geblieben und fest im Kopf des Friedrich Müller eingebrannt war die Antipathie gegen Ehrbezeugungen jeglicher Art, sei es vor Militär, Polizei oder sonstiger Obrigkeit - und gegen Höflichkeiten wie einen Diener.

Aber hier war alles anders. An einen solch aparten Besuch in seinem Lokal wie den dieser Dame konnte der Kneipenwirt sich nicht erinnern. Schon als sie sein Lokal in Begleitung dieses Kerls betrat, fiel Friedrich die schlanke Frau auf. Sie war genauso groß wie ihr Begleiter, gut einen Meter achtzig, schätzte der Wirt. Sie war sehr modern gekleidet und ihr Gang verriet, dass dieser Gast etwas Besseres war. Bei der ersten Bestellung bemerkte Müller sofort die feingliedrigen, gepflegten Hände der Frau. Weshalb die Dame mit diesem eher schmierigen Burschen am Tisch saß, konnte er nicht verstehen. Während er hinter dem Tresen ein Bier zapfte, zeigte er mit dem Kinn zur Nische mit der Holzbank und fragte Lisa, seine Bierglas spülende Bedienung: »Wat findet sone Frau nun an sone Type?«

»Wo die Liebe hinfällt«, gab das junge Mädchen zur Antwort, ohne auch nur für einen Moment den Blick von dem Spülbecken zu nehmen.

Sie tauchte die Gläser mechanisch in das Laugenwasser, spülte im klaren Wasser nach und stellte sie nebeneinander auf das spiegelnde Thekenblech. Dann nahm sie das Handtuch und wischte trocken, was nicht sofort vom Wirt wieder mit Bier gefüllt wurde. Und im Petrieck blieb der Hahn nie lange geschlossen. Der Gerstensaft lief an diesem Abend besonders gut. Samstagabend. Ein Teil der Gäste hatte seine Lohntüte erhalten, ein anderer die magere Stütze im Rahmen der neu eingeführten Reichsfürsorgepflichtverordnung vom Amt geholt und ein dritter Teil hatte abkassiert. Das hieß, Damen um ihren Tagesverdienst erleichtert, den letzten Bruch zu Geld gemacht oder sich mit schlanken Fingern in fremden Taschen bedient. Jedoch nicht im Petrieck. Hier war man vor Langfingern sicher, auch wenn einer direkt neben einem am Tresen stand.

Das Petrieck lag, wie leicht zu vermuten, an der Ecke Petri­straße und Friedrichsgracht - am Spreekanal. Die Gegend um das Lokal wurde Fischerinsel genannt und war einer der ältesten Stadtquartiere Berlins. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts hatte sich der Fischerkiez infolge von Überbauung und wachsender Industrialisierung Berlins zu einem Arme-Leute-Viertel gewandelt. Entsprechend setzte sich das Publikum im Petrieck aus diesem Viertel zusammen. Dass der junge Mann mit der hübschen Dame in der Nische ein Zuhälter war, darauf wäre Friedrich Müller jede Wette eingegangen.

»Ick kenn doch meine Schweine am Jang!«

Sein Revier hatte der Bursche allerdings nicht auf der Fischerinsel. Die Gegend um das Petrieck kannte der Wirt wie seine Westentasche. Hier waren ihm die Herren bekannt. Und viele von den Damen. Einige nutzten sogar ab und zu stundenweise eines seiner drei Hinterzimmer. Natürlich ohne Wissen des Kneipiers. Offiziell vermietete Herr Müller nämlich Zimmer mit Frühstück.

Doch diese Dame passte nicht in das Bild. Sie hatte eher etwas von einer aus der feinen Gesellschaft, einer aus dem Westen stammenden Fabrikantengattin oder einer Schauspielerin.

Der Wirt hätte die Wette gewonnen. Valentin Strobel war ein Zuhälter, wie er im Buche stand. Dass Müller ihn nicht kannte, lag, wie er ebenfalls richtig getippt hatte, daran, dass das Revier von Strobel in München lag. In Berlin hatte Strobel nur ein Nebengeschäft zu erledigen. Aus diesem Grund hatte er sich mit der Dame im Petrieck getroffen.

»Ganz verstehen kann ich nicht, warum diese Maskerade sein muss«, schüttelte Strobel den Kopf.

»Wenn die Leute mich erkennen und es rauskommt, dass ich mit dir verkehre, ist es aus mit dem Erfolg. So schwer kann das doch nicht sein. Der große Hofer mit einem â¦«, hielt Bruno inne.

Valentin lächelte und machte es seinem Gegenüber leichter: »Ein Zuhälter und der große Filmstar Bruno Hofer. Das verstehe ich. Aber warum als Frau? Obwohl â¦«, machte Valentin eine Pause und betrachtete die Gestalt seines Freundes aus alten Tagen eingehend. Dann bemerkte er anerkennend: »Ich muss zugeben, wenn du wirklich eine Frau wärst, könntest du eine Menge Geld machen. Aber auch so dürfte einiges für dich drin sein.«

Bruno Hofer lächelte ob des Kompliments. Auch wenn dieses etwas sonderbar anmutete. Der Schauspieler hatte bereits früher Erfahrungen mit dieser Art der Verkleidung gemacht, wie er Valentin Strobel erzählte. Das Theater am Schiffbauerdamm hatte 1920 eine männliche Hauptrolle für die Inszenierung des Theaterstücks »Charleys Tante« von Brandon Thomas gesucht. Bruno Hofer war damals ein junger Schauspielanfänger gewesen.

»Der nächste Herr, bitte!«

Regisseur Walter Vogel bat den nächsten Schauspieler auf die Bühne. Dann sah er in seine Unterlagen, wen er vor sich an der Rampe zu erwarten hatte.

»Ach nein«, winkte Vogel ärgerlich ab, als die Person in einem leichten Sommerkleid und Kurzhaarfrisur an den Bühnenrand in das Scheinwerferlicht trat. »Ich hatte doch ausdrücklich darum gebeten, dass sich keine Damen vorstellen. Ich möchte nur Herren. Ja, kann man denn in diesem Haus nicht einmal das tun, was ich wünsche? Junges Fräulein«, wandte sich Walter Vogel von seinem Regieassistenten zur Rechten direkt an die Schauspielerin auf der Bühne. »Fräulein Hofer, wir suchen für diese Rolle einen Herrn, einen Mann, einen Kerl, der eine Frau spielt, eine Dame. Eine Tante. Das Stück heißt Charleys Tante ! Wir suchen einen Mann, der eine Frau spielt. Haben Sie das verstanden? Aber wie ich unschwer erkennen kann, sind Sie â¦«

»Entschuldigen Sie, Herr Vogel, dass ich Sie unterbreche«, trat der Inspizient des Theaters seitlich auf die Bühne und stellte sich neben das vermeintliche Fräulein. »Diese Dame ist ein Herr.«

Walter Vogel hielt in seinem Redeschwall inne und sah verdutzt zur Bühne. Der Regieassistent suchte in den Bewerbungsunterlagen und bestätigte die Aussage des Inspizienten.

»Hier steht: Bruno Hofer. Herr Bruno Hofer.«

Der Regisseur nahm einen Schluck aus dem Wasserglas vom Pult vor sich und befeuchtete seine Kehle. So etwas hatte er in seiner langjährigen Arbeit als Spielleiter noch nicht erlebt.

»Ja, mein Name ist Bruno Hofer und ich möchte für die Rolle des Lord Fancourt Babberly vorsprechen!«, erklärte Bruno mit möglichst tief angelegter Stimme.

Dass Hofer trotz seiner perfekten Maske die Rolle nicht bekommen hatte, lag an der perfekten Maske selbst.

Walter Vogel hatte es Bruno, wenn auch etwas verschwurbelt, erklärt: »Unsere Tante muss wie ein Kerl aussehen, der wie eine Frau aussieht, die wie ein Kerl aussieht, der wie eine Frau aussieht! Sonst denkt das Publikum noch, es ist eine echte Tante. Sie aber sehen aus wie eine junge hübsche Frau, die wie eine junge hübsche Frau aussieht.«

Valentin Strobel konnte die Aussage des Theaterregisseurs nur bestätigen. Auch wenn zwischen der erwähnten Probe und dem heutigen Abend einige Jahre lagen. Sogar die Perücke auf dem Kopf von Bruno Hofer war dem modischen Geschmack der Zeit angepasst. Ein flotter Bubikopf und ein auffallend rot leuchtender Lippenstift ließen den Schauspieler als selbstbewusste junge Frau erscheinen. Die auberginefarbenen Nägel an den schlanken, sorgfältig gepflegten Fingern...

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Renegald Gruwe, 1956 in Berlin geboren und von Beruf Musiker, arbeitet als Schlagzeuger in diversen Musikgruppen sowie als Techniker und Produzent für mehrere Tonstudios, wo er sich u. a. mit dem Aufnehmen und Produzieren von Werbespots und Hörspielen befasst. Seit einigen Jahren konzentriert sich seine künstlerische Tätigkeit auf das Schreiben von Liedtexten und Kurzgeschichten, die er auf Tonträgern und in Literaturzeitschriften veröffentlicht. Mit »Deckfarbe« gab er sein literarisches Romandebüt, inspiriert nicht zuletzt durch seine Liebe zur gestaltenden Kunst, die er selbst in surrealistischen Federzeichnungen auslebt.