Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Elsternblau

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
341 Seiten
Deutsch
Gmeiner Verlagerschienen am08.02.20172024
Dem jüdischen Arzt Edgar Brix fällt eine Fotografie aus dem Jahr 1945 in die Hände: Fünf Bergarbeiter feiern das Kriegsende. Drei von ihnen starben in den vergangenen Wochen an Herzversagen, zwei sind noch am Leben: Der letzte in der Reihe ist Albrecht Schneider. Edgar Brix glaubt schon lange nicht mehr an einen Zufall, doch Albrecht tut die Befürchtungen seines Freundes als Hirngespinst ab. Aber was ist, wenn Edgar Brix doch Recht behält?

Nicole Braun wurde 1973 in Kassel geboren und ist beruflich schon in einige Rollen geschlüpft: Tischlerin, Dozentin oder Betriebswirtin. Die Liebe zum Schreiben hat alles überdauert. Die Autorin lebt in der geschichtsträchtigen Region zwischen Meißner und Kaufunger Wald und selbstverständlich spielen auch ihre Krimis vor dieser märchenhaften Kulisse. Dort durchstreift sie mit ihren Hunden den Wald, auf der Suche nach Inspiration für mörderische Geschichten und düstere Tatorte. Wenn sie nicht an einem Krimi arbeitet, gibt sie Workshops für kreatives Schreiben und singt als Frontfrau einer Coverband.
mehr
Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,99
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR10,99
E-BookPDF0 - No protectionE-Book
EUR10,99

Produkt

KlappentextDem jüdischen Arzt Edgar Brix fällt eine Fotografie aus dem Jahr 1945 in die Hände: Fünf Bergarbeiter feiern das Kriegsende. Drei von ihnen starben in den vergangenen Wochen an Herzversagen, zwei sind noch am Leben: Der letzte in der Reihe ist Albrecht Schneider. Edgar Brix glaubt schon lange nicht mehr an einen Zufall, doch Albrecht tut die Befürchtungen seines Freundes als Hirngespinst ab. Aber was ist, wenn Edgar Brix doch Recht behält?

Nicole Braun wurde 1973 in Kassel geboren und ist beruflich schon in einige Rollen geschlüpft: Tischlerin, Dozentin oder Betriebswirtin. Die Liebe zum Schreiben hat alles überdauert. Die Autorin lebt in der geschichtsträchtigen Region zwischen Meißner und Kaufunger Wald und selbstverständlich spielen auch ihre Krimis vor dieser märchenhaften Kulisse. Dort durchstreift sie mit ihren Hunden den Wald, auf der Suche nach Inspiration für mörderische Geschichten und düstere Tatorte. Wenn sie nicht an einem Krimi arbeitet, gibt sie Workshops für kreatives Schreiben und singt als Frontfrau einer Coverband.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783839252925
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatE101
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum08.02.2017
Auflage2024
Reihen-Nr.2
Seiten341 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.2431516
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Wickenrode, Mittwoch, der 14. Oktober

Edgar Brix saß frühmorgens vor einem geöffneten Paket und einer dampfenden Tasse Kaffee in seiner kleinen Küche und kämpfte mit der Wehmut. Obenauf lag ein Brief mit Gutmunds Handschrift. Die wenigen Zeilen, die ihm sein Bruder geschrieben hatte, hatte er in kürzester Zeit überflogen. Typisch Gutmund: kurz und bündig. Bloß kein Wort zu viel verlieren. Trotzdem genügte die gute Absicht, die hinter dem Paket mit dem Absender »Frankfurt am Main« steckte, um Edgar Brix rührselig zu stimmen.

Gutmund hatte ernst gemacht und die Professur in Frankfurt angenommen und den gut bezahlten Job als Klinikleiter in New Haven aufgegeben, um wieder ganz und gar in der geliebten Forschung aufgehen zu können. Ob es am untadeligen Conrad Brix lag, dass seine Söhne als jüdische Ärzte lieber in Deutschland praktizierten, anstatt in den USA zu bleiben? An der Unmöglichkeit, in seiner Nähe ein Leben ohne Selbstzweifel und Vorwürfe zu führen? Keine Frage: Die USA boten genügend Platz, um sich gepflegt aus dem Weg gehen zu können, aber zumindest Edgar war deutlich wohler, seitdem er zwischen sich und seinem Vater die Weite eines Ozeans wusste.

Er legte den kurzen Brief, in dem Gutmund ihn herzlich auf Besuch zu sich und seiner Frau Ruth nach Frankfurt einlud, beiseite und begann, den Karton auszupacken.

Gutmund hatte gut gewählt. Oder war es das Werk von Ruth? Nein, der Gutmund, den Edgar kannte - der schweigsame Mann mit dem trockenen Humor und der ausgeprägten zwischenmenschlichen Kommunikationsschwäche - wusste trotz seiner Eigenbrötlerei genau, womit er seinem kleinen Bruder auf dem Dorf eine Freude machen konnte. Edgar freute sich jetzt schon auf den gemütlichen Abend mit den Schallplatten von Roy Orbison und den Supremes und der Auswahl an Hersheys- und Baby Ruth-Riegeln. Ein Trikot und eine Kappe der Connecticut Tigers und diverse Jeanshosen gehörten auch zum Inhalt des Kartons.

Er hatte so eine Idee, wem er damit eine große Freude machen konnte. Immerhin schuldete Edgar dem jungen Lukas Söder noch ein Dankeschön dafür, dass der Garten der alten Brix´schen Familienpraxis nach den langen Jahren des Leerstandes wieder eines Arzthauses angemessen daherkam.

Zu guter Letzt holte er noch einen Stapel an Fachzeitschriften aus dem Karton, in denen er Veröffentlichungen von Gutmund vermutete. Er kannte kaum einen Psy­chiater, der so fleißig Forschungsergebnisse veröffentlichte wie sein großer Bruder. Und der durfte auch stolz sein, immerhin hatte er Meilensteine gesetzt.

Edgar Brix seufzte. Als Meilensteine in seiner Karriere konnte er die letzten Wochen nicht gerade bezeichnen, obwohl die Praxis ganz gut lief. Der Herbst war über Wickenrode hereingebrochen, und die Schornsteine der kleinen Fachwerkhäuschen stießen dunklen Rauch aus. Erkältungszeit. Allmorgendlich war die Praxis gut mit Schniefnasen und hustenden Dorfbewohnern gefüllt, und jetzt, wo die Erntezeit sich dem Ende neigte, nahmen sich die Bauern auch wieder Zeit dafür, ihre über das Jahr verschleppten Wehwehchen kurieren zu lassen.

Noch am Ende des Sommers hatte Edgar befürchtet, dass sich seine Einmischung in die alten Geschichten negativ auf die Patientenzahlen auswirken würden. Das Gegenteil war der Fall. Er war so etwas wie eine kleine Berühmtheit geworden, und neuerdings kamen immer häufiger Patienten aus Helsa oder Großalmerode. Immerhin war er der Arzt aus Amerika, der sich mit der Polizei angelegt und Albrecht Schneider das Leben gerettet hatte.

Ob man es nun wissen wollte oder nicht: Jeder bekam von Albrecht ausführlich die Geschichte von Edgars Heldentat erzählt. Gleichzeitig waren sie sich darüber einig, künftig auf solche Abenteuer verzichten zu wollen, denn die Knochenbrüche heilten in Albrechts Alter verdammt langsam. Erst seit wenigen Wochen konnte er sich wieder einigermaßen selber um das Haus und seine Tiere kümmern. Auch in diesem Fall hatte Lukas sich als Retter in der Not erwiesen. Er hatte wirklich alles Menschenmögliche getan, um seinen Fehler auszubügeln, der Albrecht Schneider in diese lebensgefährliche Situation gebracht hatte. Dabei brauchte man Albrecht nicht besonders gut zu kennen, um zu wissen, dass seine nordhessische Sturheit einen guten Teil dazu beigetragen hatte und er nur seinem sprichwörtlichen Dickschädel verdankte, dass die Sache für ihn glimpflich ausgegangen war.

Tatsächlich hatten die Ereignisse des Sommers keinen schlechten Eindruck hinterlassen, und Edgar Brix hatte gut in seiner kleinen Praxis zu tun. Und in dem Maß, in dem sich die Patientenkartei füllte, vergaß er, was ihn ursprünglich hierher, an das Ende der Welt, verschlagen hatte. Er begann jeden Tag, so gut es eben ging, mit dem Versuch, sich mit den Geistern der Vergangenheit zu arrangieren. Und zunächst sah es so aus, als ob es ihm gelingen könnte. Doch seit dem Sommer spukte ein überaus lebendiger Geist der Gegenwart in seinem Kopf herum.

Noch war es eine Art von höflicher Distanz, die zwischen ihm und Fiona Schneider herrschte. Sie tat noch immer so, als könne sie ihm nie verzeihen, in welche Gefahr er ihren Vater gebracht hatte, und Edgar ließ sie in dem Glauben, dass er ihre Blicke nicht bemerkte, während ihre braunen Augen eine Stelle mitten in seinem Herz berührten, die immer noch gewaltig schmerzte.

Edgar Brix schüttelte sich. Es war deutlich zu früh am Morgen für solche Überlegungen.

Er nippte an seinem Kaffee und sah auf die Gegenstände auf dem Küchentisch. Während er die Fachzeitschriften zur Seite legte, lächelte er. An einem ruhigen Abend würde er sie in Ruhe lesen und die eine oder andere Flasche Bier trinken. Dann würde er ordentlich angeheitert Gutmund anrufen und mindestens eine Stunde fachsimpeln. Darin waren sich die Brüder einig - es ging doch nichts über Fachgespräche, die mit zunehmendem Alkoholpegel an Ernsthaftigkeit verloren und denen bereits so sagenumwobene Diagnosen, wie etwa der »Apoplektische Zoster nach Hinterwandinfarkt« entsprungen waren. Edgar Brix musste grinsen. Vielleicht konnte er sich tatsächlich dazu aufraffen, Gutmund in Frankfurt zu besuchen. Bei dem Gedanken an den staubtrockenen Rotwein, den ihm sein Bruder servieren würde, zog sich sein Mund zusammen. Er spülte mit einem Schluck Kaffee nach und nahm sich vor, einige Flaschen Bier als Gastgeschenk mitzubringen, ganz so, wie es in den Staaten üblich gewesen wäre.

Edgar schaute auf die Uhr. Längst neun Uhr durch. Unter normalen Umständen wären die ersten Patienten längst verarztet. Doch wie jeden Mittwoch, war kaum mit unangemeldeten Patienten zu rechnen. Er hatte sich für den heutigen Morgen drei kleine Operationen einbestellt, und wenn ihn nicht alles täuschte, fiel davon mindestens eine wegen einer spontanen Erinnerungslücke aus.

Insgeheim rechnete er damit, dass Heiner Brand nicht auftauchte. Edgar hatte sein Humpeln zufällig bemerkt, als er Elsbeth Brand und ihrem Neugeborenen einen Hausbesuch abstattete. Entgegen jedem ärztlichen Rat hatte Heiner Brand den frisch entfernten Fußnagel wieder in die bakterienverseuchten Arbeitsschuhe gesteckt. Unter dem Druck seiner besorgten Gattin stimmte er zähneknirschend einer Nachuntersuchung zu. Doch Edgar machte jede Wette, dass ihm etwas Wichtiges dazwischenkam.

Er hatte sich getäuscht.

Vor dem Behandlungsraum saß Heiner Brand bereits mit reumütig gesenktem Kopf. Seine Frau Elsbeth hatte es sich nicht nehmen lassen, ihren Mann persönlich bis in das Wartezimmer zu begleiten und dort so lange zu warten, bis sie ihn in den Händen des Arztes wusste. Der Säugling in ihrem Arm gluckste zufrieden.

Edgar Brix beugte sich über das eingewickelte Bündel. »Schön, dass es ihm wieder besser geht. Ist das Fieber gesunken?«

»Alles in Butter, Herr Doktor. Nu seh´n Se ma zu, dass Se den Drüggeberjer hier widder auf Vordermann kriechn. Mir brauch´n dringend Brennholz für´n Winter.«

»Das bekommen wir schon hin, Frau Brand. Aber Sie müssen unbedingt dafür sorgen, dass Ihr Mann sich so lange schont, bis die Wunden verschlossen sind. Wenn der Zeh erneut bakteriell infiziert wird, besteht die Gefahr, dass er abgenommen werden muss.«

Heiner Brand wurde weiß um die Nase, und Edgar fürchtete, dass er auf dem letzten Meter doch noch kniff. Ohne langes Gerede nahm er ihn mit in das Behandlungszimmer und platzierte ihn auf der Liege.

Ein strenger Geruch entströmte der Socke, die Heiner Brand sich mit verzerrtem Gesicht vom Fuß zog. Der Zeh sah übel aus. So eine Unvernunft! Aber Edgar gewöhnte sich langsam daran, hier auf dem Dorf allzu oft dazu verdammt zu sein zu retten, was noch zu retten war. Diese nordhessischen Sturköpfe ließen sich erst dann zu einem Gang zum Arzt überreden, wenn die Arbeit getan und der Schmerz unerträglich wurde. Erst vor ein paar Tagen hatte er dem als »Schoppn-Schorsche« bekannten Georg Fuhrmann die Folgen einer in Heimarbeit mit Angelschnur durchgeführten Näharbeit an einer Platzwunde versorgen müssen. Der Gedanke entlockte Edgar erneut ein Grinsen. Er hatte mehr als genug Gesprächsstoff für ein langes Telefonat mit seinem Bruder Gutmund!

»Das piekt jetzt mal kurz«, warnte er seinen Patienten vor, als die Nadel schon längst in dem völlig vereiterten Zeh verschwunden war.

Ein Zischen entfuhr den zusammengepressten Lippen von Heiner Brand. Der hatte entgegen Edgars Anweisungen neugierig den Kopf gehoben, um zu verfolgen, was sich da an seinem Fuß tat. »Hörn Se ma, das hamm Se aber nit so ernst gemeint, mit der Ampudation das, oder?«

»Ich habe Ihnen schon beim letzten Mal gesagt, dass Sie eine solche Wunde ausheilen lassen müssen und der Fuß nichts in...

mehr

Autor

Nicole Braun wurde 1973 in Kassel geboren und ist beruflich schon in einige Rollen geschlüpft: Tischlerin, Dozentin oder Betriebswirtin. Die Liebe zum Schreiben hat alles überdauert.
Die Autorin lebt in der geschichtsträchtigen Region zwischen Meißner und Kaufunger Wald und selbstverständlich spielen auch ihre Krimis vor dieser märchenhaften Kulisse. Dort durchstreift sie mit ihren Hunden den Wald, auf der Suche nach Inspiration für mörderische Geschichten und düstere Tatorte. Wenn sie nicht an einem Krimi arbeitet, gibt sie Workshops für kreatives Schreiben und singt als Frontfrau einer Coverband.