Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Der Sandmann von Kassel

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
288 Seiten
Deutsch
Gmeiner Verlagerschienen am14.09.20222023
»Schlaf, Kassel, schlaf. Petri hüt die Schaf. Der Mörder schärft das Messer fein und sticht damit ins Äugelein. Schlaf, Kassel, schlaf. Unser gemeinsamer Freund freut sich auf Ihren Besuch. Sie sollten ihn nicht enttäuschen. Azrael« Eine grausige Mordserie hält Kassel in Atem - und nur noch zwei Wochen, bis die Stadt von documenta-Besuchern aus aller Welt überrannt wird. Mittendrin: Anwalt Meinhard Petri, dessen schlimmster Albtraum wahr wird.

Nicole Braun, geboren 1973 in Kassel, ist fest verwurzelt in Nordhessen. Mit ihrer neuen Thriller-Reihe hat sie einen Gang hochgeschaltet, bleibt jedoch ihrer Heimat und deren jüngerer Vergangenheit treu. Die studierte Betriebswirtin lebt seit 2014 vom Schreiben. Sie unterrichtet Storytelling, betreibt Schreibwerkstätten und gibt musikalische Lesungen.
mehr
Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR13,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99
E-BookPDF1 - PDF WatermarkE-Book
EUR9,99

Produkt

Klappentext»Schlaf, Kassel, schlaf. Petri hüt die Schaf. Der Mörder schärft das Messer fein und sticht damit ins Äugelein. Schlaf, Kassel, schlaf. Unser gemeinsamer Freund freut sich auf Ihren Besuch. Sie sollten ihn nicht enttäuschen. Azrael« Eine grausige Mordserie hält Kassel in Atem - und nur noch zwei Wochen, bis die Stadt von documenta-Besuchern aus aller Welt überrannt wird. Mittendrin: Anwalt Meinhard Petri, dessen schlimmster Albtraum wahr wird.

Nicole Braun, geboren 1973 in Kassel, ist fest verwurzelt in Nordhessen. Mit ihrer neuen Thriller-Reihe hat sie einen Gang hochgeschaltet, bleibt jedoch ihrer Heimat und deren jüngerer Vergangenheit treu. Die studierte Betriebswirtin lebt seit 2014 vom Schreiben. Sie unterrichtet Storytelling, betreibt Schreibwerkstätten und gibt musikalische Lesungen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783839273463
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum14.09.2022
Auflage2023
Seiten288 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.9224323
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


3

Beim Pförtner erfuhr ich, dass Matthias Frank von seinem Innendienstquartier im dritten Geschoss zwei Etagen nach unten gezogen war; in das Stockwerk der ermittelnden Kriminaler. Ich ließ die Wache im Parterre links liegen und nahm die Treppe.

Auf dem Flur herrschte eine eigenartige Stille. Ich vermisste das Klappern von Schreibmaschinen und das ununterbrochene Läuten der Telefone, das normalerweise aus den diversen Büros drang.

Bevor meine Fingerknöchel die Tür berührten, fiel mir das Namensschild daneben auf. »KOK Matthias Frank«. Es war frisch angebracht worden, das Papier strahlend weiß.

»Komm rein.« Franks Stimme drang durch die geschlossene Tür.

Er saß hinter einem Schreibtisch, die Hände rechts und links flach auf die Platte gelegt und guckte, als würde er mich am liebsten sofort wieder rauswerfen. Seine Mimik schien zu sagen: Du wärst nicht hier, wenn ich eine Wahl hätte.

In meinem Hinterkopf schrillte eine Alarmglocke.

Kein Wort der Begrüßung, stattdessen brummte er: »Folge mir.« Er stand auf, öffnete den Durchgang zum angrenzenden Raum und verschwand darin.

Selbst wenn man so viel Mist gebaut hatte wie ich verdiente man ein Mindestmaß an Höflichkeit. Ich atmete tief durch und ging ihm hinterher.

An der langen Seite des Besprechungstischs lümmelte Kommissar Sachs auf einem Stuhl herum. Er gönnte mir ein Nicken zur Begrüßung. Neben ihm saß eine Frau mit zurückgebundenem blondem Haar. Ich fand ihr Gesicht irritierend, konnte jedoch nicht benennen, warum. Sie und Sachs hatten ihre Jacken abgelegt und entblößten auf diese Weise die Holster, in denen ihre Dienstwaffen steckten. Während die Waffe am gedrungenen, muskulösen Körper von Sachs bloß ein Detail war, wirkte sie an der gertenschlanken Frau wie ein bissiges Tierchen, das es sich an ihrer Hüfte gemütlich gemacht hatte.

Nicht gerade ein Empfangskomitee, wie ich es mir gewünscht hätte. Ein flüchtiger Blick auf eine Pinnwand mit blutigen Tatortfotos genügte mir; die Vorahnung hatte mich nicht getäuscht. Ich zog einen Stuhl vor, um Platz zu nehmen.

»Du kannst stehen bleiben, wir sind auf dem Sprung.« Frank hatte Position am Fenster bezogen und lehnte mit dem Hinterteil am Heizkörper. »Wir bilden gerade eine vorläufige Ermittlungskommission. Das LKA hat uns über ein Tötungsdelikt im Rheingau informiert, das mit einem weiteren im Wald bei Hofheim in Verbindung steht. Ausgerechnet heute Morgen hat sich ein Mord ereignet, der sich in die Reihe einfügt. Dieses Mal hier im Landkreis Kassel.«

Die schmale Frau neben Sachs räusperte sich. »Klar haben wir es eilig, aber willst du uns nicht trotzdem erst mal vorstellen, Matze?«

MATZE?

Franks Wangenmuskulatur wurde fest, ich meinte, ein Zähneknirschen zu hören. Noch nie hatte sich einer von seinen Kollegen eine derart plumpe Vertraulichkeit herausgenommen. Selbst Sachs hätte sich das in der Gegenwart von Fremden niemals erlaubt. Ich verstand nicht, warum Frank ihr nicht mit Anlauf an die Gurgel sprang, und bei näherem Hinsehen sah es so aus, als könnte er sich nur mit Mühe zurückhalten. Jetzt erkannte ich, was mich an der Polizistin zunächst verwirrt hatte. Von vorn wirkte ihr Gesicht kantig, beinahe knabenhaft, was an ihrem etwas zu schmallippigen, schiefen Mund lag. Der fiel im Profil weniger auf als ihre langen blonden Haare, von denen sich einige Strähnen aus dem Pferdeschwanz gelöst hatten.

Seit Frauen sich nicht mehr damit zufriedengaben, ein nettes Accessoire auf dem Beifahrersitz von Franks Sportwagen zu sein, sondern wie gleichgestellte Kolleginnen im Kriminaldienst behandelt werden wollten, musste es ihn sehr viel Überwindung kosten, sich nicht ständig wie der letzte überlebende Obermacho aufzuführen. Vielleicht hatte er deshalb in den Innendienst wechseln wollen, aus dem er nun zurückgekehrt war.

Er kommentierte den verbalen Übergriff mit einem Schnauben. »Danke für den Hinweis. Sandra Cohn ist eine Kollegin vom LKA Frankfurt, Richard Sachs aus Kassel kennst du ja bereits. Das ist Meinhard Petri, Anwalt. Strafrecht.«

Ich nickte den beiden pflichtschuldig zu.

Frank trat an die Stirnseite des Tisches und postierte sich vor der Pinnwand, auf der neben den Tatortfotos Skizzen und Lagepläne angeheftet waren. Am Zustand einer der Leichen erkannte ich sofort, dass sie vermutlich lange Zeit unentdeckt geblieben war. Das Bild genügte, um den Geruch eines solchen Fundortes in der Nase zu haben.

Frank hatte meinen Blick registriert. »Es gibt einen frischen Tatort. Fuldaschleife bei der Sperre-Siedlung in Bergshausen, direkt am Ufer. Wir haben schon genug Zeit vertrödelt, die Kollegen vor Ort warten auf uns. Ich erzähle dir unterwegs, was du wissen musst.«

»Darf ich wenigstens erfahren â¦?«

Mit einer Geste schnitt Frank mir das Wort ab. »Sobald wir im Wagen sitzen. Wir müssen los.«

Sein Tonfall duldete keinen Widerspruch. Frank ging vor, Sachs und Cohn hatten die Jacken übergeworfen und warteten darauf, nach mir den Raum zu verlassen. Zwischen den dreien eingekeilt wurde ich auf den Parkplatz gelotst. Cohns lange Beine steckten in engen schwarzen Jeans, und an den Füßen trug sie klobige Doc Martens, die aus ihrem federnden Gang eine Fitnessübung machten.

Frank öffnete mir die Tür zum Rücksitz eines Zivilfahrzeugs und ließ sich neben mich fallen, die beiden anderen stiegen vorne ein. Sachs griff zum mobilen Blaulicht, aber Frank legte ihm von hinten eine Hand auf die Schulter. »Kein großes Tamtam. Wir sind ohnehin spät dran, auf fünf Minuten kommt es jetzt auch nicht mehr an.«

»Wärst du so freundlich, mir zu erklären, was das hier soll?« Allmählich ging es mir auf die Nerven, behandelt zu werden, als wäre ich gar nicht anwesend.

»Letzten Sommer ist Staatsanwältin Frida Wiener von einem Spaziergang nicht zurückgekehrt. Du erinnerst dich vielleicht an sie, sie ist vor ein paar Jahren in den Taunus gezogen. Sie wurde in einem an Hofheim angrenzenden Wald erdrosselt in einem Gebüsch aufgefunden.« Frank stülpte die Lippen nach innen und zog die Brauen zusammen. Eine Grimasse, die aussah, als hätte er Schmerzen. »Vor wenigen Tagen kam Sandra Cohn mit der Meldung zu uns, dass man eine Leiche in einem Ferienhaus im Rheingau entdeckt hat. Der Tote hat einen Monat dort gelegen.« Frank stockte. »Es handelt sich um den ehemaligen Kollegen Heinz Sehling. Hatte sich ein besonders abgeschiedenes Plätzchen für seinen Ruhestand ausgesucht.«

Sachs hatte die ganze Zeit konzentriert den Wagen Richtung Ortsausgang Kassel gelenkt, jetzt warf er mir im Rückspiegel einen kurzen Blick zu. Sehling war Franks vertrautester Kollege bei der Kripo gewesen, so etwas wie sein Ziehvater.

Frank hielt den Kopf gesenkt.

Sachs fuhr die B83 entlang an Waldau vorbei und bog in Bergshausen ab. Er folgte der gewundenen Hauptstraße durch den alten Ortskern, bis die Fulda am Ufersaum hinter sattem Grün zu erkennen war. Die Idylle wurde einzig durch die monströsen Stelen der Autobahnbrücke gestört, die das gesamte Firmament über uns abzufangen schien. Nach einigen hundert Metern öffnete eine Lichtung den Blick auf eine Reihe Doppelhäuser, die ich niemals in dieser Abgeschiedenheit vermutet hätte. Die Asphaltstrecke endete in einer Wendeschleife, von der ein befestigter Wanderweg Richtung Fulda abging und in eine Holzbrücke mündete, die für eine Überquerung mit Autos zu schmal war. Halb im Gras geparkt reihten sich Fahrzeuge auf: Notarzt, Polizei, Leichenwagen. Ein Krankenwagen war offensichtlich nicht mehr notwendig gewesen.

Sachs hielt an letzter Position in der Schlange und stellte den Motor ab. Mit einem mulmigen Gefühl im Magen stieg ich aus und schlich mit etwas Abstand meinen drei Begleitern hinterher.

Wir tauchten unter einem Absperrband durch und schritten über die überdachte Brücke, deren Holzkonstruktion so massiv war, dass sie selbst unser vielfüßiger strammer Marsch nicht in Schwingung brachte. Lediglich die klobigen Sohlen von Cohns Schuhen erzeugten einen dumpfen Hall, der sich mit dem Rauschen der Fulda mischte, die unter uns träge in einer weiten Schleife vorbeifloss. Auf der anderen Seite bog der Weg in einer scharfen Linkskurve ab, um dem tiefer gelegenen Ufer zu folgen.

Der Tatort lag keine hundert Meter von der Brücke entfernt. Wie Aliens eilten in weiße Anzüge verpackte Gestalten vor der romantischen Kulisse hin und her.

Sandra Cohn drehte sich zu mir um und wartete, bis ich aufgeschlossen hatte.

»Alles in Ordnung?«, fragte sie.

»Keine Ahnung. Wird sich zeigen.«

Wir ließen Frank und Sachs den Vortritt. Nachdem die beiden ein paar Minuten im Uferbewuchs gebeugt über etwas gestanden hatten, kehrten sie auf den Weg zurück. Cohn und ich nahmen den bereits platt getretenen Pfad durch das kniehohe Gras. Verdeckt von der Böschung lag dort ein schlanker, athletischer Körper in Sportkleidung, die Gliedmaßen unnatürlich verrenkt. Das Gesicht war im Ausdruck größter Pein eingefroren. Dort, wo einmal die Augen gewesen waren, klafften blutige Wunden, die Zunge ragte blau aus dem Mund.

»Erdrosselt?«, fragte Frank den Gerichtsmediziner, der seine Utensilien in einen Alukoffer packte.

Mit lustlosem Gesichtsausdruck zog dieser mit dem Zeigefinger unterhalb seines Kinns einen Bogen. Eine direkte Antwort sparte er sich; ein deutlich sichtbares Strangulationsmal hatte sich am Hals des Opfers als dünne blutige Linie im Gewebe verewigt. »Alle übrigen Manipulationen sind post mortem vorgenommen worden.«

Manipulationen. So wurde das Unaussprechliche...

mehr

Autor

Nicole Braun, geboren 1973 in Kassel, ist fest verwurzelt in Nordhessen. Mit ihrer neuen Thriller-Reihe hat sie einen Gang hochgeschaltet, bleibt jedoch ihrer Heimat und deren jüngerer Vergangenheit treu. Die studierte Betriebswirtin lebt seit 2014 vom Schreiben. Sie unterrichtet Storytelling, betreibt Schreibwerkstätten und gibt musikalische Lesungen.