Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Ein böser Kamerad

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
310 Seiten
Deutsch
Gmeiner Verlagerschienen am05.04.20172017
Emil Bachmann erlebt den Ersten Weltkrieg als Frontsoldat. Das Töten ist sein Handwerk. Als er nach Kriegsende nach Berlin zurückkehrt, ist er vollkommen entwurzelt. Mühsam fasst er wieder Fuß im Zivilleben. Doch die Schatten der Vergangenheit lassen ihn nicht los. Als ihn sein Schwager für die SA anwirbt, findet er eine neue Heimat unter den Kameraden. Aber er verstrickt sich in viele Konflikte, und Gewalt ist für ihn die einfachste Lösung. Bald schon wird Mord für ihn zur Gewohnheit ...

Jörg Reibert wurde 1972 in Braunschweig geboren und lebt mit seiner Familie in Bamberg. Er ist Maschinenbauingenieur und promovierte im Bereich Geschichte der Naturwissenschaften über Technik im Ersten Weltkrieg. Im Jahr 2014 erschien sein Debütkrimi »Verhängnisvoller Abgrund«.
mehr
Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99
E-BookPDF1 - PDF WatermarkE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextEmil Bachmann erlebt den Ersten Weltkrieg als Frontsoldat. Das Töten ist sein Handwerk. Als er nach Kriegsende nach Berlin zurückkehrt, ist er vollkommen entwurzelt. Mühsam fasst er wieder Fuß im Zivilleben. Doch die Schatten der Vergangenheit lassen ihn nicht los. Als ihn sein Schwager für die SA anwirbt, findet er eine neue Heimat unter den Kameraden. Aber er verstrickt sich in viele Konflikte, und Gewalt ist für ihn die einfachste Lösung. Bald schon wird Mord für ihn zur Gewohnheit ...

Jörg Reibert wurde 1972 in Braunschweig geboren und lebt mit seiner Familie in Bamberg. Er ist Maschinenbauingenieur und promovierte im Bereich Geschichte der Naturwissenschaften über Technik im Ersten Weltkrieg. Im Jahr 2014 erschien sein Debütkrimi »Verhängnisvoller Abgrund«.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783839253823
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum05.04.2017
Auflage2017
Reihen-Nr.1
Seiten310 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.2431559
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Kapitel 1

Champagne, Sonntag, 26. Mai 1918

Königs Wusterhausen, den 12. Mai 1918

Mein lieber Emil!

Ich hoffe es geht Dir gut. Es fällt mir sehr schwer, Dir diese Zeilen zu schreiben. Ich habe lange überlegt, wie ich es sagen soll. Aber meine Mutter meinte, ich soll es Dir am besten ganz direkt mitteilen, sonst weißt Du nicht, wie es um uns steht. Ich denke doch immer wieder an Dich da draußen und fühle mit Dir. Aber in den letzten Monaten hat sich etwas verändert.

Emil nimmt sich eine Zigarette aus der Schachtel, die in seiner ledernen Patronentasche steckt. Ganz vorne links, wo er beim Nachladen ohnehin nicht so gut herankommt, hat sie ihren festen Platz. Erst vorhin hat er sie erneuert, als sie ihre Abendfourage empfangen haben. Die fiel üppiger als sonst aus, denn morgen früh wird die Offensive beginnen. Nach Blücher ist sie benannt, dem »Marschall Vorwärts«, und wie 1914 geht es wieder Richtung Paris. Alle denken, es wird die letzte große deutsche Anstrengung, bevor die Franzosen zusammenbrechen. Bereits die »Kaiserschlacht« im März hatte die Front weit aufgerissen. So etwas hatte es seit Kriegsbeginn nicht mehr gegeben. Damals war alles in Dreck und Schlamm erstarrt und keine Seite mehr vorangekommen. Seit diesem Jahr läuft es aber wieder gut, auch wenn das deutsche Heer müde und erschöpft ist. Der Sieg ist zum Greifen nah.

Vorhin mit dem Essen gab es auch die Feldpost. Emil hat bis zum Abend gewartet, den Brief aufzureißen, und hat sich in eine Ecke des bretterverschalten Unterstandes mit einem Kerzenstumpen zurückgezogen, um ihn zu lesen. Die Luft ist verbraucht, sie riecht nach Schweiß, Leder, Waffenöl und Angst. Die Männer quetschen sich eng zusammen: doppelte Belegung durch die zusätzlichen Sturmtruppen. Jeder versucht, irgendwie die Zeit bis zum Morgen totzuschlagen. Die meisten dösen, aneinander gelehnt oder mit ihrer Ausrüstung als Kopfkissen. Einige Funzeln an der Decke spenden trübes Licht. Nur ab und zu kommt jemand herein oder verlässt den Bau. Handgranaten und Gewehrmunition sind bereits ausgegeben, jetzt gibt es nichts mehr zu tun, außer abzuwarten.

Du kennst Dr. Löwenthal sicherlich vom Sehen. Er ist unser Kinderarzt, und dadurch habe ich als Amme häufig mit ihm zu tun gehabt, wenn ich eines der Kleinen zu ihm bringen musste. Es ist unglaublich, mit welcher Liebe und Hingabe er seiner Arbeit nachgeht. Nie ist er ungeduldig oder wird gar laut. Er ist ein vorbildlicher Mensch, das konnte ich die vielen Male beobachten, die ich bei ihm war.

Ich schäme mich, es Dir zu schreiben, aber bei ihm habe ich mich viel geborgener gefühlt als bei Dir. Wenn ich an Dich denke, kann ich mir oft gar nicht mehr Dein Gesicht vorstellen. Wir haben ja auch lediglich einige Male vor über einem Jahr miteinander poussiert, bevor Du einrücken musstest. Seither schreiben wir uns nur mehr Briefe. Ich habe sie alle aufbewahrt und noch einmal durchgelesen.

Wie fremd Du mir vorkamst, als Du im Winter auf Urlaub nach Hause kamst. Ich habe Dich kaum noch wiedererkannt. Du hast fast nichts erzählt von dem, was Du in Frankreich erlebt hast. Immer sollte nur ich reden. Du hast auch kein einziges Mal mehr gesagt, dass Du mich lieb hast. Das hat mich verletzt. Es war so völlig anders mit Dir als in der Zeit zuvor.

Vor ein paar Wochen hat Dr. Löwenthal um meine Hand angehalten. Ich habe mir die Entscheidung nicht leicht gemacht, das kannst Du mir glauben. Er hat mich nicht gedrängt, aber seine stillen Blicke haben heiß in mir gebrannt. Nächtelang habe ich wach gelegen und alles ganz genau abgewogen.

Ich weiß nicht, ob Du mich das auch gefragt hättest, wenn Du aus dem Krieg zurückkommst, aber wann das je sein wird, kann mir niemand sagen. Es sind harte Zeiten, und ich hasse das Schicksal dafür, dass ich eine Entscheidung treffen musste. Es ist das Bitterste, was mir je passiert ist. Keiner konnte mir helfen.

So habe ich mich dann für Dr. Löwenthal entschieden, und wir haben uns Anfang April verlobt. Seitdem habe ich den Tag immer wieder hinausgeschoben, an dem ich Dir schreibe. Dies wird mein letzter Brief an Dich sein, das verstehst Du sicher. Ich danke Dir für alles, was Du mir Gutes getan hast. Behalte auch Du mich in guter Erinnerung,

Gott schütze und behüte Dich,

in ewiger Freundschaft,

Clara

*

Champagne, Montag, 27. Mai 1918

Die Artilleriegeschütze hauen alles zusammen. Vor ein paar Stunden hat der Zauber angefangen. Wie ein Orkan hat das Toben in der Ferne begonnen und sich näher herangearbeitet. Dann ist das Feuer zurück ins feindliche Hinterland gesprungen. Die Einschläge von schweren und leichten Kalibern mischen sich zu einem ohrenbetäubenden Lärm. Systematisch werden die Gräben und Stellungen des Gegners zerschlagen. Dabei kommt viel Gas zum Einsatz. Die Blaukreuzgranaten setzen einen Stoff frei, der die Atemwege reizt, aber nicht tödlich wirkt. Er dringt durch die Gasmasken, bis die Soldaten sie hustend und spuckend herunterreißen, um wieder frei atmen zu können. Sofort wirkt das gleichzeitig verschossene Grünkreuz und verätzt ihre Lungen.

Seit einer halben Stunde trommelt das gesamte Feuer konzentriert auf dem vordersten französischen Graben, um die Stacheldrahthindernisse zu zerstören und den letzten Widerstand zu brechen. Auch die schweren Minenwerfer aus den frontnahen Stellungen schleudern ihre Doppelzentnergeschosse in das Chaos hinein. Es ist unvorstellbar, dass irgendein Mensch diese Hölle überleben kann.

Um 4.40 Uhr schrillen die Pfeifen der Unteroffiziere, und die Männer klettern aus ihren Gräben heraus. Das Niemandsland um sie herum ist eine frisch umgepflügte Kraterlandschaft. Kaum ein Grashalm hat den Beschuss überstanden. Alles ist mit dem feinen, weißen Kreidestaub der Champagne überzogen. Sie stürmen in kleinen Gruppen nach vorn. Emil Bachmann springt neben seinen Kameraden über Trichter und Erdbrocken.

Heute wird er sterben. Das hat er gestern Nacht beschlossen, nachdem er den Brief ein zweites und ein drittes Mal gelesen hatte. Warum sollte er diesen Krieg auch überleben wollen? Das Einzige, was ihm in den letzten Monaten Halt gab, existiert nicht mehr. In Emil lodert eine grenzenlose Wut. Feige haben sie hinter seinem Rücken ein Verhältnis begonnen, seine liebe Clara und Samuel Löwenthal, der nette Arzt. Ob er ihn kennen würde, welche Frage! Wer weiß denn nicht, wer er ist, in diesem kleinen Städtchen, wo fast jeder jeden beim Namen nennen kann? Die ganze Nacht lang hat er wach gelegen und konnte nicht schlafen vor lauter Zorn. Zum Glück ging s heute Morgen schon zeitig los mit der Knallerei, da waren die Gedanken an zu Hause wie fortgeblasen.

Bamm.

Bamm.

Bamm.

Emil hat das Gefühl, dass jeder Schlag der Geschütze seine Liebe ein Stück mehr in Stücke schlägt. Inmitten dieses Scherbenhaufens stürmt er gegen den Feind, keucht sich unter der schweren Last des Sturmgepäcks die Lunge aus dem Leib und rennt in die auseinanderspritzenden Einschlagfontänen hinein.

Die Feuerwalze der Artillerie beginnt, planmäßig nach vorn zu verlegen. Alle paar Minuten springen die Einschläge um hundert Meter weiter. Dahinter rücken die Männer dichtauf nach. Besser zu nah den Explosionen zu folgen, auch wenn immer wieder mal einer von eigenen Leuten getroffen wird, als zurückzufallen. Denn sobald die Einschläge weiter entfernt sind, kriecht der Feind aus seinen Deckungslöchern hervor und kann das Feuer auf die schutzlos Vorwärtsstürmenden eröffnen.

Der erste gegnerische Graben wird schnell eingenommen. Die wenigen überlebenden Franzosen heben sofort die Hände, als sie die deutsche Übermacht auf sich zukommen sehen. Benommen von dem Beschuss taumeln die verschmutzten Gestalten den Angreifern entgegen und werden nach hinten abgeführt. Doch die Sturmtruppen machen keine Rast. Sie folgen der Feuerwalze zum zweiten Graben. Drei Grabenreihen hat die Front, im Abstand von jeweils ein paar hundert Metern. Haben sie diese eingenommen, ist der Durchbruch geschafft und die Offensive hat das Hinterland erreicht. Das ist das Ziel des heutigen Tages.

Der Angriff stockt eine Weile im Niemandsland. Vor ihnen befindet sich eine MG-Stellung, die unaufhörlich Feuer spuckt. Das zwingt die angreifenden Truppen in die Trichter, um nicht sinnlos dahingemäht zu werden. Von zwei Seiten nähern sich die Deutschen dem MG, werden aber immer wieder von seinem hin und her pendelnden Rohr in Deckung gezwungen. Eine Geschossgarbe nach der anderen jagt über sie hinweg. Emil liegt neben einem gefallenen Kameraden, hält den Kopf unten und schnauft durch. Den Mann hat es an der Seite erwischt. Der Ausschuss am Rücken bildet einen einzigen blutigen Krater. Der Soldat war sofort tot. Emil hebt langsam seinen erdverkrusteten Stahlhelm über den Trichterrand, um sich einen Überblick zu verschaffen. Vor ihm liegt das MG-Nest, aus dem unaufhörlich die Funken über das Schlachtfeld stieben. Eigene Männer sind in der Nähe nicht zu sehen, weiter entfernt geht der Angriff voran. Die Feuerwalze wandert langsam aus. Emil ist alles egal. Er springt aus seinem Erdloch hoch und läuft direkt nach vorn.

Noch ist er nicht entdeckt worden, da das MG gerade zur anderen Seite hin schießt. Dann schwenkt es jedoch herum und...

mehr