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Im Gleichschritt stark

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
320 Seiten
Deutsch
Gmeiner Verlagerschienen am13.09.20232023
Während der Krawalle am Kurfüstendamm läuft Kommissar Franz Reinicke der SA-Mann Emil Bachmann über den Weg. Jener saß bis vor Kurzem noch im Zuchthaus. Und das hätte er nach Reinicke nie verlassen dürfen. Seit Jahren wartet er darauf, Bachmann für immer wegsperren zu können. Und auf einmal bietet sich ihm die Gelegenheit. Bachmann ist zum Reichsparteitag in Nürnberg gereist und nach einem Zechgelage neben einer Leiche aufgewacht. Reinicke wird aus Berlin herbeigerufen und reibt sich schon die Hände.

Jörg Reibert wurde 1972 in Braunschweig geboren und lebt mit seiner Familie in Bamberg. Er ist Maschinenbauingenieur und promovierte im Bereich Geschichte der Naturwissenschaften über Technik im Ersten Weltkrieg. 2017 veröffentlichte er im Gmeiner-Verlag den zeitgeschichtlichen Krimi »Ein böser Kamerad« und dessen Fortsetzung »Brauner Nebel«. Mit »Im Gleichschritt stark« folgt nun der dritte Teil der Reihe.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
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E-BookPDF0 - No protectionE-Book
EUR10,99

Produkt

KlappentextWährend der Krawalle am Kurfüstendamm läuft Kommissar Franz Reinicke der SA-Mann Emil Bachmann über den Weg. Jener saß bis vor Kurzem noch im Zuchthaus. Und das hätte er nach Reinicke nie verlassen dürfen. Seit Jahren wartet er darauf, Bachmann für immer wegsperren zu können. Und auf einmal bietet sich ihm die Gelegenheit. Bachmann ist zum Reichsparteitag in Nürnberg gereist und nach einem Zechgelage neben einer Leiche aufgewacht. Reinicke wird aus Berlin herbeigerufen und reibt sich schon die Hände.

Jörg Reibert wurde 1972 in Braunschweig geboren und lebt mit seiner Familie in Bamberg. Er ist Maschinenbauingenieur und promovierte im Bereich Geschichte der Naturwissenschaften über Technik im Ersten Weltkrieg. 2017 veröffentlichte er im Gmeiner-Verlag den zeitgeschichtlichen Krimi »Ein böser Kamerad« und dessen Fortsetzung »Brauner Nebel«. Mit »Im Gleichschritt stark« folgt nun der dritte Teil der Reihe.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783839276686
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum13.09.2023
Auflage2023
Reihen-Nr.3
Seiten320 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.11592377
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Berlin, Dienstag, 25. Juni 1935

Berlin ächzt unter der Sommerhitze. Die Luft im Polizeipräsidium ist stickig. Die Möbel atmen den Geruch nach Holz, Harz und Tabakrauch aus. Das Sonnenlicht wird durch einen dünnen Stoffvorhang gefiltert und fällt in einem hellen Streifen auf den schweren Büroschreibtisch. Staubpartikel tanzen durch die Luft. Kriminalkommissar Franz Reinicke sitzt über eine Akte gebeugt. Die Anzugjacke hat er über den Stuhl gehängt und die Krawatte so weit gelockert, wie es die Sitten bei der Kripo gerade noch als schicklich zulassen. Im Raum ist es still, nur von außerhalb dringen Geräusche herein: der Verkehrslärm des nahen Alexanderplatzes, das Klingeln der Tram, das Klappern der Schreibmaschinen aus den Nachbarbüros. Reinicke kaut auf einem Bleistift herum, mit dem er sich von Zeit zu Zeit Notizen macht. Er ist ein unauffälliger Typ, mittelgroß, nicht gerade schlank, aber auch nicht beleibt, wie es andere seiner Kollegen jenseits der vierzig Jahre geworden sind. Seine Gesichtsfarbe tendiert ins Rötliche, jedoch nicht von der gesunden Art, wie sie von sportlicher Betätigung an der frischen Luft herrührt. So auch seine Haarfarbe, auch wenn man den Grundton Blond nennen mag. An den Schläfen zeigen sich erste graue Schatten, doch der Schnauzbart steht nach wie vor kräftig und buschig da und verleiht seinem Gesicht einen entschlossenen Zug.

Die Stirn des Kriminalkommissars liegt in Falten, er liest sich immer wieder den vor ihm liegenden Fall durch, gleicht die Zeugenaussagen ab und sucht nach der Verbindungslinie, der Wahrheit zwischen ihnen. Ein banaler Verkehrsunfall - nichts Ungewöhnliches im turbulenten Berlin. Reinicke müsste nur aus dem Fenster sehen und würde alle paar Minuten einen Beinahe-Unfall beobachten können. Hier allerdings ist ein Mensch gestorben, noch schlimmer, ein Kind.

Ein Bauer, der Waren nach Berlin geliefert hat, ist mit seinem Fuhrwerk auf den Gleisen der Straßenbahn stehen geblieben. Das Pferd wollte einfach nicht weiterlaufen. Dummerweise ist gleichzeitig die Bahn auf ihn zugefahren und hat die Breitseite des Leiterwagens erwischt. Durch die Wucht des Aufpralls wurde das hölzerne Fahrzeug völlig zerstört und noch ein paar Meter mitgezogen, bis die Tram zum Stillstand gekommen ist. Der Bauer ist dabei bis auf ein paar blaue Flecke unverletzt geblieben, weil sein Kutschbock glücklicherweise schon über die Gleise hinausgeragt hat. Auch dem Pferd ist nichts passiert, es wurde lediglich in seinem Geschirr reichlich unsanft durch die Gegend geschoben. In der Straßenbahn wurden die Fahrgäste durch die abrupte Bremsung durcheinandergeschleudert, auch hier hat es fast keine schlimmeren Blessuren gegeben. Bis auf das Kind.

Reinicke lehnt sich in seinem Drehstuhl zurück und erinnert sich an das Verhör. Er ist kurz nach dem Unfall eingetroffen, etwa eine halbe Stunde war vergangen. Die ersten Aufräumarbeiten sind bereits im Gange gewesen, man hat die Reste des Leiterwagens eingesammelt, um die Straße frei zu machen.

Reinicke schüttelt den Kopf. Was haben sie ihm in der Mordkommission immer und immer wieder eingetrichtert, einen Tatort nie zu verändern, alles zu belassen und fotografisch zu erfassen. Sehnsüchtig denkt er an diese Zeit zurück. Berlin hatte damals die erste Mordkartei weltweit, in der die Fälle dokumentiert und geordnet wurden. Und heute? Sitzt er in der wohlklingenden Kriminalgruppe M, die seit 1933 auch Sittlichkeitsverbrechen und Branddelikte bearbeitet, und eben die tödlichen Verkehrsunfälle, wie dieser, der vor ihm auf dem Tisch liegt.

Reinicke würde gern wieder aktiv werden, jagen, den Kitzel spüren, der ihn immer packt, wenn er einen undurchsichtigen Fall auf den Tisch bekommt. Doch er kann froh sein, sich hinter seinen unpolitischen Verkehrsdelikten verstecken zu können. Zu viel Mord und Totschlag gibt es seit der Machtergreifung, so viel hat er gesehen und gehört, was er nicht verfolgen konnte und durfte. Man hat ihm bedeutet, von bestimmten Dingen die Finger zu lassen, und er hat sich daran gehalten.

Blut war in der Tram, verschmiert auf dem Boden. Ein relativ kleiner Fleck. Der Angestellte eines Kaufhauses, der sich auf dem Weg in seine Arbeitsstätte befunden hat, hat unsanft die Haltestange geküsst, was ihn mehrere Vorderzähne hat einbüßen lassen. Der Mann hat mit verschmiertem Hemd auf einem Treppenabsatz gegessen, als Reinicke ihn befragt hat, und ist in Rage geraten. Er hat befürchtet, dass seine Verlobte mit ihm in diesem Zustand nicht mehr vor den Traualtar treten würde, und sofort Geld verlangt. Unsinnig hohe Beträge sollten ihm gezahlt werden, von der Regierung, der Stadt Berlin, dem Trambahnfahrer, er war da nicht sehr wählerisch.

Reinicke schließt die Akte nachdenklich und legt sie beiseite, auf den Stapel der Papiere, die für ihn uninteressant sind, weil sie keine Aussage zu dem eigentlichen Drama enthalten, das sich ereignet hat. Ein Kind hat hinten auf der Plattform des Wagens gestanden, ist anscheinend gerade aufgesprungen. Auf jeden Fall hat sich das zehnjährige Mädchen außerhalb des Waggons befunden, als dieser unsanft abgebremst wurde. Es hat dadurch seinen Halt verloren und wurde aufs Kopfsteinpflaster geschleudert. Genickbruch - der Tod ist sofort eingetreten.

Wer ist nun schuld an diesem tragischen Unglück, fragt sich Reinicke. Und das wird auch das Gericht fragen, wenn es die Akten aufarbeitet, die Reinicke sorgsam anlegt. Trägt der Bauer die Schuld? Hätte er sich anders verhalten müssen oder können? Ist das störrische Verhalten des Pferdes Ursache für den Tod des Mädchens, oder war der Straßenbahnfahrer zu schnell unterwegs? Hätte er rechtzeitig bremsen müssen? Die Situation anders einschätzen?

Im Gericht sind sie viel beschäftigt, das weiß der Kriminalkommissar. Man wird sich also weitgehend auf sein Urteil verlassen und seine Einschätzung übernehmen. Oder war alles nur ein dummer Zufall, eine Tragödie ohne fremdes Zutun?

Das wird der Familie des Kindes egal sein. Todesnachrichten zu überbringen hasst Reinicke. Es ist jedes Mal anders und doch immer gleich. Manchmal nehmen die Angehörigen die Hiobsbotschaft gefasst auf, manchmal heulen sie wie die Hunde, schreien, wüten, wollen es nicht wahrhaben. Reinicke geht das persönlich nahe. Er ist nicht gut im Trostspenden, Gefühlsregungen wie Mitleid und Trauer kann er nicht gut vermitteln, obwohl er sie genauso tief empfindet wie die Angehörigen. Zu viel Tod hat er im Krieg gesehen und erleben müssen, doch fasst es ihn immer wieder an, gerade wenn so ein unschuldiges Kind dran glauben muss, das noch sein ganzes Leben vor sich gehabt hätte.

Der Vater war stumm, hat nur geseufzt und sich auf das Kanapee fallen lassen. Die Hände zitterten, der Mundwinkel zuckte, und dennoch, obwohl es ihm in diesem Moment, als der Kommissar vor ihm stand, das Herz zerrissen hat, hat er keinen Laut der Klage von sich gegeben. Die Mutter hat laut gejammert, aber die Reaktion des Vaters hat den Kommissar weit tiefer getroffen. Und obwohl Reinicke im Dienst keinen Alkohol trinkt, hat er sich hinterher ein großes Glas Schnaps zugestanden, das er in der nächsten Eckkneipe mit heiserer Stimme geordert hat.

*

Die Uniform sitzt nicht mehr so stramm wie am Morgen. Schweißflecke zeichnen sich unter der Achsel ab und färben den braunen Stoff des Hemdes dunkel. Unter dem linken Arm klemmt ein Paket, der Arm mit der blutroten Hakenkreuzarmbinde kann es kaum umfassen. Sie leuchtet strahlend in der Sommersonne und verschafft dem Träger bei den entgegenkommenden Passanten Platz. Emil Bachmann schiebt sich durch das Gedränge am Kurfürstendamm, seine Frau Frieda und Else, eine Freundin von ihr, im Schlepptau. Bachmanns Krawatte baumelt vor dem Bauch hin und her, die Füße in den Schaftstiefeln dampfen in ihren Wollsocken. Am liebsten würde er seine Kappe absetzen und sie seiner Frau in die Hand drücken, aber als SA-Mann muss er Vorbild sein. So bleibt er immer wieder mürrisch stehen, wenn die beiden Frauen vor einem Schaufenster einen Stopp einlegen, um die Auslage zu betrachten.

Noch sieht man bei Frieda keinen Bauch. Sie ist in der zehnten Woche schwanger, das einzige Zeichen ihres veränderten Zustands sind die geschwollenen Brüste, die ihr geblümtes Sommerkleid ausfüllen und den Stoff straffer erscheinen lassen. Emil betrachtet seine Frau mit Wohlgefallen. Schon immer hat er sie ansprechend gefunden, aber nun, in Erwartung des Nachwuchses, fühlt sich ihre Beziehung gleich doppelt gut an. Was hat sich für ihn in den letzten Jahren nicht alles zum Besseren gewendet. Aus dem abgerissenen Soldaten, der mittellos aus dem Krieg heimkehrte, dem ehemaligen Zuchthäusler, der für die Bewegung kämpfte und seinen Kopf hingehalten hat, ist ein angehender ehrbarer Familienvater geworden, mit einer ordentlichen Stelle als Schreiner und einem bescheidenen Zuhause.

Nun gehen sie ein paar Besorgungen für den Nachwuchs einholen, eine Bettdecke wie ihre eigene, nur deutlich kleiner, haben sie schon erstanden. Sie haben zwar genug Angebote der Frauen von Kameraden, ihre abgelegten Kindersachen zu übernehmen, was sie aus Kostengründen auch gern tun werden, aber was das Kinderbett angeht, ist Frieda wählerisch. Da darf es nur das Beste und Neueste sein. Auch Emil steuert seinen Beitrag zu und arbeitet bereits an einer Wiege, die er selbst schreinert. Sein Arbeitgeber lässt ihn nach Arbeitsende nach Belieben werkeln. Ansonsten müssen sie jeden Pfennig umdrehen. Wie Emil weiß, endet ein Schaufensterbummel nicht immer in irgendeinem Laden, um etwas zu erstehen. Schon gar nicht hier bei den Nobelgeschäften am Kurfürstendamm. Die beiden Frauen wollen meist nur im Anblick der vielen schönen Kindersachen schwelgen und sich hinterher beim...

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