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Windige Hunde

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
279 Seiten
Deutsch
Gmeiner Verlagerschienen am05.07.20172017
Ein Aussiedlerhof in der Holsteinischen Schweiz. Schutzpolizistin Franziska Wilde und Karo, die Besitzerin des Hofes, stehen am Fenster und blicken hinaus auf einen Windpark. Karos Sohn Jan wird verdächtigt, am Attentat gegen Henning Pahl, Bürgermeister des Dorfs, beteiligt zu sein. Der »klebt« vor ihren Augen am Rotorflügel seiner Windkraftanlage. Die Zeit drängt. Ein Orkan ist im Anzug und der elektronische Bremsmechanismus des Rotors ist außer Funktion. Werden sie den Bürgermeister rechtzeitig befreien können?

Die Diplom-Biologin Antonia Fehrenbach studierte, promovierte und forschte in Freiburg, Göttingen und Marburg, bis sie im Jahr 2005 zu einer alten Leidenschaft zurückfand: der Lust am Schreiben. Inzwischen lebt sie in Schleswig-Holstein, schreibt Romane, Drehbücher, veranstaltet Erzählabende, verfasst Biografien und begleitet autobiografische Vorhaben. Die Schönheit des Nordens, seine weiten Landschaften und sein einzigartiges Licht inspirieren ihre Geschichten, in denen auch die Schattenseiten ihren Raum bekommen. Mit »Windige Hunde«, ihrem dritten Roman, widmet sich die Autorin dem aktuell sehr umstrittenen Thema »Windkraft« und zieht den Leser mit in einen Strudel menschlicher Verirrungen. Es geht um die Verortung des Glücks und andere Träume.
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Verfügbare Formate
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E-BookPDF1 - PDF WatermarkE-Book
EUR5,99

Produkt

KlappentextEin Aussiedlerhof in der Holsteinischen Schweiz. Schutzpolizistin Franziska Wilde und Karo, die Besitzerin des Hofes, stehen am Fenster und blicken hinaus auf einen Windpark. Karos Sohn Jan wird verdächtigt, am Attentat gegen Henning Pahl, Bürgermeister des Dorfs, beteiligt zu sein. Der »klebt« vor ihren Augen am Rotorflügel seiner Windkraftanlage. Die Zeit drängt. Ein Orkan ist im Anzug und der elektronische Bremsmechanismus des Rotors ist außer Funktion. Werden sie den Bürgermeister rechtzeitig befreien können?

Die Diplom-Biologin Antonia Fehrenbach studierte, promovierte und forschte in Freiburg, Göttingen und Marburg, bis sie im Jahr 2005 zu einer alten Leidenschaft zurückfand: der Lust am Schreiben. Inzwischen lebt sie in Schleswig-Holstein, schreibt Romane, Drehbücher, veranstaltet Erzählabende, verfasst Biografien und begleitet autobiografische Vorhaben. Die Schönheit des Nordens, seine weiten Landschaften und sein einzigartiges Licht inspirieren ihre Geschichten, in denen auch die Schattenseiten ihren Raum bekommen. Mit »Windige Hunde«, ihrem dritten Roman, widmet sich die Autorin dem aktuell sehr umstrittenen Thema »Windkraft« und zieht den Leser mit in einen Strudel menschlicher Verirrungen. Es geht um die Verortung des Glücks und andere Träume.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783839254660
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum05.07.2017
Auflage2017
Reihen-Nr.2
Seiten279 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.2431605
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

8

Am nächsten Tag war eine Nachricht von Charlotte in meiner Mailbox. Der Anhang war riesig, und der Computer brauchte eine Ewigkeit, ihn herunterzuladen. Zur Info , hatte sie geschrieben und einen kurzen Gruß daruntergesetzt. Die Bilder drehten mir den Magen herum. Gebrochene Flügel, zerschlagene Schnäbel, eine grausame Zusammenschau geschundener, blutiger Vogelleiber, allesamt Schlagopfer durch Windkraftrotoren. Das Bild des geköpften Seeadlers gab mir den Rest. Ich schaffte es gerade noch zur Kloschüssel ins Gästebad.

Gegen Mittag fand Jan mich schlafend und eingerollt wie ein Igel auf der Fußmatte vor der Toilette. Ich fror, stammelte etwas von einer Erkältung. Beherzt fasste er meine Hand und zog mich in die Höhe. Seit seinem sechsten Lebensjahr ging er zum Karate, und sein junger Körper strotzte vor Spannkraft. Er führte mich in mein Zimmer und bestand darauf, dass ich mich auf die Couch legte. Auf dem Monitor des Laptops stand noch das letzte Bild.

»Ich werde das niemals zulassen«, erklärte Jan feierlich, schloss das Programm und fuhr den Computer herunter.

Er hatte die Bilder gesehen, bevor er mich fand. Ich war gerührt. Ich wollte ihn da nicht hineinziehen.

Ich fand keine Ruhe. Die Fotokopie einer Karte, die gestern Abend in Charlottes Wohnzimmer die Runde gemacht hatte, ging mir nicht aus dem Kopf. Niemand konnte mir sagen, ob die Grenzen für das Planungsgebiet richtig eingezeichnet waren. Für mich sah es so aus, als läge unsere Hauskoppel im Windkraftareal, was nicht sein konnte, denn das hätte ich gewusst. Die Karte besaß keinen Maßstab. Ich brauchte eine sachlich korrekte und verbindliche Auskunft.

Am Nachmittag raffte ich mich auf und fuhr zur zuständigen Amtsverwaltung in den Nachbarort. Ein ansehnlich vergrößerter Ausschnitt einer topografischen Karte hing im Schaukasten neben dem Bauplanungsbüro. Auf dem Türschild las ich Dirk Oldeslo . Darunter stand Sachbearbeiter . Ich klopfte an und schob den Kopf durch den Türspalt. Ich hatte nicht vor hineinzugehen, wollte den Sachverhalt gleich vor der Tür an der großen Karte klarstellen. Der junge Mann hinter dem Schreibtisch sprang eifrig auf, als ich ihn zu mir winkte. Ein von Wolken verschleiertes hauchzartes Himmelblau fiel durch die hohen Fenster des Treppenhauses und warf sein Abbild auf das Glas des Schaukastens. Die Nasen dicht vor der Scheibe bahnten wir uns gemeinsam Sicht durch die Spiegelungen hindurch auf das Abbild der Landschaft dahinter. Das für Windenergie ausgewählte Plangebiet war rot schraffiert. Das enge Linienmuster hob die Fläche ein wenig über die Zweidimensionalität des Papiers hinaus wie ein verirrtes umgedrehtes Puzzleteil, das nicht ins Bild passen wollte. Ich verspürte den Impuls, es wegzunehmen. Im Geiste vervollständigte ich die Knicklinien und Grundstücksgrenzen, die es verdeckte. Kein Zweifel: Die rote Schraffur hatte auch meine Hauskoppel geschluckt.

»Wer hat diese Flächen festgelegt?«, fragte ich ein wenig zu scharf.

Oldeslo straffte den Rücken. Sein Körper nahm Haltung an, aber sein Blick blieb weich und offen. Er kam mir vor wie einer dieser weißen Raben unter den Amtsdienern, die das Verwalten menschlicher Belange für einen Akt der Nächstenliebe hielten.

»Das kommt von ganz oben«, erwiderte er und wies mit bedeutungsvoller Miene in die erwähnte Richtung.

Ich schaute zur Decke. Dort schlängelte sich der zerfranste Saum eines vor nicht allzu langer Zeit behobenen Wasserschadens.

»Sie meinen den Papst?«, fragte ich ungläubig.

Auf seiner Stirn kräuselte sich die Spur eines Zweifels und weckte die Närrin in mir. Es war wie ein belebendes Elixier, das mich aus dem erdrückenden Korsett der Konventionen befreite. Kein ungefährliches Spiel, das mich einmal beim Übersetzen fast den Job gekostet hätte.

Dirk Oldeslo blickte hilflos.

»Nur ein Spaß!«, beendete ich eilig den Spuk verschwörerisch lächelnd, was den jungen Mann noch mehr verunsicherte.

Er wippte nervös auf den Zehen. »Die Landesregierung steckt diese Ausbauziele«, erwiderte er.

Ich drückte den Zeigefinger auf die Scheibe des Schaukastens, ungefähr auf der Höhe der Stelle, wo sich mein Eigentum befand. »Das da unten ist meine Koppel«, sagte ich und bemühte mich, ruhig zu bleiben. »Wie kommt die Landesregierung dazu, rote Streifen darüber zu malen?«

»Nein, also!« Oldeslo verstärkte seine Fußgymnastik. »Die Karte kommt vom Kreisbauamt.«

»Und?« Mein Fingernagel klackte bedrohlich auf Glas. »Was fällt dem Kreisbauamt ein, auf meiner Hauskoppel herumzukritzeln?«

Sein Wippen war in ein Schaukeln übergegangen. »Die Vorschläge für die Flächen kommen selbstverständlich aus den Gemeinden«, ereiferte sich Oldeslo. »Sie sind Landeigentümerin und waren bestimmt dabei, als der Gemeinderat seinen Beschluss dazu fasste!« Sein Geschaukel erfror.

Eine starke Hitzewelle brachte mich aus dem Konzept. Meine Haarwurzeln schmorten. Ich wunderte mich, dass kein Brandgeruch aufkam. Ich dampfte aus allen Poren. Ich sublimierte. Er hatte mich erwischt, und ich zog knurrend den Finger zurück. Mein Zorn waberte eingequetscht zwischen Kiefer und Zwerchfell wie hochexplosives Plasma. Hastig verabschiedete ich mich. Als ich die Treppe erreichte, blickte ich mich um, sah, wie Dirk Oldeslo mit seinem Hemdsärmel das Glas des Schaukastens wienerte, die Spuren meines Angriffs wegwischte. Sein unschuldiger Eifer rührte mich, und mit jeder Stufe, die ich dieses ordentliche Selbstverständnis amtlicher Hierarchien hinabstieg, wich mein heiliger Zorn einem Gefühl von Ohnmacht.

Das erbärmliche Heulen überkam mich erst auf der Heimfahrt. Wer, außer Henning Pahl, konnte ein Interesse daran haben, mich derart zu hintergehen? Henning verfügte über dieses Land so, als würde es seiner Familie noch immer gehören. Dabei hatte sein Großvater Hinnerk die Koppel vor rund 40 Jahren meinem Vater überschrieben als Schweigegeld dafür, dass ich meinen Mund hielt und den toten Seeadler nicht mehr erwähnte. Vielleicht sorgte er sich auch wegen anderer Dinge. Erst hatte ich gebockt, dann hatte ich mich erzürnt, hatte das Brotmesser in die Tischplatte gerammt, und schließlich hatte ich aufgegeben. Nichts hätte den Seeadler wieder lebendig gemacht. Das Land, das Hinnerk Pahl meinem Vater geschenkt hatte, besiegelte ein Schuldeingeständnis, war das Pfand für ein Verbrechen. Als Erbin hatte ich darüber zu wachen. Je länger ich nachdachte, desto mehr war ich davon überzeugt, dass es sich um einen Pahlschen Schachzug handelte. Wie ließ sich ein von Bauplänen unmittelbar Betroffener besser zum Schweigen bringen, als dass man ihn daran beteiligte? Henning kannte mich gut genug, um zu wissen, dass bei mir kein Blumentopf zu gewinnen war. Mir schwante nichts Gutes.

Am Abend sprach ich mit Tom. Wir saßen am Fenster im Wohnzimmer, unserem Lieblingsplatz, und blickten hinaus. Der Himmel brannte und flutete die Holsteinische Schweiz mit dem Saft marokkanischer Blutorangen. Ich erinnerte mich nicht, wann wir das letzte Mal so beieinandergesessen hatten. Tom war bedrückt, was mir zu meinem Bedauern die Lust am Streiten vermieste. Mein wabernder Zorn war inzwischen sauer geronnen, hatte den Zustand von klumpiger Wut angenommen. Ein übler Geschmack lag mir auf der Zunge. Inzwischen war ich mir sicher, dass Henning mit Tom geredet hatte. Bestimmt hatte er ihm ein Stück von der fetten Torte der glücklichen Windmüller angeboten. Für den Frieden im Dorf selbstverständlich. Niemand sollte sich im Nachteil fühlen. Das Ganze stank nach Pahlschem Schweinestall.

Tom rieb sich die Schläfen. »Du machst uns alles kaputt!«, fuhr er mich an.

»Wie bitte?«

»Der Windpark kommt so oder so. Dann ist es doch besser, wir haben auch was davon.«

Fassungslos starrte ich ihn an. »Du hast der Gemeinde mein Land angeboten?«

»Dein, mein â¦« Tom schnaufte. »Henning kam auf mich zu. Er wollte eine alte Schuld begleichen.«

»Pah!«, brüllte ich. »Und du hast ihm das geglaubt?«

Tom zog den Kopf ein. »Ich dachte, ich könnte vermitteln. Alte Geschichten - es macht keinen Sinn, ewig daran festzuhalten. Irgendwann â¦«

»Wie lange kennst du ihn schon?«

»Fast so lange wie du.«

Ich fragte mich, wie viel in dieser kurzen Zeitspanne geschieht, die über dieses Fast hinausgeht? Nein, nicht die Anzahl der Eindrücke, sondern ihre Intensität ist entscheidend, die wir bestimmen und die besonders ausgeprägt ist, wenn wir jung und unsere Köpfe noch frei sind. Damals war ich verdammt jung gewesen!

Ich betrachtete Toms müdes Gesicht. Der kleine Mund ein wenig mürrisch verzerrt. Ich zählte die Fältchen drum herum, braun gebrannt mit schneeweißen Talsohlen. Es waren zu viele.

»Wir könnten das Geld gut gebrauchen.« Er rieb sich die rissigen Hände. Das tat er immer, wenn er verlegen war. »Die Werkstatt braucht dringend eine neue Hebebühne.«

Eine bleierne Müdigkeit drückte mich in das weiche Polster. Wie bitterer Sirup sickerte die Enttäuschung in mein Bewusstsein. Ich nahm mich zusammen, bemühte mich, langsam zu sprechen. »Weshalb kommst du nicht zu mir, bevor du zu Henning gehst?«

Abwehrend schüttelte er den Kopf. Henning wäre auf ihn zugegangen. Er, Tom, hätte weder Ja noch Nein gesagt, hätte es anfangs nicht ernst genommen, aber dann doch die Vorteile bedacht, letztendlich den Dingen ihren Lauf gelassen. Der Windpark käme so oder so. Draußen verblasste die Dämmerung und zog die Lüge ins Dunkel hinüber.

»Hat Henning das gesagt?«, wollte ich wissen.

»Das weiß...

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Autor

Die Diplom-Biologin Antonia Fehrenbach studierte, promovierte und forschte in Freiburg, Göttingen und Marburg, bis sie im Jahr 2005 zu einer alten Leidenschaft zurückfand: der Lust am Schreiben. Inzwischen lebt sie in Schleswig-Holstein, schreibt Romane, Drehbücher, veranstaltet Erzählabende, verfasst Biografien und begleitet autobiografische Vorhaben. Die Schönheit des Nordens, seine weiten Landschaften und sein einzigartiges Licht inspirieren ihre Geschichten, in denen auch die Schattenseiten ihren Raum bekommen. Mit »Windige Hunde«, ihrem dritten Roman, widmet sich die Autorin dem aktuell sehr umstrittenen Thema »Windkraft« und zieht den Leser mit in einen Strudel menschlicher Verirrungen. Es geht um die Verortung des Glücks und andere Träume.
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Fehrenbach, Antonia