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Wächter des Kreuzes

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
685 Seiten
Deutsch
Bastei Lübbeerschienen am26.10.20171. Aufl. 2017
Sieben Städte, sieben Todsünden, sieben mörderische Prüfungen
Auf der ganzen Welt sind die Reliquien des Heiligen Kreuzes verschwunden. Im Auftrag des Vatikan soll ein dreiköpfiges Expertenteam diesen gewaltigen Reliquienraub aufklären: die Paläografin Ottavia Salina, der Archäologe Farag Boswell und der Schweizergardist Kaspar Glauser-Röist. Bald stoßen sie auf eine streng geheime Bruderschaft - die Wächter des Kreuzes. Um zu ihnen vorzudringen, muss das Trio einen uralten Initiationsritus meistern. Sieben lebensgefährliche Prüfungen, die alle mit Dantes Göttlicher Komödie zusammenhängen ...
Der internationale Bestseller in Neuauflage
Platz 1 der spanischen Bestsellerliste


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Produkt

KlappentextSieben Städte, sieben Todsünden, sieben mörderische Prüfungen
Auf der ganzen Welt sind die Reliquien des Heiligen Kreuzes verschwunden. Im Auftrag des Vatikan soll ein dreiköpfiges Expertenteam diesen gewaltigen Reliquienraub aufklären: die Paläografin Ottavia Salina, der Archäologe Farag Boswell und der Schweizergardist Kaspar Glauser-Röist. Bald stoßen sie auf eine streng geheime Bruderschaft - die Wächter des Kreuzes. Um zu ihnen vorzudringen, muss das Trio einen uralten Initiationsritus meistern. Sieben lebensgefährliche Prüfungen, die alle mit Dantes Göttlicher Komödie zusammenhängen ...
Der internationale Bestseller in Neuauflage
Platz 1 der spanischen Bestsellerliste


Details
Weitere ISBN/GTIN9783732547739
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum26.10.2017
Auflage1. Aufl. 2017
Seiten685 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse991 Kbytes
Artikel-Nr.2457102
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

EINS

Alles Schöne, alles Kunstvolle, alles Sakrale spürt wie wir die unaufhaltsam verrinnende Zeit. Sei er sich der Eintracht mit dem Unendlichen bewusst oder nicht, sobald der Schöpfer sein Kunstwerk als vollendet betrachtet und seiner Bestimmung übergibt, beginnt für ebendieses Werk ein Dasein, das es im Laufe der Jahrhunderte auch immer dem Alter und dem Tod ein Stück näher bringt. Jedoch verleiht ihm die Zeit, die uns altern lässt und zugrunde richtet, eine neue Dimension von Schönheit, von welcher der Mensch nur träumen kann: Würde ich heute das Kolosseum mit all seinen Mauern und Stufen wiedererrichtet sehen wollen? Gäbe ich etwas für das Parthenon, in grellen Farben bemalt, oder für die Nike von Samothrake wieder mit Kopf? Nicht um alles in der Welt.

Derlei Gedanken gingen mir durch den Kopf, während ich mit den Fingerkuppen über die rauen Ecken des vor mir liegenden Pergaments strich. Ich war so in meine Arbeit vertieft, dass ich das Klopfen an der Tür gänzlich überhörte. Ebenso wenig nahm ich wahr, wie der Archivsekretär William Baker die Türklinke herunterdrückte und seinen Kopf hereinstreckte. Als ich ihn letztendlich dann doch bemerkte, stand er schon in der Tür meines Labors.

»Dottoressa Salina«, flüsterte Baker, hütete sich jedoch, über die Schwelle zu treten, »Hochwürden Pater Ramondino bat mich, Ihnen auszurichten, Sie mögen sofort in sein Büro kommen.«

Ich blickte von den Schriftstücken hoch und nahm meine Brille ab, um den Sekretär besser mustern zu können, in dessen ovalem Gesicht sich die gleiche Ungläubigkeit widerspiegelte wie in meinem. Mit seiner dicken Brille aus Schildpatt und dem schütteren, zwischen Blond und Grau changierenden Haar, das er peinlich genau so hingekämmt hatte, dass die größtmögliche Fläche seiner glänzenden Halbglatze verdeckt wurde, war Baker einer dieser kleinen, stämmigen Nordamerikaner, die unschwer auch als Südeuropäer durchgehen könnten.

»Entschuldigen Sie, Dr. Baker«, meinte ich mit weit aufgerissenen Augen, »könnten Sie mir bitte wiederholen, was Sie da soeben gesagt haben?«

»Hochwürden Pater Ramondino will Sie so schnell wie möglich in seinem Büro sehen.«

»Der Präfekt will mich sehen? â¦ Mich?« Ich konnte der Botschaft keinen Glauben schenken; Guglielmo Ramondino, die Nummer zwei des Vatikanischen Geheimarchivs, war die oberste Instanz nach Seiner Exzellenz Monsignore Oliveira, und man konnte die wenigen Male an einer Hand abzählen, die er einen seiner Angestellten in sein Arbeitszimmer beordert hatte.

Ein verlegenes Lächeln huschte über Bakers Gesicht, als er nickte.

»Und haben Sie eine Ahnung, warum er mich sehen will?«, fragte ich ganz eingeschüchtert.

»Nein, Dottoressa Salina, doch wird es zweifellos wegen etwas sehr Wichtigem sein.«

Damit schloss er, noch immer ein Lächeln auf den Lippen, sacht die Tür hinter sich und war verschwunden. Zu diesem Zeitpunkt plagten mich schon die Symptome dessen, was man gemeinhin als einen Anfall von Panik bezeichnet: schweißnasse Hände, ein trockener Mund, Herzrasen und zitternde Knie.

Irgendwie gelang es mir, mich von meinem Hocker zu erheben, die Schreibtischlampe zu löschen und einen letzten schmerzerfüllten Blick auf die beiden herrlichen byzantinischen Kodizes zu werfen, die vor mir ausgebreitet auf dem Tisch lagen. Ich hatte die vergangenen sechs Monate darauf verwandt, mit ihrer Hilfe das berühmte Panegyrikon des heiligen Nikephoros zu rekonstruieren, und ich stand kurz vor seiner Fertigstellung. Resigniert seufzte ich â¦ Um mich herum herrschte tiefe Stille. Mein kleines Labor - dessen ganzes Mobiliar aus einem alten Holztisch, ein paar langbeinigen Hockern, einem Kruzifix an der Wand und einer Vielzahl randvoller Bücherregale bestand - lag vier Ebenen unter der Erdoberfläche und gehörte zum Hypogäum, dem Teil des Vatikanischen Geheimarchivs, zu dem nur eine sehr beschränkte Anzahl von Menschen Zutritt hatte; es war die unsichtbare Abteilung des Vatikans, für die Welt wie die Geschichte nicht existent. Viele Journalisten und Gelehrte hätten ihr Leben dafür gegeben, auch nur eines der Dokumente einsehen zu können, die während der letzten acht Jahre durch meine Hände gegangen waren. Doch allein die Annahme, dass irgendein der Kirche nicht nahestehender Mensch die nötige Erlaubnis bekäme, bis dorthin vorzudringen, war reine Illusion; noch nie hatte ein Laie Zugang zum Hypogäum erhalten, und niemandem würde dies je gewährt werden.

Auf meinem Schreibtisch waren außer dem Lesepult, den vielen Notizbüchern und der Speziallampe - die Pergamente sollten sich nicht erwärmen - auch noch Radiermesser, Latexhandschuhe und Aktenmappen mit hochaufgelösten Reproduktionen der am schwersten beschädigten Blätter der byzantinischen Kodizes zu finden. Wie ein sich windender Wurm ragte an einer Seite des Tisches der lange Arm einer Lupe heraus, an der eine aus rotem Karton gefertigte Hand baumelte, auf der viele Sterne klebten: ein Andenken an den letzten - ihren fünften - Geburtstag der kleinen Isabella, meiner Lieblingsnichte unter den fünfundzwanzig Nachkommen, die sechs meiner acht Geschwister der Herde des Herrn beigesteuert hatten. Ein Lächeln erhellte mein Gesicht, als ich mich jetzt an das lustige kleine Mädchen erinnerte, wie sie rief: »Tante Ottavia, Tante Ottavia, lass mich dir mit dieser roten Hand ein paar herunterhauen!«

Der Präfekt! Mein Gott, der Präfekt erwartete mich, und ich stand hier wie angewurzelt und dachte an Isabella! Hastig zog ich den weißen Kittel aus, hängte ihn an seinen Haken an der Wand, und nachdem ich meinen Ausweis mit der Benutzer-ID, auf dem neben einem schrecklichen Porträtfoto ein großes C zu sehen war, an mich genommen hatte, trat ich hinaus auf den Flur und schloss hinter mir die Tür. Mein Mitarbeiterstab saß an einer langen Reihe von Tischen, die sich gute fünfzig Meter bis zu den Fahrstuhltüren erstreckte. Auf der anderen Seite der Stahlbetonwand katalogisierte und archivierte subalternes Personal Hunderte, Tausende von Verzeichnissen und Akten über die Kirche und ihre Geschichte, ihre Diplomatie und sämtliche sie betreffende Aktivitäten vom 2. Jahrhundert bis zum heutigen Tag. Die mehr als fünfundzwanzig Kilometer langen Bücherregale des Vatikanischen Geheimarchivs ließen das Ausmaß der erhaltenen Dokumentation erahnen. Offiziell verwahrte das Archiv nur Schriftstücke der letzten achthundert Jahre; doch auch die der tausend Jahre zuvor (jene, die nur im dritten und vierten Untergeschoss des Hochsicherheitstrakts zu finden waren) befanden sich in seiner Obhut. Seit sie aus den Pfarreien, Klöstern oder Kathedralen, von archäologischen Ausgrabungen oder aus den ehemaligen Archiven der Engelsburg und der Apostolischen Kammer hierher überführt worden waren, hatten diese wertvollen Dokumente das Sonnenlicht nicht mehr gesehen, welches sie neben anderen, gleichermaßen gefährlichen Dingen für alle Ewigkeit zerstören könnte.

Schnellen Schrittes ging ich zu den Aufzügen, blieb jedoch kurz an einem der Tische stehen, um die Arbeit Guido Buzzonettis, eines meiner Assistenten, zu begutachten, der sich mit einem Brief des mongolischen Großkhans Güyük abmühte, den dieser im Jahre 1246 an Papst Innozenz IV. geschickt hatte. Wenige Millimeter von seinem rechten Ellenbogen entfernt, genau neben einigen Fragmenten des Schreibens, stand ein kleines Gefäß mit alkalischer Lösung. Unverschlossen.

»Guido!«, rief ich erschrocken. »Keine Bewegung!«

Entsetzt starrte Guido mich an; er wagte nicht einmal mehr, Luft zu holen. Das Blut war aus seinem Gesicht gewichen und stieg langsam in seine Ohren, die wie zwei rote Tücher wirkten, die ein weißes Schweißtuch umrahmten. Mit der geringsten Bewegung seines Arms würde er die Lösung über die Fragmente verschütten und damit irreparable Schäden auf einem für die Historie einzigartigen Dokument anrichten. Um uns herum hatten alle in der Arbeit innegehalten. Es herrschte tiefes Schweigen. Ich nahm das Gefäß, stöpselte den Deckel darauf und stellte es ans andere Ende des Tischs.

»Buzzonetti«, zischte ich und sah ihn dabei mit durchdringendem Blick an, »packen Sie sofort Ihre Sachen zusammen und sprechen Sie beim Vizepräfekten vor.«

Nie hatte ich in meinem Labor ein derart fahrlässiges Verhalten geduldet. Buzzonetti war ein junger Dominikaner, der an der Vatikanischen Schule für Paläographie, Diplomatik und Archivistik studiert und sich auf orientalische Kodikologie spezialisiert hatte. Ich selbst hatte ihn zwei Jahre lang in griechischer und byzantinischer Paläographie unterrichtet, bevor ich den Vizepräfekten des Archivs, Hochwürden Pater Pietro Ponzio, darum gebeten hatte, ihm eine Stelle in meinem Team zu offerieren. So sehr ich Bruder Buzzonetti auch schätzte und um seinen großen Wert wusste, war ich dennoch nicht bereit, ihn weiterhin im Hypogäum zu beschäftigen. Unser Material war einzigartig, einfach unersetzlich, und wenn in tausend oder zweitausend Jahren irgendjemand den Brief Güyüks an Innozenz IV. einsehen wollte, musste ihm dies auch möglich sein. So einfach war das. Was wäre denn einem Restaurator des Louvre passiert, der einen Topf voll Farbe auf dem Rahmen der Mona Lisa hätte stehenlassen? â¦ Seit ich dem Labor für Restaurierung und Paläographie des Vatikanischen Geheimarchivs vorstand, hatte ich für derartige Verfehlungen meiner Mannschaft niemals Verständnis aufgebracht - alle wussten dies -, und heute würde ich es ebenso wenig aufbringen.

Während ich den Aufzug rief, war ich mir wieder einmal vollkommen im Klaren darüber, dass mich...

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