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Gretas Verwandlung

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
304 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am06.11.20171. Auflage
Mallorca kann sehr kalt sein York und Greta fehlt es an Geld. Da ist das Angebot des vermögenden Roland verlockend, den Sommer in seiner Villa zu verbringen. Doch anstelle der erwarteten Idylle emfängt die beiden ein Rätsel. Überall treffen sie auf Spuren einer mysteriösen Frau. Wer ist sie? Wo hält sie sich auf? Lebt sie überhaupt noch?

Sabine Alt studierte Germanistik, Pädagogik und Mathematik und arbeitete kurze Zeit als Studienrätin. 1995 begann sie mit dem Schreiben, wobei sich schnell herausstellte, dass die Leser ihrer Texte Dinge erfahren würden, über die man in der Schule nichts lernt. Ihre Texte loten die moralischen Grenzbereiche der Seele aus und zeigen Menschen in Extremsituationen. Sabine Alt lebt und arbeitet als Autorin in Berlin.Literaturpreise:Agatha-Christie-Krimi-Preis 2009 (2. Platz)
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Produkt

KlappentextMallorca kann sehr kalt sein York und Greta fehlt es an Geld. Da ist das Angebot des vermögenden Roland verlockend, den Sommer in seiner Villa zu verbringen. Doch anstelle der erwarteten Idylle emfängt die beiden ein Rätsel. Überall treffen sie auf Spuren einer mysteriösen Frau. Wer ist sie? Wo hält sie sich auf? Lebt sie überhaupt noch?

Sabine Alt studierte Germanistik, Pädagogik und Mathematik und arbeitete kurze Zeit als Studienrätin. 1995 begann sie mit dem Schreiben, wobei sich schnell herausstellte, dass die Leser ihrer Texte Dinge erfahren würden, über die man in der Schule nichts lernt. Ihre Texte loten die moralischen Grenzbereiche der Seele aus und zeigen Menschen in Extremsituationen. Sabine Alt lebt und arbeitet als Autorin in Berlin.Literaturpreise:Agatha-Christie-Krimi-Preis 2009 (2. Platz)
Details
Weitere ISBN/GTIN9783104907451
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum06.11.2017
Auflage1. Auflage
Seiten304 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1086 Kbytes
Artikel-Nr.2503911
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Donnerstag: Die Villa


Am nächsten Vormittag warteten York und Greta ungeduldig auf die Abfahrt Rolands. Alles schien wie üblich zu verlaufen. Gegen elf Uhr verließ er in seinem Jeep das Grundstück, das Tor krachte ins Schloss, während sich die Motorengeräusche auf der Straße entfernten.

»Jetzt.« Greta lief mit eiligen Schritten hinauf zur Villa.

York folgte ihr langsamer. »Und wenn er zurückkommt?«

»Dafür bist du ja da«, antwortete sie unbekümmert. »Du hilfst mir dabei, durch das Fenster zu steigen, und dann stellst du dich vorn an die Terrasse. Da siehst du jeden Wagen schon von weitem. Und wenn einer dabei ist, der aussieht wie Rolands Jeep, läufst du hinters Haus und rufst mich.«

»Und wenn er uns trotzdem erwischt?«

»Keine Sorge. Ich bin schneller draußen, als er hier ist.«

Hinter der Villa war alles wie am Vortag. Die Klimaanlage rauschte, das Badezimmerfenster war gekippt. Greta stellte sich auf die Zehenspitzen und entriegelte es. Diesmal war sie vorbereitet, hielt den Rahmen fest und ließ ihn langsam nach innen gleiten. Dann wandte sie sich an York.

»Weißt du, was eine Räuberleiter ist?«

»Klar. Was denkst du von mir?«

»Dass du ein verwöhnter höherer Sohn bist, der von den wirklich wichtigen Dingen des Lebens keine Ahnung hat.« Greta lachte.

York teilte ihre gute Laune nicht. Er verschränkte die Finger und stemmte sich mit dem Rücken gegen die Hauswand.

»Jetzt mach schon, Greta. Ich werde nervös, wenn ich nicht bald zurück auf die Terrasse kann. Was ist, wenn Roland etwas vergessen hat? Vielleicht ist er schon umgekehrt, um es zu holen, und erwischt uns hier in flagranti.«

»Mach dir nicht ins Hemd. Heb mich lieber ein bisschen höher. Ja, so ist es gut. Jetzt den linken Fuß nachschieben. Danke, das reicht.«

»Und denk daran: immer alle Türen offen lassen, damit du mich im Notfall rufen hörst.« Yorks Stimme klang besorgt.

Greta antwortete nicht. Sie war schon im Inneren des Hauses, lief einen schmalen Flur entlang, von dem noch eine zweite Tür abging. Durch einen gemauerten Bogen erreichte sie eine große Halle, die mehrere Funktionen zugleich zu erfüllen schien, sie war Wohnraum, Küche und Entree in einem.

Zunächst untersuchte Greta die Eingangstür von innen. Sie wies zwei Stahlriegel auf, die quer über die Tür verliefen und seitlich in entsprechenden Wandhalterungen endeten. Greta versuchte, einen von ihnen zu bewegen, aber ohne Erfolg. Was von außen wie ein normales Haus wirkte, entpuppte sich jetzt als Hochsicherheitstrakt. Greta brach der Schweiß aus. Es wird auch eine Alarmanlage geben, dachte sie, wahrscheinlich habe ich sie längst ausgelöst. Binnen weniger Minuten werden wir die Polizei auf dem Grundstück haben.

Mühsam unterdrückte sie die aufsteigende Panik und zwang sich zur Ruhe. Sie hob den Blick auf der Suche nach Bewegungsmeldern in den Ecken des Raumes. Nichts. Sie prüfte die Fenster auf das Vorhandensein der winzigen Drähte, mit denen ein Einbruch registriert werden konnte. Nichts.

Langsam beruhigte sich Greta. Die Fenster waren schließlich vergittert, vermutlich reichte das als Schutz. Und was würde eine Alarmanlage hier draußen schon nutzen? Da es keine Nachbarn gab, wäre jede Sirene sinnlos. Und die nächste Polizeistation war so weit entfernt, dass ein Eindringling rechtzeitig fliehen könnte. Kein Grund zur Panik also. Solange York nicht rief, konnte sie sich in Ruhe umsehen.

Die Halle wirkte düster, sie besaß nur wenige kleine Fenster, die Greta schon von außen kannte. Anders als unten im Poolhaus, wo gewöhnliche spanische Möbel standen, war die Einrichtung hier von fast asiatischer Schlichtheit. Weiße Polstersofas hockten klobig vor einem Sandsteinkamin. Entlang der Wände standen niedrige schwarze Regale, in denen großformatige Bildbände und Ausstellungskataloge lehnten. Greta zog einen von ihnen heraus. Sammlung Grothe las sie, und beim Aufblättern zeigten sich moderne Gemälde, die dem von York fabrizierten gar nicht so unähnlich waren. Greta stellte den Katalog zurück. Dass Roland sich für moderne Kunst interessierte, war ihr auch vorher klar gewesen. Außerdem zeugten die Bilder, die oberhalb der Regale hingen, von dieser Leidenschaft.

Ein rosafarbener Kahlkopf grinste lüstern auf Greta hinunter. Zwei debile Kinder spielten mit einem Ball, der längst alle Luft verloren hatte. Ein Zwerg hing fröhlich winkend an einer Steilwand, ohne zu bemerken, dass sein Kompagnon oben auf der Klippe im Begriff war, das Sicherungsseil zu lösen.

Genau so habe ich mir Rolands Geschmack vorgestellt, dachte Greta. Aber es ging nicht um Geschmack, sondern um Geheimnisse. Sie musste den Ort finden, an dem der Hausherr seine persönlichen Dinge aufbewahrte. In der Küchenzeile war das wohl kaum der Fall, also beschloss Greta, diesen Bereich, der ganz in schwarzem Lack und Chrom gestaltet war, zu ignorieren. Der Fernseher interessierte sie schon mehr. Er stand in einer Ecke schräg gegenüber dem Kamin. Die Fernbedienung lag griffbereit auf einem Beistelltisch aus rohem Holz, der die Form eines Backenzahns hatte. Greta nahm den schmalen, erstaunlich schweren Metallstift in die Hand und drückte auf eine Programmtaste. Das Symbol »Video« erschien auf dem Display, Greta startete die Wiedergabe und der Bildschirm zeigte mit einiger Verzögerung eine Filmszene, die sie kannte. Sie stammte aus Hitchcocks Vertigo. Kim Novak stand in einer Ausstellungshalle, sie war so tief in die Betrachtung eines Bildes versunken, dass sie ihren Verfolger, der hinter ihr auf einer Bank saß und sich längst in sie verliebt hatte, nicht bemerkte.

Greta zwang sich dazu, keine Schlüsse aus dem Gesehenen zu ziehen. Sie dachte an York. Wenn er wüsste, dass sie hier mit der Fernbedienung spielte anstatt in den Schränken zu schnüffeln, würde er wütend werden.

York? Hatte Greta nicht eben seine Stimme gehört? Sie lauschte angestrengt. Nein, sie musste sich getäuscht haben, es war alles ruhig. Aber sie sollte keine Zeit mehr verlieren, sie würde nicht zurück ins Badezimmer laufen, um sich zu überzeugen, dass alles in Ordnung war. York stand doch ohnehin an der vorderen Terrasse und beobachtete die Straße.

Neben der Küchenzeile führte eine Treppe ins obere Geschoss und mündete in einen langen Flur, von dem drei Türen abgingen. Greta öffnete sie alle.

In der Mitte war ein großes Badezimmer und links und rechts davon befanden sich je ein Schlafraum mit einem direkten Zugang in das Bad. Die Schlafräume waren identisch eingerichtet, minimalistisch, aber gediegen. Die Bettgestelle waren geschmiedet, Kissen und Decken mit hellgrauem Leinen bezogen, jeweils eine Raumseite war mit Einbauschränken versehen. Beide Schlafräume wirkten unbenutzt, das Bad mit seinem doppelten Marmorwaschtisch und den Einbauregalen aus hellem Holz ebenfalls. Die Armaturen glänzten, auf den Böden lag kein Stäubchen. Greta öffnete einen der Waschbeckenunterschränke. Er war leer bis auf eine Flasche mit WC-Reiniger, die einsam auf blitzsauberen Regalbrettern stand. Eine Kontrolle der restlichen Türen ergab das gleiche Resultat: Alles war leer, alles war sauber.

Ohne viel Hoffnung auf Erfolg untersuchte Greta die Wandschränke im ersten Schlafzimmer. Auch hier zeigte sich ihr gähnende Leere. Im zweiten Schlafzimmer war es nicht ganz so. Der Schrank enthielt einen Stapel mit Kaschmirpullovern in einer mächtigen Herrengröße, außerdem zwei wattierte Steppjacken und einen Windbreaker, alles Stücke, die ebenfalls Rolands Größe haben mochten. Unter einem Kleidersack hing ein Smoking, unter zwei weiteren verbargen sich dunkle Anzüge, deren Stoff sich glatt und weich anfühlte.

Greta war enttäuscht. Offenbar hatte Roland hier oben seine Winter- und Festtagsgarderobe untergebracht. Aber bewohnt wirkten die Räume nicht. Sämtliche Nachttische waren leer und die Leinenbezüge beider Betten frisch und ohne jede Falte. Geschlafen hatte hier ganz bestimmt niemand. Während Greta ein letztes Mal durch die Räume ging, registrierte sie, dass auf dieser Etage nicht ein einziges Bild hing. Greta untersuchte die Wände genauer. An einigen Stellen gab es Haken oder Löcher, in denen einmal Haken gesteckt haben mochten. Es hatte also Zeiten gegeben, zu denen das Geschoss bewohnt gewesen war, und damals mussten hier auch Bilder gehangen haben.

Aber was nutzte ihr diese Erkenntnis? Mutlos stieg Greta die Treppe wieder hinunter. Wie war es möglich, dass Roland in diesem sterilen Haus lebte? Wo schlief er, wo befanden sich seine persönlichen Sachen? Greta war noch nicht einmal auf Schmutzwäsche gestoßen, auf benutzte Handtücher oder Frühstücksgeschirr.

Frühstücksgeschirr? Die Türen der Unterschränke in der Küchenzeile sahen alle identisch aus. Greta öffnete die beiden unter der Spüle. Es waren zwei Klappen, hinter der linken verbarg sich der Mülleimer, hinter der rechten der Geschirrspüler. Im Müll fand Greta eine Milchtüte und Obstschalen, Kiwi und Orange, an denen noch frischer Saft glänzte. In der Spülmaschine waren Gläser und benutztes Geschirr. Roland ist kein Zombie, fuhr es Greta durch den Kopf, gleichzeitig rief sie sich zur Ordnung. Keine dummen Assoziationen, keine Panik. Es würde sich alles klären, auch die letzte Frage: Wo schlief Roland?

Nachdenklich ging Greta zurück zum unteren Bad, durch dessen Fenster sie ins Haus geklettert war. Erst jetzt nahm sie wahr, was sie in der Hast des Eindringens übersehen hatte, vielleicht weil es so selbstverständlich gewesen war. Hier gab es Wasserflecken auf der Marmorplatte neben dem Waschbecken, es gab ein noch nicht ganz getrocknetes Handtuch an dem Wandhaken und kurze graue Haare auf dem Fußboden. Im Flur war noch eine zweite Tür. Greta war...
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Sabine Alt studierte Germanistik, Pädagogik und Mathematik und arbeitete kurze Zeit als Studienrätin. 1995 begann sie mit dem Schreiben, wobei sich schnell herausstellte, dass die Leser ihrer Texte Dinge erfahren würden, über die man in der Schule nichts lernt. Ihre Texte loten die moralischen Grenzbereiche der Seele aus und zeigen Menschen in Extremsituationen. Sabine Alt lebt und arbeitet als Autorin in Berlin.Literaturpreise:Agatha-Christie-Krimi-Preis 2009 (2. Platz)