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Fahles Feuer

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
608 Seiten
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am24.07.20181. Auflage
Nabokovs vierzehnter Roman - der erste aus der Zeit nach «Lolita» - gibt sich als die kommentierte Ausgabe eines 999 Zeilen langen Gedichts mit dem Titel «Fahles Feuer», verfasst von John Shade, einem bedächtigen neuenglischen Lyriker und Professor, der von einem Mörder erschossen wurde, ehe er die letzte, die tausendste Zeile zu Papier bringen konnte. Der Herausgeber ist sein Kollege, Nachbar und angeblicher Freund Charles Kinbote. Dessen Kommentar verfehlt jedoch Shades ernstes Poem, in dem es um den Selbstmord der schwierigen und hässlichen Tochter, um den Tod und die Wahrscheinlichkeit eines Lebens danach geht, auf eine so dreiste wie groteske Weise. Kinbote gibt sich nämlich als der exilierte König von Zembla zu erkennen, Carl der Vielgeliebte, der Shade nicht dazu bringen konnte, seine Lebensgeschichte aufzuschreiben, und der es nun in Form von Anmerkungen zu «Fahles Feuer» selber tut. Ihm galt, so meint er, auch die Kugel, die Shade tötete. Freilich ist zweifelhaft, ob es sich so verhält. Nabokov lockt den Leser auf Rätselgänge, Licht des fahlen Feuers flackert von Spiegel zu Spiegel, Echos erklingen: ein Virtuosenstück, «eine Amalgamierung von Ernst und Spiel, einer anrührenden menschlichen Geschichte mit dem kühlen Kalkül einer Problemschachaufgabe». Dieter E. Zimmer

Vladimir Nabokov wird am 22. April 1899 in St. Petersburg geboren. Nach der Oktoberrevolution flieht die Familie 1919 nach Westeuropa. 1919-1922 in Cambridge Studium der russischen und französischen Literatur. 1922-1937 in Berlin, erste Veröffentlichungen, meist unter dem Pseudonym W. Sirin. 1937-1940 nach der Flucht aus Nazideutschland in Südfrankreich und in Paris, seit 1940 in den USA. 1961-1977 wohnt Nabokov im Palace Hotel in Montreux. Er stirbt am 2. Juli 1977.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR34,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextNabokovs vierzehnter Roman - der erste aus der Zeit nach «Lolita» - gibt sich als die kommentierte Ausgabe eines 999 Zeilen langen Gedichts mit dem Titel «Fahles Feuer», verfasst von John Shade, einem bedächtigen neuenglischen Lyriker und Professor, der von einem Mörder erschossen wurde, ehe er die letzte, die tausendste Zeile zu Papier bringen konnte. Der Herausgeber ist sein Kollege, Nachbar und angeblicher Freund Charles Kinbote. Dessen Kommentar verfehlt jedoch Shades ernstes Poem, in dem es um den Selbstmord der schwierigen und hässlichen Tochter, um den Tod und die Wahrscheinlichkeit eines Lebens danach geht, auf eine so dreiste wie groteske Weise. Kinbote gibt sich nämlich als der exilierte König von Zembla zu erkennen, Carl der Vielgeliebte, der Shade nicht dazu bringen konnte, seine Lebensgeschichte aufzuschreiben, und der es nun in Form von Anmerkungen zu «Fahles Feuer» selber tut. Ihm galt, so meint er, auch die Kugel, die Shade tötete. Freilich ist zweifelhaft, ob es sich so verhält. Nabokov lockt den Leser auf Rätselgänge, Licht des fahlen Feuers flackert von Spiegel zu Spiegel, Echos erklingen: ein Virtuosenstück, «eine Amalgamierung von Ernst und Spiel, einer anrührenden menschlichen Geschichte mit dem kühlen Kalkül einer Problemschachaufgabe». Dieter E. Zimmer

Vladimir Nabokov wird am 22. April 1899 in St. Petersburg geboren. Nach der Oktoberrevolution flieht die Familie 1919 nach Westeuropa. 1919-1922 in Cambridge Studium der russischen und französischen Literatur. 1922-1937 in Berlin, erste Veröffentlichungen, meist unter dem Pseudonym W. Sirin. 1937-1940 nach der Flucht aus Nazideutschland in Südfrankreich und in Paris, seit 1940 in den USA. 1961-1977 wohnt Nabokov im Palace Hotel in Montreux. Er stirbt am 2. Juli 1977.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783644001398
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum24.07.2018
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.10
Seiten608 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1160 Kbytes
Artikel-Nr.2530709
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Fahles Feuer

Ein Gedicht in vier Cantos



Erster Canto



(1) Ich war der Schatten eines Seidenschwanzes,

Den trügerisches Azurblau im Fensterglas erschlug;

Ich war der Schmutzfleck aschnen Flaums - und ich

Flog weiter, lebte fort im reflektierten Himmel.

Und auch von innen her verdoppelte

Ich selbst mich, meine Lampe, einen Apfel auf dem Teller:

Zog von der Nacht den Vorhang und ließ dunkles Glas

Nun alle Möbel übern Rasen hängen,

Und welch Entzücken, wenn ein Schneefall dann

(10) Mein Stückchen Rasen deckte und sich derart häufte,

Dass Stuhl und Bett genau auf jenem Schnee

Zu stehen kamen, draußen, im kristallnen Land!

 

Den Schnee noch mal: jede herbeigewehte Flocke,

Gestaltlos, langsam, taumelnd und opak,

Ein duffes Weiß im fahlen Weiß des Tages

Und abstrahierte Lärchen im neutralen Licht.

Und dann das graduelle Blau, verdoppelt,

Da Nacht Betrachter und Betrachtetes vereint,

Und morgens drücken Raureifdiamanten

(20) Erstaunen aus: Wessen gespornte Füße haben

Das leere Blatt des Wegs von links nach rechts gequert?

Im Code des Winters zeigen sie von links nach rechts:

Ein Punkt, ein Pfeil, der rückwärts weist; noch mal:

Punkt, Pfeil, der rückwärts weist ... Fasanenspur!

Du Schöner mit dem Halsring, sublimierter Feldhahn,

Gleich hinter meinem Haus fandst du dein China.

Stammt er aus Sherlock Holmes, der Bursche, dessen Spur

Nach hinten wies, als er die Schuh umdrehte?

 

Mich machten alle Farben glücklich: selbst das Grau.

(30) Es waren so geartet meine Augen, dass

Sie regelrechte Photos machten. Wenn ich´s zuließ

Oder es ihnen leise schaudernd anbefahl,

Wurde, was immer sich in meinem Blickfeld zeigte -

Ein Innenraum, das Hickorylaub oder die schlanken

Stilette eines frosterstarrten Stillicidiums -,

Der Rückwand meiner Augenlider aufgedruckt,

Wo es dann ein, zwei Stunden säumte, und in dieser Zeit

Braucht´ ich nicht mehr zu tun, als meine Augen

Zu schließen, und das Laub, die Innenszene oder die

(40) Trophäen an der Traufe waren abgebildet.

 

Ein Rätsel ist mir, dass ich auf dem Schulweg

Entlang der Lake Road die Veranda unsres Hauses

Erkennen konnte, während ich jetzt nicht einmal,

Obschon kein Baum dazwischentrat,

Das Dach erblicke. Womöglich hat ein Winkelzug im Raum

Bewirkt, dass eine Falte oder Furche den fragilen

Ausblick verschob, das Holzhaus zwischen

Goldsworth und Wordsmith dort auf seinem grünen Viereck.

 

Ich mochte einen jungen Hickorybaum besonders

(50) Mit seinem dunklen Jadeblattwerk und dem magren

Zerfurchten schwarzen Stamm. Der Sonnenuntergang

Bronzierte seine schwarze Borke, auf der nun

Der Blätterschatten lag wie losgebundene Girlanden.

Jetzt ist er stark und rau; er hat sich gut gemacht.

Durch seinen Schatten gleiten weiße Falter,

Lavendelblau getönt, wo sachte das Phantom

Der Schaukel meines Töchterchens zu schwingen scheint.

 

Das Haus ist etwa so geblieben, wie es war. Wir haben

Den einen Flügel renovieren lassen. Es gibt nun ein Solarium

(60) Sowie ein Panoramafenster mit zwei Sesseln an den Seiten.

Des Fernsehns Riesenheftklammer blinkt jetzt

Anstatt der steifen Wetterfahne, die so oft

Besuch von der Spottdrossel hatte, zartgrau und naiv;

Nunmehr erzählt sie die Programme nach, die sie mithört,

Gelangt dabei von tschippo-tschipp zu einem klaren

To-wih, to-wih und drauf zu einem krächzenden come here,

Come here, come herrr; sitzt dann mit wippem Stert

Oder nach einem einen leichten graziösen Aufwärtsschwung

Im nächsten Augenblick (to-wih!) schon wieder

(70) Auf ihrem Rastplatz - unsrer neuen Dachantenne.

 

Ich war ein Kind, als meine Eltern starben.

Ornithologen beide. Zu beschwören suchte ich

So oft sie, dass ich heute eine Tausendschaft

Von Eltern habe. Traurig gehn sie auf

In ihren eignen Tugenden, entweichen,

Doch manches Wort, ein Zufallswort wie «Herzkrankheit»,

Wenn ich es höre oder lese, meint es immer ihn,

«Bauchspeicheldrüsenkrebs» dagegen weist auf sie.

 

Der Präterist: ein Mensch, der kalte Nester sammelt.

(80) Hier lag mein Schlafzimmer, jetzt Gästen vorbehalten.

Hier lauschte ich, vom Dienstmädchen aus Kanada

Zu Bett gebracht, dem Stimmgeschwirr dort unten - betend,

Ein jeder möge stets gesund und wohlauf sein,

Die Onkel und die Tanten, auch die Putzfrau samt Adele,

Der Nichte, die den Papst gesehn, Leute aus Büchern, Gott.

 

Ich wuchs bei Tante Maud auf, einer lieben und

Bizarren Malerin und Dichterin mit einem Hang

Zu realistischen Objekten, eng verflochten mit

Grotesken Wucherungen, Untergangsvisionen.

(90) Sie hörte noch das nächste Baby schreien. Ihr Zimmer,

Wir haben´s so gelassen. All sein Kleinkram bildet

Ein Stillleben nach ihrer Art: der Briefbeschwerer,

Konvexes Glas, umschließt eine Lagune.

Beim Index offen liegen die Gedichte (Mond,

Mondaufgang, Moor, Moral). Eine vereinsamte Gitarre.

Ein Schädel; und aus dem Lokalblatt

Ein Kuriosium: Red Sox schlagen Yankees 5:4

Nach Chapmans Homer, an die Tür gepinnt.

 

Mein Gott starb jung. Ich fand Theolatrie

(100) Erniedrigend und die Prämissen brüchig.

Der freie Mensch braucht keinen Gott. Doch war ich frei?

Natur - wie fest ich sie doch an mir kleben fühlte,

Wie liebt´ mein Kindergaumen den Geschmack

- Halb Fisch, halb Honig - dieses goldnen Kleisters!

 

Mein Bilderbuch war schon sehr zeitig jenes

Bemalte Pergament, das unsern Käfig tapeziert:

Die Malvenringe um den Mond; die Blutorangensonne;

Der Doppelregenbogen; und das rare Phänomen

Iridulum - wenn, fremd und schön,

(110) Im klaren Himmel über einer Kette Berge

Ein einzelnes opalnes Wölkchen von ovalem Umriss

Den Regenbogen des Gewitters reflektiert,

Das sehr weit ab in einem Tal in Szene geht -

Denn äußerst kunstvoll sind wir eingesperrt.

 

Und da ist auch die Mauer des Geräuschs: die Wand,

Im Herbst nachts von Trillionen Grillen aufgestellt,

Massiv und dicht! Auf halber Höhe hielt ich -

Gebannt von ihrem irren Trillern - inne.

Dort ist das Licht von Dr. Sutton. Dort der Große Bär.

(120) Vor tausend Jahren waren fünf Minuten

So viel wie vierzig Unzen feinen Sands.

Die Sterne niederstarrn. Endlose Vorzeit und

Endlose Nachzeit: Über deinem Kopfe schlagen sie

Zusammen wie zwei Riesenflügel, und dann bist du tot.

 

Der ganz normale Spießer, so behaupte ich,

Ist besser dran: Die Milchstraß´ sieht er nur,

Wenn er sein Wasser lässt. Damals wie heute

Ging ich auf eigene Gefahr: gepeitscht vom Ast,

Gefällt vom Stumpf. Asthmatisch, lahm und dick,

(130) So dribbelte ich nie den Ball, schwang nie das Schlagholz.

 

Ich war der Schatten jenes Seidenschwanzes,

Erschlagen von der Fensterscheibe trügerischer Ferne.

Ich hatte ein Gehirn, fünf Sinne (einer unvergleichlich),

Doch sonst war ich ein tölpelhafter Tropf.

Des Nachts im Traum, da spielte ich mit andren Jungen,

Doch hegt´ ich wirklich keinen Neid - es sei denn auf

Das Wunder einer Lemniskate,

Von nonchalanten Fahrradreifen mit Geschick

In nassen Sand gepresst.

ââââEin Faden feiner Pein,

(140) Vom spielerischen Tod gezupft, dann wieder losgelassen,

Doch immer da, durchwirkte mich. Dann eines Tags,

Ich war grad elf geworden und verfolgte bäuchlings

Am Boden liegend, wie ein Aufziehspielzeug -

Ein Blechkerl, einen Blechschubkarren schiebend -

An Stuhlbeinen vorbei unter dem Bett verschwand,

Gab´s plötzlich einen Lichtausbruch in meinem Kopf.

 

Dann schwarze Nacht. Die Schwärze war erhaben.

Ich fühlte mich durch Raum und Zeit verteilt:

Ein Fuß auf einem Gipfel, eine Hand

(150) Unter den Kieseln eines keuchenden Gestades,

Ein Ohr im Apennin, ein Auge in Iberien,

Mein Blut in Höhlen, in den Sternen mein Gehirn.

In meiner Trias war ein dunkles Pochen; grüne

Optische Flecken waren im Obren Pleistozän,

Durch meine Steinzeit rann ein eisig Schauder,

Und alle Morgen in dem Musikantenknochen.

 

Für einen Winter sank ich jeden Nachmittag

In diese Augenblicke lange Ohnmacht.

Dann ließ es nach. Erinnerung verblich.

(160) Mir ging es besser, ja. Ich lernte sogar schwimmen.

Doch einem Knaben gleich, den eine Dirne zwang,

Verworfnen Durst mit seiner reinen Zung´ zu stillen,

War ich...


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Autor

Vladimir Nabokov wird am 22. April 1899 in St. Petersburg geboren. Nach der Oktoberrevolution flieht die Familie 1919 nach Westeuropa. 1919-1922 in Cambridge Studium der russischen und französischen Literatur. 1922-1937 in Berlin, erste Veröffentlichungen, meist unter dem Pseudonym W. Sirin. 1937-1940 nach der Flucht aus Nazideutschland in Südfrankreich und in Paris, seit 1940 in den USA. 1961-1977 wohnt Nabokov im Palace Hotel in Montreux. Er stirbt am 2. Juli 1977.Dieter E. Zimmer, geb. 1934, war freier Autor und Übersetzer. Von 1959-1999 war er Redakteur bei DIE ZEIT, davon 1973-1977 Leiter des Feuilletons, danach als Wissenschaftsjournalist mit den Schwerpunkten Psychologie, Biologie, Medizin und Linguistik. Neben zahlreichen weiteren Auszeichnungen erhielt er den Preis für Wissenschaftspublizistik der Deutschen Gesellschaft für Psychologie. Bei Rowohlt war er u. a. als Herausgeber und Übersetzer für die Nabokov-Gesamtausgabe verantwortlich.  Dieter E. Zimmer starb 2020 in Berlin.Uwe Friesel, geboren 1939 in Braunschweig,  schrieb in enger Anlehnung an das Stück die Lesefassung von «Trummi kaputt», um das Thema allen zugänglich zu machen, die das Stück nicht kennen, und zum Nachlesen und Diskutieren für jene, die es gesehen haben.Dieter E. Zimmer, geb. 1934, war freier Autor und Übersetzer. Von 1959-1999 war er Redakteur bei DIE ZEIT, davon 1973-1977 Leiter des Feuilletons, danach als Wissenschaftsjournalist mit den Schwerpunkten Psychologie, Biologie, Medizin und Linguistik. Neben zahlreichen weiteren Auszeichnungen erhielt er den Preis für Wissenschaftspublizistik der Deutschen Gesellschaft für Psychologie. Bei Rowohlt war er u. a. als Herausgeber und Übersetzer für die Nabokov-Gesamtausgabe verantwortlich.  Dieter E. Zimmer starb 2020 in Berlin.Dieter E. Zimmer, geb. 1934, war freier Autor und Übersetzer. Von 1959-1999 war er Redakteur bei DIE ZEIT, davon 1973-1977 Leiter des Feuilletons, danach als Wissenschaftsjournalist mit den Schwerpunkten Psychologie, Biologie, Medizin und Linguistik. Neben zahlreichen weiteren Auszeichnungen erhielt er den Preis für Wissenschaftspublizistik der Deutschen Gesellschaft für Psychologie. Bei Rowohlt war er u. a. als Herausgeber und Übersetzer für die Nabokov-Gesamtausgabe verantwortlich.  Dieter E. Zimmer starb 2020 in Berlin.