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Teufelsintervall

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
600 Seiten
Deutsch
Gmeiner Verlagerschienen am07.02.2018
Der vermeintliche Unfalltod des Kommando-Soldaten Gerd Lutze wird von einem Erfolgsregisseur als Spielfilm umgesetzt. Merkwürdige Vorfälle während der Dreharbeiten sollen von Jan Swensen und seinen Kollegen von der Husumer Kriminalpolizei aufgeklärt werden. Im Filmteam wird von Verschwörung gesprochen, doch erst als ein Mord geschieht, wird auch wirklich ermittelt. Aber was hat das alles mit dem Deutschtürken Gülcan Bayar aus Husum zu tun, der von den USA als Terrorist nach Guantanamo verschleppt wurde? Und was macht der Autor Wimmer Wilkenloh in seinem eigenen Roman? Findet sich eine Antwort in dem Film, dessen brisante Story bis ins Kanzleramt zu Frank-Walter Steinmeier führt?

Wimmer Wilkenloh, von der Nachkriegszeit, dem Wirtschaftswunder und den 68igern geprägt, ist seit frühster Jugend kreativ. Nach einer langen Reise durch den mittleren Osten über Afghanistan nach Indien und Nepal, entdeckt er seine Spiritualität noch einmal anders, studiert an der Kunsthochschule Hamburg und arbeitet danach als freier Autor beim NDR-Fernsehen. All diese Erfahrungen finden sich in seinen Kriminalromanen wieder, die allesamt auf der Halbinsel Eiderstedt spielen. Seit über 20 Jahren hält sich der Autor nicht nur zum Recherchieren dort sehr gerne auf, er fotografiert auch die Details der einzigartigen Küstenregion. Das Wattenmeer, die sich stetig verändernde Landschaft, bildet den Hintergrund für den buddhistisch geprägten Hauptkommissar Jan Swensen.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR15,00
E-BookPDF1 - PDF WatermarkE-Book
EUR9,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextDer vermeintliche Unfalltod des Kommando-Soldaten Gerd Lutze wird von einem Erfolgsregisseur als Spielfilm umgesetzt. Merkwürdige Vorfälle während der Dreharbeiten sollen von Jan Swensen und seinen Kollegen von der Husumer Kriminalpolizei aufgeklärt werden. Im Filmteam wird von Verschwörung gesprochen, doch erst als ein Mord geschieht, wird auch wirklich ermittelt. Aber was hat das alles mit dem Deutschtürken Gülcan Bayar aus Husum zu tun, der von den USA als Terrorist nach Guantanamo verschleppt wurde? Und was macht der Autor Wimmer Wilkenloh in seinem eigenen Roman? Findet sich eine Antwort in dem Film, dessen brisante Story bis ins Kanzleramt zu Frank-Walter Steinmeier führt?

Wimmer Wilkenloh, von der Nachkriegszeit, dem Wirtschaftswunder und den 68igern geprägt, ist seit frühster Jugend kreativ. Nach einer langen Reise durch den mittleren Osten über Afghanistan nach Indien und Nepal, entdeckt er seine Spiritualität noch einmal anders, studiert an der Kunsthochschule Hamburg und arbeitet danach als freier Autor beim NDR-Fernsehen. All diese Erfahrungen finden sich in seinen Kriminalromanen wieder, die allesamt auf der Halbinsel Eiderstedt spielen. Seit über 20 Jahren hält sich der Autor nicht nur zum Recherchieren dort sehr gerne auf, er fotografiert auch die Details der einzigartigen Küstenregion. Das Wattenmeer, die sich stetig verändernde Landschaft, bildet den Hintergrund für den buddhistisch geprägten Hauptkommissar Jan Swensen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783839256923
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum07.02.2018
Reihen-Nr.7
Seiten600 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.2542403
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

2003
Teufelsintervall

Es ist nasskalt, schwarze Quellwolken kriechen vor einem Vollmond über den stumpfen Himmel. Der Winter kommt früh in diesem Jahr, findet Gert Lutze, schaut zu den Dächern hinauf und atmet die feuchte Abendluft tief in seine Lungen ein. Er ist erschöpft, seine Haut leichenblass. Die müden Augen liegen tief in ihren Höhlen und haben dunkle Ränder. Es ist 17.30 Uhr, als er sich auf den Weg macht. Das Auftreten bereitet ihm ziehende Schmerzen im rechten Bein. Er bemerkt, dass er bereits eine Schonhaltung eingenommen hat, beißt die Zähne zusammen und versucht, möglichst natürlich zu gehen. Die rechte Fahrbahn der Nordhusumer Straße ist vollgeparkt. Er wechselt auf die andere Straßenseite, damit er sich nicht in dem beengten Raum zwischen Hausmauern und Autoblech bewegen muss. Als er an einem der typischen vierstöckigen Ziegelhäuser mit Giebelerkern vorbeigeht, schnellt ein Schatten nur wenige Zentimeter an seinem Gesicht vorbei. Er spürt den kurzen Windzug, als im selben Moment ein explosionsartiger Knall seine Gedanken sprengt. Direkt vor seinen Füßen ist eine Bierflasche auf dem Bürgersteig aufgeschlagen und in tausend Stücke zersprungen.

Der Schock, der ihn erstarren lässt, fühlt sich an wie ein Stromschlag, der seine Muskeln lähmt. Ihm wird schwummrig. Ungläubig betrachtet er die sternförmig verteilten Glassplitter, den verspritzten Bierschaum, der auch in langen, weißen Streifen an seinen Hosenbeinen hängt. Auf dem abgebrochenen Flaschenhals, der links an die Hauswand gerollt ist, sitzt noch der Kronenkorkenverschluss.

Lutze weiß nicht, wie lange er nach dem Aufprall ohne eine Regung dasteht, wann er seinen Kopf hebt, um hochzuschauen. Als er es endlich macht, sind alle Fenster an der Hausfassade geschlossen und die Scheiben so blind wie die Nacht, die sich in ihnen spiegelt. Es gibt nichts zu sehen, was darauf schließen ließe, woher die volle Bierflasche gekommen ist, die nur um Haaresbreite seinen Kopf verfehlt hat. Bei der Wucht, mit der sie aufgeschlagen ist, muss sie aus einem der oberen Stockwerke geworfen worden sein. Da oben gibt es einen Menschen, der mutwillig auf Fußgänger zielt, denkt er angestrengt, und sein Gedankengang ist so gewichtig wie Blei.

Aber wer sollte so etwas machen?

Und warum?

Verdammt, wenn dieser Hirnrissige mich getroffen hätte!

Er spürt seine Beine zittern, fühlt, wie sein Herz bis zum Hals schlägt. Wie auf Knopfdruck springt in seinem Hirn ein Projektor an, wirft altbekannte Albtraumbilder, die er aus seiner Zeit im siebenten Kreis der Hölle mitgebracht hat, an die angespannte Leinwand seines Bewusstseins, völlig real und dreidimensional.

Er sieht, wie der olivfarbene Bus, der das Gepäck transportiert, in eine Kurve fährt. Kurz dahinter, im zweiten Fahrzeug, sitzen 32 uniformierte Männer. Der rötliche Hof um die aufgehende Sonnenscheibe sickert durch den schmutziggrauen Dunst, als sie den Stadtrand von Kabul erreichen. Es riecht nach Schweiß, Müll und Smog. Zerlumpte Kinder mit zerzausten schwarzen Haaren und knochige Männer mit Turban bleiben an den Straßenrändern stehen, schauen neugierig, während die Fahrzeuge wie Fremdkörper an ihnen vorbeirollen.

Er sieht, wie er den Arm zum Winken hebt, als im gleichen Augenblick eine Druckwelle die Frontscheibe, einer Seifenblase gleich, nach Innen drückt und zerbersten lässt. Das letzte Bild sind seine verschwitzten Hände, dann trifft der blendende Lichtblitz in einer Flutwelle auf seine Augen und schleudert seinen Kopf gegen eine Mauer aus tiefvioletter Dunkelheit.

Auf dem Weg dorthin fliegen zeitlupenartig Glas- und Metallspitzen durch die Luft auf ihn zu, dringen unter seine Haut und tätowieren stumm seine unsterbliche Seele.

Er sieht sich erwachen, unter dem verdrehten Fensterrahmen in seinem Blut liegen und auf die spitzen Glaszähne starren, die aus der Gummidichtung ragen.

»Alles wird gut, alles wird wieder gut«, sagt eine Gestalt dicht neben seinem Ohr.

Die Gestalt des Mannes wirkt schattenhaft, seine Stimme klingt unwirklich, kommt von weit entfernt, als spräche jemand aus dem Jenseits. Um ihn herum herrscht Chaos. Vier Körper liegen unter blutigen Leinen auf der staubigen Straße. Aus seinem Ober- und Unterarm ragen Splitter durch den Stoff, die aussehen wie Pfeilspitzen. Die Fahrerseite des Busses ist aufgerissen, scharfe Blechteile deuten wie Zeigefinger in den schleierverhangenen Himmel. Es ist Samstag, der 7. Juni 2003.

Afghanistan kriecht unter seine Haut. Ein Trigger beschwört die alte, existenzielle Angst. Darüber gerinnt seine Wut zu blasigem Schaum, den er sich von der Hose wischt. Und dann spürt er, dass er sich wieder bewegen kann, die Glassplitter der Bierflasche mit dem Fuß in den Rinnstein kickt, die Muskeln spannt, die Fäuste ballt und erneut den Kopf hebt. Sein Blick verharrt auf dem obersten Stockwerk, auf den Fenstern im Giebelerker, hinter denen kein Licht brennt. Da oben hält sich ein abgedrehter Spinner verschanzt, da ist er sich sicher, steht im Dunkeln hinter den Gardinen und lacht sich eins.

Du musst hier weg! Hau ab hier! Sofort!

Die Worte scheinen ihn nicht zu erreichen, brüllen nur bedeutungslos auf ihn ein, dröhnen durch seinen Kopf, bleiben in seinen Ohren, bis er endlich den Rückzug antritt. Erst jetzt bemerkt er, dass er seine Tasche mit Notenheften, Badezeug und Handtuch fallen gelassen hat. Sie liegt bespritzt auf dem Bürgersteig, mitten zwischen Bierschaum und Glassplittern, und muss ihm, ohne dass er es bemerkt hat, von der Schulter geglitten sein. Lutze kommt jedoch nicht mehr dazu, sie aufzuheben. Als er sich gerade herunterbeugen will, tritt eine Person an seine Seite. Eine zierliche Hand greift nach dem Tragegurt und hebt die Tasche vom Boden auf.

»Ist dir nicht gut, Gert?«, fragt eine besorgte Stimme, die er kennt und die ein wenig an Zarah Leander denken lässt.

Lutze wendet seinen Kopf zur Seite, neben ihm steht Marga Obermayr, die erst seit Kurzem mit im Chor singt. Sie ist ein Alt, wie es im Theodor-Storm-Chor heißt. Aber Marga kann auch tiefer singen, beherrscht die seltene Stimmlage des Kontraalt, und so besetzt sie, wenn mal wieder Tenöre am Probeabend fehlen, ohne Weiteres auch diesen männlichen Gesangspart.

Die Obermayr ist ihrem Äußeren nach das typische Urbild einer Altistin, ein wenig mollig, melancholisch und dunkelhaarig. Lutze nimmt aus ihren Händen wortlos seine Tasche entgegen, versucht mit seiner Bassstimme ein »Dankeschön« zu formen, doch sie versagt ihm, muss in seinem Schock verschollen sein. Marga schaut ihm eindringlich in die Augen. Ihr Blick pendelt zwischen verwirrt und bestimmt hin und her, bis sie schließlich sagt: »Du willst doch auch zur Chorprobe, oder?«

»Doch, ja! Natürlich!«, findet er seine Sprache wieder und hängt sich die Tasche um. »Es ist nur gerade was passiert â¦, da hat â¦ jemand hat eine Bierflasche nach mir geworfen.«

»Die kaputte Flasche da?«

»Genau! Muss von irgendwo dort oben gekommen sein, glaube ich.«

»Wer macht denn so was?«

»Weiß ich nicht, irgend so ein feiges, hirnamputiertes Arschloch wollte mir anscheinend den Kopf spalten.«

»Du meinst, mit Absicht, Gerd? Bist du dir sicher?«

»Nein, natürlich nicht. Aber wonach sieht es denn aus?«

»Soll ich die Polizei rufen?«, sagt Marga und zieht ihr Handy aus der Tasche.

Gerd Lutze schüttelt den Kopf, macht eine abwehrende Handbewegung. Das ist genau das, weswegen er die Obermayr lieber auf Abstand hält, sie ist distanzlos, geradezu übergriffig. Ständig mischt sie sich in seine Dinge ein, will immer alles von ihm wissen.

»Nee, keine Polizei, bloß nicht!«, wehrt er ihr Vorpreschen ab. »Lass uns einfach von hier verschwinden, wir sind sowieso zu spät dran.«

»Ganz wie du willst«, zischt die Obermayr einsilbig, der beleidigte Unterton ist unüberhörbar. Sie dreht sich abrupt um und geht mit zügigen Schritten einfach los. Lutze ist erleichtert und trabt hinterher, weg von dem Vorfall, der seine alten Geister geweckt hat. Er holt aus, versucht sich wieder einzukriegen und ist an der Ecke Nordhusumer Straße/Gurlittstraße mit der Obermayr wieder gleichauf. Sie marschieren eine Weile schweigend nebeneinanderher, passieren am oberen Ende der Straße einen langen Flachbau, und Lutzes Blick schweift beiläufig zur Hauswand, an der sich vier hölzerne Reklametafeln reihen. Völkerverständigung verkündet das Großplakat auf der ersten, ohne dass ersichtlich für ein Produkt geworben wird. Auf der nächsten Fläche ist gar kein Text, dafür vier identische Minirockschönheiten in weißen Männerhemden mit Krawatte. Eine überdeutliche Anspielung auf die FDJ-Uniformiertheit in der ehemaligen DDR. Lutze stößt es jedes Mal sauer auf, wenn er hier vorbeikommt.

Keiner dieser naiven Werbewessis würde solch eine platte Anspielung witzig finden, wenn er im anderen Teil Deutschlands aufgewachsen wäre, denkt er geladen, während er die dritte Plakatfläche in Augenschein nimmt, auf der neben einem roten fünfzackigen Sowjetstern die Textzeile steht: Bei uns sind alle gleich und ein Pfeil dahinter die Richtung vorgibt: gleich um die nächste Ecke . Das letzte Plakat Uns gehört die Nacht - Husums Kultdiskothek Nachtschicht würdigt er schon keines Blickes mehr, weil er hier schon öfter vorbeigekommen ist und die blöde Botschaft bereits in- und auswendig kennt.

Und uns gehört der Husumer Theodor-Storm-Chor, meldet sich ein abstruser Widergedanke, der Lutze verstört und der ihn fragen lässt, warum sich seine ganze Bitterkeit auf einen harmlosen...

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Autor

Wimmer Wilkenloh, von der Nachkriegszeit, dem Wirtschaftswunder und den 68igern geprägt, ist seit frühster Jugend kreativ. Nach einer langen Reise durch den mittleren Osten über Afghanistan nach Indien und Nepal, entdeckt er seine Spiritualität noch einmal anders, studiert an der Kunsthochschule Hamburg und arbeitet danach als freier Autor beim NDR-Fernsehen. All diese Erfahrungen finden sich in seinen Kriminalromanen wieder, die allesamt auf der Halbinsel Eiderstedt spielen. Seit über 20 Jahren hält sich der Autor nicht nur zum Recherchieren dort sehr gerne auf, er fotografiert auch die Details der einzigartigen Küstenregion. Das Wattenmeer, die sich stetig verändernde Landschaft, bildet den Hintergrund für den buddhistisch geprägten Hauptkommissar Jan Swensen.