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Festwertspeicher der Kontrollgesellschaft

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
496 Seiten
Deutsch
Kiepenheuer & Witsch GmbHerschienen am08.03.20181. Auflage
Alltagsarchäologie und Gegenwartsstenographie Remix 2 ist ein Fortsetzungsroman. Daher die 2 im Titel. Vor vier Jahren erschien Remix 1 eine Sammlung von Stuckrad-Barres besten journalistischen Texten und damit eine perfekte Ergänzung seiner erzählerischen Werke wie Soloalbum und Livealbum. Die Grenzen zwischen literarischer und journalistischer Produktion haben sich bei Stuckrad-Barre seither immer mehr verwischt. Der Autor als Jäger, Sammler und Kronzeuge. In einem Schweizer Chemielabor sucht er nach Bomben, bei Paola und Kurt Felix nach dem Geheimnis der Liebe und auf Sylt nach Gartennazis. Er fährt los, ein Kempowski-Porträt zu verfassen und archiviert dessen gerade entstehenden Tagebucheintrag zum 11.9. Remix 2 ist eine raffinierte Textkomposition, die durch ihre Vielstimmigkeit besticht und somit Satz für Satz nach Stuckrad-Barre klingt: Den Ton unterwirft er dem Untersuchungsgegenstand, die Form folgt der Funktion: Reportagen, Duette, Erzählungen, Montagen, Protokolle, Tagebuchtexte, Experimente, Rätsel. Sie bilden ein Prisma, das scheinbar vertraute Wirklichkeiten bricht und die Welt neu ausleuchtet.

Benjamin von Stuckrad-Barre, 1975 in Bremen geboren, ist Autor von »Soloalbum«, 1998, »Livealbum«, 1999, »Remix«, 1999, »Blackbox«, 2000, »Transkript«, 2001, »Deutsches Theater«, 2001, »Festwertspeicher der Kontrollgesellschaft - Remix 2«, 2004, »Was.Wir.Wissen«, 2005, »Auch Deutsche unter den Opfern«, 2010, »Panikherz«, 2016, »Nüchtern am Weltnichtrauchertag«, 2016, »Udo Fröhliche«, 2016, »Ich glaub, mir geht's nicht so gut, ich muss mich mal irgendwo hinlegen - Remix 3«, 2018 und »Alle sind so ernst geworden« (mit Martin Suter), 2020.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextAlltagsarchäologie und Gegenwartsstenographie Remix 2 ist ein Fortsetzungsroman. Daher die 2 im Titel. Vor vier Jahren erschien Remix 1 eine Sammlung von Stuckrad-Barres besten journalistischen Texten und damit eine perfekte Ergänzung seiner erzählerischen Werke wie Soloalbum und Livealbum. Die Grenzen zwischen literarischer und journalistischer Produktion haben sich bei Stuckrad-Barre seither immer mehr verwischt. Der Autor als Jäger, Sammler und Kronzeuge. In einem Schweizer Chemielabor sucht er nach Bomben, bei Paola und Kurt Felix nach dem Geheimnis der Liebe und auf Sylt nach Gartennazis. Er fährt los, ein Kempowski-Porträt zu verfassen und archiviert dessen gerade entstehenden Tagebucheintrag zum 11.9. Remix 2 ist eine raffinierte Textkomposition, die durch ihre Vielstimmigkeit besticht und somit Satz für Satz nach Stuckrad-Barre klingt: Den Ton unterwirft er dem Untersuchungsgegenstand, die Form folgt der Funktion: Reportagen, Duette, Erzählungen, Montagen, Protokolle, Tagebuchtexte, Experimente, Rätsel. Sie bilden ein Prisma, das scheinbar vertraute Wirklichkeiten bricht und die Welt neu ausleuchtet.

Benjamin von Stuckrad-Barre, 1975 in Bremen geboren, ist Autor von »Soloalbum«, 1998, »Livealbum«, 1999, »Remix«, 1999, »Blackbox«, 2000, »Transkript«, 2001, »Deutsches Theater«, 2001, »Festwertspeicher der Kontrollgesellschaft - Remix 2«, 2004, »Was.Wir.Wissen«, 2005, »Auch Deutsche unter den Opfern«, 2010, »Panikherz«, 2016, »Nüchtern am Weltnichtrauchertag«, 2016, »Udo Fröhliche«, 2016, »Ich glaub, mir geht's nicht so gut, ich muss mich mal irgendwo hinlegen - Remix 3«, 2018 und »Alle sind so ernst geworden« (mit Martin Suter), 2020.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783462319002
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum08.03.2018
Auflage1. Auflage
ReiheKIWI
Reihen-Nr.819
Seiten496 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2650 Kbytes
Artikel-Nr.2608462
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Gartennazis

D. Jurko und G. Brandenburg in BILD: Es ist 8.30 Uhr, und auf Sylt ist die Welt nicht mehr in Ordnung. Die »Gartennazi«-Affäre um Liedermacher Reinhard Mey - nun wollen es ihm die Nachbarn auf der feinen Urlauberinsel zeigen. Mey hatte sie in einem offenen Brief als »Gartennazis« bezeichnet, weil sie ihn beim Komponieren ständig mit Rasenmäherlärm stören würden. In schwarzen Shorts und Pulli kommt Reinhard Mey des Weges, hat sich beim Bäcker Brötchen und BILD gekauft.

 

Reinhard Mey (nimmt die Gitarre vom Gepäckträger und singt):

Er schloss die Türe hinter sich

Hängte Hut und Mantel in den Schrank, fein säuberlich

Setzte sich, »Na, woll´n wir erst mal seh´n, was in der Zeitung steht!«

Und da stand es fett auf Seite zwei:

»Gartennazis! Reinhard Mey!«

Er las den Text, und ihm war sofort klar

Eine Verwechslung, nein, da war kein Wort von wahr

Aber, wie kann etwas erlogen sein, was in der Zeitung steht?

 

(Er legt die Gitarre in den Sandkasten.)

Seit einer Woche suchen wir Erholung in unserem Ferienparadies - vergeblich! In dieser Zeit waren jeden Tag um uns herum die Gartennazis mit schwerem Gerät und unter Höllenlärm-Entwicklung damit beschäftigt, auf handtuchgroßen Grundstücken kleinen, unschuldigen Grashalmen den Garaus zu machen.

Vor Meys Haus: eine Ansammlung aus hauptsächlich Bürgervertretern, echten Bürgern, BILD-Lesern, BILD-Schreibern, Fotografen, Gärtnern, Geldgesocks.

 

BILD-Leser Günter Schullenberg: Laute Nachbarn als »Gartennazis« zu bezeichnen ist eine nicht hinnehmbare Verharmlosung der Nazis des Dritten Reiches.

 

Reinhard Mey: Das ist eine Wortschöpfung des Kabarettisten Georg Ringsgwandl für fanatische Rasenstutzer, Heckenspießer und Halmausrotter.

 

Dr. Georg Ringsgwandl:

Scharf rechts, hinterm Mond,
wo der Gartennazi wohnt,
nicht mehr Stadt und noch nicht Land,
wo der Gartennazi wohnt.
der ständig rumschleicht, spioniert,
die andren alle drangsaliert,
er gehört zu dieser Art von Leut´,
die mit der Nagelscher´ den Rasen schneid´t.

 

Reinhard Mey: Dieses Lied hat Ringsgwandl im letzten Jahr hier auf Sylt präsentiert - das hat damals Jubel ausgelöst! Wer sich durch meine Worte vor den Kopf gestoßen fühlen will - bitte schön. Jeder zieht sich die Jacke an, die ihm passt. Ich wende mich gegen diese fanatischen Menschen, die in ihrer Abwesenheit dafür sorgen, dass aus ihrem Grundstück mit Flammenwerfer, elektrischem Zweitakter und Nagelschere ein englischer Rasen oder Golfplatz wird.

 

Nachbar Lothar Denkewitz, Autor der Buches »Gartenpflege einfach und erfolgreich«: Walzenmäher schneiden, Sichelmäher schlagen das Gras ab. Ein Rasen, der mit einem Walzenmäher geschnitten wird, sieht sauberer und grüner aus. Für kleinere Rasenflächen bis 200 qm reicht ein Handrasenmäher. Das Mähen mit ihm ist eine gute Gymnastik, bringt den Kreislauf auf Trab und fördert die Gesundheit.

 

Reinhard Mey (aufgebracht): Es stinkt und knattert!

 

Hans W. Hansen, Leiter der Ordnungsbehörde des Amtes Landschaft Sylt: Heutige Rasenmäher sind viel leiser als die vorgeschriebene Norm. Ein weiterer Ortstermin bei Herrn Mey ist nicht notwendig. Allerdings sollte er sich überlegen, ob die Wortwahl so richtig war - und dann die Dinge wieder gerade rücken.

 

Frank Jung, Sylter Nachrichten: Nun rückt den Musiker umgekehrt niemand in die Nähe von Skinheads, bloß weil der seine Haartracht mindestens so kurz zu scheren pflegt wie seine Nachbarn ihr Gras. Zwar kritisiert der Star zu Recht ein Verhalten, das auch viele Otto Normalbürger plagt. Aber um da gleich zur Nazi-Keule zu greifen, muss man schon ziemlich abgehoben sein.

 

Reinhard Mey: Wenn man etwas satirisch meint, muss man hier zu Lande wohl eine Riesen-Leuchtschrift anknipsen. Ich nehme kein einziges Wort zurück. Kurioserweise hat die Realität ja nun Dr. Ringsgwandls satirische Überspitzung eingeholt.

 

Kurausschuss-Vorsitzender Dirk Erdmann: Das wird doch alles nur hochgespielt.

 

Dr. Georg Ringsgwandl: Zu dem Lied hat mich ein Nachbar inspiriert. Zehn Tage nachdem wir eingezogen waren, hat er sich erschossen. Diese zehn Tage lang habe ich ihn nur schimpfend und Unkraut jätend erlebt. Und wie er meiner Frau gartengestalterische Direktiven erteilte. Der klingelte zwei Häuser weiter und sagte, Entschuldigung, Sie haben ja Ihr Kaminholz im Garten gar nicht korrekt abgedeckt, das schimmelt doch, das geht ja nicht, ich habe zufällig ein Blech dabei, das kommt da jetzt drauf. Na, der hat sich dann halt umgebracht, der war gut bewaffnet, wie sich hinterher herausstellte. Wir haben ja hier 80 % CSU-Wähler. Alles solide, Ärzte, Bänker, Chefs aller Art, dazu massig Frührentner, geldige Leute. Da kann man Geld auf der Straße liegen lassen - da kommt nichts weg. So, alles bestens, und dann hat da einer ein Waffenarsenal in der Speisekammer. Eben ein Pedantenarsch, ein gemeingefährliches.

 

Reinhard Mey: Montag links von uns, Dienstag hinter uns, Mittwoch schräg links über die Straße, Donnerstag gegenüber, Freitag rechts über die Straße, Sonnabend (doch nicht etwa Schwarzarbeit?) rechts neben uns, und heute fangen sie links von uns wieder von vorne an. Gleichzeitig stoßen sie zu, mit einem 4-Takt-Rasenmäher, einem 2-Takt-Kantentrimmer und einem 2-Takt-Laubpuster, alle an der oberen Drehzahlgrenze und mit Sicherheit jenseits aller zulässigen Lärmnormen.

 

Sylts Bürgermeisterin Ruth Sönksen: In der Amtsverordnung zum Schutz des Kurbetriebs steht unter § 2, Absatz 2: Während der Ruhezeiten (13 bis 15 Uhr, 21 bis 8 Uhr) ist jeglicher Lärm verboten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand nachts Rasen mäht.

 

Kurausschuss-Vorsitzender Dirk Erdmann: Das wird doch alles nur hochgespielt.

 

Reinhard Mey: Die Urlaubsqualität sinkt durch diese ständigen Lärmattacken auf das Niveau einer mittleren Baustelle. Es gibt nur einen Ausweg aus dieser unerträglichen Situation und ein Mittel gegen diese völlig unnötige Umweltbelastung: ein strenges Gartenmaschinenreglement bzw. -verbot in den Sommermonaten. Es steht keine Katastrophe ins Haus, wenn im Juli und August nicht gemäht wird.

 

B. u. M. Dethloff aus Westerland: Sie irren: Einige Kurgäste inszenieren regelrechte Dramen, wenn ihr mitgemieteter Garten nicht regelmäßig gepflegt wird. Vor kurzem beschwerte sich z.B. ein Feriengast bei seinem auswärts wohnenden Vermieter, der Garten sei total verkommen. Richtig war: Es wurde einen Tag später als sonst gemäht, weil es den Tag zuvor stark geregnet hatte.

 

Reinhard Mey: Ich selbst habe unserem Garten eine Schonzeit im Sommer verordnet, und er ist wunderschön, mit blühenden Blumen und Gräsern und Insekten und Vögelchen, die in dieser Oase Zuflucht finden. Es gibt ästhetisch und biologisch keine zwingende Notwendigkeit, das Gras im Sommer am Wachsen zu hindern.

 

BILD-Leserin Josephine Tibackx: An alle Rasenmäherbesitzer: Verschrottet die teuflischen Dinger und gebt der Natur wieder eine Chance.

 

Mathias Rey aus Westerland: Es wäre sehr nett, wenn Sie Ihre Heimreise mit einer Anzeige in der Sylter Rundschau bekannt geben würden, damit wir dann einen Mähdrescher bestellen können.

 

Reinhard Mey: Kompromissvorschlag: Damit die Gartenpflege-Betriebe keine Einbußen haben, finden Sie bitte einen 4- wöchigen Turnus - so wie es mit der Leerung der Mülltonnen ja auch funktioniert -, mit dem Sie das Mähen in einem Inselort auf einen Tag im Monat begrenzen.

 

B. u. M. Dethloff aus Westerland: Die von uns betreuten Grundstücke sind auf drei Ortschaften verteilt. Wenn wir pro Inselort nur einen Tag im Monat mähen dürften, müssten wir ein paar Aufträge abgeben. Nun müssen wir Normalverdiener aber durchaus die ganze Woche über arbeiten.

 

Amtsvorsteher Heinz Maurus: Gehen Sie am Strand spazieren und entspannen Sie sich! Lassen Sie die Toleranz walten, die Sie in Ihren Liedern von anderen fordern.

 

Reinhard Mey: Kann es sein, dass Kampen, das sich so gern als Künstlerdorf darstellt, keins mehr ist, weil hier die Musen von Rasenmähern und Gartenmaschinen vertrieben werden?

 

Herr Baedeker: Als »St. Tropez des Nordens«, als »Worpswede an der Küste« oder als »Hiddensee der Nordsee« wird Kampen bezeichnet. Während zunächst tatsächlich Maler, Schriftsteller und ein paar Intellektuelle Kampen liebten, haben sich in den letzten Jahrzehnten zunehmend Jet-Set und Schickeria breit gemacht.

 

Moritz Rinke: Ich komme aus Worpswede, aus dem richtigen Worpswede! Verzeihung, Rinke mein Name: Sie kennen mich wahrscheinlich als Schriftsteller, Dramatiker und Kanzlerspargelesser. Aber jetzt bin ich auch noch diesjähriger Sylter Inselschreiber....
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Autor

Benjamin von Stuckrad-Barre, 1975 in Bremen geboren, ist Autor von »Soloalbum«, 1998, »Livealbum«, 1999, »Remix«, 1999, »Blackbox«, 2000, »Transkript«, 2001, »Deutsches Theater«, 2001, »Festwertspeicher der Kontrollgesellschaft - Remix 2«, 2004, »Was.Wir.Wissen«, 2005, »Auch Deutsche unter den Opfern«, 2010, »Panikherz«, 2016, »Nüchtern am Weltnichtrauchertag«, 2016, »Udo Fröhliche«, 2016, »Ich glaub, mir geht's nicht so gut, ich muss mich mal irgendwo hinlegen - Remix 3«, 2018 und »Alle sind so ernst geworden« (mit Martin Suter), 2020.