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Alles ist anders

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
312 Seiten
Deutsch
Verlag Krug & Schadenbergerschienen am13.06.20161. Auflage
Das Jahr 1992 geht dem Ende zu. Mel hat die schwäbische Provinz hinter sich gelassen und ist in Hamburg angekommen. Harald ist noch immer ihr bester Freund, und mit Mona hat sie ihre erste längere Frauenbeziehung. Mel jobbt als Bühnenbildnerin, lebt in einer Frauen-WG mitten in Altona, geht in die Frauenkneipe und die Rote Flora. Doch dann taucht eine Frau auf, die alles infrage stellt: ihre neue Mitbewohnerin Sam, Literaturstudentin und Sängerin der Riot-Girl-Band 'Garlick'. Es fängt damit an, dass Mel sie küsst ... 'Alles ist anders', die Fortsetzung von 'Smalltown Blues', ist ein Buch über die Liebe: über ihre Definition und Lebbarkeit, ihre Wandelbarkeit und Beständigkeit.

Birgit Utz, geboren 1970, aufgewachsen in der schwäbischen Provinz, versuchte sich in den frühen 90ern zunächst als Sozialarbeiterin und Punkrock-Musikerin in Freiburg. 1997 zog sie dann nach Hamburg, um sich dort der Sprache und dem Erzählen zuzuwenden. Nach einem Studium der Amerikanistik und Soziologie arbeitet sie seit 2005 als freie Autorin, Lektorin und Dozentin für kreatives Schreiben. 'Alles ist anders', die Fortsetzung von 'Smalltown Blues' ist ihr zweiter Roman bei Krug & Schadenberg.
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Produkt

KlappentextDas Jahr 1992 geht dem Ende zu. Mel hat die schwäbische Provinz hinter sich gelassen und ist in Hamburg angekommen. Harald ist noch immer ihr bester Freund, und mit Mona hat sie ihre erste längere Frauenbeziehung. Mel jobbt als Bühnenbildnerin, lebt in einer Frauen-WG mitten in Altona, geht in die Frauenkneipe und die Rote Flora. Doch dann taucht eine Frau auf, die alles infrage stellt: ihre neue Mitbewohnerin Sam, Literaturstudentin und Sängerin der Riot-Girl-Band 'Garlick'. Es fängt damit an, dass Mel sie küsst ... 'Alles ist anders', die Fortsetzung von 'Smalltown Blues', ist ein Buch über die Liebe: über ihre Definition und Lebbarkeit, ihre Wandelbarkeit und Beständigkeit.

Birgit Utz, geboren 1970, aufgewachsen in der schwäbischen Provinz, versuchte sich in den frühen 90ern zunächst als Sozialarbeiterin und Punkrock-Musikerin in Freiburg. 1997 zog sie dann nach Hamburg, um sich dort der Sprache und dem Erzählen zuzuwenden. Nach einem Studium der Amerikanistik und Soziologie arbeitet sie seit 2005 als freie Autorin, Lektorin und Dozentin für kreatives Schreiben. 'Alles ist anders', die Fortsetzung von 'Smalltown Blues' ist ihr zweiter Roman bei Krug & Schadenberg.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783944576688
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum13.06.2016
Auflage1. Auflage
Seiten312 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1398 Kbytes
Artikel-Nr.3001572
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Kapitel 1

 

 

Mel

 

»Nein, heute will ich allein schlafen«, habe ich zu Mona gesagt, als sie mit zu mir nach Hause kommen wollte. Es ist November, unfreundliches Wetter. Sie hätte mich im Auto mitgenommen, aber ich wurde lieber nass. Wir hatten Premiere; sie ist extra früher von der Arbeit gekommen, um dabei zu sein, und danach stieg noch eine Party, doch ich hatte keine Lust.

Und so sitze ich jetzt hier in der Küche mit Sammy, das geht gar nicht. Sie streckt mir ihren Joint hin. Ich schüttele den Kopf. Mir ist jetzt schon schwindelig, ich habe genug. »Mit jedem Zug wird der Weg zu meinem Zimmer weiter«, erkläre ich ihr.

Sie zieht selber noch einmal, drückt dann den Stummel aus, zieht einen Mundwinkel hoch; ihre grünen Augen funkeln hinter einem Schleier aus Haaren. »Och, auch egal«, meint sie, stützt sich auf den Küchentisch auf; ihre Lippen sind so nah.

Ich reiße mich los. Puh, das ist hart. »Schlaf schön«, sage ich, stemme mich aus dem Sessel, beuge mich über sie und wuschle ihr durch die dunklen Locken. Darunter sind ihre Haare abrasiert. Sie sind so dicht gelockt, dass sie das halbe Gesicht verdecken. Ich ziehe ein bisschen an ihrem Schopf, und sie hält meine Hand fest, holt mich näher zu sich heran.

»Nur einen«, sagt sie, und ihre Haare kitzeln. Unsere Zungen kennen sich schon, aber nur flüchtig. Das letzte Mal haben wir auf der WG-Party geknutscht, vor einer Woche, und danach habe ich beschlossen, so zu tun, als sei nichts gewesen. Soweit ich das mitbekomme, küsst Sammy sowieso ziemlich viel, und ich küsse Mona. Nicht so gierig oder so dringend, schon lange nicht mehr, vielleicht noch nie, aber es ist nicht so, dass ich Mona - ich liebe Mona, echt. Sie ist so etwas wie ein Zuhause, wenn es das gibt. Nur - ich hätte sie mitnehmen müssen.

Was mache ich schon wieder in Sammys Mund? Kein Sex in der WG, habe ich Samstag gesagt, und wir haben gelacht und sind nicht zusammen im Bett gelandet, sondern jede in ihrem eigenen, nur: Seitdem habe ich Herzklopfen, wenn ich sie sehe. Ihre Zunge windet sich um meine, sie tanzt. Das hier soll niemals aufhören.

Denke ich noch, da löst sie sich schon wieder, sagt: »Träum was Süßes«, steht auf, wischt sich mit ihrem Ärmel über den Mund und läuft an mir vorbei, den Flur hinunter.

Die Dielen knarzen, ihre Tür quietscht, fällt ins Schloss; wenn da mal nicht Dörthe aufwacht. Sammy wird noch ins Bad gehen, um sich die Zähne zu putzen, an meinem Zimmer vorbei. Egal was war, sie putzt sich immer die Zähne. Langsam gehe ich auf mein Zimmer zu. Sehe zu ihrem Zimmer, den Gang hinunter. An ihrer Tür hängt Patti Smith, guckt total ungerührt in meine Richtung. Scheiße, ich muss mit Mona Schluss machen.

Haralds Freundin Helen ist noch bei einer Kollegin, und Mona arbeitet bis halb sieben. Draußen ist es schon dunkel, viel zu früh. Ich sitze auf der Eckbank und schnipple Gemüse für den Wok. Wir hören Nirvana. Harald steht am Herd und summt leise mit.

Klar ist es ordentlicher, seit Helen hier wohnt. Ist ja auch keine Kunst, würde meine Schwester Bettina sagen. Ordentlicher, aber voller. Neben Haralds Theaterplakaten hängen noch die von ihr; viele aus der Schweiz. Sie hat jahrelang in Zürich gearbeitet. Und ein paar Regale und Stühle hat sie auch mitgebracht. Das Zimmer, in dem ich mein erstes Jahr in Hamburg verbracht habe, ist jetzt ihres, das heißt, eigentlich ist es eher wieder das Arbeitszimmer oder das Gästezimmer. Ein Schreibtisch, eine Matratze, falls Helen allein sein will oder Besuch kommt. Genau genommen hat Helen ständig Besuch. Von ihren beiden Schwestern, die in München und Stuttgart wohnen, die eine mit Mann und zwei Kindern, die andere allein. Von ihren Kolleginnen aus Zürich. Von ihren Freundinnen in Hamburg, die es nicht mehr vom Kiez heimschaffen. Und dann gibt es noch ein paar Berlinerinnen. Ich habe den Überblick verloren. Aber heute sind wir allein, nur wir vier, sozusagen die Kernfamilie.

»Hat dein neues Projekt schon angefangen?«, fragt Harald.

»Ja, wir machen gerade die Entwürfe. Diesmal darf ich ne Menge selber basteln.« Ein Weihnachtsmärchen für Kinder. Da kann man sich richtig ausleben, alles bunt und überdreht machen. Doris wird das planen. Ich werde diejenige sein, die herumrennt, Material und Requisiten besorgt und den Technikern beim Basteln hilft, ihnen nebenher in den Arsch tritt, damit es schneller geht, die richtige Zeit abpasst, wann ich dem Regisseur wieder nervige Fragen stellen darf, und das Budget im Auge behält. Es ist eine kleine Bühne. Und ich bin das Mädchen für alles. Im Dezember muss ich dann eigentlich schon den nächsten Job an Land gezogen haben.

»Ich dachte, du bastelst gern?«, unterbricht Harald meine Gedanken.

»Ja, klar.«

»Das klingt aber nicht begeistert«, meint er.

»Ich weiß auch nicht«, sage ich. »Das Thalia Theater hat noch nicht gezahlt, ich bin in den Miesen, und ich müsste mal wieder im Café anfragen, ob ich ein paar Schichten kriege. Aber ich hab keine Lust auf gar nichts.«

»Du musst endlich mal dein eigenes Bühnenbild machen, nicht immer nur Assistenz«, sagt er. »Oder du suchst dir eine Festanstellung.«

Ich schüttele den Kopf, lache. »Ach komm, du weißt doch, wie viele es davon in Hamburg gibt.«

»Es muss doch nicht Hamburg sein. Mel, in unserer Branche gehört es dazu, ab und an umzuziehen.«

»Aber ich bin hier zu Hause. Ich brauche den Hafen und alles - nee, Harald, für mich ist das Vagabundenleben nichts. Ich hab da keine Lust drauf.«

»Du willst Mona nicht allein lassen, oder?«, meint er.

Ich rutsche auf die Kante vor. Was soll ich mit ihm über Mona reden? Die kommt ja gleich. »Sie liebt ihren Job«, sage ich also, statt Probleme aufzuwühlen. Ich habe gar keine Zeit für Probleme. Mona arbeitet im Obdachlosentreff auf St. Pauli. Kleiderausgabe, medizinische Versorgung, im Winter der Notbus. Punker, Junkies, Alkies, Mädchen, die von zu Hause abgehauen sind. Die ganzen Gestrandeten. Mona macht das schon seit acht Jahren, seit sie ihr Studium abgeschlossen hat. Manchmal muss ich daran denken, was Papa sagen würde, wenn er von ihr wüsste. Und ich finde eigentlich, wenn er ehrlich ist, müsste er zugeben, dass sie eine Heilige ist.

»Aber für dich würde sie ihn aufgeben«, sagt Harald. »Das weißt du genau. Und sie würde auch woanders was finden.«

»Sie hat das alles aufgebaut. Es würde - sie wäre nicht dieselbe. Ohne den Treff kann ich sie mir gar nicht vorstellen.«

Richtig verliebt habe ich mich, als ich sie das erste Mal dort erlebte. Ich kannte sie schon eine Weile aus der Frauenkneipe, wo sie immer gemütlich ihr Bier trank. Vom Camelot, wo sie den anderen Frauen gern beim Tanzen zuschaute, vor allem aber mir. Sie ist schön mit ihren kurzen dunkelbraunen Haaren, den Falten auf der Stirn, den Lederarmbändern und ihrem festen, kompakten Körper. Man sieht, dass sie Karate macht. Sie hat mir schon immer gefallen, aber ich selbst hätte sie wohl nie angesprochen. Sie sitzt gern in den Ecken und unterhält sich oder schweigt. Während ich immer in Bewegung war. Alles war damals durcheinander, und es wurde mir langsam zu viel: Jobs, Affären, Wohnungswechsel; ich war immer noch nicht wirklich in der Stadt angekommen. Irgendwann hat sie mich dann zum Essen eingeladen. Nicht zu sich nach Hause, sondern in den Obdachlosentreff.

Da stand sie, an der Essensausgabe, mit ihrer tiefen, vollen Stimme, und sie war der Pol, um den alles kreiste. Sie gab jedem seinen Teller Suppe auf, und meistens lächelte sie dabei. Wenn sich jemand vordrängelte, blaffte sie ihn an, aber nie böse. Wenn sie etwas brauchte, streckte sie kurz den Kopf in die Küche. Und als alle was hatten, setzte sie sich neben mich.

Ich hatte schon eine Gesprächspartnerin gefunden. Das heißt eine Frau, die mir ihre Lebensgeschichte erzählte. »Und dann hatte ich irgendwann genuch. Dann hab ich gesagt: Nee, das machst du nich. Mit mir machst du das nich. Aber dann war eben auch die Wohnung wech. Und dann erst mal: Frauenhaus.«

Eigentlich habe ich nur genickt, und als Mona sich setzte, ihren Körper neben mir gespürt, seine Wärme, seine Sicherheit. Schon dort wollte ich mich sofort bei ihr anlehnen, mich in sie fallen lassen.

Als sie mit der Arbeit fertig war, haben wir es getan. Nachdem wir uns zusammen den Geruch der Obdachlosenküche weggeduscht, uns gegenseitig eingeseift hatten. Wir haben uns Zeit gelassen. Und danach habe ich so tief geschlafen wie lange nicht mehr. Habe mir das Frühstück ans Bett bringen lassen. Bin einfach bei ihr geblieben. Ganze drei Tage haben wir das Haus nicht verlassen. Seitdem sind wir zusammen. Inzwischen ist das fast drei Jahre her.

Ich erschrecke, als es klingelt. Das passiert mir oft mit Harald: Wir reden kurz, und dann tun wir wieder irgendetwas, jeder für sich, in seine eigenen Gedanken versunken, und doch ist es viel gemütlicher, als wenn man allein wäre. Man könnte jederzeit wieder anfangen zu reden, aber man muss auch nicht. Harald und ich können gemeinsam schweigen, und das ist etwas Besonderes, finde ich, nicht mal mit Mona kann ich das länger. Er sieht mich auffordernd an. Ich reiche ihm das geschnittene Gemüse.

»Na, das haben wir gerade noch rechtzeitig geschafft«, sagt Harald. Ich versuche zu lächeln. Er sieht ernst aus. »Mel, sag mal, irgendwas stimmt bei dir nicht, oder?«, fragt er tatsächlich. Ich nicke und zucke die Achseln. Er streicht mir über die Schulter. Wir werden telefonieren. Dann geht er zur Tür und begrüßt Mona.

Ich hole solange die Teller aus dem Schrank und mache schon mal den Fernseher an. Gleich kommt...
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Autor

Birgit Utz, geboren 1970, aufgewachsen in der schwäbischen Provinz, versuchte sich in den frühen 90ern zunächst als Sozialarbeiterin und Punkrock-Musikerin in Freiburg. 1997 zog sie dann nach Hamburg, um sich dort der Sprache und dem Erzählen zuzuwenden. Nach einem Studium der Amerikanistik und Soziologie arbeitet sie seit 2005 als freie Autorin, Lektorin und Dozentin für kreatives Schreiben. "Alles ist anders", die Fortsetzung von "Smalltown Blues" ist ihr zweiter Roman bei Krug & Schadenberg.
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