Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Das Ouzo-Orakel

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
544 Seiten
Deutsch
Kiepenheuer & Witsch GmbHerschienen am16.08.20181. Auflage
Der dritte und letzte Band von Frank Schulz' Hagener Trilogie Bodo Morten ist nach längerem Aufenthalt im Sanatorium nach Griechenland ausgewandert. Dort führt er nun seit fünf Jahren ein ruhiges Leben: viel meditieren, viel schwimmen, kein Alkohol, keine Zigaretten, keine Frauen. Bis Monika Freymuth auftaucht. Die Bodo abstößt und fasziniert. Und ihn an jemanden erinnert. Bodo weiß nur einen Ausweg. Er macht sich, bewaffnet mit einer Fünf-Liter-Bombe Ouzo, auf in die Berge, um das Orakel zu befragen. »Ein mit nicht mehr zu übertreffender Souveränität komponiertes Buch.« FAZ

Frank Schulz, Jahrgang 1957, wurde für seine Romane vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Hubert-Fichte-Preis (2004), dem Irmgard-Heilmann-Preis (2006) und dem Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor (2015). Zwischen 2012 und 2016 erschienen seine drei Onno Viets-Romane Onno Viets und der Irre vom Kiez, Onno Viets und das Schiff der baumelnden Seelen und Onno Viets und der weiße Hirsch. Zuletzt erschien der Erzählband Anmut und Feigheit (2018).
mehr
Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR22,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextDer dritte und letzte Band von Frank Schulz' Hagener Trilogie Bodo Morten ist nach längerem Aufenthalt im Sanatorium nach Griechenland ausgewandert. Dort führt er nun seit fünf Jahren ein ruhiges Leben: viel meditieren, viel schwimmen, kein Alkohol, keine Zigaretten, keine Frauen. Bis Monika Freymuth auftaucht. Die Bodo abstößt und fasziniert. Und ihn an jemanden erinnert. Bodo weiß nur einen Ausweg. Er macht sich, bewaffnet mit einer Fünf-Liter-Bombe Ouzo, auf in die Berge, um das Orakel zu befragen. »Ein mit nicht mehr zu übertreffender Souveränität komponiertes Buch.« FAZ

Frank Schulz, Jahrgang 1957, wurde für seine Romane vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Hubert-Fichte-Preis (2004), dem Irmgard-Heilmann-Preis (2006) und dem Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor (2015). Zwischen 2012 und 2016 erschienen seine drei Onno Viets-Romane Onno Viets und der Irre vom Kiez, Onno Viets und das Schiff der baumelnden Seelen und Onno Viets und der weiße Hirsch. Zuletzt erschien der Erzählband Anmut und Feigheit (2018).
Details
Weitere ISBN/GTIN9783462318067
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum16.08.2018
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.3
Seiten544 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3462 Kbytes
Artikel-Nr.3014134
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

II

Ich. Ich wollte es ihr verübeln, stimmt´s, Spyro?

O ja, ich entsinne mich jenes Abends, an dem sie im Gefolge Kosta bravas auftauchte. Ich entsinne mich, wie unschuldig jener Abend bis dahin gewesen war, entsinne mich genau der Abfolge jener harmlosen Begebnisse: erst Karins und Manus Geplänkel, dann der Auftritt des unausweichlichen Sven, dann Karins erstes fürchterliches Gelächter dieses Sommers, endlich die frische Brise entlang dem Fluß und Karins Travestie einer Fernsehwerbefigur für Telefonsex, schließlich Auftritt Spyros´ des Jüngeren sowie Auftritt Spyros´ des Älteren mit seinem Hühnerei-Kunststückchen - und dann, dann sie, die Fremde, die geheime Botin des Anfangs vom Ende meiner Zeit am Ionischen Meer. Monika.

Schlimm ... Nai, málista[2]: schlimm die Zwangsläufigkeit, die jeder Vergangenheit innewohnt - als hätte es gar nicht anders kommen können!

 

Wie üblich saßen wir am Fluß, im Garten der Taverna Plaka. Eine einzelne Grille zirpte ihre Hymne an die Friedlichkeit. Sie verbarg sich im Eukalyptusbaum, einem der wenigen bis ins Dorf versprengten Abkömmlinge des Waldes am Strand, in nächster Nähe des Unterlaufs der einzige. Sein Flitterlaub duftete würzig, doch es hing schlaff herab. Windstärke null. In einer Astgabel steckte eine Lampe. Ihr Schein strich übers sanft schwankende Ruderhaus von Spyros´ Kutter und zauberte eine pastellgrüne, wabernde Lache vor den Bug.

Der Fluß drängte meerwärts. Seine Wellen aber, zäh wie Olivenöl, wölbten sich nur träg, und wie immer, sobald es zu dämmern begann, riefen die Reflexionen der Kämme jenes Licht-Spiel hervor, das ich so liebte: Auf dem Röhricht am jenseitigen Ufer schien sich ein breites Rad zu drehen. Zu sehen war nur die obere Hälfte und waren nur die Speichen, grünlich-goldene Strahlen, und wenn sie die fransige Oberkante der Schilfhecke erreichten, wurden sie vom Dunkel dahinter gekappt, und danach fuhren sie wieder bis auf volle Länge aus. Ach, wie sehr ich es liebte, mich von dem Anblick einlullen zu lassen ... stimmt´s, Spyro?

Frei von Rinde und Bast, wirkte der hellgraue Stamm des Eukalyptusbaums wie der Schenkelknochen eines Brontosaurus. Fußsohlenwarm sein Holz, gegen das ich mich stemmte, um mit dem Stuhl kippeln zu können, nur eine Idee abseits des Tischs, an dem Karin und Manu saßen. Ich schleuderte mein kompológi[3], ließ seine Stahlperlen Zeige- und Mittelfinger drosseln, anderthalbmal her, anderthalbmal hin, und verfolgte jene Laune der Physik. Hob ich den Blick, sah ich die Klinge des Mondes - jenseits des Flusses, links vom Schattenriß des Schildkrötenhügels.

Die bunte Kette von Glühbirnen, im Karree durch die Kronen der Baumwollpappeln und Platanen gezogen, funzelte ihre grünstichige Tivoli-Beleuchtung auf die zwei Dutzend Tische im Garten. Bis auf unseren waren sie unbesetzt. Sie hatten Stahlbeine und eine aluminiumüberzogene Holzplatte, und die meisten wackelten. Mit dem Wert all der Hundert-Drachmen-Münzen, die ich in meiner Zeit am Ionischen Meer unter ein Bein geschoben und vergessen hatte (Kronkorken konnte man nicht so fein abstufen), hätte man die gesamte Taverna Plaka frisch bestuhlen können - was nicht zu ihrem Schaden gereicht hätte: Drei, vier Stuhlgenerationen koexistierten hier; die altehrwürdigste verfügte über Stahlgestänge und orangefarbene Plastiksitzschalen, daneben gab es Vollplastiksessel in Hellgrün, Hell- sowie Dunkelrot und Violett (beziehungsweise, wie Karin sich ausdrückte, »Blutergußfarbe«).

Kein Mopedgeknatter im Dorf, kein Bouzoukigeklimper; selbst für Fernsehgeplärr war es den Bewohnern Kouphalas zu heiß. Wie immer um diese Jahreszeit war die Sonne gegen neun untergegangen, doch die Brise, die gewöhnlich Stunden vorher die Ufer des Acherons beatmete, ließ an diesem Abend lange auf sich warten. Von meinem Chronographen las ich ab, daß jetzt, um zehn vor zehn, noch 32,7 Grad Celsius herrschten. Obwohl die Saison noch gar nicht recht im Gange war, ächzte das Land bereits unter der ersten Hitzewelle des Jahres. Seit knapp zwei Wochen glühte die Luft vom Tagesbrand der Sonne bis tief in die Nacht hinein nach. Sie war trocken, die Luft, aber tonnenschwer. Sie quetschte förmlich das Wasser aus den Leibern.

 

»Hoffentlich«, ächzte Karin, »bringt Spyros bald mal ´n Verdauungsouzo ...«

Das Emblem der Taverna Plaka war ein Klischee vom schnauzbärtigen, fischenden Griechen, und obwohl rasterartig wiederholt, lugte es auf dem Tischtuch aus Papier nur einmal vollständig hervor zwischen den Aschenbechern, Wein- und Wassergläsern, Retsina- und Anderthalb-Liter-Wasserflaschen aus Plastik, benutztem Besteck und Tellern, von denen Karin, Manu und ich selbst noch die Ölreste mit Brot aufgetupft hatten. Im Körbchen nur mehr eine krümelbesäte Serviette, auf einer Servierplatte aus Edelstahl Kabeljauköpfe und -skelette, rosafarbene Garnelenhülsen und -füßchen.

Die Kerbe an ihrer Nasenwurzel verlieh Manus Grinsen eine grimmige Note. »Ich denk´ ... Ich denk´, du willst in diesem Urlaub überhaupt keinen Ouzo mehr trinken.« Bis von dieser Kerbe nur mehr eine Blesse übrigbleiben würde, sollte es noch ein paar Tage dauern. Ihr von der Natur gewelltes, dunkles Haar, durchschlängelt von Silberadern, bog sich hinters Ohrläppchen, das mit einem silbergefaßten Stein geschmückt war, einem Stein so dunkelblau funkelnd wie ihre Augen - ein Geschenk ihres Mannes, meines alten Freundes Kolk.

»Wer sagt das?« Mit einer zappeligen Kreisbewegung zog Karin den Folienstreifen von der Gauloises-Packung und legte ihn neben den Aschenbecher, mitsamt den beiden unterschiedlich großen Teilen der Cellophanhülle.

»Wer das sagt? Du sagst das! Du sag-, du hast das gesagt! Gestern abend!« Bei leichter Erregung, ganz gleich, ob angenehmer oder unangenehmer, stammelte Manu ein wenig.

»Da war ich ja auch besoffen.« Karin riß mit ihren purpurnlackierten Nägeln ein Quadrat aus dem Falz des Silberpapiers, zerknüllte es zwischen Daumen- und Zeigefingerkuppen und stopfte es in die Cellophanhülle, das Deckelchen hinterher. Dann zwirbelte sie die Hülle am offenen Ende, schlang den Folienstreifen um den Zipfel, schlug einen Knoten hinein ... ein winziges Schleifchen dazu ... Gestern um diese Zeit hatte sie schon einmal ein solches Tütchen gebastelt. Heute präsentierte sie es Manu - als Zeugnis dafür, daß sie mit sich und der Welt im reinen sei.

In der Tat kein geringes Kunststück, angesichts Tatterichs und langer Fingernägel, die ich während der Prozedur aneinanderschaben zu hören meinte. Als der Schauder auf meinem Rücken verronnen war, fragte ich sie: »Hast du eine oder zwei Packungen geraucht, seit gestern abend.«

»Drei«, sagte Manu; »Quatsch«, sagte Karin. Und dann begannen beide gleichzeitig zu lachen, ohne auch nur einen Blick getauscht zu haben.

 

Nur einen Moment lang war ich verblüfft; dann ahnte ich, sie wußten selbst, daß es eigentlich um etwas ganz anderes ging: Karin trachtete ihrem noch zuckenden Kater den Garaus zu machen, und Manu war bereits ärgerlich vor Erwartung, welches Manöver Karin diesmal fahren würde, um ohne Gesichtsverlust die nötige Dosis Ouzo ordern zu können. Darum ging es, um Karins Beschaffungs-Chuzpe. Mit der haltlosen Anschuldigung auf einem Nebenschauplatz verfolgte Manu lediglich den Zweck, schon mal wider den Stachel zu löcken, und daß der Versuch so plump ausfiel, aber wenigstens prompt, amüsierte sie beide.

Karin entzündete eine Zigarette. Manu stahl ihr eine, obwohl sie filterlose Zigaretten haßte, und weil sie filterlose Zigaretten haßte, gab ihr Karin Feuer. Karin blies eine Rauchbö in die reglose Luft. Manu ließ den Qualm aus ihren schmalen Nüstern sickern. Zwei reizende Drachen auf Urlaub.

 

Seit dem Winter hatte ich mich danach gesehnt, die beiden Grazien wiederzusehen, nach all der langen Zeit wieder einmal ihren norddeutschen Zungenschlag zu genießen, und seit dem vorangegangenen Abend waren sie da, die stolze Karin und die gütige Manu ... Málista[4] - stimmt´s, Spyro? -, ich hatte mich auf sie gefreut. Die beiden kannte ich viel zu lange, als daß von ihrer Eigenschaft als Geschlecht noch hätte Gefahr für mein mönchisches Seelenheil ausgehen können, und selbst jene unheimliche, typisch weibliche Form der beinah telepathischen Auseinandersetzung beeinträchtigte kaum die gynäkologische Gelassenheit, die ich mir in meiner Zeit am Ionischen Meer anmeditiert hatte.

Vorsichtig versuchte ich, mich in Karins Ich einzufühlen. Es schien ungut beeinflußt - von Blutvergiftung, Magengrimmen und einer Art Schleudertrauma: das gestrige Gelage zur Feier ihrer Ankunft. Das hatte ihr Manu schlecht vermiesen können, da die es selbst genossen. Doch jetzt spürte ich deutlich, daß Manus alljährliche Urlaubsmission, die Windsbraut von Schwägerin im Zaum zu halten, an Karins Stolz nagte. Ja, Karin ging fast kaputt unter den Gewalten, die sie hin- und herrissen: dort ouzoloses Utopia, das mit Genugtuung winkte, hier würdeloses Schlaraffenland, das mit Ouzo winkte. Ersteres am Ende eines Ozeans der Entbehrung, letzteres bewacht von einem Höllenhund. Na ja, »Höllenhund« ... Ein Chihuahua, verglichen mit ihrem inneren...
mehr

Autor

Frank Schulz, Jahrgang 1957, wurde für seine Romane vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Hubert-Fichte-Preis (2004), dem Irmgard-Heilmann-Preis (2006) und dem Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor (2015). Zwischen 2012 und 2016 erschienen seine drei Onno Viets-Romane Onno Viets und der Irre vom Kiez, Onno Viets und das Schiff der baumelnden Seelen und Onno Viets und der weiße Hirsch. Zuletzt erschien der Erzählband Anmut und Feigheit (2018).