Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Im Schatten der Zeche

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
320 Seiten
Deutsch
Emons Verlagerschienen am15.11.20131. Auflage
Juni 1912. Im Ruhrgebiet ist der Streik der Bergarbeiter gescheitert. In Sterkrade halten Gaukler und Schausteller Einzug. Am Vorabend der traditionellen Fronleichnamskirmes liegen im Schatten der Zeche zwei Tote, ein junger Bergmann und ein kleinwüchsiger Artist. Was verbindet die beiden Männer? Kriminalwachtmeister Zomrowski sieht sich im Wohnwagenlager der Kirmesleute um, ermittelt in der Zechensiedlung Dunkelschlag und reist sogar mit der preußischen Staatseisenbahn bis nach Bonn - um am Ende eine Lösung zu finden, mit der keiner gerechnet hat.

Peter Kersken, geboren 1952 in Oberhausen im Ruhrgebiet, studierte Philosophie und Literaturwissenschaft in Freiburg und Köln und arbeitete als Redakteur bei einer Kölner Tageszeitung. Er lebt als freiberuflicher Autor in der Eifel. Im Emons Verlag erschien sein historischer Kriminalroman 'Tod an der Ruhr'.
mehr
Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR10,99

Produkt

KlappentextJuni 1912. Im Ruhrgebiet ist der Streik der Bergarbeiter gescheitert. In Sterkrade halten Gaukler und Schausteller Einzug. Am Vorabend der traditionellen Fronleichnamskirmes liegen im Schatten der Zeche zwei Tote, ein junger Bergmann und ein kleinwüchsiger Artist. Was verbindet die beiden Männer? Kriminalwachtmeister Zomrowski sieht sich im Wohnwagenlager der Kirmesleute um, ermittelt in der Zechensiedlung Dunkelschlag und reist sogar mit der preußischen Staatseisenbahn bis nach Bonn - um am Ende eine Lösung zu finden, mit der keiner gerechnet hat.

Peter Kersken, geboren 1952 in Oberhausen im Ruhrgebiet, studierte Philosophie und Literaturwissenschaft in Freiburg und Köln und arbeitete als Redakteur bei einer Kölner Tageszeitung. Er lebt als freiberuflicher Autor in der Eifel. Im Emons Verlag erschien sein historischer Kriminalroman 'Tod an der Ruhr'.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783863583583
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatE101
Erscheinungsjahr2013
Erscheinungsdatum15.11.2013
Auflage1. Auflage
Seiten320 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3908 Kbytes
Artikel-Nr.3084074
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
Juni 1912. Im Ruhrgebiet ist der Streik der Bergarbeiter gescheitert. In Sterkrade halten Gaukler und Schausteller Einzug. Am Vorabend der traditionellen Fronleichnamskirmes liegen im Schatten der Zeche zwei Tote, ein junger Bergmann und ein kleinwüchsiger Artist. Was verbindet die beiden Männer? Kriminalwachtmeister Zomrowski sieht sich im Wohnwagenlager der Kirmesleute um, ermittelt in der Zechensiedlung Dunkelschlag und reist sogar mit der preußischen Staatseisenbahn bis nach Bonn um am Ende eine Lösung zu finden, mit der keiner gerechnet hat.mehr
Leseprobe

EINS

Josefa raffte ihren Rock noch ein Stück höher. Die Rheinfähre hatte abgelegt und das Wasser zu schäumenden Wellen aufgewühlt, die gurgelnd auf die junge Frau zurollten. Sie brachen sich an ihren Knien, umschlangen ihre Schenkel und verloren sich in der flachen Uferböschung zwischen glitzernden Kieseln.

Der Mann neben Josefa betrachtete versonnen die weißen Rüschen ihrer Beinkleider. Als eine Welle gegen seine Brust schwappte, trat er ein paar Schritte zurück.

»Du hast schöne Beine«, sagte er, »so schöne, lange Beine.«

Josefa lachte. Die Fähre erreichte die Mitte des Stroms. Das Wasser beruhigte sich. Der Mann gesellte sich wieder zu Josefa.

Sie beugte sich zu ihm hinunter und küsste ihn auf die Wange. »Meine Beine waren noch nie schön, Friedrich«, sagte sie. »Das sind sie erst, seitdem ich zu euch gehöre.«

»Ja, du gehörst jetzt zu uns«, entgegnete Friedrich. »Du hast deine Sache gut gemacht.«

»Ich muss mich noch an alles gewöhnen. In meinem Dorf bin ich nie unter die Leute gegangen. Ich hab mich verkrochen. Und wenn's nicht möglich war, hab ich versucht, mich klein zu machen. Mir hat der Rücken oft wehgetan, weil ich krumm gelaufen bin oder schief gesessen hab. >Jetzt faltet die Josefa sich wieder zusammen<, hat der Vater oft gesagt. Und dann haben immer alle gelacht. Mir war's manchmal so schlimm, dass ich nicht mehr leben wollt. Und jetzt zieh ich hohe Schuhe an, die der Schuster nur für mich gemacht hat, und hab einen Hut auf dem Kopf, damit ich noch ein bisschen größer ausseh. Das ist so seltsam alles. Da muss ich mich noch dran gewöhnen.«

»Du hast deine Sache gut gemacht«, sagte Friedrich noch einmal. »Den meisten fällt es anfangs schwer. Ihr Leben lang sind sie begafft und verspottet worden. Nur wenn sie allein waren und niemand sie sehen konnte, hatten sie ihren Frieden. Und dann sollen sie raus auf die Bühne, wenn hundert Menschen im Zelt sind oder noch mehr. Bei manchen geht das am Anfang gar nicht.«

»Als ich auf der Bühne stand, in der ersten Vorstellung, da hab ich mich gleich gut gefühlt. Die Leute haben mich nicht verachtet, das hab ich gespürt. Sie haben mich bewundert. Auf der Bühne bin ich keine Missgeburt, keine Strafe Gottes für meine Eltern. Ich bin die Riesendame Josefina Iwana Moskowina, eine Attraktion.«

»Wenn dich daheim deine Eltern weggesperrt hätten, und ein jeder hätt zwanzig Pfennige geben müssen, um dich zu sehen, dann wärst du auch von den Leuten in deinem Dorf bewundert worden. So sind sie nun mal, die Menschen, die normalen.«

»So wie es jetzt ist, ist es besser«, sagte Josefa, wandte ihr Gesicht der Sonne zu und schloss die Augen. »Ihr seid wie ich. Nicht normal zu sein, das ist für euch normal. Wenn ich mit euch zusammen bin, gafft mich niemand an. Dann bin ich einfach nur eine junge Frau mit langen Beinen, ein Mädchen aus einem kleinen Eifeldorf, die Josefa mit den schwarzen Haaren. Das ist schön. Das ist noch schöner, als bewundert zu werden.«

Der Rhein wälzte sich träge durchs gleißende Sonnenlicht. Josefa und Friedrich genossen die Kühle des Stroms. Sie stand bis zu den Knien im seichten Uferwasser, er bis zum Bauch.

»Einen schönen Badeanzug hast du«, sagte Josefa.

»Rot mit blauen Bördchen«, entgegnete Friedrich verlegen. »Ein Kindertrikot. Es gefällt mir nicht, aber ich konnte nichts andres finden.«

Die Fähre hatte am jenseitigen Ufer angelegt. Menschen gingen an Land, liefen die Uferböschung hinauf und verschwanden hinter dem trutzigen Mauerwerk, das sich dort drüben abweisend über dem Rhein erhob.

»Weißt du, wie die Burg heißt?«, fragte Josefa.

»Das ist eine Stadt«, sagte Friedrich, »die Feste Zons.«

»Eine Feste?«

»Ein altes Städtchen, von dicken Mauern umgeben, wie eine Festung«, erklärte Friedrich. »Da wurde früher ein Rheinzoll erhoben von den Schiffen, die hier vorbeifuhren. Deshalb war's eine wichtige Stadt. Und wichtige Städte wurden immer angegriffen. So war das. Dagegen haben die Menschen sich mit Mauern geschützt. Und die wurden immer gewaltiger und immer höher in den Jahrhunderten.«

»Und die vielen Türme?«

»Tortürme, Wachtürme, Beobachtungstürme, was weiß ich.«

»Da in der Mitte, das ist ein Kirchturm«, sagte Josefa.

»Und rechts auf der Ecke, neben den Fachwerkhäusern, das ist der alte Zollturm. Das hab ich mal gehört, als ich drüben war. Und mitten in der Mauer stecken noch Kanonenkugeln von einem Krieg, den es irgendwann mal gegeben hat. Die hab ich gesehen.«

»Du warst mal in der Stadt?«

»Ja gewiss. Wir kommen öfter hier vorbei. Manchmal schlagen wir hier unser Nachtlager auf. Dann können wir mit der Fähre rüber und uns Zons angucken. Es ist schön zwischen den Stadtmauern. Enge, verwinkelte Gässchen und uralte Häuser. Ich werd's dir zeigen, wenn wir wieder mal über Nacht bleiben.«

Josefa nickte. »Das wäre schön«, sagte sie.

Hinter ihnen wieherte ungehalten ein Pferd.

Der starke Adam hatte einen ihrer Rappen am Halfter gepackt und versuchte, ihn von den Rheinwiesen zu ziehen. Das schwere Zugpferd schlug ungehalten mit dem Kopf. »Na komm schon, du alter Zossen«, knurrte Adam. »Hast genug Gras gefressen. Und lang genug Pause gemacht hast du auch. Jetzt geht's wieder an die Arbeit.«

Das Tier blieb störrisch.

Josefa und Friedrich hatten ihren Spaß an der Auseinandersetzung.

»Jetzt bin ich gespannt, wer von euch beiden stärker ist«, rief Friedrich.

»Er ist stärker«, gab Adam zu. »Aber ich bin der Klügere.«

Er tätschelte den Hals des Rappen und redete eine Weile leise auf ihn ein. Als er sich zum Gehen wandte, ohne das Halfter loszulassen, folgte das Pferd ihm mürrisch. Nach ein paar zögerlichen Schritten trottete es endlich bereitwillig neben ihm her.

»Was hast du zu ihm gesagt?«, wollte Josefa wissen.

»Dass zu viel frisches Gras ungesund für einen alten Gaul ist«, antwortete Adam.

Josefa schüttelte ungläubig den Kopf. Friedrich lachte.

»Ihr solltet aus dem Wasser kommen!«, rief Adam. »Wenn ich die Pferde eingespannt habe, geht es weiter.«

»Wo sind denn die anderen?«, fragte Friedrich.

»Die dösen noch irgendwo im Schatten vor sich hin.«

Josefa sah zu den vier Wohnwagen hinauf, die in einer Reihe auf dem Uferweg standen. Himmelblau hatte der Direktor sie streichen lassen für diese Kirmessaison, mit dunkelroten Fenstereinfassungen und ebenso roten Fenstersprossen und mit Schriftzügen in einem hellen, leuchtenden Rot. »Schaubude Marsilius«, las Josefa und »Kuriositäten aus aller Welt«. Den dritten Wagen verdeckten die Sträucher und Büsche, die am Rand des Uferwegs wuchsen. Auf dem vierten Wagen leuchtete über dem saftigen Grün des Gebüschs ein einziges Wort grell und rot in der Junisonne: »Abnormitäten«.

»Wie heißt die Stadt, in die wir fahren?«, fragte Josefa, während sie vorsichtig über die Rheinkiesel zum Ufer watete.

»Sterkrade. Ein Ort im Ruhrrevier, der aus allen Nähten platzt. Hütte. Zeche. Bergleute. Polen. Arbeiterkolonien. Jedes Jahr, wenn wir hinkommen, ist der Ort wieder größer geworden. Und jedes Jahr kommen mehr Leute zur Kirmes. Und immer mehr Schausteller kommen auch. Aber eine Stadt ist Sterkrade nicht, nur eine Bürgermeisterei.«

Josefa strich ihren Rock glatt. »Und die Kirmes, ist die schön?«

»Schön?« Friedrich zuckte mit den Achseln. »Im Ruhrgebiet geht's rauer zu als anderswo. Viele junge Kerle sind da auf den Kirmessen unterwegs, Bergleute und Hüttenarbeiter. Die saufen und prügeln sich gern. Und ein großes Maul haben sie, reden unanständig daher. Was unsereins da zu hören kriegt auf der Bühne, das ist nicht immer schön. Aber sie haben an den Kirmestagen ihre sauer verdienten Pfennige locker sitzen, die jungen Burschen. Und viele Leute kommen auch aus der Umgebung. Ist eben eine große Straßenkirmes mit Tradition, die Sterkrader Fronleichnamskirmes. Gut fürs Geschäft. Unser Zelt ist immer voll, bei jeder Vorstellung.«

»Wann werden wir dort sein?«

»Morgen. Am Nachmittag.«

* * *

»Ein so schönes Geschenk ist das, Wilhelm. Das ist schöner als ein Strauß roter Rosen.«

»Deine Rosen wirst du noch bekommen, meine Liebe. Die gehören dazu. Heute vor zehn Jahren haben sie dich geschmückt, und seitdem an jedem unserer Hochzeitstage. Und heute in zehn Jahren werden sie dich auch wieder schmücken, das versprech ich dir. Aber dieses Mal gibt es sie eben mit Verspätung.«

»Ach Wilhelm, wie gern ich die in Kauf nehme, die Verspätung, für so einen schönen Ausflug. Mit dem Schiff über den Rhein zu fahren, an so einem herrlichen Sonntag, das ist einfach wundervoll. Und hier, hier war ich auch schon so lang nicht mehr.«

Therese Grotedick schmiegte sich an den Arm ihres Gatten. Ihr Glockenhut verrutschte, und sie zog hastig den Kopf zurück. Dabei stieß sie mit dem Sonnenschirm gegen Grotedicks Hut. Er lachte. Seine Frau lächelte verlegen. Beide rückten ihre Kopfbedeckungen wieder zurecht.

Vor ihnen legte der Rheindampfer vom Landungssteg ab, mit dem sie vor ein paar Minuten angekommen waren.

»Was machen wir zuerst?«, fragte Wilhelm Grotedick.

»Ich weiß nicht recht.«

»Wir könnten am Schlossturm vorbei zum Marktplatz hinaufgehen. Der ist gleich da vorn. Von dort bummeln wir dann ein wenig durch die alten Gässchen in Richtung Königsallee.«

»Da will ich auf jeden Fall noch hin, auf die Kö. Die Auslagen in den Geschäften muss ich mir ansehen«, sagte Therese entschieden.

»Ja, sicher musst du das«, erwiderte ihr Mann schmunzelnd.

»Aber hier unten am Wasser ist es so...
mehr

Autor

Peter Kersken, geboren 1952 in Oberhausen im Ruhrgebiet, studierte Philosophie und Literaturwissenschaft in Freiburg und Köln und arbeitete als Redakteur bei einer Kölner Tageszeitung. Er lebt als freiberuflicher Autor in der Eifel. Im Emons Verlag erschien sein historischer Kriminalroman »Tod an der Ruhr«.