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E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
200 Seiten
Deutsch
Rotpunktverlagerschienen am13.05.20141. Auflage
Zu Beginn wird Hochzeit gefeiert in dem Walliser Weiler Terroua. Marcellines ältester Bruder heiratet eine Frau aus einem anderen Dorf, Theoda, eine Fremde, eine, die stets aussieht, als ginge sie auf ein Fest. Marceline ist eingeschu?chtert und fasziniert zugleich von dieser aparten, so gar nicht bäuerlichen jungen Frau. Eines Tages wird sie unfreiwillige Zeugin von Theodas Ehebruch, was sie in tiefste Gewissenskonflikte stu?rzt. Fortan trägt sie schwer an diesem ungeheuren Geheimnis, das allmählich das ganze Dorf in Aufruhr versetzt und fu?r die Liebenden schließlich, die nicht vor einem Mord zuru?ckschrecken, den Gang zum Schafott bedeutet. In ihrem ersten Roman, der Corinna Bille vor siebzig Jahren bekannt machte, erzählt sie die Geschichte einer leidenschaftlichen Liebe - bis zu ihrem bitteren Ende. Gleichzeitig hält die preisgekrönte Autorin in unvergleichlich eindringlicher und poetischer Sprache das Leben der Walliser Bauern in der extremen Bergwelt fest, ihr Nomadentum im Rhythmus der Jahreszeiten, ihre Verrichtungen und Feste und nicht zuletzt das Ende einer Kindheit.

S. Corinna Bille (1912-1979) gilt als eine der bedeutendsten Schriftstellerinnen der Westschweiz. Nach Schuljahren in der Innerschweiz, »Lehrjahren« in Paris und Zu?rich fu?hrt sie ein naturverbundenes Nomadenleben in Walliser Weilern, gemeinsam mit anderen Schriftstellern. Darunter der Westschweizer Dichter Maurice Chappaz, den sie 1947 heiratet. Corinna Bille hat Romane, Novellen, Gedichte, Theaterstu?cke verfasst; 1974 wurde sie mit dem Großen Schillerpreis, 1975 mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet. Theoda, ihr Romandebu?t von 1944, brachte ihr seinerzeit den literarischen Durchbruch und avancierte zum Bestseller.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR19,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR16,99

Produkt

KlappentextZu Beginn wird Hochzeit gefeiert in dem Walliser Weiler Terroua. Marcellines ältester Bruder heiratet eine Frau aus einem anderen Dorf, Theoda, eine Fremde, eine, die stets aussieht, als ginge sie auf ein Fest. Marceline ist eingeschu?chtert und fasziniert zugleich von dieser aparten, so gar nicht bäuerlichen jungen Frau. Eines Tages wird sie unfreiwillige Zeugin von Theodas Ehebruch, was sie in tiefste Gewissenskonflikte stu?rzt. Fortan trägt sie schwer an diesem ungeheuren Geheimnis, das allmählich das ganze Dorf in Aufruhr versetzt und fu?r die Liebenden schließlich, die nicht vor einem Mord zuru?ckschrecken, den Gang zum Schafott bedeutet. In ihrem ersten Roman, der Corinna Bille vor siebzig Jahren bekannt machte, erzählt sie die Geschichte einer leidenschaftlichen Liebe - bis zu ihrem bitteren Ende. Gleichzeitig hält die preisgekrönte Autorin in unvergleichlich eindringlicher und poetischer Sprache das Leben der Walliser Bauern in der extremen Bergwelt fest, ihr Nomadentum im Rhythmus der Jahreszeiten, ihre Verrichtungen und Feste und nicht zuletzt das Ende einer Kindheit.

S. Corinna Bille (1912-1979) gilt als eine der bedeutendsten Schriftstellerinnen der Westschweiz. Nach Schuljahren in der Innerschweiz, »Lehrjahren« in Paris und Zu?rich fu?hrt sie ein naturverbundenes Nomadenleben in Walliser Weilern, gemeinsam mit anderen Schriftstellern. Darunter der Westschweizer Dichter Maurice Chappaz, den sie 1947 heiratet. Corinna Bille hat Romane, Novellen, Gedichte, Theaterstu?cke verfasst; 1974 wurde sie mit dem Großen Schillerpreis, 1975 mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet. Theoda, ihr Romandebu?t von 1944, brachte ihr seinerzeit den literarischen Durchbruch und avancierte zum Bestseller.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783858696069
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatE101
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum13.05.2014
Auflage1. Auflage
Seiten200 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1070 Kbytes
Artikel-Nr.3088314
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
III
Erster Frühling

Zwei Wochen später bekam meine Mutter ihr zwölftes Kind: einen Jungen. Um denjenigen zu ersetzen, der fortgegangen war und von dem wir keine Nachricht hatten. Man nannte ihn Siméon. Wie sie es mit den anderen, mit uns allen getan hatte, brachte sie ihn ohne einen Schrei, ohne einen Klagelaut zur Welt. Diese Ereignisse spielten sich im Verschwiegenen ab. Die restliche Familie bemerkte nichts, obschon wir auf engstem Raum zusammenlebten.

Theoda kam, um das Kind anzusehen, das im Bett meiner Eltern lag. Es war noch rot und verschrumpelt und hatte den Mund voll Milch.

»Und du?«, fragte meine Mutter die junge Frau.

Sie antwortete nicht.

Sie war seit zweieinhalb Jahren mit Barnabé verheiratet.

Ich hatte keine Zeit, mich um das neue Brüderchen zu kümmern; das übernahmen meine größeren Schwestern. Ich ging zur Schule.

Wäre nicht meine Bewunderung für die Lehrerin gewesen, hätte ich mich dort gelangweilt. Sie versetzte mich in Erstaunen. Für mich war sie so anders als ich selbst, als wir, in der unveränderlichen Deutlichkeit ihrer ganzen Person. Sie hatte Lippen, die nicht stotterten, während die unseren sich an den Buchstaben des Alphabets wund scheuerten; Augen, deren Weiß stets rein war, im Gegensatz zu meinen, die sich rasch veränderten, von der Sonne und vom Staub gerötet und in der Kälte farblos wurden; glatte Wangen von einem stets gleichbleibenden Rosa; eine gerade Nase, die sie nie zu schnäuzen brauchte, mit einem unauffälligen, regelmäßigen Atem. Die Leute um sie herum und wir Schüler wirkten wie Entwürfe. Sie war die Vollkommenheit, und es war uns vergönnt, sie zu betrachten.

Ich weiß nicht, ob sie unter uns litt, unter unseren Gerüchen, unseren Mängeln, unserer Unwissenheit; ich frage mich, ob ihr überhaupt je bewusst war, was sie für uns bedeutete. Aus Stolz, vielleicht auch aus Scham, verbargen wir jenen so natürlichen, so menschlichen Instinkt, jemanden zu verehren, der beim Menschen genauso stark ist wie der Instinkt zu zerstören.

Ich war mit Romaine in der Klasse der Mädchen. Martin, Pierre und Maur besuchten die Knabenklasse, die von einem Lehrer geführt wurde.

Der März war nicht wie die anderen Monate des Jahres. Wir verloren das Bewusstsein für das, was wir zum Beispiel im Winter waren: Mädchen oder Knaben, gute oder schlechte Schüler. Wir existierten nicht mehr. Der Frühling beanspruchte den ganzen Platz. Er drang in die Schule ein mit seiner Helligkeit, die die Fenster vergrößerte, und riss uns aus uns heraus, mit dem Widerhall der Hackenschläge aus den Weinbergen, diesem Geräusch von Eisen, das auf Steine trifft. Wir errieten, dass die Welt aus Erde, Stein und Feuer gemacht war, und nicht aus Wörtern und Zahlen, wie man es uns lehrte.

Gefangen in einem Lichtnetz, das sie von uns trennte, hatte sogar die Lehrerin ihre Macht verloren. Ihre Rügen wegen unserer Zerstreutheit wurden gleichgültig aufgenommen, als kämen sie von zu weit her. Und wenn wir mit der rechten Hand den Federhalter ergriffen und mit der linken das Heft schön flach drückten, so waren es keine gewöhnlichen Gegenstände mehr, die wir berührten, sondern ein Stück Frühling, denn die Sonne hatte ihnen Leben und Wärme verliehen.

Es gab drei Pragnins. Das ist viel für ein kleines Dorf. Die Schule befand sich in Pragnin-d'en-Haut, zwanzig Minuten von Pragnin-de-la-Crête entfernt, wo wir unser Haus hatten, und den halben Schulweg legten wir mit den Schülern von Pragnin-d'en-Bas zurück.

Der Schulweg hatte eine große Bedeutung. Hier fanden alle Spiele statt. Sie entstanden aus dem Frühling selbst, der sich in seiner bescheidensten Form zeigte: als Wasserpfützen, als Schlamm und dann als Staub, den der Föhn aufwirbelte. Wir sahen nur auf den Weg. Es war ein Frühling auf Bodenhöhe - was auch seine Art ist. Kaum war der Schnee geschmolzen, ritzten die Jungen ihre Zeichen auf die Erde, wie man ein Tier oder einen Gegenstand kennzeichnet, der einem gehört; sie stießen ihre Absätze hinein und warfen ihre kleinen Glasmurmeln und die großen Klicker. Dieses Privileg war ihnen vorbehalten; wir Mädchen spielten »Himmel und Hölle«, »Kaiser, wie viel Schritte darf ich gehen« und Spiele mit Knöpfen und Kieselsteinen. Wir hatten auch Lieder, Margoton s'en va-t-à l'Eau, L'Oiseau en Cage und Trois Filles:

Nous étions trois filles

Trois filles de quinze ans

Mon père nous fit faire

Trois beaux habits blancs.

Die Jungen erregten unseren Neid. Jedes Frühjahr holten sie ihre Kastagnetten hervor - zwei grob geschnittene, unten leicht abgerundete kleine Holzstücke mit Einbuchtungen für die Finger -, und auf dem ganzen Weg, von ihrem Weiler bis zum Schulhaus, ließen sie ihr

Ter-lec-tec-tec

hören, das wie abertausend Schnabelhiebe durch die Märzluft knatterte.

Es war schön, ihnen zuzuhören und zuzusehen. Wir empfanden eine freudige Angst dabei; sie schienen mit einer Macht ausgestattet, die sie zu den Herren über das Universum und über uns Mädchen machte.

Wir hatten nur unsere kleinen Spiele!

Genau wie die Murmeln waren für uns auch die Kastagnetten verboten. Trotzdem beschlossen wir, ebenfalls damit zu spielen. Unsere Brüder schnitzten uns ähnliche Klappern wie ihre, und eines schönen Morgens machten wir uns auf den Schulweg, in Zweierreihen, aufrecht, mit erhobenem Arm und siegreichem Schritt, und unsere Gesichter waren ernst vor lauter Stolz:

Ter-lec-tec-tec, ter-lec-tec-tec

Wir begegneten Barnabé und seiner Frau, die in den Weinberg arbeiten gingen. Sie lächelten uns zu. Wir begegneten dem Lehrer. Er sagte nichts, aber sein Blick gab uns zu verstehen, dass dies unser letztes Kastagnettenklappern war.

Er erzählte alles der Lehrerin. Sie schimpfte uns aus, und wir mussten nach dem Unterricht nachsitzen: Die Großen hatten zur Strafe in allen Zeiten den Satz »Ich bin ein unartiges Mädchen« zu konjugieren, und die Kleinen mussten drei Seiten mit senkrechten Strichen ausfüllen.

An den freien Tagen gingen wir zum Weinberg, dieser so kahlen, so steinigen und feindseligen Welt, die ein Obstgarten hier und dort wie eine Oase besänftigt. Angesichts dieses stets abschüssigen, der Sonne, dem Frost und dem Wind ausgesetzten Ackerlands, dessen schwarze, knorrige Rebstöcke, verwunschene Büsche, so armselig erschienen, unfähig, einen Ertrag zu bringen, überkam mich großes Mitleid mit all den Menschen, die sich bemühten, ihm etwas abzutrotzen. Die Härte des Frühlings hatte meinen Glauben in die kommenden Jahreszeiten erschüttert.

Wir gingen auch gern zu den Weingärten in der Ebene hinunter, die den Bewohnern von Malloès gehörten, dem Dorf am Flussufer, denn dort hatte man die Gewohnheit, diese zu den Klängen einer Blaskapelle zu bestellen. Von Weitem hörten wir die Blechinstrumente und Trommeln, sahen die Fahne flattern. Dankbar fingen wir die Krümel dieses Festes auf, das nicht für uns bestimmt war, ohne auf den Gedanken zu kommen, dass auch wir eine Blechmusik hätten haben können, wenn die Männer von Terroua es gewollt hätten. Aber ich glaube, wir waren nicht musikalisch veranlagt.

Wenn alle Weinberge gehackt waren, ihre Erde rosa und neu dalag und die Pfähle eingeschlagen waren, und wenn die Wiesen zu grünen und die Bäume zu blühen begannen, mussten wir um den fünfzehnten April herum diesen Frühling verlassen, der nicht nur im Herzen der Natur, sondern auch in unserem Körper erwachte, und wieder nach Terroua hinaufziehen. Dort oben herrschte noch Winter, und auf den gräulichen Wiesen lag immer noch schmutziger Schnee. Unsere schon an die ersten warmen Tage gewohnten Körper versteiften sich, lehnten sich gegen die Kälte auf. Um sich zu trösten, sagte man sich:

»Oh, dort unten haben sie auch zu leiden. Die Pfirsichbäume sind erfroren … Und dann stehen noch die Eisheiligen bevor.«

Unsere Nachbarin Bathilde, die seit drei Wochen krank war, starb. Emilienne überbrachte mir die Nachricht.

»Hat sie nach mir gefragt?«

»Nein«, antwortete meine Schwester.

Ich war erstaunt und enttäuscht. Ich wollte wissen, wie ihre letzten Momente gewesen waren. Man berichtete mir, dass sie trotz des Ofens schlotterte und sagte: »Dreht mich zur Sonne.« Sie hatte noch gebeten: »Bringt mich in den Weinberg. Legt mich in eine Rebfurche«, da sie glaubte, sie wäre in Pragnin. Dann verlangte sie abermals, man möge sie zur Sonne drehen.

»Sie hatte kalt, weil ihre Seele sie verließ«, erklärte mir Emilienne. »Verstehst du, Marceline, die Seele...
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Autor

S. Corinna Bille (1912-1979) gilt als eine der bedeutendsten Schriftstellerinnen der Westschweiz. Nach Schuljahren in der Innerschweiz, »Lehrjahren« in Paris und Zu¿rich fu¿hrt sie ein naturverbundenes Nomadenleben in Walliser Weilern, gemeinsam mit anderen Schriftstellern. Darunter der Westschweizer Dichter Maurice Chappaz, den sie 1947 heiratet. Corinna Bille hat Romane, Novellen, Gedichte, Theaterstu¿cke verfasst; 1974 wurde sie mit dem Großen Schillerpreis, 1975 mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet. Theoda, ihr Romandebu¿t von 1944, brachte ihr seinerzeit den literarischen Durchbruch und avancierte zum Bestseller.