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Der geträumte Mann

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
260 Seiten
Deutsch
hockebookserschienen am17.12.2015Überarbeitete Neuausgabe
Die junge Kindergärtnerin Gesine hat ihr Leben als Single leid und will dem Schicksal auf die Sprünge helfen. Irgendwo wartet doch sicher ihr Märchenprinz. Gesine ahnt noch nichts von der Existenz eines Mannes, der so genial mit den Träumen und Sehnsüchten romantischer Frauen spielen kann. Bis ihr genau dieser Mann fast zum Verhängnis wird und sie an ihren Träumen zu scheitern droht.

Brigitte Blobel hat Reportagen für viele große Magazine (Stern, Geo, Merian, Playboy, Harpers Bazaar) geschrieben, bevor sie in die Belletristik wechselte. Ihr erster Roman »Alsterblick« wurde gleich ein Bestseller, ebenso »Der Ruf des Falken«, »Das kalte Land«, etc. Heute schreibt sie vor allem Drehbücher für TV-Filme wie »Der Herbst des Patriarchen« (mit Mario Adorf) oder Almuth und Rita (mit Senta Berger und Cornelia Froboess). Ihre Jugendromane zu aktuellen Themen wurden mehrfach ausgezeichnet und in mehr als 20 Sprachen übersetzt. Nach vielen Jahren auf Mallorca, wo sie Wein anbauten und Olivenöl produzierten, lebt sie mit ihrem Mann, dem Politikjournalisten Wolfram Bickerich wieder in Hamburg.
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Produkt

KlappentextDie junge Kindergärtnerin Gesine hat ihr Leben als Single leid und will dem Schicksal auf die Sprünge helfen. Irgendwo wartet doch sicher ihr Märchenprinz. Gesine ahnt noch nichts von der Existenz eines Mannes, der so genial mit den Träumen und Sehnsüchten romantischer Frauen spielen kann. Bis ihr genau dieser Mann fast zum Verhängnis wird und sie an ihren Träumen zu scheitern droht.

Brigitte Blobel hat Reportagen für viele große Magazine (Stern, Geo, Merian, Playboy, Harpers Bazaar) geschrieben, bevor sie in die Belletristik wechselte. Ihr erster Roman »Alsterblick« wurde gleich ein Bestseller, ebenso »Der Ruf des Falken«, »Das kalte Land«, etc. Heute schreibt sie vor allem Drehbücher für TV-Filme wie »Der Herbst des Patriarchen« (mit Mario Adorf) oder Almuth und Rita (mit Senta Berger und Cornelia Froboess). Ihre Jugendromane zu aktuellen Themen wurden mehrfach ausgezeichnet und in mehr als 20 Sprachen übersetzt. Nach vielen Jahren auf Mallorca, wo sie Wein anbauten und Olivenöl produzierten, lebt sie mit ihrem Mann, dem Politikjournalisten Wolfram Bickerich wieder in Hamburg.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783957511201
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum17.12.2015
AuflageÜberarbeitete Neuausgabe
Seiten260 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.3236301
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

In ihren Träumen lief Gesine durch eine Stadt, deren Gassen, Alleen und Plätze ihr so vertraut waren, als habe sie immer hier gelebt. Ihr ganzes Leben spielte sich in dieser Stadt ab, sie trank den Kaffee morgens in dem Café am Kopfsteinpflasterplatz, über den die Händler ihre Gemüsekarren rollten. Gegenüber die Kirche mit den zwei gotisch spitzen Türmen, die Mauern, weiß gestrichen, warfen das Licht der aufgehenden Sonne so verstärkt zurück, dass es in den Augen brannte. Später wanderte sie durch die Gassen, immer beschäftigt, sie verabschiedete Freunde am Bahnhof, sah sich auch manchmal selbst mit einem kleinen Reisekoffer auf Gleis 5 ankommen, eine Litfaßsäule auf dem Bahnsteig zeigte immer das neue Kinoprogramm mit Plakaten für einen Horrorfilm. Monster sprangen den Betrachter an, gierig, mit weit aufgerissenen Augen und klaffenden Mäulern. Gesines Albträume spielten alle in dieser Stadt, in dem Park mit den sterbenden Bäumen, wo auf kahlen Ästen Krähen saßen, die plötzlich im Sturzflug herunterstießen und in ihren Kopf hackten, in dem Park mit den Bänken, auf denen merkwürdige Gestalten unter ausgebreiteten Zeitungen schliefen, manchmal, wenn Gesine leise an einer dieser Bänke vorbeiging, traf ihr Blick plötzlich die Augen eines Mannes. Er erhob sich ohne ein Wort, ließ die Zeitungen auf den Boden fallen und folgte ihr in seinen halbhohen Schuhen, die nicht zugebunden waren und deren Schnürsenkel hinterherschleiften, er folgte ihr in kurzem Abstand, und wenn sie ihre Schritte beschleunigte, dann wurde auch er schneller, wenn sie links in eine Gasse einbog, tat er dasselbe. Schweißgebadet hastete sie bergan, ihrer Wohnung entgegen, die in einem der grauen Blocks lag, und als sie in der Siedlung ankam, hatte sie vergessen, welches ihr Haus war, welches ihr Eingang. Außer sich vor Angst stürzte sie auf eine Haustür zu, rüttelte an der Klinke, aber die Tür gab nicht nach, der Schlüssel passte nicht, und hinter ihr hörte sie den keuchenden Atem des Mannes.

Dann drehte sie sich um und fragte: »Was wollen Sie eigentlich von mir?« Sie schrie diese Frage heraus, mit einer schrillen, sich überschlagenden, ihr fremden Stimme, die ihr wehtat, aber trotzdem spürte sie Erleichterung, dass sie noch schreien konnte in diesem Augenblick der Panik. Aber der unheimliche Fremde antwortete nicht. Er verzog sein schwammiges Gesicht zu einem widerlichen Grinsen, und Gesine stellte schaudernd fest, dass in seinem Mund nur noch gelbe Zahnstümpfe waren, dann streckte der Mann beide Arme nach ihr aus, so siegessicher, so eindeutig in seinen Absichten ⦠An diesem Punkt der Geschichte wachte Gesine immer auf. Sie tastete dann nach der Nachttischlampe, erhob sich, um im Bad ein Glas Wasser zu trinken, tappte barfuß über den Flur, schaute aus dem Fenster hinüber in das andere Haus, wo die schattenhaften Umrisse einer Person sie jedes Mal wieder zu Tode erschreckten, bis sie sich erinnerte, dass dies das Haus der Nachbarn war, dass dies das Zimmer war, in dem ein Kind seinen Todesschlaf schlief.

Aber manchmal hatte Gesine in ihrer Traumstadt auch andere, schönere Träume. Dann sah sie sich an einem Brunnen, in dessen Mitte bronzene Flötenspielerfiguren waren, und sie wurde von einem freundlichen Mann begleitet, der sie anlächelte, der seinen Arm um sie legte und der plötzlich einen alten Silberpfennig in den Brunnen warf, einen Pfennig für ihr Glück.

Sie traf diesen Mann wieder in einem alten, von Efeu bewachsenen Haus, er hockte im Schneidersitz auf einer Bastmatte, wenn sie kam, lächelte er und strich ihr die Haare aus dem Gesicht zurück. Dann bedeutete er ihr, sich neben ihm niederzulassen, und sie legte sich so, dass ihr Kopf in seinem Schoß war. Der Mann sprach in einer fremden singenden Sprache, die sie aber trotzdem verstand, mit dem Herzen verstand. Er erzählte die Geschichte der ewigen Liebe und des ewigen Glücks. Er nahm ihre Hände und legte seine Handflächen gegen ihre Handflächen, dann beugte er sich vor und küsste ihre Brüste. Sie war plötzlich nackt und von einer derartigen Schönheit, dass es sie stolz machte und stark. Sie erhob sich, zog den Mann zu sich empor, und zusammen gingen sie über die Bastteppiche, vorbei an Zimmern ohne Türen, über Gänge, auf denen weiß gekleidete Mädchen im Lotussitz saßen, bis zu dem hinteren Raum, der kein Fenster hatte und keine Tür, aber der mit Hunderten von brennenden Kerzen in ein gelbwarmes Licht getaucht war. Am Ende des Raumes befand sich ein Tisch, über den eine weiße Spitzendecke gebreitet war. Darauf lag ein dickes rotes, in Leder gebundenes Buch, und als sie beide ihre Hände auf dieses Buch legten, da begannen plötzlich tausend Engel zu singen, und da wusste Gesine, dass sie getraut worden war für das ewige Glück.

Botho war nicht an den großen Katastrophen interessiert, ihn interessierte das kleine Drama, wie er es nannte, das Kammerspiel. Seine Bühne waren die Seiten mit den Heiratsanzeigen in der Zeitung, er fühlte sich wie der große Spielleiter, er dosierte die dramatischen Höhepunkte, wechselte sie ab mit längeren erzählenden Passagen, retardierenden Momenten in Form von Gedichten, und im richtigen Augenblick dem Aufschrei einer Frau, die an ihrer Sehnsucht, an der ewig unerfüllten Sehnsucht zerbrach.

Es wurde immer Wert darauf gelegt, dass auf »seinen Seiten«, wie er sie im Stillen nannte, das Gleichgewicht zwischen männlichen und weiblichen Schauspielern bewahrt blieb, das Verhältnis von Angebot und Nachfrage sich immer die Waage hielt, sodass, wie Botho fand, jedem Leser doch eigentlich auffallen müsste, welch eine Manipulation dahintersteckte. Führte man die beiden Parteien einfach zusammen, so wäre das Problem doch gelöst. Denn hier passte jeder Mann zu jeder Frau, sie hatten alle ähnliche Ideale, Wünsche und Träume. Und alle waren bereit, ihr Bestes zu geben, ihre Zeit, ihre Zärtlichkeit, ihre Liebe, ja ihr ganzes Leben - hier stimmte alles, man brauchte sich nur zu bedienen.

Botho war als einziger Junge zwischen fünf Schwestern aufgewachsen.

Der Vater spielte in seinen Kindheitserinnerungen keine wesentliche Rolle. In Bothos Erinnerungen war der Vater ein Mann, der sich abends mürrisch zum Essen einfand, der schweigend, schmallippig und übel gelaunt am Tisch saß, seinen Magentee trank und die Pfeife zu stopfen begann, noch ehe die Mutter ihr erstes Schnittlauchbrot gegessen hatte. Später zog er sich sofort in sein Arbeitszimmer zurück, um sich um seine Mineralien-Sammlung zu kümmern, der er mehr Aufmerksamkeit schenkte als seiner Frau.

So war er schon immer, hatte seine Mutter manchmal geseufzt, die Steine haben für ihn mehr Leben als die Menschen.

Da waren sie also unter sich, Mutter, vier Schwestern und er, Botho. Botho zählte nicht als Mann in der Runde, man nahm weder auf seine Gefühle noch auf seine anderen, eben männlichen Bedürfnisse Rücksicht. Die Mädchen sprachen in seinem Beisein über ihre ersten Monatsblutungen und das Problem, die benutzten Binden in Klopapier zu wickeln, ohne sich dabei die Hände schmutzig zu machen. Er wuchs auf in einer Welt blutiger Binden, wie es ihm später schien, die neben dem Klo lagen und irgendwann während des Tages weggeräumt wurden. Später dann überall Lippenstifte, Puderdöschen, gewaschene und getragene Nylonstrümpfe, auch Strumpfhosen, die ihn besonders anwiderten, ohne dass er sagen könnte, woran es lag.

Die Mädchen hatten so eine flatterhafte, fast unsichtbare Art, sich auszubreiten, ihre Kleidungsstücke, ihre Wäsche, ihre Poesiealben, ihre Liebesbriefe und Lockenwickler gleichmäßig auf alle Zimmer zu verteilen, dass es ihm manchmal schien, als müsse er über Berge von »Mädchen-Sachen« hinwegsteigen, um endlich das kleine dunkle Zimmer zu erreichen, das man ihm zugestanden hatte.

Botho sah die ersten Verehrer, die schüchternen Schulkameraden, die dann später kecke Liebhaber wurden, ein- und ausgehen, er sah die Veränderungen, die in seinen Schwestern vorgingen, wie sie plötzlich damenhaft wurden in der Gegenwart fremder Männer, und er sah sie gleichzeitig, unbeobachtet, wie sie wieder in ihre alten Träume und Schwärmereien verfielen, schnulzige Liebesromane lasen und der alten abgewetzten Stoffkatze salzige Tränenküsse gaben.

Botho begriff vielleicht eher als irgendein anderer Junge, dass eine Frau nie die Frau war, die sie nach außen hin zu sein schien. Dass in jeder Frau ein Märchengespinst schlummerte, eine Mischung aus Dornröschen und Prinzessin auf der Erbse, dass man dieses versteckte Wesen einer Frau nur wach küssen konnte, wenn man den beschwerlichen, dornenreichen Weg bis zu ihrer Seele vorgedrungen war. Aber die Jungen, die kamen, um Bothos Schwestern in die Disco oder ins Kino zu führen, waren nicht die Prinzen auf den silbernen Rössern, die das Geheimnis hinter Spinnennetzen und jahrtausendealtem Efeu suchen wollten. Die Jungen, die Bothos Schwestern vor der Haustür unter der Rotbuche abknutschten, waren nicht die schönen Ritter und Jäger, die mit ihrer Hundemeute, in wehende Capes gehüllt, auf das Geheimnis zusprengten. Die Jungen, die Botho dann irgendwann einmal unter der Decke, zusammen mit der Schwester, erwischte, wo sie verlegen, mit rotfleckigen Gesichtern, ihn anblinzelten, waren nicht von der Art, dass sie die Spinnweben zerreißen könnten, vordringen bis dorthin, wo die Seele so voller Sehnsucht nach Zärtlichkeit auf sie wartete.

Vielleicht, dachte Botho manchmal, wenn er den Briefumschlag mit dem Verrechnungsscheck von der Redaktion öffnete, vielleicht verdanke ich diese Geldquelle meinen Schwestern. Meiner Kindheit eben. Vielleicht weiß ich wirklich ein bisschen mehr über die Seele einer Frau als die meisten anderen Männer. Deshalb hatte ihn auch Gesines Brief so eigenartig berührt, der zweite noch mehr als der erste, es war ihm, als höre...
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Autor

Brigitte Blobel hat Reportagen für viele große Magazine (Stern, Geo, Merian, Playboy, Harpers Bazaar) geschrieben, bevor sie in die Belletristik wechselte. Ihr erster Roman »Alsterblick« wurde gleich ein Bestseller, ebenso »Der Ruf des Falken«, »Das kalte Land«, etc. Heute schreibt sie vor allem Drehbücher für TV-Filme wie »Der Herbst des Patriarchen« (mit Mario Adorf) oder Almuth und Rita (mit Senta Berger und Cornelia Froboess).Ihre Jugendromane zu aktuellen Themen wurden mehrfach ausgezeichnet und in mehr als 20 Sprachen übersetzt. Nach vielen Jahren auf Mallorca, wo sie Wein anbauten und Olivenöl produzierten, lebt sie mit ihrem Mann, dem Politikjournalisten Wolfram Bickerich wieder in Hamburg.