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Der Zorn des Zeppelin

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
416 Seiten
Deutsch
Emons Verlagerschienen am17.03.2016
Die Nichte des Friedrichshafener Kriminaldirektors wird entführt und schwer traumatisiert in der Basilika von Birnau wiedergefunden. Wenig später stirbt ein Mädchen, und es wird klar: Der Täter befi ndet sich auf einem ebenso heimtückischen wie raffi nierten Rachefeldzug. Sein Gegner: die gesamte Kripo inklusive Max Madlener. Immer wieder wird die Polizei in der Öffentlichkeit vorgeführt - bis Madlener beschließt, nicht mehr mitzuspielen . . . Tiefe Einblicke in dunkle Abgründe, filmreife Action und große Bilder - ein fulminanter Kriminalroman.

Walter Christian Kärger, aufgewachsen im Allgäu, studierte an der Hochschule für Fernsehen und Film und arbeitete 30 Jahre als Drehbuchautor in München. Über 100 seiner Drehbücher wurden für Kino oder TV verfilmt. Er lebt als Romanautor in Memmingen.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR15,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR11,99

Produkt

KlappentextDie Nichte des Friedrichshafener Kriminaldirektors wird entführt und schwer traumatisiert in der Basilika von Birnau wiedergefunden. Wenig später stirbt ein Mädchen, und es wird klar: Der Täter befi ndet sich auf einem ebenso heimtückischen wie raffi nierten Rachefeldzug. Sein Gegner: die gesamte Kripo inklusive Max Madlener. Immer wieder wird die Polizei in der Öffentlichkeit vorgeführt - bis Madlener beschließt, nicht mehr mitzuspielen . . . Tiefe Einblicke in dunkle Abgründe, filmreife Action und große Bilder - ein fulminanter Kriminalroman.

Walter Christian Kärger, aufgewachsen im Allgäu, studierte an der Hochschule für Fernsehen und Film und arbeitete 30 Jahre als Drehbuchautor in München. Über 100 seiner Drehbücher wurden für Kino oder TV verfilmt. Er lebt als Romanautor in Memmingen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783863589745
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum17.03.2016
Seiten416 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3856 Kbytes
Artikel-Nr.3237032
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

2

Dr. Anselm Arbogast hörte leise Stimmen von oben, als er die hintere Stahltür zur Apotheke abgesperrt hatte und die Treppe zum ersten Stock in den Wohnbereich hinaufging. Aber das war nicht ungewöhnlich. Die Stimmen stammten vom Fernseher, der Tag und Nacht im Schlafzimmer seiner Mutter lief. Sie war seit gut einem halben Jahr ans Bett gefesselt. Seit ihrem schweren Schlaganfall, dem Blutgerinnsel im Gehirn. Der Apoplex hatte seine Mutter im Schlaf überrascht und rechts halbseitig gelähmt. Er hatte Adelheid Arbogast, Witwe und Apothekerin, über Nacht in einen lebenden Leichnam verwandelt, der sich nicht mehr artikulieren konnte und nur noch im Dämmerzustand im Ehebett dahinvegetierte, ein regloser Zombie, mit dem keine Kommunikation mehr möglich war, obwohl die altkluge Pflegerin meinte, man könne nie wissen, ob so ein im Koma liegender Patient nicht doch alles oder wenigstens einiges von dem mitbekomme, was um ihn herum vorging.

Niemand kannte Adelheid Arbogast so gut wie ihr einziger Sohn. Er brauchte ihr nur in die Augen zu sehen, dann wusste er Bescheid: Sie bekam alles mit.

Und er wusste auch genau, was sie am meisten hasste: Fernsehen und Werbung im Fernsehen.

Noch während sie im Krankenhaus lag, hatte er ihr einen neuen Flachbildschirm so vor das Bett in ihrem Schlafzimmer gestellt, dass sie, wenn sie wieder daheim war und die Augen aufmachte, gar nicht umhinkam, etwas anderes zu sehen als die stets flimmernde Mattscheibe.

Der Pflegerin flunkerte er vor, dass er das Gefühl habe, seine Mutter freue sich darüber, unterhalten zu werden. Sie habe ihm einmal dankbar die Hand gedrückt, wenn auch schwach, aber er habe es deutlich gespürt. Die Lautstärke war so eingestellt, dass er gerade nicht gestört wurde, wenn er die Schlafzimmertür seiner Mutter geschlossen hatte. Wenn er sie heimlich aus einem Winkel, der außerhalb ihres Gesichtsfeldes lag, beobachtete, was er oft und mit Genugtuung tat, schien sie seine Gegenwart doch zu spüren und wahrzunehmen und murmelte Unverständliches. Ihr maskenhaftes, verzerrtes Gesicht versuchte mit übermenschlicher Anstrengung, sich irgendwie zu äußern, aber es gelang ihr nicht. Sie hatte eine leicht zu bedienende Fahrradklingel an ihrem Nachtkästchen, die Arbogast extra für sie angebracht hatte, damit sie sich bemerkbar machen konnte, denn ihre linke Hand konnte sie bewegen. Aber Arbogast schob einfach, wenn ihm das Geklingel auf den Wecker ging, das Nachtkästchen ein kleines Stück aus ihrer Reichweite. Noch in ihrem jetzigen Zustand hätte sie ihn sonst terrorisiert, so wie sie das ihr ganzes Leben hindurch getan hatte.

Damit war jetzt ein für alle Mal Schluss.

Die Installation aus Klingel und TV-Gerät war von der Pflegerin mit viel Anerkennung bedacht worden, sie fand es großartig, wie Dr. Arbogast seiner Mutter das armselige Stückchen Leben, das ihr noch geblieben war, erleichterte. Überhaupt: wie rührend der Sohn um seine Mutter besorgt war, ein wahres Vorbild für alle Menschen, die sich selbst um die Pflege ihrer Angehörigen kümmern mussten. Und dabei hätte Dr. Arbogast doch das Geld gehabt, um seine Mutter in einem teuren Pflegeheim unterzubringen. Aber nein - er wollte selbst für sie da sein, sie sollte nicht aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen werden. Das würde die Pflegerin auch brühwarm allen weitererzählen, und sie kam viel herum, das hatte Dr. Arbogast einkalkuliert. Manche Stammkunden, die davon erfahren hatten und ihn deswegen über den Schellenkönig lobten, wie man in Friedrichshafen zu sagen pflegte, konnten sich vor Lob und Bewunderung für die rührende Besorgtheit des Apothekers kaum noch zurückhalten. Manchmal war ihm das selbst richtiggehend peinlich, jedenfalls tat er so.

Insgeheim jedoch aalte er sich geradezu in der Sonne der öffentlichen Meinung, ihr strahlender Glanz trug nur dazu bei, seine wahre Natur zu übertünchen, der er von nun an umso eifriger und ungestörter erlauben konnte, das zu tun, was sie immer schon tun wollte.

Unbewusst sang er ein Lied vor sich hin, »Freude, schöner Götterfunken, Tochter aus Elysium, wir betreten feuertrunken, Himmlische, dein Heiligtum â¦«, das ihm seit Kindertagen nicht mehr über die Lippen gekommen war. Jetzt auf einmal fiel ihm der gesamte Text wieder ein, als er im Schlafzimmer seiner Mutter vor ihrem Bett stand und ihr leidendes Gesicht im flimmernden Licht des Flachbildfernsehers genoss. Er hatte extra den Ton leise gestellt, damit sie, wenn sie dazu noch in der Lage war, seinen Liedtext verstehen konnte. Vielleicht würde sie dann auch alles verstehen, was er bisher vor ihr geheim gehalten hatte, wer weiß. So kurz vor ihrem Ende hatte sie vielleicht einen dieser hellsichtigen Momente, von denen er einmal gelesen hatte. Er zog den Besucherstuhl ans Bett heran und setzte sich neben sie.

Endlich konnte sie nicht mehr über ihn bestimmen, ihn mit ihrer mitleidheischenden, wehklagenden Stimme traktieren, ihm Befehle erteilen, die in letzter Zeit nur noch mühsam als Anweisungen oder Bitten verklausuliert dahergekommen waren. Lange genug hatte er nach ihrer Pfeife getanzt, zu lange.

Eigentlich ein ganzes Leben lang.

Er griff sich an den Kopf - meldete sich da seine Migräne wieder? Prophylaktisch schluckte er eine von seinen Tabletten, die er immer in einem Döschen bei sich hatte, und spülte sie mit einem Schluck aus der Wasserflasche hinunter, die auf dem Nachtkästchen seiner Mutter stand. Eine erzwungene Auszeit wegen eines Anfalls - und sei sie auch noch so kurz - konnte er sich in diesem Stadium auf keinen Fall leisten.

Er seufzte und drehte sich zum Bildschirm um, weil er sehen wollte, was die letzten Eindrücke waren, die seine Mutter auf dem Weg ins Jenseits zu Gesicht bekam. Ausgerechnet einen dieser Fernsehfilme, die sie hasste wie die Pest. Rosamunde Pilcher. Deutsche Akteure aus der zweiten und dritten Schauspielerriege, die so taten, als seien sie Engländer. Holy shit! Seiner Mutter musste es gehen wie der Queen, wenn sie an ihre verkorkste Familie dachte: She really was not amused!

Er stellte es mit der Fernbedienung wieder ein bisschen lauter, damit sie auch wirklich hören konnte, was da vor sich ging, und auf gar keinen Fall den Werbeblock verpasste. Wenn sie noch könnte, würde sie sich jetzt winden vor hilfloser Qual. Ihre Augen flackerten voller Wut, das war der einzige Ausdruck, den sie noch hinbekam. Er nutzte die Gelegenheit und zeigte ihr die Spritze, zog demonstrativ den Kolben heraus, um sie mit Luft zu füllen.

»Du weißt schon, was heute für ein Datum ist, ja? Unser Jahrestag. Der 1. September. Du erinnerst dich doch noch daran? Ich weiß genau, dass du das nicht vergessen hast. Dann wollen wir mal â¦ Zeit, Adieu zu sagen.«

Ihre linke, zitternde Hand tastete vergeblich nach der Fahrradklingel, aber die hatte er beim Hereinkommen tunlichst aus ihrer Reichweite geschoben. Ihre Reaktion zeigte, dass sie sehr wohl verstand, was er vorhatte. Die pure Panik spiegelte sich in ihren Augen, die weit aufgerissen waren.

Umso besser.

Dann konnte sie den endgültigen Triumph in seinem Blick wenigstens wahrnehmen.

Er nickte ihr zu: Es war unwiderruflich so weit.

Er betrachtete ihre rechte Hand, die blau geädert und mit Altersflecken übersät regungslos auf der Bettdecke lag. Im Handrücken war der Katheter mit dem Infusionsschlauch. Er würde jetzt an einer Stelle, die man hinterher nicht bemerken würde, die Spitze der Spritze einstechen und Luft in den Katheter drücken. Die Luft würde in die rechte Herzhälfte und von dort in die Lunge gelangen. Der Druck in der rechten Herzhälfte würde ansteigen, und die Blutgefäße der Lunge würden sich zusammenziehen. So lange, bis die Embolie in die linke Hälfte des Herzens weiterwanderte. Durch den Blutkreislauf hatte die Luftblase nun Zugang zum ganzen Körper. Wenn sie sich in einer Koronararterie festsetzte, würde sie einen Herzinfarkt auslösen. Wenn sie ins Gehirn gelangte, einen zweiten Schlaganfall.

So gut wie nicht nachweisbar, wenn man nicht danach suchte.

Und wer sollte das schon tun? Der langjährige Hausarzt würde eine natürliche Todesursache diagnostizieren, ihm kondolieren und ihm von Doktor zu Doktor sagen, dass seine Mutter froh sein konnte, von ihrem Zustand erlöst worden zu sein, von dem keine Besserung zu erwarten war, bevor er den Totenschein ausfüllte und unterschrieb.

Er summte leise »La-le-lu, nur der Mann im Mond schaut zu â¦«, während er die Luft mit Hingabe in den Katheter drückte, aufstand und seine Mutter mit Rosamunde Pilcher und der Werbung für Kukident-Haftcreme und Dulcolax gegen Obstipation allein ließ.

Er würde morgen früh nach ihr sehen, wenn es endlich vorbei war.

Wenn sie Glück hatte, würde sie noch die »Ich bin doch nicht blöd«-Werbung und das Happy End im TV mitbekommen, er gönnte es ihr von ganzem Herzen.

Aber jetzt hatte er weiß Gott Wichtigeres zu tun. Er musste in sein streng abgesichertes und schalldichtes Labor gehen. Der Zugang erfolgte durch eine Stahltür, die mit einem elektronischen Schloss versperrt war, dessen Code nur er und seine Mutter kannten, weil hinter ihr auch die Medikamente untergebracht waren, die unter das Betäubungsmittelgesetz fielen. Dort gab es Strom und einen Wasseranschluss, dort war sein ganz persönliches Reich, eben sein »Labor«, wie er seiner Mutter und seinen Mitarbeitern in der Apotheke weisgemacht hatte, in dem er angeblich in seiner Freizeit seinem Hobby, der Chemie, nachging.

Seit seine Mutter das Bett nicht mehr verlassen und...
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