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Irisblütenmord

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
400 Seiten
Deutsch
Emons Verlagerschienen am17.03.2022
Ein außergewöhnliches Debüt und eine Geschichte, die eine vollkommen unerwartete Wendung nimmt. An einem Naturstrand in Langenargen wird ein Toter gekreuzigt aufgefunden. Bald folgen im Nachbardorf Eriskirch weitere altertümlich anmutende Morde, an den Tatorten findet sich jeweils eine getrocknete Irisblüte. Wie hängt die Blume mit den Todesfällen zusammen? Die Spur führt die Friedrichshafener Kommissare Marc Steingruber und Clara Meißner zu einem Jahrhunderte zurückliegenden Verbrechen im Tettnanger Wald, das dem Fall eine neue Dimension gibt.

Julian Biberger, Jahrgang 1989, lebt in Meckenbeuren am Bodensee, schrieb als freier Journalist in den Bereichen Sport und Kultur und begleitete den Rapper Kay One in der PR-Beratung. In seiner Freizeit ist er als passionierter Läufer auf den bodenseenahen Strecken und als begeisterter Wildlife-Fotograf in der Natur anzutreffen.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR10,99

Produkt

KlappentextEin außergewöhnliches Debüt und eine Geschichte, die eine vollkommen unerwartete Wendung nimmt. An einem Naturstrand in Langenargen wird ein Toter gekreuzigt aufgefunden. Bald folgen im Nachbardorf Eriskirch weitere altertümlich anmutende Morde, an den Tatorten findet sich jeweils eine getrocknete Irisblüte. Wie hängt die Blume mit den Todesfällen zusammen? Die Spur führt die Friedrichshafener Kommissare Marc Steingruber und Clara Meißner zu einem Jahrhunderte zurückliegenden Verbrechen im Tettnanger Wald, das dem Fall eine neue Dimension gibt.

Julian Biberger, Jahrgang 1989, lebt in Meckenbeuren am Bodensee, schrieb als freier Journalist in den Bereichen Sport und Kultur und begleitete den Rapper Kay One in der PR-Beratung. In seiner Freizeit ist er als passionierter Läufer auf den bodenseenahen Strecken und als begeisterter Wildlife-Fotograf in der Natur anzutreffen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783960418849
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum17.03.2022
Seiten400 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3355 Kbytes
Artikel-Nr.9013249
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Prolog

Welcher ein trewe Mutter find

der hat Schätz vber alle Welt

er seh nur datz er jhrs vergelt.

10. November 1639

Gedankenverloren stand Clara Melchin auf der Wiese der lichten Anhöhe des Lindenbuckels am Rande des Tettnanger Waldes. Gebannt richtete sie ihren Blick auf die nördlich gelegenen, verheerten Überreste der Hauptstadt zur Grafschaft Tettnang der Herren von Montfort. Der kalte Wind, der die Baumkronen im Reigen tanzen ließ und die nassen Gräser der Wiese sanft wiegte, strich durch ihr langes schneeweißes Haar. Clara fröstelte es. Der dünne Leinenstoff ihrer Schürze und das Unterkleid mochten keinen rechten Schutz gegen die aufziehende Kälte bieten. Sie schmiegte sich in ihren braunen Umhang. Auch das weiße Häubchen, das ihr Haupt zierte, schonte ihre Ohren nur mäßig vor dem anhaltenden Wind. Dennoch stimmte all das Clara nicht verdrießlich. Immerhin trug der Wind ihre Gedanken davon.

Der Martinisommer, der im November die letzten Schönwettertage mit sich zu bringen pflegt, war in diesem Jahr ausgeblieben. Stattdessen hatte sich tagsüber eine Regenfront über das Land ergossen und eine stramme Brise mit sich geführt. In der Ferne tat sich die Richtstätte am Galgenberg auf. Dort war die leibeigene Dienstmagd Anna Lohrin anno 1625 wegen Hexerei und Pakten mit dem Teufel enthauptet und verbrannt worden.

Claras Blick schweifte vom Torschloss über die lausig vernarbte Schneise der Verwüstung hinüber zum Turmstumpf der linker Hand aufragenden Burgruine. Die schwedischen Kavallerieregimente, derer drei, waren sechs Jahre zuvor im Kampf für die protestantische Sache in Tettnang eingefallen. Ganze dreiunddreißig Wochen hatten sie die Stadt belagert, waren brandschatzend, plündernd und mordend durch die Gassen gestreift. Als sie endlich abgezogen waren, blieb unsägliches Leid zurück. Die meisten Behausungen lagen in Schutt und Asche. Kaum mehr als zwölf Dutzend gräuelgeplagte Seelen waren in der einst blühenden Montfortstadt verblieben. Wen Eisen und Feuer verschont hatten, auf den hatte der von den Schweden durch die Stadttore gelotste Schwarze Tod gelauert. Flucht und Hungersnot hatten schließlich ihr Übriges getan. Im Lande kursierte die weitläufige Ansicht, es sei im gesamten Schwäbischen Kreis kein Ort übler verwüstet worden als Tettnang.

Eigenartig. Es mochte grotesk anmuten, doch einzig der elendige Anblick dieser Relikte unbarmherziger Zerstörung vermochte es, Clara ein Gefühl der Leichtigkeit und Beschwingtheit einzuhauchen. Für eine kurze Zeit entfloh sie dem leidlichen Irdischen und tauchte in die berauschenden, befreienden Weiten der Gedankenlosigkeit ein. Dabei lag die Realität, ihre triste Realität, ihr zur Wirklichkeit gewordenes Grauen, gerade einmal ein Fünftel eines Tagesmarsches entfernt. In einer zwanzig Fuß langen und zehn Fuß breiten Bauernhütte an der Schussen in Eriskirch, wo die Wände lediglich aus einer Holzpfostenkonstruktion mit Weidenastgeflecht bestanden. Den Boden bildete festgestampfter Lehm, und das Dach war aus einem Schilfgedeck gefertigt. Strohsäcke dienten als kärgliche Schlafstätte.

Als Claras Vater Jakob noch gelebt hatte, hatte sie mit ihren Eltern und ihrem kleinen Bruder Lukas ein beschauliches Bürgerhaus in Ölschwang südöstlich der Reichsstadt Ravensburg bewohnt. Als Papiermacher hatten sich ihre Eltern verdingt und eine der drei dort am Flappach angesiedelten Papiermühlen bewirtschaftet. Ja, sie waren wirklich gesegnet gewesen. Konnte die Papiermacherei, wenn auch nicht gerade an des Kaisers Tafel, doch eine ganze Familie ernähren.

Hinter ihrem Fachwerkhaus hatte Claras Mutter Anna eine kleine Gartenparzelle unterhalten. Jahr um Jahr hatte sie bei der städtischen heilkundigen Kräuterfrau ein halbes Pfund Iriszwiebeln gekauft und am Fuße einer knorrigen Haselnussstaude ein Beet mit prächtig anzusehenden Blauen Schwertlilien bestellt. Jene Irisblüte, die dem Ritterstand von edlem Gemüt einst als die ihrige gegolten hatte. Bei Gott, sie waren gesegnet gewesen. Bis vor fünf Jahren.

Eines unheilvollen Abends hatte der Schwarze Tod auch an die Pforte ihres Lumpenkellers geklopft. Still und sanft hatten sich seine gichtigen Klauen um die Kehlen ihres Vaters und ihres Bruders gelegt und schonungslos den Lebenssaft aus ihnen gepresst.

Schon des Längeren war in der Bürgerschaft über ihre Familie gemunkelt worden: Die Anna Melchin hat einmal nach einem Streit mit einem Händler auf dem Viehmarkt die Schande in der Geige über sich ergehen lassen müssen. Und hat der liebe Herrgott nicht zweien ihrer Kinder just bei der Geburt das Leben verwehrt? Das muss eine gerechte Strafe gewesen sein. Die Anna Melchin muss sich nach dem Luzifer verzehrt haben, sich ihm mit Leib und Seele hingegeben haben â¦

Und dann war da diese wunderliche Clara Melchin. Das kleine Mädchen mit den schneeweißen Haaren und den lila schimmernden Augen. In der ganzen Reichsstadt ward noch nie zuvor ein solch sonderbares Mädchen gesehen. Schon gar nicht in einer Welfenstadt, deren edle Töchter von alters her rabenschwarzes Haupthaar zierte. Manch einer hatte gar behauptet, diese sonderliche Clara sei eine weitere Strafe Gottes. Ein Satansbraten.

Und nun hatte die Anna Melchin dem Gatten und dem Sohn auch noch die Teufelsseuche auf die Leiber gehetzt. Das roch nach Satanswerk und dunkler Zauberei. Die Anna Melchin musste eine Hexe sein. Und eine Gabelreiterin musste brennen. Gemeinsam mit ihrer Höllenbrut.

Allein der Gunst des Landvogts war es zu verdanken, dass der Kelch der Flammen an ihnen vorübergezogen war. Der Landvogt mochte die Melchins gut leiden. Auf ihren Papierbögen ließ er sich aufgrund der herausragenden Qualität nur allzu gern bei der Jagd porträtieren. So hatte er über die beiden Unglückseligen lediglich ein Stadtverbot verhängt und sie zu Claras Oheim auf das Land nach Eriskirch verbannt.

Claras Blick verharrte noch immer auf dem Turmstumpf der Burgruine der Montfortstadt. Deren Lustgarten war einst so schmuck anzusehen gewesen. Wunden waren ungleich schneller geschlagen, als sie heilen konnten. Sie spürte, wie sie der Anblick der verbrannten und verheerten Stadt fesselte.

Ein plötzlicher Anflug von Scham überkam Clara. Der liebe Herrgott versagte derlei Gedanken. Doch es war die überwältigende Ohnmacht dieser städtischen Wunden, die sie ihre eigenen vergessen ließ. Wunden, die wie nimmer verheilende Narben tief in Claras Seele klafften und ihr das Herz vom rechten Fleck entrückten. Sie drohte in der Leere zu ertrinken. Ihr Zustand glich dieser zerrütteten Burgruine. Die Liebe ihrer Mutter, dessen war sich Clara in diesem Moment bewusst wie nie zuvor, war der Strohhalm, der sie über Wasser hielt.

Dingdong! Dingdong! Dingdong! Dingdong! Dingdong!

Unversehens wurde Clara zurück in das irdische Hier und Jetzt entführt. Aus der Ferne vernahm sie die Glockenschläge der Loretokapelle. Es läutete bereits zur fünften Stunde. Die hereinbrechende Dämmerung kündigte sich an. Clara musste noch den Marsch von der Anhöhe durch den Tettnanger Wald nach Eriskirch zurücklegen. Und sie wusste, dass ihre Mutter in tiefer Sorge um sie sein würde. Sie hatte ihr strengstens untersagt, den Tettnanger Wald in der Dämmerung allein zu durchschreiten. Gottverboten.

Man munkelte, in den Wäldern des schwäbischen Umlandes hause ein gar schreckensvoller Walddämon. Ein Gehilfe des Teufels, der auch mit den hiesigen Hexen seine Bündnisse eingehe. Die Menschen nannten ihn Nachtfraul. Denn, so murmelte man hinter vorgehaltener Hand, in seine Fänge gerieten bei Einbrechen der Dämmerung vornehmlich Kinder, die in die Tiefen der Wälder verschleppt würden. Dort stellte er mit ihnen unaussprechliche Dinge an. Schlitzte ihre Bäuche auf. Weidete sich an ihren Gedärmen. Stach ihnen die Augen aus und aß sie. Er war riesenhaft und überall am Körper behaart. Ein pechschwarzes Gesicht hatte er. Nachtfarbener Wolfskopf. Flammende Iris. Lilaglut in den Bestienaugen. Schwarzes, buschiges Haupthaar und ein wuchernder Wurzelbart. Dazu rübenlange Klauen. Und seine Brust behauste die gar entsetzlich lodernde Feuersinbrunst der Hölle. So zumindest hatte ihn des Müllers Sohn zu Langenargen beschrieben. Das einzige Kind, das den Fängen des Nachtfrauls je entkommen war. Zuletzt hatte er im Allgäu in den Wäldereien um die Reichsstädte Kempten und Wangen sein Unwesen getrieben. Jüngst aber war er vom Müllerssohn in der Herrschaft Argen am Fluss unweit von Langenargen gesichtet worden.

Clara hatte den Rückweg angetreten und bereits gut die Hälfte des Heimwegs hinter sich gebracht. Als sie den Wald betreten hatte, hatten noch die letzten Sonnenstrahlen durch das dichte Blätterdach gelinst. Die Gedanken an den schrecklichen Nachtfraul hatte sie wieder beiseitegeschoben. Nun hielt die Dämmerung Einzug und legte einen Schleier der Dunkelheit um die Baumkronen. Die im Wind flüsternden Gräser am Wegesrand waren noch feucht, und die Regentropfen perlten an den Farnen entlang zu Boden. Ganz in der Nähe musste ein Specht eifrig einen Baumstamm bearbeiten. Noch immer pfiff ein leichter Wind durch die Wipfel und ließ die tanzenden und wippenden Blätter rascheln. Der Wald stimmte mit seinen ganz eigenen Klängen ein nächtliches Lied an. Doch etwas Schreckliches lag in der Luft. Eine unheilvolle Sinfonie. Aus der Ferne vernahm Clara Wolfsgeheul.

Mit einem Mal blieb sie wie angewurzelt stehen. Sie hatte ihn erblickt. Zwei düsterdunkle Augen. Auf einem herabhängenden Buchenast saß direkt vor ihr ein Waldkauz und machte keinerlei Anstalten, in die nahende Nacht zu entschwinden. Eisern hielten die knopfrunden schwarzen Augen aus dem rundlichen hell und dunkel umrahmten Gesichtsschleier heraus...
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Autor

Julian Biberger, Jahrgang 1989, lebt in Meckenbeuren am Bodensee, schrieb als freier Journalist in den Bereichen Sport und Kultur und begleitete den Rapper Kay One in der PR-Beratung. In seiner Freizeit ist er als passionierter Läufer auf den bodenseenahen Strecken und als begeisterter Wildlife-Fotograf in der Natur anzutreffen.
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Biberger, Julian