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Tassilo III.

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
144 Seiten
Deutsch
Verlag Friedrich Pusteterschienen am17.08.20161. Auflage
Das Bild des Bayernherzogs Tassilo III. (748-788) ist in der Geschichte ein Beispiel dafür, dass der Sieger in der Erinnerung Recht behält und der Besiegte eben Unrecht hatte. Selbst für die wissenschaftliche Geschichtsschreibung blieb Tassilo bis vor kurzem der 'kleine Geist', 'Treubrüchige und Verräter' oder 'talentlose Politiker', der seinen Vetter ersten Grades, Karl den Großen, mutwillig provozierte, bis es zur Katastrophe kam. Nur zu leicht wird dabei vergessen, dass Tassilo gegen das expansive Großreich der Franken seinem Bayern eine derart starke und dauerhafte Struktur verlieh, dass Land und Leute von seinem eigenen und dem Untergang seiner Familie nicht mehr beschädigt werden konnten. Die Nachwelt sollte ihm dafür nicht bloß in Bayern danken. Herwig Wolfram schildert eindrücklich das Schicksal des Bayernherzogs.

Herwig Wolfram, geb. 1934, ist em. o. Professor der Geschichte des Mittelalters, Universität Wien; 1983-2002 Direktor des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR16,95
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR13,99

Produkt

KlappentextDas Bild des Bayernherzogs Tassilo III. (748-788) ist in der Geschichte ein Beispiel dafür, dass der Sieger in der Erinnerung Recht behält und der Besiegte eben Unrecht hatte. Selbst für die wissenschaftliche Geschichtsschreibung blieb Tassilo bis vor kurzem der 'kleine Geist', 'Treubrüchige und Verräter' oder 'talentlose Politiker', der seinen Vetter ersten Grades, Karl den Großen, mutwillig provozierte, bis es zur Katastrophe kam. Nur zu leicht wird dabei vergessen, dass Tassilo gegen das expansive Großreich der Franken seinem Bayern eine derart starke und dauerhafte Struktur verlieh, dass Land und Leute von seinem eigenen und dem Untergang seiner Familie nicht mehr beschädigt werden konnten. Die Nachwelt sollte ihm dafür nicht bloß in Bayern danken. Herwig Wolfram schildert eindrücklich das Schicksal des Bayernherzogs.

Herwig Wolfram, geb. 1934, ist em. o. Professor der Geschichte des Mittelalters, Universität Wien; 1983-2002 Direktor des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783791760919
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum17.08.2016
Auflage1. Auflage
Seiten144 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3849 Kbytes
Artikel-Nr.3263796
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Einleitung oder das biografische Problem

Tassilo III. muss eine ganz außerordentliche Persönlichkeit gewesen sein, wenn es der Überlieferung, die zum Großteil die des feindlichen Vetters Karls des Großen ist, nicht gelingt, seine Gestalt hinter einer Wand von Vorwürfen und Vorurteilen verschwinden zu lassen. Auch sind die Quellen nicht alle so wortkarg wie etwa die ältesten Salzburger Annalen, die sogar über die Katastrophe von 788 nur mit den sechs Wörtern Tassilo tonsus est et captus Tassilo, »Tassilo wurde geschoren und gefangen (wurde) Tassilo«, berichten. Tatsächlich hat die Überlieferung auch andere, dramatischere Aussagen zu bieten, von denen hier einige vorweg genommen werden sollen. Tassilo beherrschte 40 Jahre lang, von 748 bis 788, ein königliches Fürstentum Bayern, das die Zeitgenossen ein Regnum nannten. Er galt den Bayern als »unser höchster Fürst«, nachdem er 763 seinem Onkel Pippin, dem mächtigen Frankenkönig, die Treue aufgesagt hatte und dennoch unbehelligt geblieben war. Er wurde als ein neuer Konstantin der Große gefeiert, als er 772 den hartnäckigsten Aufstand der heidnischen Karantanen niederwarf. All das waren Taten, die Zeitgenossen bewerteten, meist ohne lange über Motive zu berichten. Wenn dies aber geschieht, stammen Tassilos Beweggründe von seinen Gegnern.

Als er 787 auf dem Lechfeld vor Karl dem Großen kapitulieren und eine vasallitische Bindung eingehen musste, hat ihm diese Demütigung, heißt es, das Leben unerträglich gemacht. Danach wollte er zehn Söhne und nicht bloß seinen vergeiselten ältesten Sohn Theodo verlieren, bevor er die Abmachungen mit dem fränkischen Vetter einhielte. Als in Ingelheim die Katastrophe über ihn hereinbrach, soll er selbst seine Mönchung als Konfliktlösung vorgeschlagen, aber gebeten haben, den Rechtsakt nicht vor der Reichsversammlung zu vollziehen. Und nach seinem Sturz war Tassilo für Karl den Großen »der bösartige Mensch, unser Blutsverwandter, der uns das Herzogtum Bayern treulos entzogen hatte«.

Der zu Jahresende 741 geborene Bayernherzog Tassilo III. war ein Agilolfinger, und er wusste auch, dass er diesem Geschlecht angehörte. Es galt wie das der königlichen Merowinger als eine gens, als eine militärisch-politische Gemeinschaft, die einem Volk gleichwertig war. Beides kam auf dem europäischen Kontinent nicht häufig vor. Geschlechternamen wurden für gewöhnlich nach einem Spitzenahnen gebildet und zumeist als Fremdbezeichnungen verwendet. Nur selten sind sie auch schriftlich überlieferte Selbstbezeichnungen geworden. In diesen Fällen handelte es sich zumeist um hochrangige Königsfamilien, wie die vandalischen Hasdingen Geiserichs, die fränkischen Merowinger Chlodwigs, die gotischen Balthen Alarichs I. und wahrlich nicht zuletzt die gotischen Amaler Theoderichs des Großen, der für die bayerischen Ursprünge von großer Bedeutung war. In dessen überlangen Stammbaum nimmt nach drei Götternamen ein Amal den vierten Platz als Spitzenahn des Geschlechts ein, »von dem sich die Herkunft der Amaler herleitet«. Obwohl für Tassilo kein vergleichbarer Stammbaum bekannt ist, darf man mit Sicherheit annehmen, dass ein Agilulf der Spitzenahn der Agilolfinger war. Da es mehrere historische Träger des Namens gab, wurden zahlreiche »originalistische« Versuche unternommen, einen von ihnen als Ahnherrn der Agilolfinger zu bestimmen. Abgesehen davon, dass die dabei entworfenen Theorien und Hypothesen einander aufheben, lässt sich mit keinem dieser Agilulfe eine bayerische Geschichte erzählen.

Die Agilolfinger waren ursprünglich ein fränkisches oder franko-burgundisches Geschlecht, das einzige neben den Merowingern, das bereits im 7. Jahrhundert einen Namen hatte. Als in den frühen 620er-Jahren Chrodoald »aus dem edlen Geschlecht der Agilolfinger« bei König Dagobert I. (621-639) in Ungnade fiel und ermordet wurde, geschah dies nicht zuletzt auf Betreiben des »überaus heiligmäßigen« Bischofs Arnulf von Metz und des Hausmeiers Pippin I., die beide als Ahnherren der Karolinger verehrt wurden. Chrodoalds Sohn Fara fand 640/41 den Tod, weil er sich dem Thüringerherzog Radulf anschloss, der erfolgreich seine Eigenständigkeit gegenüber dem Frankenkönig Sigibert III. (633/34-656/57) behauptete. Und auch für diesen Totschlag war ein Vorfahre der Karolinger verantwortlich.1 Der agilolfingisch-karolingische Gegensatz hatte eine lange Geschichte und begann nicht erst mit dem Skandal um Tassilos Geburt. Die Agilolfinger besaßen jedoch nicht bloß einen hohen adeligen Status im Frankenreich, sondern stellten zugleich auch über 100 Jahre die Könige der italienischen Langobarden.

Tassilo verlor mit etwa sechs Jahren den Vater Odilo und mit 13 Jahren die Mutter Hiltrud. In welcher Weise wurde er dadurch geprägt? Es ist heutzutage eine Binsenweisheit, dass Kindheit und Jugend das Leben eines Menschen maßgeblich bestimmen. Man mag mit Curt Goetz darüber räsonieren, dass »die Jugend das schönste Alter« sei, aber in der Tassilozeit hätte niemand dieses Bonmot verstanden. Die Jugend galt nicht als eigener Lebensabschnitt. Sie war von so geringem Wert und Interesse, dass selbst der sorgfältige Biograf Einhard wohl wider besseres Wissen und dennoch unwidersprochen behaupten konnte, er habe über Karls des Großen Kinder- und Jugendjahre keine Informationen besessen. Aber es ist wenigstens bekannt, dass Karl fünf Geschwister hatte, von denen drei, zwei Schwestern und ein Bruder, im Kindesalter starben.2 Blieb dagegen Tassilo ein Einzelkind? Die Ehe seiner Eltern dauerte doch noch gut sechs Jahre nach seiner Geburt. Wir wissen es nicht.

Nach dem Tode Odilos übernahm dessen Witwe Hiltrud auf Befehl ihres Bruders Pippin die Vormundschaft über den kleinen Buben, der jedoch nach außen sogleich als vollberechtigter Herzog der Bayern auftrat. Trotzdem verhinderten die Bayern nicht, dass Tassilo mit seiner Mutter in die Gewalt seines Onkels Grifo geriet. Daraus musste er erst durch seinen anderen Onkel Pippin befreit werden, wurde jedoch keineswegs frei. Tassilo blieb unter der Vormundschaft seiner Mutter, nach deren Tod im Jahre 754 der Frankenkönig der unmittelbare Vormund der Vollwaisen wurde. Möglicherweise hat Tassilo seine Mutter geliebt, deren Bruder Pippin sicher nicht. Mehr ist nicht zu sagen.

Tassilo hat seinen Onkel Pippin wahrscheinlich erst auf dem Maifeld von 755 kennen gelernt. Wer hat sich nach dem Tod der Mutter um Tassilo gekümmert? Männer wie der Graf Machelm und sein Bruder Wenilo dürften die Geschäfte geführt haben. Aber welche Personen standen dem Heranwachsenden wirklich nahe? Überliefert werden nur Haupt- und Staatsaktionen, wie etwa seine Teilnahme an Pippins Feldzug 756 gegen den Langobardenkönig Aistulf. Hatte Tassilo, der Sohn von nichtbayerischen Eltern, Verwandte im Land, etwa aus der Familie Swanahilds, der Geburtshelferin seiner Mutter? Im Jahre 772 bezeichnet sich ein Hiltiprant als Verwandter Tassilos, und noch viel mehr Verwandtschaft sucht man unter den bayerischen Genealogien der Huosi, Fagana und Feringa. Hatte der junge Mann und wenn ja, ab wann eine Friedl, eine Jugendgefährtin, vor der Ehe mit Liutpirc gehabt? Die späte Gründungssage von Kremsmünster kennt einen Tassilo-Sohn Gunther, der auf der Jagd von einem Eber getötet wurde, demnach um einiges älter als Tassilos ältester bekannter Sohn Theodo gewesen sein muss. In der Überlieferung des 8. Jahrhunderts findet sich jedoch kein wie immer gearteter Hinweis auf einen Herzogssohn Gunther. Dessen um 1300 entstandenes, sehr qualitätvolles Hochgrab ist in der Guntherkapelle der Stiftskirche zu bewundern. Da auch Wessobrunn seine Gründung auf ein Jagderlebnis Tassilos zurückführte, dürfte es sich um eine Wandersage gehandelt haben. Allerdings war der Nibelungen-Name Gunther sowohl Teil der karolingischen wie der agilolfingischen Tradition.3

Tassilo heiratete eher 764 als 763 mit etwa 22 oder 23 Jahren die langobardische Königstochter Liutpirc. Sie war eine starke Frau, die ihre königliche Abkunft betonte und an der Politik Tassilos tatkräftig mitwirkte. Das Ehepaar hatte vier Kinder, zwei Söhne und zwei Töchter. Theodo war der Älteste und kam wohl schon 765 zur Welt, weil er 777 bereits an der Gründung von Kremsmünster rechtsverbindlich mitwirkte, Theodebert war der Jüngste der Kinder. Im Salzburger Verbrüderungsbuch fehlt sein Name. War er im Herbst 784 noch nicht auf der Welt? Dann wäre Theodebert an die 20 Jahre jünger als sein Bruder und beim Sturz des Vaters ein Kleinkind von kaum mehr als drei Jahren gewesen. Eine derartige »Familienaufstellung« ist zwar möglich. Aber wahrscheinlicher wirkt, dass Theodebert deswegen nicht in die Salzburger Verbrüderung aufgenommen wurde, weil er noch nicht volljährig war und die darin festgelegten Verpflichtungen nicht erfüllen konnte. Zwischen den Söhnen, die wie der Vater alte agilolfingische Namen trugen, hatte das Ehepaar die Töchter Cotani und Hrodrud. Auch Karl der Große hatte eine Hrodrud; sie war sogar seine Lieblingstochter und sollte nach Byzanz heiraten. Wahrscheinlich liebten Tassilo und Liutpirc einander, was von Tassilos Eltern Odilo und Hiltrud mit Sicherheit anzunehmen ist. Ohne Zweifel war Hiltrud eine starke Persönlichkeit und gute Politikerin, da es ihr gelang, Bayern ihrem Sohn zu erhalten, obwohl sie ihr Bruder Pippin bloß aus der Ferne unterstützte. Sie starb als Äbtissin von Nonnberg, doch ist nicht bekannt, ab wann und wie sie dieses Amt ausgeübt hatte.4

Wer aber war Tassilo wirklich? Die Antworten auf diese Frage, die die Quellenlage erlaubt, sind karg und lückenhaft. Daher ist nicht nur den Ereignissen seines Lebens nachzugehen, sondern auch die Geschichte seiner Herrschaft, seines Landes und seiner Leute zu...
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