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Das Knistern von Eis

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
368 Seiten
Deutsch
Emons Verlagerschienen am12.10.2017
Schnörkellos, packend, vielschichtig - ein Thriller, der es in sich hat. Winterliche Beschaulichkeit am Bodensee? Fehlanzeige! Ein skrupelloser Auftragskiller zieht eine blutige Spur durch die Region. Kommissar Max Madlener und seine Assistentin Harriet Holtby sind dem Mörder dicht auf den Fersen, doch er scheint ihnen stets einen Schritt voraus. Die Situation verschärft sich, als sich die lästigen Kollegen vom LKA einschalten. Eine gnadenlose Hetzjagd beginnt . . .

Walter Christian Kärger, aufgewachsen im Allgäu, studierte an der Hochschule für Fernsehen und Film und arbeitete 30 Jahre als Drehbuchautor in München. Über 100 seiner Drehbücher wurden für Kino oder TV verfilmt. Er lebt als Romanautor in Memmingen.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,90
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR9,49

Produkt

KlappentextSchnörkellos, packend, vielschichtig - ein Thriller, der es in sich hat. Winterliche Beschaulichkeit am Bodensee? Fehlanzeige! Ein skrupelloser Auftragskiller zieht eine blutige Spur durch die Region. Kommissar Max Madlener und seine Assistentin Harriet Holtby sind dem Mörder dicht auf den Fersen, doch er scheint ihnen stets einen Schritt voraus. Die Situation verschärft sich, als sich die lästigen Kollegen vom LKA einschalten. Eine gnadenlose Hetzjagd beginnt . . .

Walter Christian Kärger, aufgewachsen im Allgäu, studierte an der Hochschule für Fernsehen und Film und arbeitete 30 Jahre als Drehbuchautor in München. Über 100 seiner Drehbücher wurden für Kino oder TV verfilmt. Er lebt als Romanautor in Memmingen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783960412823
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatE101
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum12.10.2017
Seiten368 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3548 Kbytes
Artikel-Nr.3313611
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
4


Sun turning round with graceful motion

We re setting off with soft explosion

Bound for a star with fiery oceans

It s so very lonely

You re a hundred light years from home â¦


Es war noch dunkel.

Kriminalhauptkommissar Max Madlener saß in aller Herrgottsfrüh als Einziger im leeren Großraumbüro des Polizeipräsidiums Friedrichshafen. Er hatte nur seine Schreibtischlampe an und blickte aus dem Fenster, ein paar Lichter glitzerten in der Ferne.

Erst eins, dann zwei, dann drei, dann vier â¦

Nur noch ein paar Tage bis zum dritten Advent.

Mist, Mist, Doppelmist!

Ihn schauderte. Aber nicht etwa, weil die Heizung nicht richtig funktionierte, sondern weil es ihm vor den anstehenden Wochen regelrecht grauste. Und das hatte mehrere Gründe.

Je mehr er darüber und über das Leben im Allgemeinen nachdachte, desto deprimierter wurde er. Der private Ärger, der ihm da noch bevorstand, rollte unaufhaltsam mit den kommenden Feiertagen auf ihn zu. Und egal, wie er die möglichen Optionen drehte und wendete: Es war wie mit der Quadratur des Kreises - die absehbaren Konflikte waren nicht lösbar. Jedenfalls nicht in einem Leben.

Vorsichtig betastete er seine Unterlippe. Eindeutige Anzeichen eines aufkeimenden Herpes labialis, er spürte es deutlich.

Natürlich, was sonst!, dachte er missvergnügt und fischte in seiner Tasche nach der Minitube Zovirax, die er normalerweise bei sich trug, für alle Fälle. Außer er hatte sie wie seine Dienstwaffe, die SIG Sauer, wie immer im Safe seines Hotelzimmers vergessen. Wieso er das Zovirax in den Safe tat, genauso wie seine Pistole, statt sie, wie es Vorschrift war, bei sich zu tragen, war ihm selbst ein Rätsel. Vielleicht eine Art unbewusste Übersprunghandlung, wer weiß. Er konnte ja mal seinen ehemaligen Therapeuten Dr. Dr. h. c. Auerbach danach fragen â¦

Nein, da war es ja - das Zovirax zumindest. Erleichtert schraubte er die Tube auf und gab vorsichtig einen kleinen Klecks der Salbe auf die brennende Stelle an der Unterlippe, in der stillen Hoffnung, dass es noch rechtzeitig half.

Eigentlich mochte er die Zeit vor dem Morgengrauen ganz besonders. Weil er dann das Gefühl hatte, dass sie ihm allein gehörte. Die Stunde, wenn die Nacht am dunkelsten war, wie es so poetisch hieß. Noch störten weder klingelnde Telefone noch schwatzende Kollegen oder die hyperaktive Chefin Frau Schwanitz-Terstegen die göttliche Ruhe, die er genoss. Er wippte probeweise auf seinem nagelneuen Schreibtischstuhl, die Füße auf dem Schreibtisch, nippte dazu an seinem mitgebrachten Pappbecher Kaffee und wunderte sich beim Anblick der auf den Becher gedruckten Worte. »Coffee to go« hieß das jetzt auf einmal auch in seiner alteingesessenen Lieblingsbäckerei, wo er den Kaffee nebst zwei Croissants mitgenommen hatte, sie öffnete schon um sechs Uhr dreißig in der Früh. Die Ladeneinrichtung stammte noch original aus den 1960er Jahren, »retro« sagte man heutzutage dazu.

Jeden Morgen, wenn er vor Dienstbeginn noch einen kleinen Umweg an seiner Bäckerei vorbei machte, befürchtete er, dass Bauarbeiter dort anfingen, alles herauszureißen, weil irgendeine Drogeriemarktkette den Laden aufgekauft hatte, um dort eine neue Filiale einzurichten.

Die einzige Kontinuität war, dass sich ständig alles änderte.

Nur nicht unbedingt zum Besseren.

Er seufzte aus vollstem Herzen, was er nur tat, wenn er allein war und vor sich hin philosophierte. Er wusste genau, was ihn quälte - es war der Weihnachtsblues. Er musste nur einen Blick aus dem Fenster auf das trübkalte Winterwetter werfen, das seit Wochen auf dem Bodensee lastete, und schon war seine Laune weit unter dem Gefrierpunkt. So wie die Temperatur seit Wochen, die bereits jetzt, zu dieser Jahreszeit, am Ufer für eine dicke Eisschicht gesorgt hatte, die nach und nach, wenn es so kalt blieb und der eisige Wind wie bisher aus dem Osten blies, weiter in den See hineinwuchs.

Und das im Dezember - und nicht erst im Januar oder Februar!

Madleners mentale Verfassung schien sich an den Außentemperaturen zu orientieren. Spätestens Mitte Oktober ging es steil bergab mit ihr.

Sobald der hartnäckige Nebel einsetzte und sich wie ein perlgrauer Bleideckel auf das Wasser legte, breitete sich nicht nur über dem gesamten Bodenseeraum, sondern auch in seinem Kopf unvermeidlich eine gewisse Tristesse und Melancholie aus, die in etwa der Trostlosigkeit des Himmels entsprach.

So, wie seine gegenwärtige Gemütsverfassung war, je mehr es auf Weihnachten zuging, würde er sich nicht wundern, wenn der Bodensee ganz zufror, was sehr selten vorgekommen war. Im strengen Winter 1962/63 war es das letzte Mal der Fall gewesen, dass der gesamte See mit so einer kompakten Eisschicht bedeckt war, dass man zu Fuß an der breitesten Stelle von Friedrichshafen zum Schweizer Ufer nach Romanshorn kam und umgekehrt. Er konnte sich noch an Fotos der großen »Seegfrörne« erinnern, wie das die Einheimischen auf Alemannisch nannten, bei der sogar Autos auf dem Eis gefahren waren, so dick war es gewesen.

Er rieb sich die Augen, nahm noch einen Schluck von seinem inzwischen lauwarmen Kaffee und fragte sich, warum er trotz seiner latenten Müdigkeit im späten Herbst oder besser: im frühen Winter nicht richtig schlafen konnte.

Es war wie verhext - sobald die ersten Frostnächte kamen und die Herbststürme einsetzten, die das Laub von den Bäumen fegten und den Bodensee so aufwühlten, dass zornige Wellenberge an die Kaimauer der Seepromenade von Friedrichshafen klatschten und endgültig die letzten Touristen für dieses Jahr vertrieben, da begann für ihn die Zeit der quälenden Schlaflosigkeit. Auch Insomnie, Agrypnie oder Hyposomnie genannt, er hatte das gegoogelt; eine leichte zerebrale Irritation, beruhigte ihn sein Doktor und empfahl ihm Fußbäder, Melissenblätterextrakt und gutes Durchlüften des Schlafzimmers, woraufhin Madlener beschloss, seinen Arzt zu wechseln.

Die einzige Person, bei der er zur inneren Ruhe fand, war seine Lebensgefährtin, die Pathologin Dr. Ellen Herzog, die gelegentlich, wenn es nötig war, auch als Gerichtsmedizinerin bei der Kriminalpolizei aushalf, sie hatte die entsprechende Zulassung. Leider war Ellen momentan auf Fortbildung, und er logierte wieder wie in alten frauenlosen Zeiten in seinem Zimmer im Hotel »Zum silbernen Zeppelin« gleich hinter dem Busdepot. Es war nichts Besonderes, ein kleines, einfaches Drei-Sterne-Hotel in einem Hinterhof zwischen anderen Häuserblocks, aber in Gehweite von der Polizeidirektion und zehn Minuten von der Hafenpromenade entfernt.

Beim Stichwort »Lebensgefährtin« schüttelte er erneut den Kopf und seufzte. Auf seiner Liste der Wörter, die seltsam diffus und irgendwie hässlich waren, nahm »Lebensgefährtin« einen der ganz vorderen Plätze ein. Irgendwo zwischen »Hämorrhoidenverödung« und »Reichsbürger«.

Jedes Mal, wenn er Ellen Herzog vorstellen musste - »â¦ und das ist meine Lebensgefährtin â¦« -, blieb ihm dieser Begriff schier im Hals stecken. Gab es denn keinen besseren Ausdruck, der Ellens und seinen Zusammengehörigkeitszustand - auch so ein schreckliches Wort - einigermaßen zutreffend beschreiben konnte, ohne grauenhaft vorgestrig, total verklemmt oder irgendwie anrüchig zu sein?

Als seine Partnerin konnte er sie auch nicht bezeichnen, das war für ihn eine eindeutig berufliche Zuordnung, seine Assistentin Harriet Holtby war das, aber doch nicht Ellen.

Seine Freundin? Das klang nun wirklich albern, wenn man die vierzig weit überschritten hatte. Und mit »Das ist meine Geliebte« konnte er seine Begleitung auch nicht bei einem der alljährlichen obligaten Rathausempfänge der Kripo - mit Anwesenheitspflicht - der Frau des Bürgermeisters präsentieren, ohne Gefahr zu laufen, zu Recht von Ellen geohrfeigt und auf der Stelle verlassen zu werden, obwohl es stimmte.

Für dieses grundsätzliche gesellschaftliche und sprachliche Dilemma hatten sie beide einfach noch keine Lösung gefunden.

»Das ist meine Frau« wäre wahrscheinlich die beste, ehrlichste und einfachste Charakterisierung ihres Zusammenlebens gewesen, aber eine Verheiratung scheuten beide wie der Teufel das Weihwasser. Ellen hatte eine, Madlener bereits zwei gescheiterte Ehen hinter sich â¦

Inzwischen konnte man die tief hängenden, vom Ostwind über den Seehimmel gescheuchten Wolken erkennen, aus denen leichter Schnee rieselte. Er dachte daran, wie Ellen im »Pinocchio«, ihrem Lieblingsitaliener in Konstanz, an einem romantischen Abend - sie feierten den Jahrestag ihres ersten Rendezvous, den Madlener trotz seines schlechten Gedächtnisses für Daten erinnert hatte - bei einer Flasche Brunello di Montalcino und Lamm-Pappardelle sowie gegrillter Dorade damit angefangen hatte, ob es denn nicht für beide besser wäre, wenn sie zusammenziehen würden. Konkret: wenn Madlener bei ihr einziehen würde. Ohne Trauschein natürlich.

Wie gesagt: Es war ein romantischer Abend, und Madlener hatte im Überschwang des Augenblicks und der Gefühle bereits die zweite Flasche Brunello geordert. Er musste zugeben - der Gedanke, seinem tristen Hotelzimmer ein für alle Mal Adieu zu sagen, war verführerisch. Einfach so gleichzeitig von seiner unpersönlichen Junggesellenbude im »Silbernen Zeppelin« und seinen Beziehungstraumata Abschied zu nehmen und sie für Ellens geräumiges Erdgeschoss in einer stilvoll renovierten Kaffeemühlenvilla einzutauschen, wäre für beide am unkompliziertesten gewesen, groß genug war die Wohnung allemal.

Aber nachdem er sich diesen Vorschlag eine schlaflose Nacht durch...
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