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Von Wegen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
160 Seiten
Deutsch
Edition Nautiluserschienen am26.08.2015
Nach dem Erfolg von 'Gentrifidingsbums' das neue Standardwerk zur Debatte! Ja, Sie lesen richtig: Es gibt eine Alternative zum urbanen Kapitalismus, die mit Mietenwahnsinn, prekären Dienstleistungen und Gated Communities brechen kann. Experimente dazu laufen allerorten. Der Weg zu dieser Utopie erfordert List und Entschlossenheit. Aber das Ziel lohnt: die freie Stadt der Zukunft, der Ort, an dem die Menschen gemeinsam ihre Angelegenheiten selbst in die Hand nehmen. Die Zukunft des Kapitalismus entscheidet sich in der Stadt. Seit dem Crash von 2008 rennen immer mehr Menschen gegen die Zumutungen einer Stadt als Anlageobjekt an, die die urbanen Räume vollends in Profit- und Sicherheitsmaschinen verwandeln. Sie fordern: 'Recht auf Stadt' für alle. Gegen das 'Gentrifidingsbums' setzen sie Versammlungen, Wiederinbesitznahme öffentlicher Räume, echte Beteiligung an der Gestaltung der Städte. Die Umrisse einer anderen Stadt zeichnen sich bereits ab. Niels Boeing, selbst Aktivist in den urbanen Auseinandersetzungen, beschreibt die Spielräume und gibt ihnen eine kluge und durchdachte Grundlage. Aus dem Inhalt: Recht auf Stadt / Selbstverwaltung / Staat und Herrschaft / Wohnen / Produktion / Nachhaltigkeit / Kommen und Bleiben / Gemeinschaft und Gesellschaft / Spielräume und Kampfzonen / Die freie Stadt der Zukunft

Niels Boeing, 48, Mitglied des Aktionsbetriebs LOMU - local organized multitude, aktiv im Hamburger Netzwerk 'Recht auf Stadt', Reisender und Journalist u.?a. für Die Zeit, Freitag, Technology Review. Zuletzt erschien von ihm 2011 bei Edition Nautilus Alles auf null. Gebrauchsanweisung für die Wirklichkeit.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR16,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR12,99

Produkt

KlappentextNach dem Erfolg von 'Gentrifidingsbums' das neue Standardwerk zur Debatte! Ja, Sie lesen richtig: Es gibt eine Alternative zum urbanen Kapitalismus, die mit Mietenwahnsinn, prekären Dienstleistungen und Gated Communities brechen kann. Experimente dazu laufen allerorten. Der Weg zu dieser Utopie erfordert List und Entschlossenheit. Aber das Ziel lohnt: die freie Stadt der Zukunft, der Ort, an dem die Menschen gemeinsam ihre Angelegenheiten selbst in die Hand nehmen. Die Zukunft des Kapitalismus entscheidet sich in der Stadt. Seit dem Crash von 2008 rennen immer mehr Menschen gegen die Zumutungen einer Stadt als Anlageobjekt an, die die urbanen Räume vollends in Profit- und Sicherheitsmaschinen verwandeln. Sie fordern: 'Recht auf Stadt' für alle. Gegen das 'Gentrifidingsbums' setzen sie Versammlungen, Wiederinbesitznahme öffentlicher Räume, echte Beteiligung an der Gestaltung der Städte. Die Umrisse einer anderen Stadt zeichnen sich bereits ab. Niels Boeing, selbst Aktivist in den urbanen Auseinandersetzungen, beschreibt die Spielräume und gibt ihnen eine kluge und durchdachte Grundlage. Aus dem Inhalt: Recht auf Stadt / Selbstverwaltung / Staat und Herrschaft / Wohnen / Produktion / Nachhaltigkeit / Kommen und Bleiben / Gemeinschaft und Gesellschaft / Spielräume und Kampfzonen / Die freie Stadt der Zukunft

Niels Boeing, 48, Mitglied des Aktionsbetriebs LOMU - local organized multitude, aktiv im Hamburger Netzwerk 'Recht auf Stadt', Reisender und Journalist u.?a. für Die Zeit, Freitag, Technology Review. Zuletzt erschien von ihm 2011 bei Edition Nautilus Alles auf null. Gebrauchsanweisung für die Wirklichkeit.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783960541769
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum26.08.2015
Seiten160 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1001 Kbytes
Artikel-Nr.3375446
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Über die Stadt

Ich muss mich sogleich korrigieren: Was sich seit einiger Zeit in vielen Städten der Welt ereignet, so auch an jenem 21. Dezember 2013 in Hamburg, ist kein »Match«.

Ein Match folgt Regeln, die für beide Seiten gelten, ist der Fairness verpflichtet und wird im Prinzip zwischen Gleichen ausgetragen. Wer verliert, hat nichts verloren - es kann immer ein Rückspiel geben, und ein Bier nach dem Abpfiff mit freundschaftlichen Sticheleien lässt die Niederlage heiter verblassen.

In den Städten jedoch geht die eine Seite mit sehr viel Kapital, Abrissbaggern, einem hochgerüsteten Polizeiapparat und dem Recht als Waffe ins Spiel, die andere Seite hingegen mit nichts als ihrer Entschlossenheit, ihrem Witz und ihren Körpern, die sie auf die Straße bringt. Die andere Seite sind die Bewohner, die Plätze behaupten, Häuser retten, Mieter verteidigen, skandalösen Leerstand besetzen, Flüchtlinge schützen wollen. Dafür prügelt man auf sie ein, beschießt sie mit Tränengas, verhindert Versammlungen und Demonstrationen. Natürlich im Namen des Rechtsstaats, der »marktkonformen Demokratie«.

Ein neuer Kampf in den Städten, um die Städte ist entbrannt. Szenen, wie sie sich in Hamburg abspielten, hat es in ähnlicher Weise auch in Athen, Istanbul, Rio, New York, London, Hongkong und andernorts gegeben. Weitere werden folgen.

Dieser Kampf in den Städten ist keiner, den man führen kann, weil man Ungerechtigkeiten und politische Frechheiten nicht länger hinnehmen oder ein liebgewonnenes Quartier retten will. Es ist ein Kampf, den man führen muss: um der Zukunft willen, in der sich der Neoliberalismus nach dem Crash von 2008 häuten und in einen grün lackierten, vollends autoritären Hightech-Kapitalismus verwandeln könnte, in der die unternehmerische Stadt zur Maschine wird und jeden Quadratmeter städtischen Raums beansprucht.

»Unter dem Deckmantel der Organisierung des Raumes geht es tatsächlich darum, das Leben im Voraus zu determinieren«, schreibt Manuel Castells schon 1972 in Kampf in den Städten. Man könne, stellt er fest, »die allgemeine Tendenz beobachten, alle möglichen Probleme und Konflikte als städtische hinzustellen â¦, und zwar mit dem Ziel, sie mit technischen, neutralen, kalkulierbaren Mitteln anzugehen.«1 Castells untersuchte diese Tendenz damals etwa am Abriss alter Arbeiterviertel im Zentrum von Paris, am Vorabend des gerade heraufdämmernden Computerzeitalters. Rückblickend erweisen sich diese Kämpfe als vergleichsweise grobes Vorspiel einer Zurichtung der Städte, die nun in eine neue Phase tritt.

Moment, stopp, wird der eine oder die andere sagen, sollen die Städte allen Ernstes unsere größte Sorge sein? Klimawandel, Ressourcenverschwendung, Hunger, Kriege, Kapitalakkumulation, Ausbeutung - was ist mit ihnen? Ist das mit den Städten nicht ein Spezialdiskurs eines bestimmten urbanen Milieus, das sonst keine Probleme hat?

Für viele im frühen 21. Jahrhundert ist die Stadt eine Selbstverständlichkeit. Immer schon dagewesen. Sie wurden in sie hineingeboren oder zogen in jungen Jahren dorthin, um der ökonomischen Aussichtslosigkeit der Provinz oder der Öde von Suburbia zu entkommen. Nicht immer freiwillig, doch dann formt sich bald die »young idea« eines anderen, neuen, aufregenderen Lebens im Kopf, das The Jam in »In the City« besangen.

Aber das ist nicht die ganze Geschichte. Treten wir einen Schritt zurück und fragen: Was ist die Stadt?

Sofort haben wir Bilder vor Augen. Von unzähligen Häusern, Straßen, Plätzen, Boulevards, Parks, Denkmälern, Türmen, Tempeln, Menschenmassen, die durch die Straßen eilen oder sich über Märkte schieben, vielleicht auch von Festungen und Stadtmauern. Die Stadt ist das steinerne »Habitat« des Menschen, seit er die Felder, Weiden und Dörfer verlassen hat. Doch schon in dieser Formulierung steckt ideologische Fiktion.

Die Erste ist, dass Städte entstanden, nachdem die bäuerliche Zivilisation, die die Welt der Jäger und Sammler abgelöst hatte, eine gewisse Reife und Komplexität entwickelt hatte. Darin kommt der Glaube an den linearen Fortschritt zum Ausdruck, der die Neuzeit prägt. Henri Lefebvre räumt damit gleich zu Beginn von Die Revolution der Städte auf: »Der Übergang vom Wildbeutertum zum Ackerbau vollzog sich erst unter dem (autoritären) Druck städtischer Zentren.«2 In der Umgebung der 11 500 Jahre alten Tempelstadt Göbekli Tepe, im Südosten der heutigen Türkei gelegen, finden sich beispielsweise keine Spuren von Landwirtschaft, wie Archäologen staunend entdeckt haben.3 Die Stadt des Anfangs ist die politische Stadt. »Sie ist ganz und gar Ordnung, Erlaß, Macht«, schreibt Lefebvre.4 Sie ist das steinerne Zentrum einer neuen, hierarchischen Gesellschaftsordnung, die von dort durchgesetzt wird. Von »Habitat« kann keine Rede sein, denn die meisten Menschen leben anfangs nicht in diesem Zentrum, aber sie bekommen es zu spüren, wenn sie in den Tempeln ihre Abgaben leisten müssen. Die Stadt kommt so mit einem autoritären Charakterzug in die Welt, den sie nicht mehr verlieren wird.

Auch wenn in der klassischen Antike schon Frühformen des Kapitalismus auftauchen, liegt sein Reich noch weit hinter dem Horizont der Geschichte. Seine Vorboten, die Händler, sind in der politischen Stadt nicht wohl gelitten, und auch die Handwerker als frühe Produzenten gelten nichts. Ihr bewegliches Eigentum, allem voran das Geld, das ihnen eine gewisse Unabhängigkeit von der Scholle verschafft, steht in Konkurrenz zum Besitz des Herrschers und des Klerus, zum Selbstverständnis der politischen Stadt als Mittelpunkt einer Weltanschauung. Märkte und Handelsplätze haben in ihr nichts verloren.

»Im Grunde gelingt es der Ware, dem Markt und dem Händler erst im europäischen Abendland, gegen Ende des Mittelalters, siegreich in die Stadt einzudringen«5, schreibt Lefebvre. Ihre Stadt ist die Handelsstadt, die auf die politische Stadt folgt.6 Der Händler und der Handwerker werden zum Bürger und damit zur gesellschaftlichen Formation, die fortan mit dem Adel um Pfründen streitet. Die Stadt ist immer noch eine Insel im Ozean der bäuerlichen Zivilisation, und so hätte es Jahrhunderte weitergehen können. Doch der ökonomische Streit von Adel und Händlern in England bringt etwas ins Rollen, das den Lauf der Weltgeschichte verändert.

Karl Polanyi schreibt: »Der Wesenskern der Industriellen Revolution des 18. Jahrhunderts war die geradezu ans Wundersame grenzende Verbesserung der Produktionsmittel, begleitet von einer katastrophalen Erschütterung des Lebens des einfachen Volkes.«7 Bereits in der Tudor-Epoche kommt es zu Einhegungen von Allmenden, Lords eignen sich Ackerland an, um es zu Schafsweiden zu machen, weil die Tuchproduktion hübsche Gewinne verspricht. Dieser »Krieg gegen das bäuerliche Gewerbe« bringt Menschen um Land und Einkünfte, eine erste Welle der Massenverarmung setzt ein, die das Mittelalter so nicht gekannt hatte. Noch ist die Produktion ein »Anhängsel zum Handel«8, der sich jedoch immer stärker ausweitet und den Export entdeckt. Mit der Maschinisierung der Tuchproduktion wandelt sich der Händler zum Fabrikanten, der die aus der Subsistenzwirtschaft herausgerissene Landbevölkerung als Arbeitskräfte anheuert, in die Stadt zieht. Von dort führt kein Weg mehr zurück aufs vollends eingehegte Land, wo die Agrarlöhne zum Leben nicht reichen. Die Urbanisierung ist von einer »verhängnisvollen Nichtumkehrbarkeit«9, wie Polanyi in The Great Transformation schreibt. Die Städte explodieren, die Industriestadt entsteht. Nur zwei Zahlen: 1750 leben erst 2,7 Prozent der Bevölkerung Englands in Städten, 1800 sind es bereits 22,8 Prozent.10 Andere europäische Länder folgen dieser Entwicklung bald.

Lefebvre betont jedoch zurecht, dass die Stadt mit der Industrialisierung nicht einfach größer wird, dass die reinen Zahlen der fortschreitenden Urbanisierung - die auch heute in keinem UN-Bericht zur weltweiten Verstädterung fehlen - den Kern der Erschütterung verfehlen. Er schreibt:

»Die urbane Realität, die an Umfang gewonnen hat und jeden Rahmen sprengt, verliert in dieser Bewegung die ihr in der vorausgegangenen Epoche zugeschriebenen Eigenschaften: organisches Ganzes, Zugehörigkeit, begeisterndes Bild, ein von glanzvollen Bauwerken abgemessener und beherrschter Raum zu sein. ⦠Die städtische Wirklichkeit wird Befehl, unterdrückerische Ordnung, Markierung durch Signale, wird summarische Verkehrsordnung und Verkehrszeichen.«11

Die Stadt wird summarische Verkehrsordnung, indem sie sich um den Strom der Rohstoffe, Waren und Arbeitskräfte neu formiert. Sie gibt sich als Verkehrsordnung eine...
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Autor

Niels Boeing, 48, Mitglied des Aktionsbetriebs LOMU - local organized multitude, aktiv im Hamburger Netzwerk "Recht auf Stadt", Reisender und Journalist u.¿a. für Die Zeit, Freitag, Technology Review. Zuletzt erschien von ihm 2011 bei Edition Nautilus Alles auf null. Gebrauchsanweisung für die Wirklichkeit.

Bei diesen Artikeln hat der Autor auch mitgewirkt