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Louisa Elliott

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
844 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am28.03.20181. Auflage
Dieser Roman ist ein leidenschaftlich erzähltes Frauenporträt vor dem Hintergrund der viktorianischen Gesellschaft Englands und Irlands. In dieser Zeit der Heuchelei und Enge sucht Louisa Elliott, eine ungewöhnliche Frau, ihren Weg. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Ann Victoria Roberts wurde 1945 in York geboren, absolvierte eine künstlerische Ausbildung und arbeitete dann in verschiedenen Berufen. 1966 heiratete sie ihren Jugendfreund und bekam zwei Kinder.
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Produkt

KlappentextDieser Roman ist ein leidenschaftlich erzähltes Frauenporträt vor dem Hintergrund der viktorianischen Gesellschaft Englands und Irlands. In dieser Zeit der Heuchelei und Enge sucht Louisa Elliott, eine ungewöhnliche Frau, ihren Weg. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Ann Victoria Roberts wurde 1945 in York geboren, absolvierte eine künstlerische Ausbildung und arbeitete dann in verschiedenen Berufen. 1966 heiratete sie ihren Jugendfreund und bekam zwei Kinder.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783105620502
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum28.03.2018
Auflage1. Auflage
Seiten844 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.3381619
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Erstes Buch 1892

1

Micklegate Bar, das alte Stadttor, stand weiß und undeutlich in dem aufkommenden Schneesturm; vor den mächtigen Toren wirkten zwei gleichgroße Gestalten zwergenhaft, die im Schneetreiben langsam nach Hause stapften.

Der weiße Schnee lag dicht auf dem Hut, dem Umhang und dem lockigen Bart des Mannes. Der Mantel der jungen Frau lastete bereits schwer auf ihren Schultern. Der Mann hielt seinen Regenschirm über die Frau und führte sie bei jedem Schritt auf dem geschützten Weg hinter den Mauern.

In der Nähe des alten Bahnhofs, der zu dieser späten Stunde menschenleer war und seltsam unwirklich schien, brannten unruhig zuckend Gaslampen. Die wirbelnden und tanzenden, mottenähnlichen Schneeflocken dämpften ihr Licht. Wo die italienisch anmutende Fassade im Schneetreiben verschwand, konnte man sich ohne weiteres ein kirchliches Gebäude vorstellen, wo gespenstische Mönche durch den leeren Kreuzgang schritten und ihren längst verschwundenen Garten pflegten, der zwischen den verschneiten Fußspuren und der Stadtmauer lag. Die Frau blickte angestrengt geradeaus und mußte an eine Geschichte denken, die sie aus ihrer Kindheit kannte. Plötzlich überlief sie ein Schauer, und sie drückte sich enger an ihren Begleiter

»Gespenster«, murmelte sie und wußte, daß hier die Vergangenheit immer lebendig sein würde.

Er nickte; auch für ihn war dieser Ort mit vielen Erinnerungen beladen. Er erinnerte sich noch daran, daß einmal blühender Wohlstand diese armselige kleine Straße mit geschäftigem Treiben erfüllt hatte. Damals schien die ganze Welt über die abgetretenen Pflastersteine zu laufen. Und das schrille Pfeifen der Züge schlug den Takt zu jedem Traum. Diese Zeiten waren für immer vorbei; es waren nur noch schattenhafte Erinnerungen und so gespenstisch wie das verschwundene Kloster.

»Ein neuer Tempel«, sagte er spöttisch mit Blick auf die verlassenen Gebäude, »für weniger beständige Götter.«

Vor ihnen tauchte aus einer schmalen Gasse eine zerlumpte Gestalt auf und wankte unsicher auf eine Gruppe Armenhäuser an der Ecke zu. Zwischen den niederen Dächern dieser Bauten und dem eindrucksvollen Giebel eines vornehmeren Gasthauses stand ein hohes, ehemals prächtiges Gebäude. Das war ihr Zuhause in der Kindheit gewesen. »Elliott´s Temperance Hotel« war inzwischen jedoch ein etwas heruntergekommenes Etablissement. Die abblätternde Farbe und die rußigen Fenster spiegelten nur allzu deutlich den Zustand dieser Gegend wider. Noch nicht einmal der weiße Schnee konnte verhüllen, daß die kurze Zeit des Wohlstands vorüber war.

Vor mehr als dreißig Jahren hatten sich zwei junge, unverheiratete Frauen über die Konventionen hinweggesetzt, dieses dreistöckige Haus auf den Namen eines abwesenden älteren Bruders gemietet und eine Pension daraus gemacht. Die eine hatte etwas Geld, die andere Sinn für das Geschäft. Sie besaßen beide eine gute, wenn auch nur allgemeine Bildung und langjährige Erfahrungen als Dienstboten in Herrschaftshäusern. Die eine zumindest war fest entschlossen, nicht in die Abhängigkeit der Angehörigen des anderen Geschlechts zu geraten. Nur durch harte Arbeit und Entschlossenheit führten sie die Pension zu Erfolg, und da schon der Name für absolute moralische Sauberkeit bürgte, waren ihre Gäste ebenso ehrbar - Familien, alleinreisende Damen mit ihren Zofen, Herren der Mittelklasse, die nicht von betrunkenen Prostituierten belästigt werden wollten -, sie alle gehörten zu den Reisenden, die von den wachsenden Eisenbahnverbindungen, der Abstinenzbewegung und den vielen Hotels profitierten, die in diesem Trend als »Temperance Hotels« entstanden und nur moralisch einwandfreie Gäste aufnahmen.

So tadellos der Ruf der Pension auch war, die Elliott-Schwestern mit ihren weißen, gestärkten Kleidern, dem glänzenden Tafelsilber und den ausgezeichneten Mahlzeiten hüteten ein keineswegs ehrbares Geheimnis. Die ältere - wie altjüngferlich, wie prüde und unbeirrbar stolz sie sich auch immer geben mochte - war bereits Mutter, als die Schwestern das Hotel eröffneten. Ihr Sohn Edward wuchs bei älteren Verwandten im Norden des Landes auf. Er kam erst als Siebenjähriger in das Haus in der Tanner Row und galt bequemerweise als ein verwaister Neffe.

Der jüngeren Schwester, sie war hübsch und blond, fehlte die grimmige Entschlossenheit der älteren, und ihre lange Affäre mit einem verheirateten Mann führte schließlich zum Ende der erfolgreichen geschäftlichen Partnerschaft.

Edward Elliott überfielen plötzlich viele Erinnerungen, und er seufzte: »Weißt du noch, Louisa?«

»Wie könnte ich es vergessen?«

Sie blieben beide stehen und hoben die Köpfe. Louisa überlief wieder ein Schauer. Sie staunte darüber, daß ihr Vetter diesen Weg gewählt hatte, anstatt durch Micklegate, die Hauptstraße, zu gehen, die ganz in der Nähe parallel zu dieser Straße verlief.

»Ich bin seit Jahren nicht mehr hier gewesen«, gestand Louisa und wußte, sie würde freiwillig nie zurückkommen, denn die Tanner Row barg die Reste der Kindheit mit all den Geheimnissen und Ängsten, in die sich nur allzu wenige Freuden gemischt hatten. Während ihre Blicke an dem zurückspringenden Hauseingang hingen, spürte sie die geheimen Kümmernisse wieder in sich aufsteigen, aber sie empfand auch den Sicherheit einflößenden Trost und Schutz der Arme ihres Vetters Edward. Er war damals wie heute der wichtigste Mensch in ihrer jungen Welt gewesen: Hüter, Bruder, Vertrauter und Freund. Ihre Mütter waren immer viel zu beschäftigt und mit scheinbar endlosen Pflichten und Arbeiten ausgelastet. Die Dienstboten nahmen ihre Aufgaben weniger ernst, und ihre beiden älteren Schwestern waren damals noch zu klein, um die grundlegenden Grausamkeiten des Lebens zu verstehen. Auch der Vater, ein großer und fröhlicher Mann, tauchte in ihrem Leben nur als seltener Gast auf. Mit Geschenken beladen erschien er wie ein unzeitgemäßer Weihnachtsmann und roch nach Tabak und der ungesponnenen Wolle seiner Firma in West Riding. Er setzte seine kleinen Töchter auf die Knie und küßte sie, aber seine Zeit und seine Aufmerksamkeit galten anderen Dingen. Viele Jahre verstand Louisa nicht, was seine Abwesenheit bedeutete, weshalb er nicht mit ihnen zusammenlebte und sie nur hin und wieder besuchte. Wenn man ihr in der Schule vorwarf, sie habe keinen Vater, bestritt sie es immer energisch, und das wiederum schürte das Feuer der Feindseligkeiten noch mehr. Damals, so glaubte sie, war ihr nie etwas richtig und zufriedenstellend erklärt worden; sogar der Tod ihres Vaters wäre ohne die Tränen der Mutter und den folgenden Skandal seines Testaments beinahe unbemerkt geblieben. Die Empörung seiner kinderlosen, jedoch rechtmäßigen Frau kannte keine Grenzen. Aber das Testament wurde schließlich für rechtskräftig erklärt und das Erbe übergeben.

Louisa war damals acht und Edward zwanzig Jahre alt gewesen. Die Ereignisse dieses Jahres führten zu Bitterkeit, schlechten Gefühlen und dem Auszug aus dem Haus in der Tanner Row. Plötzlich empfand sie wieder mit überraschender Macht die Ängste jener letzten Tage, in denen Elizabeth Elliott sich darauf vorbereitet hatte, in Zukunft eigene Wege zu gehen. »Ich habe damals schrecklich geweint«, gestand Louisa leise, »weil ich glaubte, du würdest uns auch verlassen.«

Edward drehte sich um und sah sie an. Ihr bekümmertes und trauriges Gesicht traf ihn völlig unvorbereitet. Im ersten Moment fühlte er sich versucht, sie in die Arme zu nehmen und ihr den Schmerz von den Lippen zu küssen, wie er es in all den Jahren so oft getan hatte. Aber Louisa war kein Kind mehr. Er lächelte etwas verlegen, wischte ihr eine Schneeflocke von der Nase und sagte: »Ich weiß. Ich hätte es auch nicht ertragen können. Meine Mutter hat mir im Grunde nie vergeben, daß ich bei euch geblieben bin, obwohl sie schließlich einsah, daß es für mich sehr viel vernünftiger war.«

»Aber schließlich bist du doch zu ihr gezogen«, erwiderte Louisa, und es klang leicht vorwurfsvoll.

Achselzuckend sagte er: »Damals hatte ich wohl kaum eine andere Wahl.«

Dieses Thema hatte ihre Freundschaft einmal sehr belastet und Louisa großen kindlichen Kummer bereitet. Deshalb erwiderte sie jetzt nur: »Es wäre für dich besser, du würdest nicht bei ihr leben, Edward - du verträgst dich einfach nicht mit ihr.«

»Sie ist meine Mutter.«

Und was hat sie je für dich getan? dachte Louisa, aber sie sprach diesen Gedanken nicht aus. Statt dessen fragte sie gezwungen unbeschwert: »Also, was würdest du tun, wenn du unabhängig wärst?«

»Weiß ich nicht.« Edward lächelte. »Ich würde mir ein Häuschen auf dem Land suchen ... mit romantischen Gedichten meinen Lebensunterhalt verdienen ... na ja, und viele solcher phantastischen Dinge tun.« Von dieser Vorstellung beglückt, fügte er hinzu: »Und wenn du schließlich genug davon hast, dich um die Kinder anderer Leute zu kümmern, kannst du zu mir aufs Land kommen und statt dessen mich verwöhnen.«

Louisa mußte lachen und schüttelte übermütig den Schnee vom Kopf. »Sobald ich mir das leisten kann, werde ich es tun!«

»Ich nehme dich beim Wort«, flüsterte er. Aber der Wind riß ihm die Worte von den Lippen, als sie um die Ecke bogen.

Im offenen Gelände vor dem Fluß fingen sich die heftigen Windstöße in ihrem Rock. Louisa hielt sich an Edward fest und war froh über den Schutz, den sein Körper ihr bot. Vorsichtig setzte sie mit ihren gefährlich glatten Lederstiefeln einen Schritt vor den anderen; Edward wirkte unbekümmerter. Ihn fesselte mehr die alles verwandelnde Schönheit des Schneesturms.

Der weiß bepuderte runde Turm von...

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Autor

Ann Victoria Roberts wurde 1945 in York geboren, absolvierte eine künstlerische Ausbildung und arbeitete dann in verschiedenen Berufen. 1966 heiratete sie ihren Jugendfreund und bekam zwei Kinder.