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Blutmai

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
345 Seiten
Deutsch
Gmeiner Verlagerschienen am05.09.20182024
Berlin im Mai 1929. Die Polizei geht erbarmungslos gegen die unerlaubten Demonstrationen der KPD vor. Dutzende Zivilisten sterben im Kugelhagel. Abseits der Straßenkämpfe entdeckt Exkommissar Grenfeld einen Schädel in einer Hutschachtel. Dass es der Kopf des Kolonialgründers Carl Peters ist, macht die Sache nicht besser. Vor allem, da die Politische Polizei nicht gut auf den Exkommissar zu sprechen ist. Grenfeld muss ermitteln und wird schon bald mit den Grausamkeiten aus dem einstigen Deutsch-Ostafrika konfrontiert.

Dr. Robert Baur studierte Andragogik, Psychologie und Soziologie. Seit Anfang der 90er-Jahre konzipiert und leitet er Workshops für Mitarbeiter und Führungskräfte großer und mittelständischer Unternehmen. Dort nutzt er schon bald die die Methode des 'Storytellings'. Mit 'Mord in Metropolis' ist dem Autor ein viel beachteter Krimi rund um den Stummfilm von Fritz Lang gelungen. 'Engelsflug' ist der zweite und 'Blutmai' der dritte Fall seines Exkommissars Grenfeld. Sein literarisches Interesse gilt vor allem den Außenseitern und Randfiguren der Weltgeschichte. http://baur-robert.de
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
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Produkt

KlappentextBerlin im Mai 1929. Die Polizei geht erbarmungslos gegen die unerlaubten Demonstrationen der KPD vor. Dutzende Zivilisten sterben im Kugelhagel. Abseits der Straßenkämpfe entdeckt Exkommissar Grenfeld einen Schädel in einer Hutschachtel. Dass es der Kopf des Kolonialgründers Carl Peters ist, macht die Sache nicht besser. Vor allem, da die Politische Polizei nicht gut auf den Exkommissar zu sprechen ist. Grenfeld muss ermitteln und wird schon bald mit den Grausamkeiten aus dem einstigen Deutsch-Ostafrika konfrontiert.

Dr. Robert Baur studierte Andragogik, Psychologie und Soziologie. Seit Anfang der 90er-Jahre konzipiert und leitet er Workshops für Mitarbeiter und Führungskräfte großer und mittelständischer Unternehmen. Dort nutzt er schon bald die die Methode des 'Storytellings'. Mit 'Mord in Metropolis' ist dem Autor ein viel beachteter Krimi rund um den Stummfilm von Fritz Lang gelungen. 'Engelsflug' ist der zweite und 'Blutmai' der dritte Fall seines Exkommissars Grenfeld. Sein literarisches Interesse gilt vor allem den Außenseitern und Randfiguren der Weltgeschichte. http://baur-robert.de
Details
Weitere ISBN/GTIN9783839257548
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatE101
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum05.09.2018
Auflage2024
Reihen-Nr.3
Seiten345 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.3429262
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Kapitel 2

3. Mai 1929, 4 Uhr,

Friedrichstraße 191

Grenfeld lag unruhig auf seiner Schlafstätte, die er sich auf dem Sofa eingerichtet hatte. Die Springfedern traktierten seine Rippen. Es war eine Qual. An Schlaf war nicht zu denken. Dabei war die Friedrichstraße endlich zur Ruhe gekommen. Längst hatte sich der Verkehrslärm für ein paar Stunden beruhigt. Er hatte die Vorhänge nicht zugezogen und so tauchte der Mond die Galerie in ein fahles Licht. Noch immer lehnten gewaltige Ölgemälde an der Wand, Hinterlassenschaften seines Vormieters, deren Beseitigung er nicht übers Herz gebracht hatte. Meist waren es Motive aus Tunesien, Marokko oder Ägypten, die der Maler auf seinen ausgedehnten Reisen festgehalten hatte: nackte Wasserträgerinnen, Papageien in grellen Farben, Stammeskrieger mit furchteinflößenden Masken. Grenfeld hatte sich angewöhnt, jeden Tag ein anderes Bild aufzustellen. Nachts lag er auf dem Sofa und tauchte so lange in die exotische Welt ein, bis er einschlief.

Im Dezember letzten Jahres war er mit dem Vorsatz nach Berlin gereist, sein Büro aufzulösen, um anschließend an der französischen Riviera das Hotel seines Schwiegervaters zu übernehmen. Dort hatte er sich seit seinem letzten Fall einquartiert. Es gab üblere Orte, um unterzutauchen. In der Hauptstadt war er zur Persona non grata geworden. Er war wichtigen Leuten auf den Schlips getreten und hatte sogar das Auswärtige Amt gegen sich aufgebracht. Aus diesem Grund wollte er nur so lange wie nötig bleiben. Er hatte eine Liste mit fünfzehn Punkten erstellt, von denen er die ersten drei schnell abarbeitete, um dann in eine Kältestarre zu verfallen. Am siebten Februar war die Temperatur auf minus einundzwanzig Grad gesunken, siebenunddreißig Berliner waren an der Grippe verstorben, Risse im Asphalt hatten den Verkehr lahmgelegt. Die ganze Stadt war auf der Suche nach Kohlen. Grund genug, alle Aktivitäten auf wärmere Tage zu verschieben.

Mittlerweile waren drei Monate vergangen. Minnis jugendliche Hitze hatte ihn vor dem Kältetod bewahrt, und Grenfeld übte sich in der Kunst der Verdrängung. Seit Tagen hatte er erfolglos versucht, gegen den Impuls anzukämpfen, den Mann mit der Hutschachtel aufzusuchen. Er hatte lautstark über Magnusson gespottet, ihn einen Lügner genannt und Minni beschuldigt, die Sache mit dem Schädel in Erfahrung gebracht und ausgeplaudert zu haben. Sie hatte ihm Vorträge über Telepathie und Magnetismus gehalten, die sie offensichtlich wortgleich aus einem ihrer esoterischen Bücher entnommen hatte. Doch jetzt, um vier Uhr früh, kapitulierte er. Er würde diesen Herrn aufsuchen, auch wenn er dafür nicht den geringsten Grund sah, wie ihn das im Fall Sandmayr weiterbringen sollte. Es war ein Experiment, zugegebenermaßen von zutiefst unlogischer Natur.

Punkt zwölf nahm er den Bus der Linie 4 nach Neukölln. Auf dem Hermannplatz überraschte ihn die mächtige Muschelkalkfassade des neuen Kaufhauses Karstadt, dessen Türme im Stil der New Yorker Architektur noch weiter in den Himmel gewachsen waren. Auch so ein Dreitausender-Projekt, für das man ein ganzes Wohnviertel plattgemacht hatte. Obwohl Plakate an den Bauzäunen die Eröffnung von »Europas größtem Kaufhaus« für den einundzwanzigsten Juni ankündigten, war der Platz noch immer eine Baustelle. Allerdings schien niemand zu arbeiten. Grenfeld drängte sich vorbei an den lautstark diskutierenden Bauarbeitern, die offenbar in den Streik getreten waren und sich nun vor einem Kiosk versammelten. Die Atmosphäre war aufgeheizt. Grenfeld ging zur Straßenbahn, denn er hatte keine Lust zu laufen. Als er in einen Wagen der Linie 29 stieg, schnauzte ihn der Schaffner an: »Der Fahrbetrieb ist eingestellt! Lesen Sie keine Zeitung?« Da Grenfeld nicht reagierte, setzte er nach: »Neukölln ist abgeriegelt. Bleiben Sie mal lieber hier, sonst kriegen Sie noch ne Kugel in den Kopf. Die roten Teufel haben Scharfschützen auf den Dächern postiert. Vierzehn Tote in zwei Tagen gehen auf deren Konto!«

»Was für ein Quatsch«, rief ein Arbeiter aufgeregt durch die offene Tür. »Die einzigen Schützen sind die Schupo-Streifen mit ihren verdammten Karabinern.«

»Moskau braucht Leichen«, erwiderte der Fahrer, die Spätausgabe des Vorwärts wild in der Luft schwenkend.

»Lüge! Die KPD hat alle Demonstrationen eingestellt«, schrie ein Dritter und entriss dem Schaffner die Zeitung. Wütend warf er das Blatt auf den Boden und trampelte darauf herum. Grenfeld beeilte sich, der drohenden Schlägerei zu entkommen, und machte sich zu Fuß auf den Weg. Je näher er der Haltestelle Boddinstraße kam, desto leerer wurde der Fahrdamm. Eine eigenartige Stille, die nur durch das Vogelgezwitscher vom Friedhof der Gemeinde St. Jacobi durchbrochen wurde, hatte sich über das Viertel gelegt. Ein flüchtiger Blick in eine Seitengasse ließ ihn schaudern. Ein Ungetüm aus Eisen und Stahl verharrte träge vor einem Lebensmittelgeschäft und wartete auf seinen Einsatz. Der Exkommissar hasste den Panzerwagen. Der Daimler DZVR 21 roch nach Krieg. Vor einigen Jahren konstruiert, sollte er durch sein bedrohliches Aussehen die aufrührerischen Elemente auf den Straßen in die Flucht schlagen. Grenfeld hatte ein mulmiges Gefühl. Stoßtrupps mit Karabinern im Anschlag hielten Radfahrer an. Am U-Bahnhof überquerte er den Fahrdamm mit forschem Schritt, immer hoffend, dass man ihn übersah.

»Stehen bleiben!«, rief ein Schupo im Befehlston. »Wohin des Weges?«

»Hermannstraße hundertsiebenundsiebzig.«

»Das ist Sperrgebiet. Was wollen Sie dort?«

»Meine Großmutter besuchen«, erwiderte Grenfeld mürrisch.

»Auf welchem Friedhof liegt sie denn?«, feixte ein Kollege. Sein Lachen klang müde.

»Nach Waffen durchsuchen«, befahl ein Dritter mit Rangabzeichen, offenbar der Stoßtruppführer. Erst jetzt dachte Grenfeld an seine alte Blechmarke, die er stets mit sich führte. Sie war ein Notnagel, ein Rettungsring in verfahrenen Situationen, aber auch gesetzwidrig. Er hätte sie längst abgeben müssen. Auch jetzt verfehlte sie nicht ihre Wirkung. Schneller als Magnusson es je mit Hypnose geschafft hätte, veränderten die Schupos ihre Haltung. »Ein Kollege! Sagen Sie das doch gleich! Welche Abteilung?«

»IA. Wir haben den Auftrag, die Wohnungen nach Waffen zu durchsuchen. Ich soll Kommissar Kanther ablösen.«

»Sie sind also bei der IA«, sagte eine Stimme mit unverkennbar bayerischem Akzent. Grenfeld drehte sich um und blickte in das kantige Gesicht eines Einarmigen im Kamelhaarmantel. Die blonden Haare waren akkurat nach hinten gekämmt. Grenfeld fluchte innerlich. Er war sich sicher, ein hohes Tier der Politischen Abteilung vor sich zu haben. Der Mann fixierte ihn, als versuchte er, sich an etwas zu erinnern. Schließlich nahmen seine Gesichtszüge einen spöttischen Ausdruck an, während seine Hand mit einer theatralischen Geste nach Süden zeigte. »Dann wollen wir den Kollegen nicht von seiner Arbeit abhalten. Wünsche gute Verrichtung!«

Grenfeld trabte los. Er war irritiert, hatte mit dem Schlimmsten gerechnet. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Vor den Säulen des erst kürzlich eröffneten Kinos Mercedes-Palast stand ein Schwarzer mit Luftballons, die der Frühlingswind heftig hin und her wirbelte. In seiner Uniform aus korallrotem Stoff und Goldbrokat sah er aus, als wäre er gerade einem Abenteuerfilm entsprungen. Grenfeld überquerte eilig die Jägerstraße, dann die Zietenstraße. Auf dem Fahrdamm lagen Pflastersteine, Bretter und Reste zerstörter Litfaßsäulen, dahinter patrouillierende Schupos mit umgeschnallten Karabinern, die nervös zu den Dächern schielten. Das zerbrochene Glas zerstörter Straßenlaternen knirschte unter seinen Absätzen. Nur der Malzgeruch der nahen Kindl-Brauerei täuschte Normalität vor. Am Eckhaus zur Prinz-Handjery-Straße über der geschlossenen Gastwirtschaft hatte sich auf dem Balkon eine bewaffnete Einheit verschanzt. Darunter hatten Demonstranten mit den Materialien aus dem U-Bahn-Bau eine Barrikade errichtet. Er konnte beim besten Willen die martialische Bewaffnung der Polizei nicht mit dem friedlichen Straßenbild in Einklang bringen. Schaulustige versammelten sich auf dem Gehweg und wurden zum Weitergehen aufgefordert. Aus dem U-Bahnhof kamen zwei junge Burschen und schlenderten über die Straße. Er musste grinsen. Ein Abbild von Pat und Patachon. Der Kleine reichte dem Langen gerade mal bis zur Schulter. Kurz vor der Steinmetzstraße ließ ihn ein pfeifendes Rumpeln herumfahren. Der Panzerwagen näherte sich bedrohlich schnell, kam aber vor der Barrikade quietschend zum Stehen. »Straße frei«, tönte es von irgendwoher. Für wenige Sekunden herrschte vollkommene Ruhe. Dann durchbrach das Knattern eines Maschinengewehrs die Stille. Grenfeld fluchte und begann zu rennen. Links und rechts von ihm suchten Passanten in den Hauseingängen Schutz. Ein Kriegsversehrter verlor seine Krücken, stürzte und robbte zu einer Kellertreppe. Die Burschen überholten ihn, verschwanden nach einigen hundert Metern hinter einer Litfaßsäule. Der lange winkte ihm aufgeregt zu. Grenfeld kauerte sich neben sie und blickte zurück. Von den Lastwagen sprangen Uniformierte und legten die schussbereiten Karabiner an.

»Verfluchter Mist«, zischte Grenfeld und drehte sich zu den beiden Burschen, auf deren Revers er die Abzeichen des Roten Frontkämpferbundes erkannte. Zu seinem Erstaunen bemerkte er, dass es Mädchen waren. Sie mochten vielleicht fünfzehn und siebzehn Jahre alt sein. Stiefel, Uniform, lederne Schirmmütze und eine rote Nelke im Knopfloch. Die Jüngere zuckte zusammen, als die Schüsse krachten.

»Wo haben sich eure...

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Dr. Robert Baur studierte Andragogik, Psychologie und Soziologie. Seit Anfang der 90er-Jahre konzipiert und leitet er Workshops für Mitarbeiter und Führungskräfte großer und mittelständischer Unternehmen. Dort nutzt er schon bald die die Methode des "Storytellings". Mit "Mord in Metropolis" ist dem Autor ein viel beachteter Krimi rund um den Stummfilm von Fritz Lang gelungen. "Engelsflug" ist der zweite und "Blutmai" der dritte Fall seines Exkommissars Grenfeld. Sein literarisches Interesse gilt vor allem den Außenseitern und Randfiguren der Weltgeschichte.
http://baur-robert.de