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Das Killer-Konzert

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
154 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am30.11.20181. Auflage
Ausgerechnet als André Holderlin, der gefeierte Dirigentenstar, den Hochzeitsmarsch zelebriert, fällt er plötzlich tot vom Pult - erschossen. Polizeilieutenant Meredith hat viele Verdächtige, zu viele Motive und ein Opfer mit einer Vergangenheit, die zum Schütteln ist. Als letzte Möglichkeit, an den Täter zu kommen, bleibt Meredith nur ein nicht astreiner Trick ... (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Diana Ramsay war das Pseudonym der 2014 verstorbenen US-amerikanischen Autorin Rhoda Reebe Brandes.
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Produkt

KlappentextAusgerechnet als André Holderlin, der gefeierte Dirigentenstar, den Hochzeitsmarsch zelebriert, fällt er plötzlich tot vom Pult - erschossen. Polizeilieutenant Meredith hat viele Verdächtige, zu viele Motive und ein Opfer mit einer Vergangenheit, die zum Schütteln ist. Als letzte Möglichkeit, an den Täter zu kommen, bleibt Meredith nur ein nicht astreiner Trick ... (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Diana Ramsay war das Pseudonym der 2014 verstorbenen US-amerikanischen Autorin Rhoda Reebe Brandes.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783105622452
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum30.11.2018
Auflage1. Auflage
Seiten154 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1019 Kbytes
Artikel-Nr.4045112
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

2

Die Programmhefte der Polyhymnia-Hall zeigen ständig das gleiche Titelblatt, die Aufnahme eines ionischen Säulenganges, der zu einem großen Messingtor führt. Die ersten paar Seiten bringen Anzeigen, ebenfalls fast ständig die gleichen. Erst in der Mitte des Heftes erfährt der Leser, was ihn wirklich erwartet.

Auf Seite fünfzehn des Heftes für die letzte Januarwoche war zu lesen, daß am Dienstag, dem 27. Januar, und am Freitag, dem 30. Januar, das New Yorker Cantabile-Orchester unter der Leitung von André Holderlin zuerst Werke von Debussy und Mozart spielen würde und dann nach einer Pause von zwanzig Minuten die Musik zum Sommernachtstraum von Felix Mendelssohn-Bartholdy. Das Programm sollte von dem Lichtkünstler Percival Washburn begleitet werden.

Die nächsten drei Seiten brachten zweispaltig in sehr kleinem Druck Erläuterungen zum Programm. Der erste Artikel, der fast eine ganze Seite einnahm, befaßte sich mit der Entstehungsgeschichte und den Erfolgen des Orchesters. Der zweite Artikel war sehr kurz und informierte über Debussys Beziehungen zu seinen Zeitgenossen, sowohl in beruflicher wie auch in gesellschaftlicher und sonstiger Beziehung. Der dritte, ebenfalls kurz, berichtete über Mozarts Reise nach Paris und seine dortigen Erlebnisse, außerdem brachte er ein paar Zitate aus Briefen des Komponisten, die seine Ansichten über die Stadt zum Ausdruck brachten.

Der vierte und letzte Artikel war bei weitem der längste. Er handelte von Mendelssohn und seiner Musik zum Sommernachtstraum. Anfangs wurde erklärt, daß Mendelssohn sich sein ganzes Leben lang für Shakespeare interessiert hätte, dann wurde die Art der Komposition behandelt, und es wurden Vermutungen darüber angestellt, warum zwischen der Komposition der Ouvertüre und des restlichen Werkes ein Zeitraum von sechzehn Jahren vergangen war, und schließlich wurde auf Beziehungen zwischen den musikalischen Themen und bestimmten Elementen des Stückes hingewiesen. Es hieß weiter: »Ebenso wie diese Musik durch das Kunstwerk einer anderen Kunstgattung angeregt wurde, so hat sie ihrerseits eine dritte Gattung inspiriert - die visuellen Künste. Percival Washburn ist in der gesamten Kunstwelt durch seine Lichtmalerei bekannt. Die Zusammenarbeit dieses begabten jungen Künstlers mit André Holderlin und dem New Yorker Cantabile-Orchester ist eines der wichtigsten Ereignisse dieser Spielzeit. Die Orchesterstimme, die heute normalerweise von einer Tuba gespielt wird, ist in dieser Aufführung mit einer Ophiklëide besetzt, um eine möglichst genaue Übereinstimmung mit den Absichten des Komponisten zu erzielen.

Wir bedauern, daß die Beleuchtung der Notenpulte während der Aufführung brennen muß. Der Hochzeitsmarsch jedoch wird auswendig gespielt werden.«

Der Schöpfer dieser Programmnotizen hatte offensichtlich Schwerarbeit geleistet. Ebenfalls offensichtlich war, daß seine Arbeit, wenn auch nicht ganz, so doch fast vergeblich war. Denn die Programmhefte waren entweder bis Seite fünfzehn aufgeschlagen oder gar nicht geöffnet, als das Publikum in der großen Pause durch das weite Foyer mit seinen Marmorsäulen und goldenen Vorhängen promenierte, dessen Mittelpunkt eine Statue bildete - ein überlebensgroßer Marmortorso ohne Kopf und Arme. Nur wenige Leute benutzten die Gelegenheit, im Programmheft zu lesen. Eine der eifrigsten Leserinnen, ein großes kräftiges Mädchen mit randloser Brille und einem festen Haarknoten, lehnte an einer Säule, nur wenige Schritte von einem Vorhang entfernt, über dem eine Tafel mit der Aufschrift »Herren« angebracht war. Als sie zu Ende gelesen hatte und den Kopf hob, kam ein kleiner, untersetzter junger Mann, dessen Brille genau der ihren entsprach, hinter dem Vorhang hervor und lächelte sie an. Vor ihrem grimmigen Gesicht wurde das Lächeln unsicher.

»Du hast gesagt, das soll ein Konzert sein und kein Potpourri«, sagte das Mädchen vorwurfsvoll mit einer Lautstärke, die einen Fußballplatz hätte füllen können.

Im Foyer herrschte einen Augenblick überraschte Stille, dann wurden die Gespräche wieder aufgenommen. Der junge Mann wurde rot, ging rasch zu dem Mädchen, nahm ihre Hand und begann, leise auf sie einzureden. Dabei stellte er sich auf die Zehenspitzen, damit sein Mund dicht an ihrem Ohr war. Ein Gong ertönte, und die Leute begannen in den Konzertsaal zu strömen, aber das Paar blieb an der Säule stehen. Der junge Mann redete noch immer. Endlich ließ sich das Mädchen wieder in den Saal führen. Einige Reihen hinter ihnen wischte sich ein Mann mit dem Taschentuch das Gesicht, während die rechts neben ihm sitzende Frau ein kleineres Taschentuch benutzte, um die Tränen zu trocknen, die ihr über das Gesicht strömten.

Das Licht wurde langsam dunkler und ging schließlich aus. Surrend hob sich der Vorhang und gab den Blick auf eine Bühne frei, die, abgesehen von zahlreichen bogenförmig angeordneten Lichtpunkten, völlig dunkel war. Beifall brauste auf, hauptsächlich von den hinteren Reihen des Parketts und von den Rängen, von wo aus anscheinend die Lampen der Notenpulte nicht zu sehen waren. Der Applaus steigerte sich, als ein Scheinwerfer von oben das Podium mit André Holderlin anstrahlte, der dem Publikum den Rücken zugekehrt und die Arme erhoben hatte. Der Beifall verstummte, und plötzlich verschwand der Dirigent, nur seine Hände blieben sichtbar.

Die schlanken, geschmeidigen Hände bearbeiteten die Luft. Flöten ließen ein E und ein Gis erklingen, und gleichzeitig zerschnitt ein blaßgelber Lichtstreifen die Dunkelheit über der Bühne und zersplitterte in tausend Bruchstücke. Klarinetten fielen ein, begleitet von einem orangefarbenen Streifen. Jetzt Fagotte und Hörner, mandarinenfarben und rot, die Streifen vereinigten sich zu einem Bogen mit einer Lücke zwischen Rot und Orange. Beim Einsatz der Oboen füllte sich die Lücke mit Gold. Dann Geigen und Bratschen - zwei grüne Streifen, der eine hell, der andere dunkler, die wie Blätter über den ständig bewegten Händen erschienen. Die Geigen begannen ein eiliges Stakkato, und der hellgrüne Streifen teilte sich in zwei lange Teile, die hier und dort und überall umherschossen. Mit dem Einsatz von Blech und Pauken erschien ein kreisförmiges Spektrum. Dann explodierte der Kreis in eine Vielzahl von Stücken, die sich alle wie in einem Kaleidoskop über den Händen bewegten, die ebenfalls ständig in Bewegung waren. Grellbunte Lichtfluten folgten einander in schwindelerregender Schnelligkeit, und dann endete die Ouvertüre, wie sie begonnen hatte, mit einem Bogen, und eine Lücke entsprach dem Schweigen der Oboen. Dann Dunkelheit über den Händen. Das Scherzo war ein einziges Flattern und Wirbeln - ganz anders als die klaren Linien der Ouvertüre. Mit dem Eingangsakkord der Holzbläser erschienen Schlangen in den Farben von Zitronen, Orangen und Mandarinen, die aus den Fingerspitzen des Dirigenten in die Finsternis aufzusteigen schienen. Sie glitten hierhin und dorthin, kreuzten sich, trennten sich, kreuzten sich wieder. Beim Einsatz der anderen Instrumente und der sie begleitenden Farben entstand ein wirres Durcheinander von Schlangen, die sich im Todeskampf zu winden schienen, und es wurde immer schwieriger, eine direkte Beziehung zwischen Licht und Klang herzustellen. Die Zuhörer, denen es dennoch gelang, müssen sich gewundert haben, daß im Takt 352 das Fagott leise von der Ophikleide begleitet wurde, obwohl nirgends in dem Gewirr eine königsblaue Flamme, die Farbe der Ophikleide, zu sehen war; diejenigen die außerdem auch noch die Partitur kannten, müssen sich noch mehr gewundert haben, denn im Takt 352 kommt überhaupt keine Ophikleide vor.

Das Scherzo endete.

Gekicher auf der Bühne.

»Lassen Sie das, Chris.« Zorniges Flüstern. »Für ein so unkünstlerisches Verhalten können Sie mit der Gewerkschaft Ärger kriegen.«

»Was ist denn an dem Konzert künstlerisch?«

»Verdammt richtig. Keine weitere Reklame mehr, Marty.«

Das Intermezzo. Kugeln aus Licht stießen zusammen, prallten voneinander ab, stießen zusammen, prallten wieder ab, als ob sie von einem riesigen unsichtbaren Billardstock gestoßen würden, den ein riesiger unsichtbarer Billardspieler dirigierte. Die Zuhörer, die immer noch nach Übereinstimmungen suchten, hatten es jetzt leichter. Doch nicht viel, denn wieder war die aufdringliche Ophikleide zu hören, obwohl sie in der Partitur fehlte und auch nicht von ihrer Farbe begleitet wurde. Leise spielte sie die Stimme der Klarinetten; jetzt die der Oboen; jetzt die der Flöten und Klarinetten; in den Schlußtakten begleitete sie das zweite Fagott, die Cellis, die Kontrabässe, und sie spielte so laut, als ob sie ein Recht auf diese Stimme hätte.

Wieder Lachen auf der Bühne. Zögernder Applaus.

»Holderlin muß vor Wut verrückt werden.«

Lauteres Lachen.

Die Nocturne. Wellenlinien durchschnitten die Dunkelheit über den Händen des Dirigenten und blieben stehen. Das erste Horn nahm weich und zart das Thema auf; oben Wellen aus orange, blaßgrün, smaragdgrün, tannengrün, dazu eine schwebende rote Kugel wie eine tropische Sonne. Als das zweite Horn einsetzte, erschien eine rote Welle zwischen den anderen Wellen, sie löste sich langsam auf und überließ das Solo dem ersten Horn. Das Solo? Nicht ganz, denn das Horn hatte einen tiefen, gedämpften Begleiter, obwohl die rote Kugel den Raum über den Wellen für sich allein hatte. Das Spiel klang nicht mehr so weich. Bei der letzten Wiederholung des Solothemas - mit der begleitenden Ophikleide - klang das Horn ein bißchen gequält, als ob der Bläser das Thema...
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