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Du hast ein dunkles Lied mit meinem Blut geschrieben

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
286 Seiten
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am18.12.20181. Auflage
Wenn Schuld nicht verjährt ... Véra Cabral arbeitet als Notfallpsychiaterin, und in ihrem Leben ist mal wieder allerhand los. Ständig hat sie Stress mit der Familie und den Kollegen aus dem Krankenhaus. Dann wird Véra zu einem wirklich gefährlichen Einsatz gerufen: In einem Frauengefängnis wurde eine Wärterin ermordet. Die Delinquentin hat sich in einer Zelle verbarrikadiert und hält ein kleines Baby in ihrer Gewalt. Eine Verzweiflungstat? Véra ist mehr als skeptisch. ln wenigen Tagen wäre die junge Frau nämlich entlassen worden ...

Virginie Brac ist eine der renommiertesten französischen Kriminalautorinnen. Im Jahr 2004 wurde sie für ihr Werk mit dem Grand Prix de Littérature Policière ausgezeichnet.
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Produkt

KlappentextWenn Schuld nicht verjährt ... Véra Cabral arbeitet als Notfallpsychiaterin, und in ihrem Leben ist mal wieder allerhand los. Ständig hat sie Stress mit der Familie und den Kollegen aus dem Krankenhaus. Dann wird Véra zu einem wirklich gefährlichen Einsatz gerufen: In einem Frauengefängnis wurde eine Wärterin ermordet. Die Delinquentin hat sich in einer Zelle verbarrikadiert und hält ein kleines Baby in ihrer Gewalt. Eine Verzweiflungstat? Véra ist mehr als skeptisch. ln wenigen Tagen wäre die junge Frau nämlich entlassen worden ...

Virginie Brac ist eine der renommiertesten französischen Kriminalautorinnen. Im Jahr 2004 wurde sie für ihr Werk mit dem Grand Prix de Littérature Policière ausgezeichnet.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783688116614
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum18.12.2018
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.2
Seiten286 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.4074147
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1

NORMALERWEISE sollte ich ganz woanders sein. Normalerweise, das heißt, wenn die französische Psychiatrie nicht gerade total den Bach runterginge, sollte ich auf dem Weg zu einer schicken Party in einer Villa am Park von Saint-Cloud sein. Und warum bin ich es nicht? Warum leben Notfallpsychiater nicht in Saus und Braus? Weil es den Leuten immer schlechter geht. Nicht bloß den Psychiatern, allen anderen auch.

Die Lampions auf dem Fest verlöschen einer nach dem anderen, während ich mit unserer Einsatzkoordinatorin Sheila, die mich per Funk im Auto angerufen hat, harte Verhandlungen führe.

«Warum ich? Haben die keinen Psychiater in Fleury?»

«Er sagt, er braucht Hilfe.»

«Wir alle brauchen Hilfe. Außerdem habe ich keinen Bereitschaftsdienst. Ruf die anderen an.»

Ich erzähle ihr nicht, dass ich auf die tolle Idee gekommen bin, zu dieser Einladung meine geschiedene Schwester mitzunehmen, die jetzt neben mir im Auto sitzt. Was soll ich bloß mit ihr machen? Sie von der Stadtautobahn aus zurücktrampen lassen? Oder soll sie lieber den ganzen Abend lang auf dem Gefängnisparkplatz im Auto rumsitzen?

Samstagabend, Porte de Vincennes. Die Autos schieben sich dicht an dicht voran, die Straßenlaternen recken sich dem malvenfarbenen Himmel entgegen, als witterten sie eine verheißungsvolle Nacht. Ich höre, wie sich Sheila mit Christian rumzankt, dem neuen Psychiater in unserem Team. Sie hat ihn mitten in einem Einsatz erwischt, was seinem genervten Flüstern sehr gut anzuhören ist.

«Unmöglich. Ich hab grade einen Selbstmordversuch am Hals, ich kann hier nicht weg.»

«Es ist aber ein Code 10», beharrt Sheila.

 

«Ehrlich, Sheila. Ich habe hier beide Hände voll zu tun.»

Er unterbricht den Funkkontakt. Der Selbstmordversuch macht ihm größere Sorgen als Sheilas gute Laune. Das ist äußerst leichtsinnig von ihm. Obwohl Sheila auf der untersten Sprosse der Leiter steht, verfügt sie über Mittel und Wege, uns das Leben zur Hölle zu machen. Als Telefonistin, die unsere Einsätze koordiniert, hat sie die Macht, uns spät in der Nacht weit weg und zu den richtig gemeinen Fällen zu schicken.

Nach ihrer Niederlage gegen Christian ermahnt sie mich.

«Das ist dein Fall, Véra. Geiselnahme in der Frauenabteilung. Sie warten schon auf dich.»

Ich gebe auf. Ich weiß schließlich, was ein Code 10 bedeutet. Ich wende mich zu Rosemarie, die als gute Gewerkschaftlerin entsetzt die Augen aufreißt.

«So was lässt du mit dir machen?»

«In Frankreich gibt es eben nicht genügend Psychiater. Dafür kann niemand etwas.»

«Was ihr braucht, sind ein paar Identifikationsfiguren. Ein paar Psychiater, die der nächsten Generation Lust darauf machen, diesen Beruf zu ergreifen.»

Im Klartext: keine solchen Kriecher wie mich.

Wir kommen an die Porte d´Italie, und während ich von der Stadtautobahn herunterfahre, erkläre ich: «Ich setze dich bei einem Taxenstand ab.»

«O nein! Ich kenne überhaupt niemanden bei den Markovitchs! Schließlich warst du diejenige, die gesagt hat, dass ich mitkommen soll!»

«Du hast mich doch darum angefleht.»

«Stimmt genau! Ich gehe nie aus! Wie soll ich da jemanden kennenlernen?»

Ich hole tief Luft. Ich kann mich jetzt nicht mit ihr streiten, auch wenn sie noch so große Lust darauf hat. Ich bin mit meinen Gedanken schon längst woanders.

«Hör mal», sage ich und bemühe mich um einen beschwichtigenden Ton, «tu mir den Gefallen und geh hin. Hugo wird garantiert total wütend sein, also sag ihm, dass ich nachkomme, sobald ich dort fertig bin.»

Fleury-Mérogis, seine Freuden, seine Leiden, die immense Ausdehnung seiner Strafvollzugsanstalt. Von außen erkenne ich die düstere Erscheinung wieder, die ich schon hundertmal im Fernsehen gesehen habe, die Betonklötze, die Mauern, die Wachtürme, die Sicherheitszäune zwischen den Gebäuden, all das in ein dämmriges Licht getaucht, das die Schattenzonen noch tiefer und dunkler wirken lässt.

Ich habe den Parkplatz kaum erreicht, als mir schon zwei uniformierte Gestalten bedeuten, das Auto abzustellen. Andere kreisen mich ein, um meine Personalien zu überprüfen. Wir wechseln mit gedämpfter Stimme ein paar kurze Sätze, dann werde ich in das Gefängnis eskortiert. Überall herrscht Stille, nur unterbrochen von einem gelegentlichen Schrei aus dem Inneren des Gebäudes oder von einem Ruf, den der Wind bis zu uns herüberträgt.

«Auf dieser Seite hier liegt die Männerabteilung», erklärt der Polizist, der mich begleitet. «Sie haben keine Ahnung, was hier los ist, andernfalls würden sie die Gelegenheit nutzen und ein richtiges Chaos veranstalten. So haben wir noch eine Chance, dass alles glattgeht.»

Wir laufen durch endlose Gänge. Die Türen öffnen und schließen sich wie Schleusen, kein Wort fällt, nichts von dem, was sich zurzeit im Frauentrakt abspielt, soll nach außen dringen.

Plötzlich verändert sich die Atmosphäre. Die inhaftierten Frauen sind wach und lauschen hinter ihren geschlossenen Zellentüren auf jeden Laut. Sie warten, sie lauern. Zwei Wärterinnen in marineblauen Röcken übernehmen mich und begleiten mich weiter bis zur Sporthalle, wo mich das übliche Aufgebot an Sicherheitskräften erwartet. Alle schweigen, sind extrem angespannt und achten auf das leiseste Geräusch.

Der Leiter des Einsatzkommandos stellt mir Dr. Ballisti vor, den Psychiater der Haftanstalt. Für einen Mann von kaum fünfzig Jahren wirkt dieser Dr. Ballisti ziemlich verbraucht. Er ist unheimlich dick, doch es sind nicht die Pfunde eines lebenslustigen Bonvivants, die er mit sich herumschleppt, sondern die eines gestressten Mannes, der seinen Körper vernachlässigt. Seine blasse Haut und seine müden Augen hinter den kleinen runden Brillengläsern lassen persönliche Katastrophen ahnen, die er offensichtlich zu vergessen sucht, indem er sich von seiner Arbeit total aufreiben lässt.

Ohne lange Vorreden fängt er mit seinen Erklärungen an.

«Es ist alles ganz schnell gegangen, als gerade die Zellen abgeschlossen und die Schlafmittel verteilt wurden. Die Insassin hat eine Aufseherin, die sie gut kannte, unter einem Vorwand in ihre Zelle gelockt. Dann hat sie ihr die Schlüssel abgenommen und sich mit ihr und dem Baby ihrer Zellengenossin, die noch nicht von der Dusche zurückgekommen war, eingeschlossen. In Anbetracht dieses präzisen Vorgehens kann man mit Bestimmtheit von einer geplanten Sache ausgehen.»

«Und niemand hat etwas gesehen?»

«Die anderen Aufseherinnen waren damit beschäftigt, die letzten Insassinnen in ihre Zellen zu bringen.»

«Ist sie bewaffnet?»

«Sie hat die Pistole der Aufseherin, die sie als Geisel genommen hat, und eine Rasierklinge. Es ist bisher kein Schuss gefallen. Sie droht damit, das Baby zu erdrosseln, wenn wir versuchen, in die Zelle einzudringen.»

«Wie alt ist das Baby?»

«Neun Monate. Es hat zuerst viel geweint, aber nachdem wir ein Fläschchen hineingereicht haben, ist es scheinbar eingeschlafen. Jedenfalls hoffe ich, dass es schläft ...»

Ich auch. Wir kennen alle beide die mögliche Alternative, nämlich dass es tot ist.

«Und die Aufseherin?»

«Sie hat geschrien, um ihre Kolleginnen zu alarmieren, aber da war es schon zu spät. Was seitdem in der Zelle vorgefallen ist, wissen wir nicht. Wir haben keinerlei Geräusche mehr gehört.»

Auch das lässt nichts Gutes ahnen.

Es ist zwanzig vor acht. Seit der Geiselnahme ist etwas mehr als eine Stunde vergangen, und die Situation lässt schon sämtliche Anzeichen einer psychologischen Blockade erkennen. Dafür gibt es mehrere Hinweise. Die Stille auf der anderen Seite der Zellentür zum Beispiel, und auch die Tatsache, dass die Insassin keinerlei Forderungen gestellt hat, deutet auf eine sich anbahnende Tragödie hin. Ich bin genauso pessimistisch wie Dr. Ballisti, aber schließlich soll ich ihm Mut machen, also frage ich nur: «Und sie hat überhaupt nicht gesagt, was sie will?»

«Doch. Dass man sie in Ruhe lässt.»

«Das war alles?»

«Sonst hat sie nichts weiter gesagt, als wir sie durch die Tür befragt haben. Sie hat uns den Eindruck vermittelt, als würden wir sie belästigen. Das ist schon reichlich seltsam. Als ob sie das Gefängnis ausgeblendet hätte. Ich dachte sofort, sie bringt das Baby ohne zu zögern um, falls wir Gewalt anwenden.»

«Ich verstehe. Kennen Sie sie aus Ihrer Sprechstunde?»

Er schüttelt betrübt den Kopf.

«Ich weiß nur, dass sie Giselle Leguerche heißt. Sie ist nie zu mir gekommen, hat sich immer vollkommen unauffällig verhalten und nie um Schlafmittel oder Beruhigungsmittel gebeten. Ich habe keine Akte von ihr, gar nichts. Für mich hat sie nicht existiert.»

Ballisti macht sich Vorwürfe, Vorwürfe, weil sie ihm durchgerutscht ist. Auch wenn täglich fünfzig Häftlinge zu ihm kommen, also viel zu viele, auch wenn er das ganze Gefängnis am Hals hat, auch wenn er nicht alles voraussehen kann, er macht sich trotzdem Vorwürfe.

«Und der Arzt?»

«Sie war sechs Monate nach ihrer Inhaftierung wegen Amenorrhö bei ihm, aber er hat keine Behandlung angefangen.»

Natürlich. Wenn man alle Frauen behandeln würde, deren Regel im Gefängnis ausbleibt, hätte man viel zu tun. Neben Haarausfall und Schlafstörungen ist das noch der geringste Preis, den sie zahlen müssen. Für den Arzt war das nichts Besonderes, und Giselle Leguerche ist kein zweites Mal zu ihm gekommen.

Ich erkundige mich, weshalb sie in Haft ist.

«Sie hat im Büro eine Kollegin umgebracht. Sie ist seit zehn Jahren hier.»

«Keine strafmildernden Umstände?»

«Soweit ich weiß, nicht. Das Opfer war ihre beste Freundin, und sie hat niemals eine...
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Autor

Karolina Fell hat schon viele große Autorinnen und  Autoren ins Deutsche übertragen, u.a. Jojo Moyes, Bernard Cornwell und Kristin Hannah.Virginie Brac ist eine der renommiertesten französischen Kriminalautorinnen. Im Jahr 2004 wurde sie für ihr Werk mit dem Grand Prix de Littérature Policière ausgezeichnet.