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Die unglaubliche Reise von Sitas Töchtern

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am16.03.2020
Ausgerechnet Indien! Die pedantische Rajni, die extrovertierte Jezmeen und die zurückhaltende Shirnia sind in London aufgewachsen, und keine der drei Schwestern zieht es in die Heimat ihrer Eltern. Aber just eine Reise nach Indien war der letzte Wunsch ihrer verstorbenen Mutter, also packen sie widerstrebend ihre Koffer. Schon bei ihrer Ankunft in Delhi scheinen sich alle Vorbehalte gegen diese ?Unternehmung zu bestätigen - und jeder Tag bringt eine neue Krise. Doch sind es gerade diese größeren und kleineren Katastrophen, die den Schwestern schließlich zeigen, dass sie mehr verbindet, als sie je geahnt hätten ...

Balli Kaur Jaswal wurde in Singapur geboren und hat rund um den Globus gelebt: auf den Philippinen, in Japan, Russland, den USA, in Großbritannien, Australien und der Türkei. Sie hat als Lehrerin an verschiedenen internationalen Schulen gearbeitet, bevor sie mit ihrem Mann wieder nach Singapur gezogen ist, wo sie sich nun ganz dem Schreiben widmet.
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Produkt

KlappentextAusgerechnet Indien! Die pedantische Rajni, die extrovertierte Jezmeen und die zurückhaltende Shirnia sind in London aufgewachsen, und keine der drei Schwestern zieht es in die Heimat ihrer Eltern. Aber just eine Reise nach Indien war der letzte Wunsch ihrer verstorbenen Mutter, also packen sie widerstrebend ihre Koffer. Schon bei ihrer Ankunft in Delhi scheinen sich alle Vorbehalte gegen diese ?Unternehmung zu bestätigen - und jeder Tag bringt eine neue Krise. Doch sind es gerade diese größeren und kleineren Katastrophen, die den Schwestern schließlich zeigen, dass sie mehr verbindet, als sie je geahnt hätten ...

Balli Kaur Jaswal wurde in Singapur geboren und hat rund um den Globus gelebt: auf den Philippinen, in Japan, Russland, den USA, in Großbritannien, Australien und der Türkei. Sie hat als Lehrerin an verschiedenen internationalen Schulen gearbeitet, bevor sie mit ihrem Mann wieder nach Singapur gezogen ist, wo sie sich nun ganz dem Schreiben widmet.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641253110
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum16.03.2020
SpracheDeutsch
Dateigrösse1940 Kbytes
Artikel-Nr.4279718
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Prolog

Meine liebsten Kinder,

wenn ihr das lest, dann wisst ihr, mein Ende ist gekommen. Ich hoffe, unsere letzten gemeinsamen Augenblicke verliefen friedlich und liebevoll, und ich habe euch sagen können, wie sehr ich jeden Einzelnen von euch liebe und schätze. Wenn nicht, hoffe ich, ihr alle wisst, wie sehr ihr mein Leben bereichert habt. Ich bin so stolz auf euch und auf den Weg, den ihr im Leben eingeschlagen habt. Ich hatte das unbeschreibliche Glück, eure Siege und Niederlagen, euren Herzschmerz und euer Glück miterleben zu dürfen. Euch von der Kindheit bis ins Erwachsenenalter begleiten zu dürfen hat mir die Möglichkeit eröffnet, viele Leben zu leben, und so kommt es mir heute vor, als hätte ich in meiner kurzen Zeit hier in diesem Universum unendlich viele verschiedene Welten betreten.

Natürlich gibt es einiges zu besprechen, darunter mein Testament und meinen Nachlass, aber dazu kommen wir später. Ich verlasse mich auf die Anwälte, die mit euch über euer Erbe und die Aufteilung von Grundbesitz und Vermögen sprechen werden, sobald sämtliche Formalitäten erledigt sind. Wenn ihr schon vorher mehr wissen wollt, seht bitte in die Anlage.

Bitte gebt gut Acht auf euch und aufeinander. Nehmt euch nicht nur zu besonderen Gelegenheiten Zeit, zusammen zu sein und den Familienzusammenhalt zu stärken. Wenn ich eins gelernt habe, dann, dass es das Wichtigste im Leben ist, einander zu zeigen, wie sehr wir uns schätzen. Denkt daran, es gibt nichts Wichtigeres.

Das war der Brief, den Sita Kaur Shergill die alte Frau aus dem Nebenbett am Telefon diktieren hörte. Mehrmals drohte ihr dabei die Stimme zu brechen, und sie musste kurz innehalten, um zu seufzen und sich umständlich zu schnäuzen. Sita hatte ihren Fernseher etwas leiser gestellt, als die Sache mit den Anwälten kam - am meisten interessierte sie eigentlich, was diese Frau ihren Kindern zu hinterlassen hatte, aber die »Anlage« war von ihrer Seite der Abtrennung aus leider nicht einsehbar. Sie kannte die Kinder vom Sehen. Regelmäßig kamen sie, um ihre Mutter zu besuchen - zwei Söhne mittleren Alters, womöglich Zwillinge, allerdings mit äußerst unterschiedlichen Ernährungsgewohnheiten, sowie eine gutaussehende blonde Frau, die immer dieselben tröstenden Worte sagte: »Wir sind da, Mum. Wir sind da.« Oft kamen sie einzeln und gingen dann zusammen, legten einander die Hand auf die Schulter und plauderten über belanglose Dinge wie Parkplätze oder die stetig nachlassende Qualität der miesen Plörre aus der Krankenhaus-Cafeteria.

Sita drückte den Summer auf ihrer Fernbedienung und bat die Schwester, die daraufhin kam, um nach ihr zu sehen, um einen Stift und ein Blatt Papier. Es war frühmorgens, noch vor Beginn der Besuchszeit. Die beste Zeit, um übers Sterben nachzudenken. Die Schmerzen hatten inzwischen ihren ganzen Körper erfasst, sie strahlten von den Zehen bis in die Schläfen und vibrierten in ihren Knochen. Dem Morphium zum Trotz war der Schmerz allgegenwärtig - an guten Tagen sah sie ihn schemenhaft in den Schatten am Rand ihres Blickfelds kauern, an schlechten wrang er ihren zerbrechlichen Körper wie ein nasses Handtuch. Heute fühlte sie sich stark genug, um sich aufzusetzen. Der Brief der Frau im Nebenbett war ihr Ansporn, und wundersamerweise kam die Schwester augenblicklich ihrer Bitte nach.

Meine liebsten Töchter, setzte sie an. Dann brach sie ab und runzelte die Stirn. Wann hatte sie ihre Kinder je als ihre »Liebsten« bezeichnet? Sie strich die Zeile aus und fing noch einmal von vorne an. An Rajni, Jezmeen und Shirina. So - erst mal für ihre ungeteilte Aufmerksamkeit gesorgt. Früher stand sie oft unten an der Treppe und rief alle drei Töchter, auch wenn eigentlich nur eine von ihnen gemeint war. Für die beiden anderen fand sich immer etwas zu tun, wenn sie erst einmal da waren. Das ging so lange so, bis Jezmeen irgendwann anfing zurückzurufen: »WEN VON UNS MEINST DU GENAU?«

An Rajni, Jezmeen und Shirina

Inzwischen bin ich tot. Und das ist auch gut so, schließlich habe ich genug gelitten in diesem unerträglichen Leben - nichts als Plackerei und Leid und Sorge, und warum das alles? Bitte genießt eure Gesundheit, solange ihr sie habt, denn wenn euer Körper euch erst einmal den Dienst verweigert, ist ohnehin alles zu spät.

Nein, so ging das nicht. Das war zu schonungslos ehrlich. Wären das ihre letzten Worte, sie würden ihr das nie verzeihen. Sie faltete das Blatt und legte es auf den Beistelltisch mit dem Kuli als Briefbeschwerer obendrauf. Dann schloss sie die Augen. Wie sollte man sie in Erinnerung behalten? Sie war Ehefrau gewesen, Mutter, Witwe, Großmutter. Bei Sikh-Totenfeiern gab es keine Trauerreden, weshalb es ihren Töchtern erspart bleiben würde, eine Liste ihrer mageren Erfolge herunterzubeten. An manchen Tagen glaubte sie zu wissen, welche ihrer Töchter sie am wenigsten liebevoll in Erinnerung behalten würde. An besseren Tagen sagte sie sich zuversichtlich, ihre Kinder würden sich zumindest darin einig sein, dass sie stets bemüht gewesen war.

Sita drückte abermals auf den Knopf, um die Krankenschwester zu rufen. Diesmal dauerte es ein bisschen länger, aber irgendwann kam das klapperdürre junge Mädchen mit den vielen Tätowierungen und dem halb kahl geschorenen Schädel. Sie war nicht so nett wie die jamaikanische Schwester, die ihr immer freundlich die Schulter tätschelte und sagte: »Ruhen Sie ein bisschen«, aber sie lächelte, als Sita sie fragte: »Wie alt sind Sie eigentlich?«

»Siebenundzwanzig«, antwortete sie. Das Mädchen hatte seitlich ein auffälliges Zickzack-Muster in die Haare rasiert, und Sita fragte sich, was das für ein Mann sein musste, dem so etwas gefiel.

»Waren Sie schon mal in Indien?«, fragte sie.

»Nein«, sagte die Schwester mit leichtem Bedauern, sehr zu Sitas Freude.

»Wenn Ihre Mutter Sie um einen Gefallen bitten würde, ganz gleich, um welchen, würden Sie es dann tun?«, fragte sie.

Die Schwester schob Sitas Tischchen zum Fußende des Bettes, damit sie die Decke hochziehen konnte, die sich um Sitas Füße gewickelt hatte. »Natürlich«, erwiderte sie. »Also, falls Sie noch irgendwas brauchen ...«

»Welche Religion haben Sie?«, wollte Sita wissen.

Mit schmalen Augen sah das Mädchen sie an. »Ich finde, das ist eine ziemlich persönliche Frage.«

Sita runzelte die Stirn. Es hatte seinen Grund, warum sie die jamaikanische Schwester lieber mochte. Die trug ein zierliches Goldkreuz an einer Kette um den Hals, das ihr immer im V-Ausschnitt der Schwesterntracht baumelte. »Allmächtiger«, schnaufte sie leise, wenn sie am Ende einer langen Schicht den geschundenen Rücken reckte und streckte.

»Könnten Sie mir bitte meinen Stift und das Papier geben?«, bat Sita. Das Mädchen griff in die Schublade des Schränkchens gleich neben dem Bett, und Sita blieb fast das Herz stehen vor Schreck. Doch nicht da!

»Die liegen da oben auf dem Tisch«, bemerkte Sita spitz und wies auf das Tischchen, an das sie nun selbst nicht mehr herankam. Es war zwar eher unwahrscheinlich, dass die Schwester lange Finger machen und Sitas Schmucktasche aus der Schublade klauen würde, wo sie eingeklemmt zwischen Gebetbuch und Handyladegerät lag, aber Sita war alt genug, um zu wissen, dass man gar nicht vorsichtig genug sein konnte. Das Mädchen schob den Tisch wieder ans Bett und ging dann, vermutlich, um sie leise zu verfluchen und den anderen Schwestern brühwarm zu erzählen, die alte Mrs Shergill könne jetzt aber wirklich allmählich mal den Löffel abgeben. Letzte Woche hatte Rajni das Schwesternzimmer gestürmt und ihnen ordentlich die Meinung gegeigt, weil sie Sita während einer besonders schlimmen Schmerzattacke zitternd im Bett liegen gelassen hatten. »Es ist mir schnurzpiepegal, ob sie schon eine Decke hat. Holen Sie ihr gefälligst noch eine«, hatte Rajni sie beinahe angeschrien, und Sita wollte vor Dankbarkeit fast weinen und ihre Tochter gleichzeitig dafür rüffeln, dass sie so eine Szene machte.

Der Schmerz kroch wieder in ihren Körper, und sie spürte, es würde ein schlechter Tag werden. Ihre Töchter wollten sie heute Nachmittag besuchen - hoffentlich alle drei, denn Rajni hatte Shirina angerufen und ihr gesagt, sie solle sich in den nächsten Flieger setzen, weil ihrer Mutter nur noch ein paar Tage blieben. Sie musste diesen Brief zu Ende schreiben, bevor die Kraft sie endgültig verließ.

An Rajni, Jezmeen und Shirina

Erinnert ihr euch noch, als ich die Krebsdiagnose bekommen habe und nach Indien fahren und eine Pilgerreise machen wollte, zu Ehren der Lehren unseres großen Gurus? Ihr und die Ärzte habt mir davon abgeraten und gesagt, das sei keine gute Idee, weil ich damals schon so gebrechlich war. Aber ich glaube, eine solche Reise hätte meinen Geist erfrischt und meine Seele erfreut, wenn schon nicht meine körperliche Verfassung verbessert.

Angefügt eine Liste von Orten, die ihr an meiner Stelle besuchen sollt, wenn ich nicht mehr bin. Sie liegen in Delhi, Amritsar und anderswo.

Die ganze Reise wird etwa eine Woche dauern. Ihr sollt zusammen hinfahren und alle Aufgaben gemeinsam erledigen, wie ich sie euch auftrage: Seva, um anderen zu dienen und euch in Bescheidenheit zu üben; ein rituelles Sarovar-Bad, zur Reinigung und zum Schutz der Seele vor Anfechtungen; und eine Wanderung zu den höchsten Gipfeln der Spiritualität, um euren Körper wieder schätzen zu lernen, der euch in diesem Leben beherbergt. Außerdem möchte ich, dass meine Asche in...

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Autor

Balli Kaur Jaswal wurde in Singapur geboren und hat rund um den Globus gelebt: auf den Philippinen, in Japan, Russland, den USA, in Großbritannien, Australien und der Türkei. Sie hat als Lehrerin an verschiedenen internationalen Schulen gearbeitet, bevor sie mit ihrem Mann wieder nach Singapur gezogen ist, wo sie sich nun ganz dem Schreiben widmet.