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Stock, Stein, Tod

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
283 Seiten
Deutsch
Gmeiner Verlagerschienen am17.04.20192019
Sommerferienflaute? Nicht in diesem Jahr. Der Juli beschert dem Polizeiermittler Andrea Bernardi gleich drei tote Männer in Zürich. Einer stürzte am Uetliberg in den Tod, einer kam unter den Zug und der Dritte wurde ermordet im Gebüsch gefunden. Was haben der angstfreie Börsenmakler, der zurückgezogene Schwede und der arrogante Aufreißer gemeinsam? Die Telefonnummer der attraktiven Angela Rieser. Hat sie ein düsteres Geheimnis? Oder ist sie wirklich nur die harmlose Fitnesstrainerin, die sie vorgibt zu sein?

Irène Mürner, geboren und aufgewachsen in St. Gallen, ist begeisterte Weltenbummlerin, ehemalige Lehrerin, Flugbegleiterin und Stadtzürcher Polizistin. Als Kolumnistin hat sie unter anderem die Freuden und Leiden der Polizistenseele durchleuchtet. Nach knapp eineinhalb Jahrzehnten Zürich lebt und arbeitet sie derzeit als Autorin und Bloggerin in Nairobi. Mürner ist verheiratet und hat zwei Kinder.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR10,99
E-BookPDF1 - PDF WatermarkE-Book
EUR10,99

Produkt

KlappentextSommerferienflaute? Nicht in diesem Jahr. Der Juli beschert dem Polizeiermittler Andrea Bernardi gleich drei tote Männer in Zürich. Einer stürzte am Uetliberg in den Tod, einer kam unter den Zug und der Dritte wurde ermordet im Gebüsch gefunden. Was haben der angstfreie Börsenmakler, der zurückgezogene Schwede und der arrogante Aufreißer gemeinsam? Die Telefonnummer der attraktiven Angela Rieser. Hat sie ein düsteres Geheimnis? Oder ist sie wirklich nur die harmlose Fitnesstrainerin, die sie vorgibt zu sein?

Irène Mürner, geboren und aufgewachsen in St. Gallen, ist begeisterte Weltenbummlerin, ehemalige Lehrerin, Flugbegleiterin und Stadtzürcher Polizistin. Als Kolumnistin hat sie unter anderem die Freuden und Leiden der Polizistenseele durchleuchtet. Nach knapp eineinhalb Jahrzehnten Zürich lebt und arbeitet sie derzeit als Autorin und Bloggerin in Nairobi. Mürner ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783839259764
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum17.04.2019
Auflage2019
Reihen-Nr.5
Seiten283 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.4288537
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1.

Angst stürzte wie eine erstickende Decke vom Himmel. Sie musste hier weg. Und zwar sofort. Schnell. Schneller. Schneller! Ihre Beine brauchten keinen Befehl, wie von selbst flogen sie über den Waldboden. Durch eine Dunkelheit so undurchdringlich, dass sie kaum ihre eigene Hand vor Augen sah. Das war gefährlich. Sogar für sie, die sie die Strecke kannte. Wie hatte sie nur so bodenlos leichtsinnig sein können, mit ihm zu gehen, obwohl der Föhreneggweg doch nach dem Erdrutsch im Mai gesperrt worden war! Die Routen hier waren nicht einmal bei Tageslicht zu unterschätzen und jetzt, wo der Gemeinderat den Zusatzkredit für die Instandhaltung aus Spargründen verweigert hatte, sowieso!

Was war der Mensch ein seltsames Wesen, hier war sie, rannte Hals über Kopf quasi blindlings ins Verderben und machte sich gleichzeitig Gedanken über blödsinnige Entscheide unfähiger Politiker.

Wild hämmerte ihr Herz in der Brust. Auf welchem der verschlungenen Pfade befand sie sich überhaupt? Sie versuchte sich zu orientieren. In der ersten Panik war sie übereilt in die Richtung zurückgehastet, aus der sie gekommen waren und hatte die Gratstraße schließlich in der Senke zwischen Staffel und Annaburg verlassen. Der schmale Steg war an dieser Stelle eine einfache Holzkonstruktion und einzig eine Geländerstange rettete sie vor der Leere darunter. Sie hielt sich daran fest und rang nach Atem.

Keine gute Idee. Sofort sprang sie die unheimliche Finsternis wieder an. Diese verdichtete Nacht. Der schaurige Wald. Was mochte hier alles lauern? War ihr jemand gefolgt? Sah sie einen Schatten hinter dem Baum? Bewegte sich dort etwas? Sie wurde beobachtet. Plötzlich war sie sich sicher, dass ihr jemand folgte. Irgendjemand oder irgendetwas war ihr auf den Fersen.

Sei kein Dummkopf. Reiß dich zusammen. Um diese Zeit kann es hier höchstens Füchse, Rehe und vielleicht noch ein paar Hasen geben.

Es war vergebliche Liebesmüh, alle rationalen Gedanken halfen im Moment nicht. Sie zuckte zusammen, als ganz in der Nähe etwas knackte, wagte nicht, sich umzuschauen und verfiel stattdessen wieder in einen angsterfüllten Laufschritt. Gleichzeitig durchwühlte sie fieberhaft ihre Tasche auf der Suche nach der Stirnlampe. Sofort fiel ihr ein, dass sie die Batterie hatte auswechseln wollen und das Ding daher nutzlos daheim auf dem Küchentisch lag. Stattdessen stießen ihre Finger an die Schlüssel, ihr Portemonnaie, einen Stift und die Zahnstocher. Sie lachte hysterisch, die Zahnstocher. Wunderbar. Das hatte sie nun von ihrem obsessiven Zahnputzzwang. Wider besseres Wissen hoffte sie auf ein Wunder, aber ihre Hände kramten vergeblich. Warum hatte sie sich nie einen Schlüsselanhänger mit integrierter Taschenlampe zugelegt? Und wo war das verdammte Handy? Wieder durchzuckte sie die Erkenntnis. Er hatte ihr das Telefon nicht mehr zurückgegeben. Auch das noch. Mit dem Handy hätte sie sich den Weg zur Not erhellen können.

Bevor sie in Tränen der Verzweiflung ausbrechen konnte, überraschte sie der Gedanke an die Legende vom Hirsch mit dem leuchtenden Geweih am Uetliberg. Den hätte sie jetzt wahrlich gebrauchen können. Aber der half ja nur Königstöchtern. Angeblich hatte er Hildegard und Bertha, die Kinder Ludwigs des Deutschen, ein Enkel Karls des Großen, von der Burg Baldern durchs dunkle Tann nach Zürich zum Gebet geführt. Aber sie war weder Königstochter noch zum Gebet unterwegs und schon gar nicht hatte sie einen Vater, der zum Dank einfach ein Großmünster hinklotzen konnte. Sie hatte überhaupt keinen Vater. Und auch sonst niemanden.

Ihre Schuhe rutschten. Sie hörte, wie Kiesel den Abhang hinunterkullerten. Verdammt. Wieder überfiel sie Panik. Diesmal nicht wegen der wilden Tiere oder etwaigen Verfolgern, sondern weil der Weg steil war und immer wieder neue Gabelungen auftauchten. Sie wusste nur zu gut vom unübersichtlichen Wirrwarr, in welchem sich die Menschen allzu oft hoffnungslos verloren. Wie hatte sie nur in eine so lebensbedrohliche Situation geraten können? Gregor. Dieser Vollidiot. Ihm, ihm allein verdankte sie es, wenn sie verunfallen sollte und hier nicht mehr heil herauskam.

Es konnte doch nicht sein, dass all die Jahre überhaupt nichts geändert hatten. Dass sein Auftauchen genügte, um aus ihr wieder ein dummes Häschen zu machen. Mit zwanzig hatte man ihr das noch mit nachsichtigem Wohlwollen durchgehen lassen können. Aber heute? Sie wurde wütend. Sehr gut. Das half. Was glaubte er eigentlich? Dass sie tatsächlich auf ihn gewartet hatte? Ging s eigentlich noch? Es war zu spät, viel zu spät.

Endlich wurde es eine Spur heller. Rechts konnte sie jetzt die Lichter der Stadt erkennen. Und gerade eben waren da links noch diese Höhlen gewesen. Bemooste, halb verfallene Bänke, all die steilen Runsen, sie musste sich auf dem Linderweg befinden. Aber statt, dass sich Erleichterung breit gemacht hätte, wurde ihr noch mehr Angst. Ausgerechnet auf dem Linderweg. Dann hatte sie auch den Dürlerstein passiert. Die Erinnerung an Friedrich von Dürler, das Absturzopfer. Tot war er gewesen, der Bergsteiger, nachdem er eine Rinne hinuntergerutscht und sich beim Sturz böse den Kopf angeschlagen hatte. War das ein schlechtes Omen?

Um Himmels willen, was war nur geschehen?

Wenn er ihr wenigstens vorher gesagt hätte, wo s hingehen sollte. Dann hätte sie doch nicht dieses unmögliche, enge Wickelkleid und die offenen Schuhe angezogen. Plötzlich hörte sie wieder seine Worte: »Ich möchte dir etwas zeigen.« Wenig begeistert hatte sie geantwortet: »Hm, weißt du, wie oft ich schon auf dem Uetliberg war? Ich glaube kaum, dass du mir hier noch etwas zeigen kannst.«

»Wart s ab, es geht um die Kombination mit unseren Erinnerungen.«

Natürlich hatte er Recht gehabt. Über der Falletsche sah es tatsächlich ganz ähnlich aus wie damals in Norwegen auf dem Floien hoch über Bergen. Mit dieser Aussicht an diesem Platz hatte er mehr Vergangenheit heraufbeschworen, als ihr lieb war. Bergen war ihre letzte gemeinsame Station gewesen. Danach war der Bruch gekommen, dort hatte nach fast fünf Jahren fester Partnerschaft das Schicksal zugeschlagen und alles den falschen Lauf genommen. In jenem Alter waren fünf Jahre eine Ewigkeit, und er war ihr erster richtiger Freund gewesen.

Es gab ein klatschendes Geräusch als ihre Füße auf eine nasse Stelle trafen. Wieder wäre sie beinahe ausgerutscht. Heilige Scheiße. Im letzten Moment gelang es ihr, sich aufzufangen. Schweiß brach aus und diesmal schossen ihr die Tränen tatsächlich in die Augen. Blöde Kuh. Benimm dich nicht wie ein Baby. Es reicht. Hör auf. Du bist keine verdammte Heulsuse, sondern eine fast 40-Jährige Frau, die mitten im Leben steht, das dir weiß Gott schon Schlimmeres zugemutet hat. Und wie oft bist du schon diesen Berg hoch- und runtergerannt? Vielleicht nicht gerade 4.000-mal wie Felix Denzler, der Bäckermeister, der zwischen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts die Beizen auf dem Uetliberg mit frischem Gebäck belieferte. Aber ein paar hundert Mal dürften es auch sein.

Eben.

Sehr gut.

Sie atmete tief ein und aus. Na also. Es ging doch. Sie begann wieder einigermaßen zu funktionieren. Auf ihren Verstand konnte sie sich verlassen. Der holte sie überall raus. Mit Ablenkung schaffte sie das.

Sie verlangsamte ihren Schritt, hier zu rennen, kam einem Selbstmord gleich. Ein unkontrolliertes, hysterisches Kichern kroch ihren Hals hoch. Selbstmord. Selbst. Mord.

Sie zwang ihre Gedanken in eine andere Richtung. Wenn sie etwas beherrschte, dann ihre Einbildung zu kontrollieren, sie in eine von ihr gewünschte Richtung zu lenken und vor allem, ihren Kopf vom Rest zu isolieren.

Vor wenigen Wochen war Gregor überraschend wieder in ihrem Leben aufgetaucht. Sie hatte nicht gewusst, ob sie sich über sein Erscheinen freute. Nach diesen Jahren der absoluten Funkstille hatte sie nicht mehr mit ihm gerechnet. Und schon gar nicht mit dem Vorschlag, den er ihr unterbreitet hatte. Natürlich war er immer schon verrückt und für eine Überraschung gut gewesen. Aber mit dieser Idee hatte er den Vogel abgeschossen. Und sie völlig überrumpelt. Einerseits hatte es ihr geschmeichelt, andererseits fand sie es äußerst seltsam. Eine Genugtuung aber war es auf jeden Fall gewesen. Dennoch war selbstverständlich absolut lächerlich, was er vorschlug und er hatte nicht im Ernst glauben können, dass sie darauf einging. Wie lange hatten sie sich nicht gesehen? Zwei Jahrzehnte? Das mochte ungefähr zutreffen.

Gregor war seit jeher verantwortungslos gewesen. Und sie hätte wissen müssen, dass er sie in Teufels Küche bringen würde. Sie hätte sich ohrfeigen können. So dumm, so blöd, so verdammt naiv.

Aufhören. Es hilft dir nicht, wenn du dich fertigmachst.

Der Wald. Bäume. Moos. Fast wie damals in Skandinavien. Nur sahen die Wälder im Norden ganz anders aus. Märchenhaft. Aber nicht wie in Hänsel und Gretel oder Rotkäppchen. Sie hatten nichts Bedrohliches, Dunkles, sondern waren hell, licht und freundlich. Voller Farne, Birken, Seen und Flüsschen. Wälder, in die Trolle, Wichtelmännchen, Kobolde und Berggeister gehörten. Ganz genauso wie sie Ibsen in seinem Peer Gynt beschrieben hatte. Sie hatte die Geschichte in jenem Sommer verschlungen und es hatte so wunderbar gepasst. In diese Tage, die niemals endeten. In diesen Sommer mit Mitternachtssonne und Heidenröschen. Es war ihre erste große Reise gewesen. Was hatte sie sich gefreut. Interrail mit ihrem Freund. Vier Wochen unterwegs sein. Mit Zug, Bus und unzähligen anderen unternehmungslustigen Trampern. Ob sie die Stationen noch...

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Autor

Irène Mürner, geboren und aufgewachsen in St. Gallen, ist begeisterte Weltenbummlerin, ehemalige Lehrerin, Flugbegleiterin und Stadtzürcher Polizistin. Als Kolumnistin hat sie unter anderem die Freuden und Leiden der Polizistenseele durchleuchtet. Nach knapp eineinhalb Jahrzehnten Zürich lebt und arbeitet sie derzeit als Autorin und Bloggerin in Nairobi. Mürner ist verheiratet und hat zwei Kinder.